Beziehungen in der Kindheit

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4.1 HERAUSGEHOBENE STELLUNG DER BINDUNG BEI SÄUGLINGEN UND KLEINKINDERN

Ein Säugling ist mit einer großen Lernbereitschaft und einem ausdrucksvollen Signalsystem ausgestattet, was es seiner Mutter oder anderen fürsorgenden Menschen ermöglicht, die Bedürfnisse des Neugeborenen zu erkennen und zu befriedigen. Die elterliche[2] Feinfühligkeit gegenüber den Signalen des Säuglings sowie die Verfügbarkeit von Bezugspersonen für das Baby bilden dabei die wichtigsten Elemente beim Bindungsaufbau. Bezugspersonen regulieren mit ihren Reaktionen auf die Signale des Säuglings als »externer Organisator« die Befindlichkeit der Kleinstkinder teilweise mit. Des Weiteren vermitteln sie ihm durch ihre Reaktion im Idealfall ein Gefühl von mehr oder weniger großer Kompetenz. Wenn Kinder eine sichere Bindung haben, fühlen sie sich in der Regel liebens- und beschützenswert (vgl. Ahnert & Gappa 2010).

In Abhängigkeit davon, wie zuverlässig das Kleinkind die Fürsorge und Zuwendung seiner Bezugspersonen vorhersagen kann, lernt es auf diese Art bereits früh, ob seine auf die Bindungspersonen gerichteten Signale sein Leid beenden und seine Bedürfnisse erfüllen können. Ebenso merkt es, ob es geschützt und sicher seine Umwelt erforschen kann. Ein zentraler Teil der Kooperationsbereitschaft sowie der Feinfühligkeit einer Bindungsperson stellt ihre Kompetenz dar, sich in die Lage des Kindes zu versetzten und seine Bedürfnisse bei ihrem Handeln in partnerschaftlicher, aber auch verantwortlicher Weise zu berücksichtigen (vgl. Grossmann & Grossmann 2001).

Bindung bedeutet für das Kind aber keine Fixierung auf die Bezugsperson, sondern stellt die sicherheitsgebende Basis für sein Neugierverhalten dar (vgl. Bischof-Köhler 2011). Bowlby (2002) nannte das neugierige Erkunden und Auskundschaften der Umgebung Explorationsverhalten. Es bildet eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Kindes und das Lernen. Ein Kind sucht demnach immer dann die Nähe zu seiner Mutter, seinem Vater oder zu einer anderen wichtigen Bezugsperson, wenn es unsicher ist oder sich unwohl fühlt. Fühlt es sich dagegen sicher und wohl, bewegt es sich weg und erkundet seine Umgebung. Die beiden Verhaltensweisen stehen im stetigen Wechsel (vgl. Bischof-Köhler 1998; Bowlby 2002).

Die oben erläuterte Erkundung, die von einer sicheren Basis ausgeht, bildet das typische Muster der Interaktionen zwischen Kindern und ihren Bezugspersonen. Angemessenes und promptes Reagieren einer feinfühligen Bezugsperson sind dabei wichtig (vgl. Gutknecht 2010) und führen dazu, dass das Kind sich bereits in frühen Jahren wagt, Einfluss auf seine Welt zu nehmen. Diese Erfahrungen werden als günstige Basis für ein generalisiertes Konzept der eigenen Tüchtigkeit und die Entwicklung von Selbstvertrauen betrachtet (vgl. Schildbach, Loher & Riedinger 2002).

In unserem Kulturkreis verbringen Säuglinge und Kleinkinder recht wenig Zeit mit Gleichaltrigen. Kinder im Alter zwischen zwölf und 24 Monaten bauen, sofern sie die Möglichkeit dazu haben, stabile Freundschaften auf. Dabei gilt: Wer Freundschaften pflegt, entwickelt seine sozialen Fähigkeiten schneller (vgl. Maccoby 2000; Herren 2004; Kappeler 2004). Die Kontakte und Interaktionen können unterschiedlich aussehen.[3] Sehr häufig werden Interaktionen zwischen Kleinkindern durch Objektgebrauch angebahnt und gestützt. Die Erwachsenen-Kind- sowie die Peerbeziehungen beeinflussen sich wechselseitig und weisen ihre jeweils eigenen Charakteristika auf (vgl. Bowlby 2002).

