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Friedrich Arnold Brockhaus - Erster Theil

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Der darüber abgeschlossene Kaufcontract trägt das Datum des 25. October 1808. Das Werk war schon bis zur ersten Hälfte des sechsten (letzten) Theils gedruckt und ausgegeben; es fehlte nur noch die zweite Hälfte (das zweite Heft) desselben und der Verkäufer machte sich selbst bei einer Conventionalstrafe von 100 Thalern verbindlich, dieses Heft, das 16, höchstens aber 20 Bogen umfassen und das Werk zu Ende führen sollte, bis zum 5. December desselben Jahres an den Käufer abzuliefern. Wir stehen nicht an, ohne Rücksicht auf das in solchen Angelegenheiten herrschende Geschäftsgeheimniß, die Kaufsumme zu nennen, für die Brockhaus das »Conversations-Lexikon«, die gesammten (freilich wol nicht bedeutenden) Vorräthe des Werks »mit allen Verlags- und sonstigen Rechten« erwarb. Sie betrug 1800 Thaler, die in vier Terminen bezahlt werden sollten: blos 100 Thaler sofort, 500 Thaler Ende Februar, je 600 Thaler zur Oster- und Michaelismesse des nächsten Jahres. Diese Summe erscheint sehr klein gegenüber der großen Verbreitung, die das Werk erlangt hat, und ist es auch in der That, selbst wenn man dabei den damaligen höhern Werth des Geldes in Anschlag bringt. Indeß darf dabei nicht übersehen werden, daß diese Verbreitung wesentlich das Verdienst des neuen Besitzers, nicht der dem Werke zu Grunde liegenden Idee war, deren ausschließliches Verlagsrecht er nicht erwerben konnte, wie sie ja vor wie nach ihm von so Manchem, freilich meist mit weniger Geschick und geringerm Erfolge, und vorzugsweise allerdings erst nach seinem Vorgange und mit offener oder versteckter Nachahmung und Benutzung seines Werks, ausgebeutet wurde. Ferner war es (und ist es noch gegenwärtig) bei diesem Werke nicht wie bei andern sogenannten »guten« Verlagsartikeln mit dem einfachen Abdruck eines druckfertigen Manuscripts gethan, sondern dasselbe verlangte Umsicht in der geistigen Herstellung, Thatkraft und Geschick in dem Vertriebe, vor allem aber bedeutende Herstellungskosten, da es zunächst durch Nachträge, auf zwei Bände berechnet, vervollständigt und eine völlige Neubearbeitung des Ganzen sofort ins Auge gefaßt werden mußte. Endlich ist die genannte Summe gegenüber den damaligen Vermögensverhältnissen des erst seit drei Jahren etablirten und doch bereits durch zahlreiche und umfangreiche Verlagsunternehmungen in Anspruch genommenen Verlegers, sowie bei dem bisherigen geringen Erfolge des Werks, das schon viermal den Besitzer gewechselt hatte, durchaus keine geringe zu nennen. Jedenfalls machte ihm keine der damaligen großen Verlagshandlungen in Leipzig oder im übrigen Deutschland den Besitz des ihnen lange bekannten Werks streitig und hatte den Muth und das Vertrauen, dieselbe oder eine höhere Summe dafür zu zahlen.

Gleichzeitig mit dem Contracte über den Ankauf des Werks hatte Brockhaus (am 16. November 1808) einen Vertrag mit dem »Redacteur und Herausgeber der letzten Bände des bei Leupold und zuletzt bei Herzog erschienenen Conversations-Lexikon«, dem Advocaten Christian Wilhelm Franke zu Leipzig, abgeschlossen. In diesem Vertrage wurde derselbe Schlußtermin für Ablieferung des Manuscripts wie in dem Contracte mit Richter für Vollendung des Drucks und Ablieferung der fertigen Exemplare festgesetzt, nämlich der 5. December des laufenden Jahres, nur ohne Conventionalstrafe und mit eventueller Verlängerung um — drei Tage: »nach und nach bis zum 5., spätestens 8. December dieses Jahres, sodaß der Druck in ungefähr derselben Zeit beendet werden kann«. Der Verleger wird wol noch manchmal die Erfahrung gemacht haben, daß solche Termine mit oder ohne Conventionalstrafe nicht gerade auf den Tag eingehalten zu werden pflegen und oft nicht eingehalten werden können, wie es auch diesmal schwerlich der Fall war. Außerdem wurde in diesem Vertrage bestimmt, daß der Redacteur die (schon von den frühern Verlegern beabsichtigten) Nachträge zu dem Werke in zwei Bänden zu je 30 Bogen sofort in Angriff nehmen und das Manuscript zum ersten Bande (A-M) bis Ende April, zum zweiten Bande (N-Z) bis Michaelis 1809 abliefern solle. Als Honorar erhielt der Redacteur, wie bisher, für den Druckbogen 8 Thaler, wofür er, wie es scheint, das Manuscript ganz druckfertig herzustellen, also auch etwaige Mitarbeiter zu entschädigen hatte — ebenfalls ein nicht eben kleiner Unterschied gegen die Honorare, die heutigentags bei diesem Werke und ähnlichen Verlagsunternehmungen gezahlt werden!

Brockhaus' eigene Thätigkeit bei dieser Vervollständigung der ersten Auflage des Conversations-Lexikon ist im Zusammenhange mit dem Verdienste, das er sich überhaupt um dieses Werk und namentlich um die spätern Umarbeitungen desselben erworben, an einer spätern Stelle zu schildern. Hier sei nur noch erwähnt, daß der erste Band der »Nachträge« 1809, der zweite Band 1811 erschien und Brockhaus sofort auch (1809) das Werk unter einem neuen, etwas veränderten Titel versandte. Er nannte es: »Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch für die in der gesellschaftlichen Unterhaltung aus den Wissenschaften und Künsten vorkommenden Gegenstände mit beständiger Rücksicht auf die Ereignisse der ältern und neuern Zeit.«

Auffallenderweise findet sich in Brockhaus' Briefen aus diesem und den nächsten Jahren keine einzige Aeußerung über den für ihn doch so wichtigen Ankauf des »Conversations-Lexikon«. Seine Correspondenz ist indeß leider auch aus dieser Zeit nur theilweise erhalten und so kann man daraus nicht folgern, daß er dem Unternehmen anfangs selbst keine große Wichtigkeit beigelegt habe.

