Briefe aus der Ferne

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Die neue Linke

Auf der einen Seite scheint die Lage der Frauen in Deutschland schlecht, und nur wenige sind gewillt, sich ihrer gesondert anzunehmen. Die beste Losung scheint die der modernisierten CDU, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als die Verhängung von Dauerstress über das weibliche Volk verstärkt voranzutreiben. Auf der anderen Seite geschah es 2007 fast wie ein Wunder, dass sich die vielen versprengten Linken und die Gebliebenen aus dem aufgegebenen Sozialismus mit den von der Sozialdemokratie enttäuschten Gewerkschaftern zusammenschlossen zu einer neuen Linken. Das Projekt schreitet, wie zu erwarten behindert durch innere Zerwürfnisse und durch Medienblockaden oder -­kampagnen, dennoch voran. Als Hauptprogrammatik hat es einige Lehren aus den sozialen Bewegungen aufgenommen. So, dass sich die neue Partei als sozial, als ökologisch und als feministisch begreift.

Die Partei wächst nicht sprunghaft, jedoch stetig. Der nach außen verkündete Feminismus erschöpft sich bislang in der Quote, die einzuhalten schwierig ist, wenn die weiblichen Mitglieder nicht entsprechend nachwachsen. Es ist zu wenig, wenn die Kultur und die Programmatik den Feminismus nicht grundlegend einbeziehen, so dass linke Frauen sie als ihre Partei erkennen, in die sie sich einmischen wollen.

Das Programm der neuen Linken so auf eine alternative Gesellschaft zu orientieren, dass sie gleichwohl auch innerhalb der alten Gesellschaft handlungsfähig bleibt, dazu dient das Projekt der Vier-in-einem-Per­spektive. Es kann bei der Diskussion des neuen Programms, die bis zum Jahr 2011 abgeschlossen sein wird, hilfreich sein. Dieser Prozess hat begonnen.

Briefe aus der Ferne. Eine internationale Umfrage

Es geht im folgenden Buch um 47 Texte aus 13 Ländern auf sechs Erdteilen, sehr unterschiedlich in Umfang und Detailliertheit, von feministischen Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen, die sich politisch ­äußern. Alle hatten die Frage, wie sie sich ein linkes feministisches Projekt heute vorstellen, und eine Kurzfassung des Projekts der Vier-in-einem-Perspektive bekommen. Alle Briefe beziehen sich auf ein ebenso mögliches wie notwendiges linkes Projekt heute: So sprechen sie, verteilt über den Globus, von einem gemeinsamen Fluchtpunkt. Sie sind sich aus der Ferne nah, wie wir uns aus der Nähe fern. Dies ist zugleich das Eigentümliche und Optimistische an den Nachrichten von überall, dass es dieses kollektive feministische Projekt international schon gibt. Es muss sich nur weiter selbst finden.7

Das vorliegende Buch ist erst ein Anfang. Das Projekt hat kein Ende: Die meisten Autorinnen arbeiten weiter und schicken weitere Texte.8 Erste Lehren aus der Umfrage sind:

In der globalisierten Welt müssen die Fragen auch vor dem Hintergrund der transnationalen Kapitale gestellt werden, die wiederum die Frauenschicksale in aller Welt mit sich reißen, so wie eben jetzt in der Weltwirtschaftskrise. Sozialismus (fast alle in der Umfrage sprechen von Sozialismus) ist als besseres Leben zu begreifen. Politik ist auf verschiedenen Ebenen anzupacken – von unten als ›Graswurzel-Politik‹ und feministisch-sozialistisch zugleich. Der Kampf um den Wohlfahrtsstaat muss als Kampf gegen seinen Abbau in den westlichen kapitalistischen Ländern zugleich mit dem Kampf für seinen Aufbau in den Dritt-Welt-Ländern verknüpft werden.

Gegen sexistische Gewalt ist bis in die Kommunikationsstrukturen hinein zu streiten – dafür müssen wir eine Sprache finden, die uns für den Umbau fehlt. Die Gewalt besteht in jedem Land der Welt fort und nimmt viele Formen an, von Vergewaltigung als Waffe im Krieg über häuslichen Missbrauch bis zum Ausschluss von Frauen und Mädchen von Gesundheitsfürsorge, Wahlfreiheit, Bildung und öffentlichem ­Leben, ein Ausschluss, der ihre Chancen weiter beschränkt und ihnen die Möglichkeit nimmt, ihre Rechte einzufordern.