4.2 BEZIEHUNGEN BEI KINDERGARTENKINDERN

Bei älteren Kindern zeigt sich das Bindungsverhalten nach wie vor, allerdings verändert sich die Form durch den fortgeschritteneren Entwicklungsstand der Kinder (vgl. Marvin & Greenberg 1982). Um sich sicher zu fühlen, benötigen Kinder im Kindergartenalter nicht mehr dauernd die körperliche Anwesenheit der Bindungsperson. Vielmehr sind sie fähig, auf eine verinnerlichte sichere Basis zurückzugreifen. Die Kinder können im Bedarfsfall selbstständig die Nähe zur Bindungsperson suchen und aufrechterhalten. So ist es ihnen möglich, verstärkt ihre Umgebung zu erkunden. Darüber hinaus sind Kinder ab dem Alter von etwa vier Jahren meistens in der Lage, neben ihren eigenen Gefühlen, Zielen und Bedürfnissen auch diejenigen einer anderen Person mit in ihre Gedanken einzubeziehen und sich darüber auszutauschen. So können andere Ansichten verhandelt werden (vgl. Strohband 2011).

In diesem Altersabschnitt nimmt ebenfalls die Fähigkeit zu, Emotionen eigenständig zu regulieren (vgl. Petermann & Wiedebusch 2008). Dies vermindert den Unterstützungsbedarf von Kindergartenkindern durch Erwachsene. Stehen bei Kleinst- und Kleinkindern noch sicherheitsgebende und stressreduzierende Aspekte im Vordergrund der Beziehungsgestaltung, rücken bei den Kindern im Kindergartenalter eher die Unterstützung beim kindlichen Erkunden und beim Erwerb von Wissen in den Fokus (vgl. Ahnert 2007). Trotzdem bleiben Beziehungen zu Bezugspersonen weiterhin wichtig. Ein interessanter theoretischer Ansatz scheint im Zusammenhang mit sozialen Beziehungen das Konzept des Vertrauens. Schweer und Padberg (2002, S. 11) definieren: »Vertrauen kann als soziale Einstellung verstanden werden und ist demnach gekennzeichnet durch Meinung/(Quasi-)Wissen über den Interaktionspartner sowie durch Gefühle und Handlungen ihm gegenüber.« In sozialen Beziehungen mit einem Machtgefälle, so wie sie zwischen erwachsenen Bezugspersonen und Kindern bestehen, stellt dies eine Herausforderung dar. Der mächtigere Teil (bspw. eine Pädagogin oder ein Pädagoge) muss einen Vertrauensvorschuss geben, damit dieses Unternehmen gelingen kann. Besteht eine vertrauensvolle Beziehung, reduziert dies die Komplexität der sozialen Interaktionen, da nur noch ein ganz bestimmter positiver Ausschnitt von Verhaltensalternativen als wahrscheinlich infrage kommt.

Persönliche Vertrauenstheorien sind sehr individuell ausgeprägt. Daher akzentuieren verschiedene Menschen unterschiedliche Merkmale, um zu einem Vis-à-vis Vertrauen fassen zu können. Fünf Faktoren sind für die Vertrauensbeziehungen in institutionellen Kontexten aber zentral:

•Persönliche Zuwendung

•Fachliche Kompetenz und Hilfe

•Respekt

•Zugänglichkeit

•Aufrichtigkeit (vgl. ebd.)

Die Faktoren, die Kinder in Vertrauensbeziehungen erleben, decken sich an vielen Stellen mit denjenigen, die Kinder in positiven Bindungen erfahren:

•Zuwendung: Dieser Punkt ist positiv ausgeprägt, wenn zwischen dem Kind und der Pädagogin oder dem Pädagogen eine liebevolle und emotional warme Kommunikation besteht.