Wie lange Brockhaus seinen ersten Besuch Leipzigs als Buchhändler ausgedehnt, ist nicht genau bekannt; am 16. November (1808) war er jedenfalls noch dort, da an diesem Tage der Vertrag mit Advocat Franke in Leipzig von ihm unterzeichnet wurde. Vermuthlich ist er entweder im December 1808 oder aber erst im Februar 1809 nach Amsterdam zurückgekehrt. Er schreibt aus Amsterdam vom 27. Februar 1809 an Bornträger: »Durch die Störungen vom December an bis zu meiner Zurückkunft in diesem Monat sind wir auch wol um einen Monat mit den Rechnungen hintenausgesetzt, wie Sie wol denken können.« Dieser Brief ist nach Leipzig gerichtet, wo Bornträger sich seit kurzem befand, und die »Störungen«, von denen die Rede ist, beziehen sich wol auf dessen Abreise aus Amsterdam, die weniger durch geschäftliche als durch persönliche Verhältnisse Bornträger's veranlaßt worden zu sein scheint.

Bornträger mußte nämlich plötzlich aus Amsterdam flüchten, um der Gefahr zu entgehen, als Conscriptionspflichtiger in das Militär eingereiht zu werden. So unangenehm dies gewiß auch für Brockhaus war, der in ihm endlich einen fähigen und zuverlässigen Gehülfen gefunden, so wußte er doch sofort mit der ihm eigenthümlichen Umsicht und Thatkraft aus der Noth eine Tugend zu machen: er behielt Bornträger in seinen Diensten und veranlaßte ihn nach Leipzig zu gehen, um dort seine Geschäfte zu besorgen, deren immer wachsende Bedeutung ohnedem neben dem dortigen Commissionär eine directe Vertretung in Leipzig wünschenswerth machte. Bornträger nahm dort den Namen Friedrich Schmidt an, um allen weitern Unannehmlichkeiten zu entgehen, und blieb daselbst als Brockhaus' Bevollmächtigter mit kurzen Unterbrechungen vom Februar 1809 bis August 1810. Dieser Aufenthalt Bornträger's in Leipzig war nicht nur für die geschäftlichen Angelegenheiten seines Principals sehr förderlich, sondern er hat nebenbei auch das Gute gehabt, daß er Veranlassung zu einem lebhaften Briefwechsel zwischen Beiden gab, in welchem sich Brockhaus in der eingehendsten und offensten Weise, wie man es nur einem vertrauten Gehülfen und Freunde gegenüber thut, über seine geschäftlichen und persönlichen Verhältnisse aussprach. Diese Briefe von Brockhaus an Bornträger, die dann noch bis Anfang 1811 fortgesetzt wurden, nachdem der Aufenthaltsort Beider seit Mitte 1810 sich geändert hatte, sind glücklicherweise vollständig erhalten geblieben, da sie der Adressat als eine theuere Erinnerung sorgfältig aufbewahrte und im Jahre 1862 der Verlagshandlung übergab. Sie bilden die hauptsächlichste Quelle für die Lebensgeschichte von Brockhaus in den Jahren 1808-1811, deren Darstellung ohne sie fast unmöglich gewesen wäre.

Gleich jener eben erwähnte erste Brief, den Brockhaus nach Leipzig an Bornträger richtete, enthält charakteristische Aeußerungen und zeigt, wie offen, vertrauend und zugleich wie väterlich er sich gegen den jungen Gehülfen ausspricht. Er schreibt:

Ich habe dies Jahr weit geringere Engagements als die vorigen Jahre und, so Gott will, werde ich noch vor der Ostermesse so ziemlich im Stande sein, Alles oder doch das Meiste zu reguliren ... Allerdings muß man suchen, den edlen vortrefflichen Friedrich Christian Richter31 zu erhalten. Sie kennen mich, mein Gemüth, meinen Charakter! Am Wollen wird es nie fehlen. Am Können auch nicht, sobald die Störungen, wie sie der Krieg und solche schlechte Leute wie ... u. s. w. mir immer verursacht, nicht mehr statthaben. Ich werde alles Ersinnliche thun, um mehrere Widersacher zu beschämen, und schmeichle ich mir, daß es uns in keiner Hinsicht dazu an Kräften mangelt ... Suchen Sie durch Ruhe, Anstand, Würde im Betragen günstig auf die Leute zu wirken. Es thut dies sehr viel. Der elende ... verdarb Alles durch seine Pinselhaftigkeit. Treten Sie aber allenthalben leise auf. Nirgends Prahlen oder Großthun. Stille und bescheiden immer. Das ist ja auch Ihr guter und liebenswürdiger ursprünglicher Charakter, den ich, wie Sie wissen, mit Innigkeit verehre.

 

Uebrigens kam Brockhaus trotz Bornträger's Anwesenheit in Leipzig schon zur Ostermesse 1809 wieder dorthin, diesmal aber nur für kürzere Zeit, denn am 15. Juni bereits war er wieder in Amsterdam. Vom 8. Mai liegt uns ein Contract über eine von Brockhaus in Leipzig gemiethete Niederlage vor; der Vermiether hieß Johann Georg Bering aus Naumburg, und die Niederlage, wol die erste, die er in Leipzig besaß, befand sich im Deutrich'schen Hause auf der Reichsstraße.

In dieser Zeit wurde er in Leipzig durch Johann Friedrich Pierer aus Altenburg zuerst mit dem Kammerverwalter Ludwig bekannt, der später einer seiner vertrautesten Freunde werden sollte. Derselbe lebte in Altenburg in einem literarisch und künstlerisch sehr regsamen Kreise und trat auch selbst als Schriftsteller auf.