Die außergewöhnlich große Rolle, die der gesamte Reproduktionssektor für die Erhaltung des Systems, für die Art der Erwerbsarbeit, für die Lebensweise spielt, gilt es zu erforschen und zu begreifen. Dies umfasst den Umgang mit Natur und verbietet eine Beschränkung auf den bloß gewerkschaftlichen Kampf, bzw. fordert seine Politisierung und Erweiterung. Wir streiten für eine Welt, in der Individuen beiderlei Geschlechts aufrecht leben können. Daher ist die Frage der Familienpolitik zentral für ein linkes Projekt. In ihr stellt sich die Hegemoniefrage. Es ist die Masse der Frauen betroffen. Gegen die konservative Rechte ist zu streiten, die sich Familienpolitik auf Kosten von Frauen und Familien zunutze macht. Es muss für die Erkenntnis gearbeitet werden, dass Umwelt- und andere soziale Probleme – etwa der Ausbau des Militärs – auch Familienprobleme sind. Wir wollen zur Frage ermutigen, welche Art von Welt wir für unsere Kinder wollen, und wir wollen zum Kampf für diese Welt antreten.

Wichtige Dimensionen und Kämpfe gelten der Frage von Selbstveränderung, der Wiederentdeckung des eignen Standpunktes und der Herstellung einer ›Politik des Wir‹, also kollektiver Handlungsfähigkeit. Gegen die neoliberale Vereinzelung brauchen wir bewusste Zusammenschlüsse. Gegen die Gefangennahme der Begriffe in die neoliberale Agenda wollen wir auch Sprachpolitik entwickeln. Aus den täglichen Grenzüberschreitungen können wir alternative Erfahrungen schöpfen.

Ein Hauptergebnis aus dieser internationalen Umfrage ist auch eine Lehre und ein Wegweiser: Ein möglicher Einschluss feministischer ­Dimensionen in ein linkes Programm wird weltweit als aufregend diskutiert. Diese Diskussion ist daher für sich selbst schon ein Politikum. Sie verändert das Klima um die Partei, gibt Feministinnen Auftrieb. Dass die Diskussion nicht abgeschlossen ist, dass keine Rezepte herauskommen, kann uns nicht entmutigen, sondern an die Arbeit setzen. Wie zum Beispiel nimmt man die notwendige Globalität eines aktuellen Feminismus in ein Programm? Oder die Notwendigkeit, gegen Gewalt und gegen alltäglichen Sexismus einzuschreiten? Wir brauchen eine Diskussionskultur, die es erlaubt, alle Fragen öffentlich zu erarbeiten und im internationalen Rahmen weiter zu bewegen. Dies ist selbst das Politische, das wir feministisch ins Programm bringen. Wir wollen nicht fertige Antworten auf einzelne nationale Punkte. Wir lernen aus dem Internationalismus der Arbeiterbewegung, der selbst eine große Kraft ist. Dies ist das Format, das wir anzielen. Es braucht Strukturen, in denen diese Diskussionen geführt werden können, Räume. Linker Feminismus ist ein Projekt, das von uns stets neu lebendig geschaffen wird, wozu wir beweglich dialektisch denken lernen müssen, alles stets in Veränderung begreifen und gerade dadurch handlungsfähiger werden.

Frigga Haug, Los Quemados, 1. September 2010

Mari Paz Balibrea
London, Großbritannien und Murcia, Spanien

Dr. María José Balibrea Enriquez, Professorin für spanische Literatur und Kulturwissenschaft am Institut für Spanisch, Portugiesisch und Lateinamerika-Studien der University of London.

Veröffentlichung: Tiempo de exilio: una mirada critica a la modernidad espanola desde el pensiamiento republicano en el exilio, Montesinos 2007.

Linker Feminismus heute

Einige grundsätzliche Voraussetzungen des linken Feminismus, wie ich ihn verstehe:

• Linker Feminismus zielt auf strukturelle Veränderungen. Es geht darum, die Strukturen oder den Status quo der Frauenunterdrückung in der jeweiligen Gesellschaft zu erkennen und diese Strukturen entsprechend zu verändern, welche Form sie im jeweiligen Kontext auch immer annehmen. Weiter geht es darum, die erreichten Veränderungen zu erhalten und weiter voranzutreiben. Linker Feminismus ist daher eine »tiefgreifende« gesellschaftliche und politische Bewegung, nicht eine »oberflächliche« oder konjunkturelle.

• Links-feministische Projekte sind einschließend, nicht ausschließend. Mit anderen Worten: Sie erkennen an, dass Unterdrückung komplex und niemals auf die Unterwerfung entlang einer Kategorie (in diesem Fall Geschlecht) beschränkt ist. Daher zielen sie darauf ab, ihre Kämpfe mit denen anderer zu verknüpfen (nicht, sie ihnen unterzuordnen), um eine Veränderung hin zu mehr Gerechtigkeit für alle Unterdrückten, nicht nur für Frauen, zu bewirken.