•Sicherheit: Das Gefühl von Sicherheit vermittelt eine Bezugsperson, indem sie auch bei eigenaktiven Tätigkeiten des Kindes verfügbar bleibt.

•Erkundung: Wenn die Fachperson das Kind bei neuen Erkundungen unterstützt, spricht man von Explorationsunterstützung.

•Unterstützung und Information: Bei schwierigen Aufgaben braucht das Kind Unterstützung oder zusätzliche Informationen. Die Pädagogin oder der Pädagoge assistiert (vgl. Ahnert 2007; Ahnert & Gappa 2010).

Schweer und Padberg (2002) heben die notwendige fachliche Kompetenz für Vertrauensbeziehungen in institutionellen Kontexten wie bspw. der Schule deutlich heraus und benennen den Punkt der Aufrichtigkeit zusätzlich. Der letztgenannte Aspekt ist aber auch bei Bindungsbeziehungen von Bedeutung, da nur bei einer aufrichtigen Beziehung auch Verlässlichkeit für das Kind möglich wird.

5 AUSWIRKUNGEN DER SOZIALEN BEZIEHUNGEN IM INSTITUTIONELLEN KONTEXT

Soziale Beziehungen in Einrichtungen sind durch institutionelle Rahmenbedingungen geprägt. Die Pädagoginnen und Pädagogen verpflichten ihre Lernenden zur Übernahme ihrer Rolle als Krippenkinder oder als Kindergarten- bzw. Schulkinder. Die Kinder haben sich den institutionellen Gegebenheiten anzupassen (vgl. Böhnisch 1996). Im Gegensatz dazu engagieren sich nicht alle Pädagogen und Pädagoginnen im Beziehungsaufbau zu den Kindern (vgl. zusammenfassend Gutknecht 2015) und es stehen den Fachpersonen mehrere Möglichkeiten offen, diese Zwangsgemeinschaft aus eigener Kraft und damit einseitig aufzulösen. Beispielsweise können Kinder und später auch Schülerinnen bzw. Schüler ausgesondert oder nicht aufgenommen werden. Für die Pädagoginnen und Pädagogen ist es letztlich auch denkbar, ihre Stelle aufzugeben und sich so aus der Gemeinschaft zu lösen.

Darüber hinaus beeinträchtigen strukturelle Herausforderungen die Beziehungsgestaltung: In Einrichtungen der Elementarpädagogik arbeiten viele unterschiedliche Fachkräfte, teilweise eingeteilt in Früh- und Spätdienste und teilweise auch nur als Teilzeitkräfte. Dies bedeutet für die Kinder immer wieder Wechsel der zur Verfügung stehenden Personen. Darüber hinaus sind in der Deutschschweiz die Kindergruppen in Kitas wenig beständig, da viele Kinder nur einen Teil der Woche in der Einrichtung verbringen und die Plätze daher mehrfach belegt werden (vgl. Machmutow et al. 2013). Im Kindergarten und den ersten Schuljahren sind die Kindergruppen stabil, aber es arbeiten sehr häufig mehrere Fachpersonen in einer Gruppe, teilen sich das Pensum oder haben verschiedene Aufgabenbereiche, sodass den Kindern der Aufbau von festen sozialen Beziehungen zusätzlich erschwert wird.

6 BEZIEHUNG ALS GRUNDLAGE FÜR EINE GUTE POTENZIALENTFALTUNG

In einer eigenen Studie (Pfiffner & Walter-Laager 2009) untersuchten wir 95 Kindergartenkinder im Alter zwischen vier und sechs Jahren sowie ihre Pädagoginnen. Fokussiert wurden dabei die sozialen Beziehungen und ihre Auswirkungen auf die Motivation, das Fähigkeitsselbstkonzept und die Leistung.