Brockhaus schreibt an ihn aus Leipzig vom 12. Mai 1809:

Ich rechne die Stunden, welche ich in dieser Messe an Ihrer Seite und in Ihrer Unterhaltung verlebt und verplaudert, mit zu den angenehmsten meines Lebens, und ich bedaure es unendlich, daß erst so spät unsere Bekanntschaft etwas genauer wurde. Ich beschwöre Sie, mit der Herausgabe Ihrer Ansichten und Bemerkungen zu eilen, und ohne meinen Freunden Gräff und Nauck im mindesten zu nahe treten zu wollen, füge ich nur noch die Versicherung hinzu, daß, im Fall diese aus irgendeiner Ursache diese Herausgabe möchten hinhalten oder hinaussetzen wollen, meine Handlung bereit sein würde, darin jeden Ihrer Wünsche zu befriedigen.

Auf jeden Fall habe ich aber doch noch eine Bitte an Sie, die Sie mir, ich hoffe es, nicht abschlagen werden.

Die Hofräthin Spazier hier in Leipzig gibt im Verlage meiner Handlung noch in diesem Jahre ein neues Taschenbuch heraus unter dem Titel »Urania«. Es haben sich die ausgezeichnetsten Männer und Frauen (Jean Paul, Mahlmann, Kind, Böttiger, Seume, Frau von Ahlefeldt, Luise Brachmann und viele Andere) an sie angeschlossen, und dieses Taschenbuch wird in allen Hinsichten mit den vorzüglichsten wetteifern und sie selbst zu übertreffen suchen.

Ob die Herausgeberin gleich bereits viel mehr Aufsätze hat, als sie im ersten Jahrgang aufnehmen kann, so wird sie doch auf mein Ersuchen noch für einen Beitrag von Ihnen Raum finden, wenn Sie uns damit beehren wollen.

Ich ersuche Sie darum im Namen der Herausgeberin und in meinem eigenen Namen. Irgendein oder mehrere Fragmente Ihrer Reise würden uns dazu die liebsten sein. Hätten Sie aber auch sonst noch irgendetwas in Ihrem Portefeuille, was Sie uns zu diesem Gebrauch mittheilen wollen, so würden wir solches dankbar annehmen.

Ich bleibe noch bis künftigen Sonnabend (vor Pfingsten) hier. Wäre es Ihnen möglich, bis dahin mir mit einigen Zeilen zu antworten, oder gar mir bereits dasjenige wirklich zu senden, was Sie uns möchten bestimmen wollen, so würden Sie mich unendlich verbinden.

Meine Idee, vielleicht über Altenburg selbst zurückzureisen, kann ich leider nicht ausführen, da es in einer ganz andern Richtung liegt, als ich mir gedacht hatte.

Ein zweiter Brief an denselben, vom 22. Mai, lautet:

Ich reise diesen Abend zurück nach den Ufern der Amstel. Vorher aber noch ein paar Worte zur Antwort auf Ihren gütigen Brief vom 17. dieses.

Sollte Gräff Ihr Manuscript nicht für den jetzigen Augenblick gleich übernehmen wollen, so übernehme ich es gerne, um es Michaelis zu liefern. Gräff muß aber freiwillig davon zurückstehen, und er muß über das ganze Arrangement und über die Entstehung desselben reine unterrichtet werden. Er ist zu sehr mein Freund, als daß ich um irgendeinen Preis ihm nur Unzufriedenheit mit mir einflößen möchte. Tritt er aber freiwillig zurück, und wollen Sie es mir dann anvertrauen, so bitte ich Sie, das Manuscript baldmöglichst hiehin nach Leipzig zu senden, an untenverzeichnete Adresse. Ich erhalte es dann zur Post nach Amsterdam und sorge für schönen und eleganten Druck, wie dies bei allen unsern Verlagsartikeln der Fall ist.

Die nähern Bedingungen erlauben Sie mir seiner Zeit nach Kenntniß der Sache selbst zu bestimmen.

Da in diesem Falle der Kalender32 mit dem Buche gleichzeitig erscheinen würde, so dürfte eine Ausstellung aus demselben allerdings nicht passend sein. Wollen Sie der Frau Hofräthin Spazier indessen sonst etwas aus Ihrem Portefeuille mittheilen, so wird sie es gewiß mit Vergnügen aufnehmen. Auch kleine Gedichte gehören allerdings in ihren Plan. Ihre Adresse ist auf der Post bekannt genug, und also blos einfach: an die Frau Hofräthin Spazier.

Nun, auf alle Fälle beehren Sie mich mit Ihrer gütigen Antwort. Leben Sie wohl bis zum Wiedersehen. Möge es unter glücklichern Aussichten sein, als wir uns diesmal hier sahen.

Brockhaus war damals oder schon im Herbst 1808 mit der Hofräthin Spazier bekannt geworden und hatte mit ihr die Herausgabe eines Taschenbuchs unter dem Titel »Urania« verabredet; dieses bekannte Sammelwerk erschien zum ersten male für das Jahr 1810. Die Herausgeberin wird uns später noch näher und in anderer Weise entgegentreten.

Außer mit der »Urania« und dem »Conversations-Lexikon« beschäftigte sich Brockhaus in dieser Zeit auch noch mit manchen andern Verlagsartikeln größern oder geringern Umfangs und entwickelte dabei fortwährend die regste Thätigkeit. Die bekannten Schriften Massenbach's erschienen meist im Jahre 1809, ebenso der erste Band von Sprengel's »Institutiones medicae« und Villers' »Coup d'œil sur l'état actuel de la littérature ancienne et de l'histoire en Allemagne«. Neben diesen schon früher von uns erwähnten Werken verlegte er in dieser Zeit besonders noch drei andere: erstens »Die Hebräerin am Putztische und als Braut«, von dem mit ihm bereits durch eine Uebersetzung Dschami's in Verbindung getretenen Schriftsteller Anton Theodor Hartmann (3 Theile, Amsterdam 1809-10), ein damals sehr geschätztes Buch, das ein Seitenstück zu Karl August Böttiger's 1803 erschienenem Werke: »Sabina oder Morgenscenen einer reichen Römerin«, bilden sollte; ferner »Ansichten von der Gegenwart und Aussicht in die Zukunft« von Friedrich August Koethe, dem bekannten theologischen Schriftsteller (geb. 1781 zu Lübben, gest. 1850 zu Allstädt), von dem später noch mehrere Werke in seinem Verlage erschienen, ein religiös-politisches Werk von patriotischem Schwunge, »dem gesammten, untheilbaren theuern deutschen Vaterlande geweiht«; drittens »Grundzüge der reinen Strategie, wissenschaftlich dargestellt« von August Wagner (geb. 1777 zu Weißenfels, erst österreichischer, dann preußischer Offizier, gest. 1854 zu Berlin als Generalmajor), ein werthvolles kriegswissenschaftliches Werk.

Endlich schloß Brockhaus in diesem Sommer noch mehrere wichtige Verlagscontracte ab.

Am 3. Juli einigte er sich mit dem verdienstvollen Begründer der wissenschaftlichen deutschen Bibliographie, Johann Samuel Ersch (geb. 1766 zu Großglogau, Professor und Oberbibliothekar in Halle, gest. daselbst 1828), über dessen berühmtes »Handbuch der deutschen Literatur seit der Mitte des 18. Jahrhunderts bis auf die neueste Zeit«, das wesentlich von Brockhaus veranlaßt und hervorgerufen wurde; dasselbe erschien indeß erst später (2 Bände in je 4 Abtheilungen, Amsterdam und Leipzig 1812-14; neue Ausgabe [zweite Auflage], 4 Bände in je 2 Abtheilungen, Leipzig 1822-27).

Am 13. Juli unterzeichnete er einen Contract mit dem bekannten Jugendschriftsteller Jakob Glatz (geb. 1776 zu Poprad in Ungarn, erst Lehrer in Schnepfenthal, dann evangelischer Geistlicher in Wien, gest. 1831 zu Preßburg) über dessen rühmlichst bekannt gewordenes Werk: »Die Familie von Karlsberg oder die Tugendlehre. Anschaulich dargestellt in einer Familiengeschichte. Ein Buch für den Geist und das Herz der Jugend beiderlei Geschlechts«, das bald darauf auch ausgegeben wurde (2 Theile, Amsterdam 1810; zweite Auflage, 2 Bände, Leipzig 1829).

Zwei Tage darauf, am 15. Juli, schloß er noch einen Verlagscontract, der aber nicht zur Ausführung kam: mit Geh. Rath Sigismund Hermbstaedt in Berlin über ein »Technologisches Handwörterbuch«, das in zwei starken Bänden erscheinen sollte.

Die Jahreszahl 1810 tragen außer dem Werke von Jakob Glatz und dem ersten Jahrgange der »Urania« noch folgende drei, ebenfalls im Jahre 1809 von Brockhaus verlegte Werke: »Ueber die Mittel, den öffentlichen Credit in einem Staate herzustellen, dessen politische Oekonomie zerstört worden ist«, von Herrenschwand, einem wenig bekannten staatswirthschaftlichen Schriftsteller, nach dem Französischen deutsch herausgegeben von dem Obersten von Massenbach; zweitens »Vertraute Briefe, geschrieben auf einer Reise nach Wien und den Oesterreichischen Staaten zu Ende des Jahres 1808 und zu Anfang 1809« von Johann Friedrich Reichardt, dem bekannten Componisten und Musiktheoretiker, scharfe Beobachtungen über die musikalischen, literarischen und gesellschaftlichen Zustände Wiens enthaltend; drittens der erste Band der deutschen Bearbeitung eines Geschichtswerks des englischen Historikers William Coxe (geb. 1747, gest. 1828): »Geschichte des Hauses Oestreich von Rudolph von Habsburg bis auf Leopold des Zweiten Tod, 1218-1792«, herausgegeben von Hans Karl Dippold und Adolf Wagner (der zweite Band erschien 1811, der dritte und vierte erst 1817), für welche sich unter anderm Freiherr von Hormayr sehr interessirte und die in Oesterreich selbst solchen Beifall fand, daß man dort 1817 einen Nachdruck derselben veranstaltete.

Ueberblickt man diese Reihe von Verlagswerken, die Brockhaus in den ersten Jahren seiner buchhändlerischen Wirksamkeit übernahm, so muß man ebenso sehr den vielseitigen Geist, das Geschick und das feine Verständniß für den Geschmack und die Bedürfnisse des Publikums, wovon er dadurch Beweise gab, anerkennen, wie man über seinen Muth und sein Selbstvertrauen staunen muß.

6.
Zerwürfnisse mit Baggesen

Außer durch seine umfassende Verlegerthätigkeit wurde Brockhaus während der Jahre 1808 und 1809 geistig und gemüthlich vielfach durch eine Angelegenheit in Anspruch genommen, die ihn zwar zunächst auch als Verleger benachtheiligte, aber weit mehr innerlich afficirte. Es waren dies Zerwürfnisse mit Jens Baggesen, dem ausgezeichneten, aber zugleich übermäßig eiteln und empfindlichen Dichter, die ein Beispiel liefern, daß es auch Mishandlungen eines Verlegers durch einen Schriftsteller gibt, während die Literaturgeschichte meist nur von umgekehrten Fällen zu berichten pflegt.