 

In den Interviews zeigten sich viele facettenreiche Aspekte in den Bereichen »Vertrauen«, »Unterstützung durch die Lehrperson« und »Zugänglichkeit der Lehrperson«. 66 der 95 getesteten Kinder (= 69,5 %) schätzten die Beziehung zu ihrer Pädagogin in allen Belangen als gut bis sehr gut ein. Sie sind sich beispielsweise sicher, dass sie von ihrer Pädagogin gemocht werden und dass diese für sie sorge. Zudem vertrauen diese Kinder ihren Pädagoginnen voll und ganz. Nur vereinzelt berichten Kinder, dass sie Angst vor ihrer Pädagogin hätten oder dass diese lange wütend auf sie sei. Außerdem stimmen praktisch ausnahmslos alle Kinder der Aussage zu, dass es schön sei, wenn ihre Pädagogin mit ihnen zusammen sei. In der Tendenz können die Kinder einschätzen, was ihre Pädagogin verärgert, und die meisten Kindergartenkinder sind sich sehr sicher, dass sie von ihr nicht ausgelacht werden. Bei diesen beiden Fragen nützten die Kinder das gesamte Antwortspektrum aus; die Antworten haben also deutlich gestreut.

Bei den Kindern zeigt sich die Ausgestaltung der sozialen Beziehung zu den Pädagoginnen nicht in Form eines Rückgangs in der Motivation. Auch wenn sich Kinder weniger unterstützt oder gemocht fühlen, bringen sie sich im Alltag ein, dies auch mit dem Ziel, dass die Pädagogin sie positiv wahrnimmt. Die Kinder wünschen sich aber, als Menschen akzeptiert zu werden, und brauchen sicherheitsgebende Strukturen. Sie machen dies immer wieder an Unterstützungsleistungen fest. Stellvertretend folgen die Aussagen von sechs Jungen einer Fokusgruppe, die deutlich äußerten, dass ihnen ihre Pädagogin wenig helfe.


Junge 2: »Sie hilft den Mädchen. Uns sagt sie immer ›Tschüss‹.«
Interviewerin: »Also, könnt ihr es schon? Was heißt denn ›Tschüss‹?«
Junge 2: »Wenn ich etwas frage oder so, sagt sie einfach ›Tschüss‹, sodass ich selber überlegen muss.«
Junge 4: »Ja. Und bei mir ist es genau gleich. Bei den Mädchen sagt sie es nie«.
Interviewerin: »Sicher? Hilft Frau Meier dort mehr?«
Junge 2: »Ja!«
Interviewer: »Was denkst du, weshalb ist das so?«
Junge 4: »Weil sie keine Jungs sind.«
Junge 2: »Weil die Mädchen nicht drauskommen. […].«
Junge 4: »Und wir gehen dann und fragen nochmals nach.«
Interviewer: »Und dann? Hilft sie euch beim zweiten Mal?«
Junge 3: »Nein. Dann sagt sie auch wieder ›Tschüss‹.«
Junge 4: »Nein, manchmal hilft sie.«
Junge 3: »Ja, aber nur manchmal, sonst sagt sie immer ›Tschüss‹.
Dann bin ich auch ›Tschüss‹.«
(Fokusinterview Jungen 300/301; Position: 116–142)

Möglicherweise versucht die Pädagogin, diese Jungen selbst den Weg des Entdeckens gehen zu lassen. Die Jungen können das Verhalten ihrer Pädagogin aber nicht einordnen und fühlen sich von ihr nicht gut begleitet.

Generalisierend lässt sich festhalten, dass die Kinder es schätzen, wenn sie

•etwas über ihre Pädagogin wissen. Dies kann beispielsweise sein, ob sie ein Haustier hat oder wohin sie in die Ferien verreist.

•sich von ihr unterstützt fühlen und Hilfe erhalten. Unterstützung und Hilfe erfahren die Kinder in mannigfaltiger Art und Weise. So zum Beispiel, wenn die Pädagogin ihnen beim Lösen von schwierigen Problemen Anregungen gibt, wenn sie beim Spielen ab und an vorbeischaut und sich auf das Spiel einlässt oder wenn sie bei Streit die Kinder nicht allein lässt.

•gerecht ist. Kinder nehmen es wahr, wenn die Pädagogin parteiisch ist, wenn sie beispielsweise jemanden bevorteilt, und fühlen sich dadurch zurückgestoßen.