Die Kenntniß der nähern Umstände dieses literarischen Streits (den wir eingehender darstellen zu sollen glaubten, als vielleicht der Gegenstand, um den es sich handelte, es erheischte, weil er für Brockhaus' Verhalten in solchen Angelegenheiten charakteristisch ist) verdanken wir einem längern Briefwechsel, den Brockhaus darüber mit dem bekannten französischen Gelehrten Fauriel führte.33 Dieser hatte Baggesen's »Parthenais«, die 1808 von Brockhaus in neuer Ausgabe verlegt wurde, nachdem das Gedicht zuerst 1804 bei einem andern Verleger (Vollmer in Hamburg und Mainz) erschienen war, ins Französische übersetzt, und seine Uebersetzung erschien unter dem Titeln »La Parthénéide. Poëme de M. J. Baggesen. Traduit de l'allemand«, aber ohne seinen Namen, ebenfalls bei Brockhaus (Amsterdam 1810, gleichzeitig eine pariser Firma: Treuttel & Würtz, auf dem Titel tragend).

 

Claude Charles Fauriel war 1772 zu St. — Etienne (Loire) geboren, lebte meist in Paris und starb daselbst 1844; er hat zahlreiche ausgezeichnete geschichtliche und literarhistorische Arbeiten geliefert, wie unter anderm aus einem ihm von Sainte-Beuve in der »Revue des deux mondes« (1845) gewidmeten Essay hervorgeht. Besonders interessirte er sich auch für die deutsche Literatur und erwarb sich gleich Villers das Verdienst, seine Landsleute mit derselben bekannt zu machen.

Brockhaus war, wie wir bereits berichtet haben, im Sommer 1806 mit Baggesen in Amsterdam, das dieser auf seinen häufigen Reisen öfters besuchte, bekannt geworden und hatte mit ihm schon damals nicht nur über die »Parthenais«, sondern fast gleichzeitig (am 21. Juni) auch über eine Sammlung seiner Briefe einen Contract abgeschlossen. Der Umfang des letzten Werks war nicht festgesetzt, sondern nur bestimmt worden, daß die Verleger (damals noch Rohloff & Comp.) sich verpflichteten, die Briefe »bandweise herauszugeben nach Bequemlichkeit des Verfassers, der sie zu keinem bestimmten Termine unbedingt versprechen kann, den ersten Band ausgenommen«; das Manuscript des letztern sollte »erst nach Verlauf von vier Wochen a dato«, also eigentlich am 21. October 1806, abgeliefert werden — das Werk erschien aber erst 25 Jahre später, 1831, als beide Contrahenten längst gestorben waren! Als Honorar wurden 4 Louisdor per Druckbogen, »unmittelbar nach der Ablieferung des Manuscripts zu zahlen«, festgesetzt.

Im darauffolgenden Sommer (1807) war Baggesen wieder in Amsterdam, und der beste Beweis seiner freundschaftlichen Beziehungen zu Brockhaus liegt wol darin, daß er bei dessen viertem Sohne Max Pathenstelle vertrat. Auch wurde in dieser Zeit (am 16. Juli) zwischen Beiden ein neuer Contract über Baggesen's neueste Gedichte abgeschlossen, die 1808 unter dem Titel »Heideblumen« erschienen.

Aus dieser Zeit datirt der einzige uns bekannte Brief Baggesen's an Brockhaus, am 1. August 1807 (also kurz nach seiner Abreise aus Amsterdam) in Marly bei Paris, wo Baggesen damals wohnte, geschrieben, der ebenfalls Zeugniß von ihrem herzlichen Verhältnisse gibt. Baggesen schreibt:

Indem ich mein Packet an Sie abschicken will, erhalte ich Ihren Brief, mein Theuerster, vom 27. — und ich kann nicht umhin, das Packet wieder zu öffnen, um meinen herzlichen Dank dafür mit hineinzulegen.

Ich bin während acht Tagen im strengsten Sinne des Worts nicht von der Seite meiner holdseligen Fanny und des kleinen vollkommenen Engels Paul gewichen — es schienen mir acht Minuten. Erst in den zwei letzten Tagen habe ich des Morgens, bevor sie erwacht, angefangen wieder zu arbeiten.

Dank für Ihr warmes Interesse für das herrliche Weib, dessen höhere Bedeutung ich sogleich, noch ehe ich wußte, daß sie Künstlerin sei, wahrnahm. Sie schätzt Sie hoch und ist Ihnen und Ihrer holden Frau herzlich ergeben. Gönnen Sie ihr öfters Ihren balsamischen, in Amsterdam unschätzbaren Umgang! Ich kann ihr, ihrem Mann und ihrem herrlichen Sohn noch nicht schreiben — weil ich, zu betäubt und entzückt vom glücklichen Wiedersehen, Niemandem ein vernünftiges Wort schreiben kann — und weil ich vor dem Empfang des Portraits von Ary nicht schreiben will. Dieses erwarte ich mit Ungeduld, sowie die Cramer'schen Musikalien, und die Recension, die schwerlich von Voß ist ...

Mit den »Heideblumen« wird es rasch gehen. Und die »Briefe« und die »Dichterwanderungen« werden folgen. Wahrlich, das alles interessirt mich von ganzer Seele. Es ist aber sehr zweifelhaft, ob ich wirklich wieder nach Norden kehre — doch lassen Sie sich noch keinen Zweifel darüber merken!

Ihr Baggesen.

Die hier erwähnte Künstlerin ist jedenfalls die Mutter Ary Scheffer's, Cornelia, die nebst ihrem Manne zu dem nächsten Umgange Brockhaus' gehörte und Baggesen also wahrscheinlich erst bei diesem kennen gelernt hatte.

Die neben den »Briefen« noch genannten »Dichterwanderungen« waren ein zweites Project Baggesen's, das ebenso wenig als jenes erstere zur Ausführung kam. Er hatte darüber mit Brockhaus zwar keinen schriftlichen Contract abgeschlossen, ihm das Werk aber wiederholt schriftlich und mündlich versprochen, wie aus einem weiter unten folgenden Briefe ersichtlich ist.

Wir lassen nun die Briefe von Brockhaus an Fauriel ihrem Hauptinhalte nach folgen, auch diejenigen Stellen, welche andere Angelegenheiten betreffen, da sie für die literarischen oder persönlichen Verhältnisse des Briefschreibers theilweise von hohem Werthe sind.

Der erste, Amsterdam 15. November 1807 datirt, lautet:

Ich habe allerdings eine recht große Schuld gegen Sie, daß ich Ihren so gütigen und freundschaftlichen Brief, den ich durch die Vermittelung des Herrn Cramer erhielt — gar nicht, daß ich Ihren letzten Brief auch erst jetzt beantworte. Entschuldigen, hoffe ich, werden Sie mich, wenn Sie den etwas nähern Zusammenhang, die Ursachen hören werden, die mein Stillschweigen veranlaßten.

Ihr erster Brief hatte die hauptsächliche Tendenz, mir die Ursachen zu entwickeln, warum eine partielle Bekanntmachung der »Parthénéide« nicht frommen und nützen könne. Ihren Gründen gebe ich meine Beistimmung, da sie mir ebenfalls entscheidend vorkamen, und ich that auf den Wunsch dazu Verzicht. Er enthielt weiter eine Angabe der Schwierigkeiten, die sich der gänzlichen Vollendung Ihrer Uebersetzung entgegenstellten, da Sie Aenderungen für nothwendig hielten, welche Sie jedoch ohne Zustimmung und Zuratheziehung des Verfassers nicht eigenwillig zu übernehmen wagten. Auch in diesem Punkte konnte ich meine Beistimmung und Genehmigung nicht versagen. Solange indessen das Manuscript nicht ganz vollendet war, konnte nicht an Bekanntmachung des Werkes selbst gedacht werden; diese Vollendung hing von Baggesen's Zurückkunft ab: dieser Zurückkunft sah ich acht Monate lang täglich entgegen; ich wurde täglich getäuscht: mein Schweigen bis zur Zurückkunft von Baggesen wird sich also, wie ich glaube, wenn auch nicht ganz rechtfertigen, doch entschuldigen lassen. Baggesen kam endlich im Juni, im Juli war er in Paris; an die endliche Vollendung des Werks konnte nun gedacht werden, wie an die Bekanntmachung. Ich erhielt darüber Ihren gütigen Brief, und ich würde mich beeifert haben, ihn mit umgehender Post zu erwidern und auf der Stelle alle und jede Anstalten zur Bekanntmachung zu machen, wären nicht in der Zwischenzeit über die deutsche Taschenausgabe zwischen Baggesen und mir Mistöne entstanden, die mir das ganze Werk, woran ich wie am Verfasser bisher mit Begeisterung gehangen hatte, bis zum Namen hin zum Ekel gemacht hätten.

Es würde zu weitläufig sein, Ihnen die Discussionen, welche zwischen mir und Baggesen darüber entstanden, in allen ihren Details zu entwickeln: meine Discretion verbietet mir dies auch, wie ich auch fühle, daß Ihnen wie mir die Kenntnißnehmung fremder Angelegenheiten eine peinliche Aufgabe und Zumuthung sei.

Etwas muß ich Ihnen aber doch darüber sagen: Baggesen bot mir eine »Parthenais« zweite Ausgabe zum Verlag an. Er forderte 150, sage hundertfunfzig Louisdor Honorar (circa 30 Bogen, jede Seite zu 11 Hexameter, à 5 Louisdor). Ohne daß Baggesen mir eine Zeile Manuscript gab, zahlte ich ihm und Madame Baggesen gleich zwei Fünftel voraus, als Avance. Ich zahlte die übrigen drei Fünftel dieses Honorars ein paar Monate nachher und noch etwa 30 Louisdor mehr als Avance auf künftige Werke, worüber Baggesen mit mir mündlich und schriftlich contrahirt hatte. Die Umstände erlaubten es Baggesen und mir indessen nicht, daß der ganze Contract konnte vollzogen werden. Baggesen sollte die Zeichnung und den Stich der Kupfer in Paris leiten und — Baggesen kam gar nicht nach Paris zurück (erst ein Jahr nachher), mir war die Ausführung dadurch also ganz unmöglich gemacht; aber auch dadurch war die Ausgabe einer Luxus-Edition unvernünftig geworden, daß in der Epoche ganz Deutschland bis aufs Blut durch Contributionen und die Kriegsverheerungen aufgesogen wurde, sodaß eine Luxus-Ausgabe eines Dichtwerkes in der Zeit zu den wahrhaft unsinnigen Unternehmungen hätte müssen gezählt werden! Baggesen litt darunter aber als Verfasser nichts! Ich hatte ihm sein volles Honorar von 150 Louisdor circa bereits vergütet! Ich litt nur darunter, denn ich war nur im Stande, die kleine Ausgabe, die fertig gemacht worden war, freilich auch verspätet und unter den ungünstigsten Umständen in Circulation zu setzen. Für das Alles konnte Baggesen nichts, das erkannte ich, und wenn also Schaden statt Vortheil aus der Unternehmung resultirte, so war dies nicht Baggesen's, sondern die Schuld der Umstände.