•ihr Verhalten klar einschätzen können. Demgegenüber mögen es Kinder nicht, wenn sie von der Pädagogin getadelt werden und sie für sie nicht gut »lesbar« ist. Ein Teil der Kinder vertraut deshalb ihrer Pädagogin nicht.

Bei der Befragung der Pädagoginnen mit den durchgängig positiven sozialen Beziehungen zeigte sich, dass alle die Kinder be(ob)achten und ihre Beobachtungen dokumentierten. Sie verfügten über unterschiedliche Systeme, aber betonten, dass sie nur auf diesem Wege alle Kinder auch wahrnehmen können, da sonst immer wieder Kinder auch unbemerkt blieben. Hier scheint ein zentraler Punkt zu liegen: Die Kinder benötigen im Elementarbereich die persönliche Zuwendung und diese muss auf dem einen oder anderen Weg gesichert werden.

7 EINBEZUG DER BEZIEHUNGSGESTALTUNG IN DEN UNTERRICHTSALLTAG

Charakteristisch für die Gestaltung des pädagogischen Alltags mit jungen Kindern sind sowohl offene, kindorientierte Sequenzen als auch vorbereitete Angebote (vgl. Walter-Laager & Fasseing Heim 2015; Meyer & Walter-Laager 2012). Forschungsbefunde zeigen, dass in besonders effizienten elementarpädagogischen Einrichtungen eine Balance zwischen angeleiteten Gruppenangeboten und selbst gewählten freien Aktivitäten hergestellt wird (vgl. Sylva et al. 2004). Dabei ist es zentral, dass die Frühpädagoginnen mit den Kindern regelmäßig interagieren und gemeinsam entwickelnde Denkprozesse vorantreiben (vgl. König 2014). Walter-Laager und Fasseing Heim (2015) bieten mittels vier Unterrichtsbausteinen eine übergeordnete Systematik, um das pädagogische Handeln bewusst zu gestalten bzw. zu reflektieren. Selbstbestimmte Aktivitäten, unter denen die prominenteste Vertreterin das freie Spiel ist, gehören zu den motivierendsten Quellen des Lernens für junge Kinder. Dies formulierten auch die Kinder in der oben genannten Untersuchung (Pfiffner & Walter-Laager 2009).


Baustein A Selbstbestimmte Aktivität Die Kinder wählen bewusst oder unbewusst eigene Zielsetzungen und verfolgen diese auf persönlichen Wegen. Dabei gibt die Pädagogin bzw. der Pädagoge mit dem Materialangebot den Rahmen vor und achtet darauf, dass alle Kinder herausfordernde Lernsituationen finden. Baustein B Unterstützung der selbstbestimmten Aktivität Die Pädagogin bzw. der Pädagoge nimmt sich Zeit, an den Aktivitäten der Kinder teilzuhaben, und bringt sich partnerschaftlich ein, um dadurch deren Vorstellungswelt zu erweitern. Spielabläufe werden variiert, Rollen werden verändert, erweitert oder Ideen ausdifferenziert.

Abbildung 2: Baustein A: Selbstbestimmte Aktivität; Baustein B: Unterstützung der selbstbestimmten Aktivität durch die Pädagogin bzw. den Pädagogen

Geführte Aktivitäten helfen im Idealfall, die Interessen der Kinder auszubauen, und ermöglichen gemeinschaftsbildende Prozesse in der gesamten Gruppe.


Baustein C Geführte Aktivität bzw. Angebote Die Pädagogin bzw. der Pädagoge legt Ziele fest sowie den Weg, um diese zu erreichen. Die geführten Aktivitäten legen eine Basis für die Gruppe, auf die alle zurückgreifen können, und zusätzlich geben sie den Kindern Einblicke in verschiedene Bereiche. Baustein D Vertiefende Aktivität Die Ziele werden für einzelne Kinder oder auch für Gruppen variiert, sodass alle Kinder Neues lernen können. Vertiefende Aktivitäten fußen meist auf einführenden geführten Aktivitäten und vertiefen diese.