Aber nun kam und zeigte sich auch zum Schaden noch der Verdruß und doppelter Schaden: Der Verleger der ersten Ausgabe der »Parthenais« trat auf und behauptete, daß Baggesen noch nicht das Recht gehabt hätte, eine zweite Ausgabe an einen andern Verleger als ihn zu verkaufen. Als ich Baggesen dies nach Kopenhagen meldete, antwortete er mir wie ein wackerer Mann: er werde das mit dem ersten Verleger ausmachen, er werde mich gegen ihn schützen. Baggesen that aber nichts für diesen Schutz, und der erste Verleger, der ohne alle Satisfaction oder gar ohne Nachricht einmal von Baggesen blieb, druckte meine mit 150 Louisdor bezahlte zweite Ausgabe vermöge seines angeblichen, von Baggesen ihm nicht (durch vorgehaltenen Contract) widerlegten Rechts nach und setzte sie in ganz Deutschland zur Hälfte des Preises in Circulation! Meine Ausgabe sank nun ganz unter, denn jene war um die Hälfte wohlfeiler, und da ich ein neuer Verleger war, jener aber der erste Verleger, so galt ich für einen Nachdrucker, er für den rechtmäßigen Besitzer! Ich forderte Baggesen auf, die Sache auszugleichen: Baggesen war oder kam zu der Zeit in Hamburg, wo es ihm ein Leichtes sein mußte, die Sache zu ordnen, da der erste Verleger nur Satisfaction und geringe Entschädigung verlangte, Baggesen that aber in Hamburg nichts Wesentliches. Die Sache blieb hangen — Baggesen kam her. In der Freude, ihn bei uns zu sehen, wurde über diesen Punkt leicht weggeglitten: wie wollte es auch mit Gastfreundschaft bestanden haben, ihn zu mahnen, mir mein Eigenthum, das er mir freilich verkauft hatte, gegen einen andern Käufer (nicht gegen einen Dieb, wie Baggesen es erklären will: Vollmer constituirt sich nicht wie ein Nachdrucker, als Dieb, sondern als Besitzer; er behandelt mich als Nachdrucker, mich, der 150 Louisdor Honorar bezahlt habe) zu schützen; das konnte, mußte Baggesen durch öffentliche Erklärung (keine Zeile ist von ihm darüber bekannt gemacht worden!!) wehren und mich schützen! Ich sage: mein Gefühl von Gastfreundschaft erlaubte mir nicht, Baggesen bei seiner Anwesenheit in Amsterdam, in meinem Hause, an solche Verpflichtungen zu mahnen. O! ich dachte, die sprächen sich auch selbst aus. Baggesen reisete nach Paris. Ich erfahre in der Zwischenzeit die definitiven Reclamationen des ersten Verlegers; sie scheinen mir billig, ich rathe Baggesen zum Vergleich mit ihm, und ob Baggesen gleich zehnmal erklärt hatte, er allein wolle mich schützen — denn ich, wie auch recht war, habe in jedem Falle nichts verbrochen — , so erbiete ich mich dennoch, die Hälfte desjenigen zu tragen, was man dem ersten Verleger möchte als Abmachung zuwenden müssen, und wolle ich den Vorschuß zum Ganzen leisten. Auf jeden Fall, erkläre ich aber, müsse die Sache beendigt werden, und da einer von uns Recht oder Unrecht haben müsse, so schlage ich als Schiedsrichter darin Baggesen's Freunde Dr. Kerner und Buchhändler Perthes in Hamburg vor. Mit deren Entscheidung erkläre ich mich zufriedengeben zu wollen. Auf diesen meinen Brief habe ich nun von Baggesen eine Antwort erhalten, worin er mir erklärt: »daß ihn die ganze Reclamation des ersten Verlegers nichts anginge, daß sie mich allein beträfe, und ich zu sehen habe, wie ich fertig mit ihm würde, daß er die Sache einem Advocaten zur Betreibung übergeben würde, daß er seine weitern Werke nicht bei mir herausgeben wolle, daß es aber meine Pflicht sei, gleich eine Prachtausgabe der «Parthenais» zu machen«, und dergleichen Kränkungen und Unvernunften viel mehr, alle durch einen Schwall von Worten, aber mit keinem einzigen Belege unterstützt, und alle Verhältnisse des Danks, der Verpflichtung, der Freundschaft, der Zufriedenheit rein verleugnend!!

Daß der Troß der Menschen so handelt, Worte für Thaten geben will, und wo er Thaten geben soll, nur Worte hingibt, das hatte meine Erfahrung mich schon gelehrt; aber daß Baggesen, den ich für einen der edelsten Menschen, nicht blos für einen geistreichen Dichter hielt, gegen mich so handeln könnte, dies hatte ich nicht erwartet.

In der Einlage habe ich ihm mit Ruhe und Einfachheit Alles beantwortet; ich adressire diese Antwort Ihnen mit der freundlichen Bitte, sie Baggesen zu übergeben: es geschieht dies darum, damit der wirkliche Empfang dieses Briefes, der meine heiligsten Rechte enthält, nicht kann ignorirt werden.34

Was die größere Ausgabe der »Parthenais« betrifft, von der Sie schreiben, so kann diese unter den obwaltenden Umständen noch nicht erscheinen. Die Ursache davon ist:

1) Baggesen hat durch seine spätere Zurückkunft nach Paris die Erscheinung nach dem Buchstaben des Contractes unmöglich gemacht. Die Umstände in Deutschland machten sie übrigens auch nicht möglich.

2) Jetzt, nachdem die kleine Ausgabe von uns und der Abdruck des ersten Verlegers seit 18 Monaten in Deutschland circulirt, ist eine große Luxus-Ausgabe aus folgenden Gründen unthunlich:

Sie erschiene entweder unverändert nach der zweiten Ausgabe, oder umgearbeitet als neue Ausgabe.

Im ersten Falle wird sie sehr wenig gekauft werden, weil der Reiz der Neuheit des Gedichts ganz vorüber ist. Nur Liebhaber von Luxus-Ausgaben würden sie kaufen. Dieser Liebhaber existiren jetzt aber in dem ausgesogenen Deutschland fast keine. Kein Buchhändler in Deutschland macht jetzt Luxus-Ausgaben. Göschen läßt selbst die Fortsetzungen von Klopstock, Wieland &c. beruhen bis auf bessere Zeiten.

Im zweiten Falle aber, daß Baggesen das Gedicht etwas verändere, wird mir die des Mitabdrucks des ersten Verlegers wegen kaum zur Hälfte verkaufte Auflage wieder Maculatur. Mein Schaden vermehrt sich wieder, und da der erste Verleger das Recht zu haben versichert (was Baggesen wol durch Worte, aber nicht durch Documente widerlegt), sich die »Parthenais«, in welcher Form sie auch sei, anzueignen, so lange sein erster Contract nicht abgelaufen, so würde er auch diese Auflage (möge sie bei Didot oder bei Unger gedruckt sein) wieder abdrucken, und das arme deutsche Publikum würde seine wohlfeile Ausgabe lieber kaufen als unsere theure.

Jetzt also ist in keinem Falle an die große Ausgabe der deutschen »Parthenais« zu denken. Wenn Baggesen mich gegen den ersten Verleger schützt, sei es unmittelbar, oder durch die Edition von Documenten (Worte, Raisonniren hilft zu nichts), die mich in Stand setzen, den ersten Verleger als Dieb zu behandeln (was in Leipzig auf der Messe angeht, wo alle deutsche Buchhändler eine Jurisdiction haben) — dann soll sie erscheinen, sobald es vernünftig ist, d. h. sobald die erste Auflage größtentheils verkauft ist, und das Publikum empfänglicher für Luxus-Ausgaben ist. Schützt mich Baggesen aber nicht gegen den ersten Verleger, so kann und wird nie eine größere Ausgabe erscheinen und wird sicher nie irgendein anderer deutscher Buchhändler darüber mit Baggesen contrahiren oder nie dagegen aufkommen.

Es hängt ganz von Baggesen ab, wie er die Sache beendigen will. Ich habe sie ihm auf das äußerste leicht gemacht, indem ich mich erboten, die Hälfte desjenigen zu tragen, was man seinem ersten Verleger würde zur Abmachung geben müssen, und das Ganze zu avanciren, und da diese Hälfte etwa 12 Louisdor betragen würde, so glaube ich, daß Baggesen, der 150 Louisdor Honorar erhalten, diese erbärmlichen 12 Louisdor, da er offenbar die Verpflichtung zur ganzen Abmachung gegen mich hat, könnte beigeben lassen, ohne dieserhalb, wie er thut, die innigsten und freundschaftlichsten Verhältnisse mit mir zu brechen und mich auf das unwürdigste zu mishandeln, als wolle ich ihn zu hintergehen, zu misleiten, zu betrügen suchen! Mein Ehrgeiz und meine Pflicht gegen meine Handlung erlaubt mir keine Linie weiter zu gehen als ich gegangen bin, und wenn der Gegenstand einen Liard oder 1000 Louis betrüge, der davon abhängen möchte! Baggesen hat meine Ehre hineingezogen und nun hat Alles das schärfste Ziel.

Verzeihen Sie tausendmal, werthester Herr Fauriel, daß ich Sie so lange hiermit aufgehalten habe. Ich mußte es aber thun, da ich gewiß bin, daß Baggesen gegen Sie beständig davon sprechen wird, da Sie mich in Ihrem Brief selbst davon unterhalten, und da es Ihnen zeigen wird, wie mir Alles, was auf die »Parthenais« bis zum Namen hin Beziehung haben konnte, zuwider sein mußte.

Ich hoffe indessen von Baggesen's Redlichkeit und Rechtlichkeit das Beste, und ich denke also, daß Alles sich wieder ins Gleiche fügen werde.

Wäre dies aber auch nicht, so bleibe ich, wie sich versteht, meinem Ihnen durch Herrn Cramer gegebenen Worte aufs heiligste getreu. Die französische Uebersetzung der »Parthenais« erscheint und mache ich hiermit darüber folgende Bestimmungen ...

Hiermit ist diese Verhandlung, denke ich, fest bestimmt, wie sich ja jede Verhandlung fest bestimmen läßt in Kürze, wenn man es recht miteinander meint.

Ich bitte Sie indessen, nie weiter irgend Jemanden mit Aufträgen hierüber an mich zu chargiren, sondern mir Alles selbst zu sagen; auch würden Sie mich sehr verbinden, ebenfalls keine Aufträge von diesen Andern an mich wieder anzunehmen.

Es ist mir unendlich leid, daß ich Sie in meinem ersten Briefe mit so vielem Odiösen habe unterhalten müssen! Die Nothwendigkeit dazu ist mir peinlich und lästig genug gewesen. Sie werden mir dies gern glauben.

Dieser Brief und der eingeschlossene an Baggesen scheinen ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben, denn der nächste berichtet von einer Wiederversöhnung Beider, ohne freilich anzugeben, worin diese bestanden, und ohne daß Brockhaus ahnen mochte, von welch kurzer Dauer sie sein werde. Brockhaus schreibt nämlich an Fauriel unterm 16. Juni, also gerade ein halbes Jahr nach dem ersten Briefe: Er habe in langer Zeit keinen Brief erhalten, den er mit wahrerer Theilnahme gelesen. Auf die französische Uebersetzung der »Parthenais« habe er schon beinahe nicht mehr gerechnet und sei sehr gespannt auf die ersten Bogen, »da es mir eine der außerordentlichsten Aufgaben scheint, Dichtungen wie die 'Parthenais' mit ihren griechischen Silbenmaßen glücklich in die französische Sprache zu übertragen«; Fauriel's Uebersetzung der »Parthenais« wurde übrigens in Prosa abgefaßt. Darauf fährt Brockhaus fort:

3131 Nicht der Buchdrucker Friedrich Richter, von dem Brockhaus das »Conversations-Lexikon« gekauft hatte, sondern ein leipziger Bankier.
3232 Das Taschenbuch »Urania«.
3333 Brockhaus' an Fauriel gerichtete Briefe sind nach des Letztern Tode in den Besitz der mit ihm näher befreundeten geistvollen Gemahlin des berühmten Orientalisten Julius von Mohl in Paris übergegangen und von derselben uns freundlichst zur Einsicht und Benutzung überlassen worden; zu bedauern ist, daß die Antworten Fauriel's nicht gleichfalls erhalten sind.
3434 Dieser Brief von Brockhaus an Baggesen scheint leider gleich ihrer gesammten Correspondenz nicht erhalten zu sein; sollte letztere oder wenigstens ein Theil derselben sich noch irgendwo vorfinden, so würden wir für eine Notiz darüber sehr dankbar sein.