Abbildung 3: Baustein C: Geführte Aktivität; Baustein D: Vertiefende Aktivität

Innerhalb der vier Unterrichtsbausteine existieren verschiedene Möglichkeiten zum Aufbau der sozialen Beziehung zwischen den Lehrpersonen und ihren Lernenden.

7.1 FÖRDERUNG DER SOZIALEN BEZIEHUNG BEI SELBSTBESTIMMTEN AKTIVITÄTEN UND DEREN UNTERSTÜTZUNG DURCH DIE LEHRPERSON (BAUSTEINE A UND B)

Wenn Kinder eigene Ideen beziehungsweise Projekte verfolgen, haben Pädagoginnen und Pädagogen die Gelegenheit, die Kinder in ihrer Individualität besser kennenzulernen und in einen engen Austausch mit ihnen einzutreten. Die Interaktion zwischen Pädagogin bzw. Pädagoge und Kind gilt als Schlüsselmerkmal der pädagogischen Qualität in vorschulischen Bildungseinrichtungen. Ergebnisse internationaler Studien zeigen, dass die Prozess- bzw. Interaktionsqualität in einem direkten Zusammenhang mit der Entwicklung des Kindes steht (vgl. bspw. Bäuerlein et al. 2013; Burchinal et al. 2008; Williford et al. 2013). Kinder, die im Austausch mit ihren Betreuungspersonen stehen, erkunden ihre Umwelt aktiver und befinden sich sowohl im Spiel als auch in der sprachlichen Entwicklung auf einem höheren Niveau als Kinder, deren Kontakt zur Pädagogin eingeschränkt ist (vgl. Gisbert 2004). Interaktionen sollten von folgenden Merkmalen geprägt sein:

Verfügbarkeit und Fürsorglichkeit: Feinfühligkeit, Responsivität und Sensitivität einer Bindungsperson gelten als wichtigste Grundlagen der Bindung (vgl. Ahnert 2014). Feinfühlige und fürsorgliche Pädagoginnen berücksichtigen die jeweilige Situation, in der sich das Kind befindet. Sie befassen sich aktiv mit dem Kind, reagieren sorgfältig auf verbale und nonverbale Äußerungen, ermutigen und regen das Kind zu Aktivitäten und zum Nachdenken an (vgl. Gisbert 2004). König (2014) spricht in diesem Zusammenhang von einer sozial-emotional unterstützenden Beziehung. Darüber hinaus ist es wichtig, die Absichten von Kinderfragen differenziert zu erkennen: Will das Kind eine sachliche Information, möchte es emotionale Zuwendung oder über eine Frage gemeinsam nachdenken und philosophieren (vgl. Zoller Morf 2010).

Interesse und Engagement: Ein angstfreies und ausgeprägtes Explorationsverhalten wird durch ein aktives Interesse an den kindlichen Tätigkeiten und hinreichende Unterstützung der Pädagogin gefördert (vgl. Gisbert 2004). Involvement der Pädagogin bzw. des Pädagogen meint dabei, ein echtes Engagement und die Bereitschaft, mit dem Kind in einen Aushandlungsprozess zu treten, ohne die Situation zu dominieren (vgl. König 2014).

Hohe Leistungen erwarten, nächste Schritte anregen und eine positive Fehlerkultur aufbauen: Bildungsprozesse werden unterstützt, wenn Kinder verbal ermutigt, anerkannt und motiviert, von ihnen zugleich hohe Leistungen erwartet werden und ihnen (im Sinne der Präsupposition) viel zugetraut wird. Zudem ist es zentral, dass Pädagoginnen bzw. Pädagogen Ideen für nächste Entwicklungs- bzw. Lernschritte einbringen und die Kinder in der »Zone der nächsten Entwicklung« (vgl. Vygotskij 2002) herausfordern. Weiter ist eine positive Fehlerkultur wichtig, bei der Fehler als Anlass zum Nachdenken über das eigene Lernen verstanden werden (vgl. Oser & Spychiger 2005).