• Die Ausgangsbedingungen für einen linken Feminismus hängen stark davon ab, über welchen Teil der Welt wir reden und wie es um Identitätsmerkmale wie Klasse, Ethnie und Religion von Frauen steht. Manche Frauen müssen noch für die Anerkennung grundlegender Gleichheitsrechte kämpfen, während andere Frauen seit Jahrzehnten zumindest nominell die institutionelle und gesellschaftliche Zuerkennung dieser Grundrechte genießen. So werden zum Beispiel ein Opferdiskurs und die Ablehnung von Lebensweisen als »falsches Bewusstsein«, wie sie für die erste Welle der Frauenbewegung charakteristisch waren, im aufgeklärten Kontext der sogenannten ›Ersten Welt‹ wahrscheinlich kontraproduktiv wirken, insbesondere bei den jungen Generationen, die unter Bedingungen von Gleichheit und Wahlmöglichkeit aufgewachsen sind, die für sie selbstverständlich und in ihrem Leben sehr real sind. Einen negativen Effekt könnte so ein feministischer Diskurs auch deshalb haben, weil er einer reaktionären puritanischen Politik in die Hände spielt, die Frauen weiterhin unterjochen möchte statt sie zu befreien. In anderen Zusammenhängen jedoch ist das Benennen der Viktimisierung von Frauen absolut notwendig, auch innerhalb jener im Kern aufgeklärten Länder: in der Arbeitswelt nämlich, im privaten Raum oder in der Lebenswelt marginalisierter, gefährdeter Bevölkerungsgruppen. So viel Differenziertheit und Aufmerksamkeit in der Analyse sind absolut notwendig für eine links-feministische Agenda, wenn sie Frauen auf breiter Front ansprechen will und nicht nur die üblichen weißen Mittelschichtsfrauen, die dem westlichen Feminismus den Weg bereitet haben.

 

• Angesichts der Unmöglichkeit eines einzigen linken Feminismus, der für alle Frauen sprechen könnte, muss jedes realistische Konzept, das Feminismus als globales Projekt entwirft, in erster Linie als Rahmenpolitik gedacht werden. Diese Politik wird nur in dem Maße funktio­nieren, wie sie einen Dialog der Stimmen aus verschiedenen Ecken des feministischen Spektrums anstößt und in Gang hält.

• Darüber hinaus braucht es dringend eine eingrenzende Bestimmung dessen, was einen linken Feminismus ausmacht. Das zu versäumen würde dem Relativismus in die Hände spielen und unter der Prämisse, Differenz zu respektieren, jegliche Frauenpolitik als feministisch und progressiv anerkennen.

• Genauso ist zu begründen, warum es sinnvoll ist, von einem einzigen linken Feminismus statt einer Mehrzahl linker Feminismen zu sprechen. Linker Feminismus ist das Ergebnis einer globalisierten Welt, in der Handlungen nicht nur lokal, sondern über den ganzen Planeten hinweg Wirkung zeigen. Von einem linken Feminismus zu sprechen wurzelt in der Überzeugung, dass wir eine globale Koordinierung links-feministischer Forderungen anstreben müssen, die für alle Beteiligten vorteilhaft ist. Mit anderen Worten: Linker Feminismus steht dafür, dass die Bedürfnisse und Wünsche aller Beteiligten in die Diskussionen über das gemeinsame feministische Programm immer mit einbezogen werden. Linker Feminismus hält sich von den Täuschungen des liberalen Pluralismus fern, der zwar behauptet, die Positionen aller zu respektieren, dadurch aber alle zu Vereinzelung, Egoismus und Gleichgültigkeit gegenüber den Bedürfnissen anderer verdammt. Mit dem Vorschlag, linken Feminismus als Rahmen zu begreifen (und nicht als Versuch, eine bestimmte Politik auf Kosten anderer durchzusetzen), möchten wir in allen ein Gefühl von »Teilhabe« an diesem Begriff erzeugen. Gemeinsam gerät uns die Präsenz der vielen nicht aus dem Blick.

Als Spanierin möchte ich auf folgende besonderen Notwendigkeiten in Spanien hinweisen:

• Eine Vertiefung der Gleichheit und Achtung von Frauen. Juristisch und politisch wurde in dieser Hinsicht viel erreicht, besonders in den vergangenen fünf Jahren unter der sozialdemokratischen Regierung von Rodríguez Zapatero. Doch vieles bleibt zu tun. Wirkliche Gleichheit kann paradoxerweise nur bei gleichzeitiger Anerkennung von Verschiedenheit entstehen. Der biologische Unterschied der Frau, ihre Fähigkeit, Kinder zu bekommen, dient in Spanien nach wie vor dazu, die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt zu rechtfertigen. Diese weit verbreitete Praxis wird durch die gesetzlich geförderte neoliberale Einstellungspraxis unterstützt. In der Tat bleibt Mutterschaft der die Frauendiskriminierung strukturierende Faktor. Sexistische Praktiken gegen Frauen im gebärfähigen Alter reichen von unverhohlener Kündigung schwangerer Frauen in prekären ­Arbeitsverhältnissen bis zur subtileren Form der fehlenden Anerkennung der familiären Pflichten von Frauen. Dies entscheidet immer noch vollkommen, und zwar in negativer Richtung, über die Berufskarrieren von Frauen, die sich außerstande sehen, den von Männern geschaffenen und auf Männer zugeschnittenen Standards für ­Arbeitszeiten und -plätze zu genügen, es sei denn, sie verzichten auf andere Lebensinhalte. Weitere Gesetze und eine andere Wirtschaftsweise sind nötig, um die Rechte von Frauen am Arbeitsplatz effektiv und im vollen Sinne zu verteidigen und sie nicht dafür zu bestrafen, dass sie Zeit für reproduktive, soziale und gemeinschaftliche Aufgaben aufwenden. Dies sind wesentliche Tätigkeiten für die Aufrechterhaltung und das Wohlergehen jeder Gesellschaft, und sie sollten weder direkt noch indirekt unter Ausbeutungsbedingungen ausgeübt werden. Geschieht das doch, hat dies nicht nur Nachteile für Frauen, sondern bedauerliche Konsequenzen für das Gesellschaftsgefüge als Ganzes.

• In unserer nach wie vor von Sexismus durchdrungenen Gesellschaft ist es notwendig, zu Gleichberechtigung und Respekt für Unterschiede zu erziehen. Ein gravierendes Zeichen für diese Erfordernis ist die Gewalt gegen Frauen. 2008 wurden mindestens 70 Frauen von meist aus ihrem sozialen Umfeld stammenden Männern umgebracht. Kürzlich sind neue Gesetze erlassen und neue Mittel der Strafverfolgung geschaffen worden, um derlei Gewalttaten zu bestrafen, zu verhindern und potenzielle Opfer zu schützen. Es handelt sich hier jedoch nicht nur um ein rechtliches Problem, sondern um ein Problem, das die gesamte Gesellschaft betrifft. Ein linker Feminismus, geübt in der Analyse von Sexismus in Alltagspraxen, kann auf allen Ebenen wesentlich dazu beitragen, Aufklärung und kritisches Bewusstsein zu fördern.

Abigail Bray
Perth, Australien

Dr. Abigail Bray, Forschungsassistentin an der University of Western Australia in Perth; 2006–2009 Leitung ­eines Gemeinschaftsprojekts zwischen den Women’s Studies und dem »Centre for the Vulnerable Child« zum Thema sexueller Missbrauch von Kindern.

Veröffentlichung: »Governing the Gaze: Child Sexual Abuse, Moral Panics and the Post-feminist Blind Spot«, in: Feminist Media Studies, 9:2, 2009, S. 173–191.

Liebe Frigga,

es tut mir leid, dass ich so spät erst antworte. Es ist schwer zu sagen, was ein feministisches Projekt wäre, ohne einfach nur die schon in der Vergangenheit verfolgten Anliegen zu wiederholen. Deine Idee vom vierstündigen (Erwerbs-) Arbeitstag ist ausgezeichnet und berücksichtigt, dass Arbeit sich in der post-fordistischen Wirtschaft weiterhin radikal verändern wird.

Mit der Intensivierung der barbarischen Formen des patriarchalen Kapitalismus muss die Abwertung der Schwächsten, der proletarischen Frauen, Kinder und Jugendlichen als eine sozioökonomische Realität der Gegenwart angesprochen werden, was Lösungen verlangt, die die spezifischen Formen von Ungerechtigkeit, die ihnen von oben auferlegt werden, erkennen.

1921 vermerkte Lenin, dass »die weibliche Bevölkerung im Kapitalismus doppelt unterdrückt ist«. Unter den Bedingungen des barbarischen Kapitalismus ist das Schicksal proletarischer Frauen, Jugendlicher und Kinder ineinander verwoben, da ihre Unterdrückung aus einem ökonomischen System herrührt, welches Mütter, werdende Mütter und ihre Kinder herabsetzt und zugleich Familienwerte gefühlvoll anruft und Arbeitern ein Eigenheim anbietet als Hafen, in dem sie sich vom Stress eines unbarmherzigen ökonomischen Wettbewerbs erholen sollen. Die Hausarbeit, die Frauen verrichten (wie saubermachen, kochen, die komplexe Arbeit der Sorge für die Kinder, die emotionale und sexuelle Arbeit in den Geschlechterbeziehungen) bleiben für die kapitalistische Buchhaltung unsichtbar. Und doch wird aus dieser unsichtbaren Arbeit großer Profit gezogen. Solche unsichtbaren Arbeitsbeziehungen innerhalb des Hauses bringen nicht nur die Körper der zukünftigen Arbeiter hervor, die selbst profitlich ausgebeutet werden. Strom, Ernährung, Kleidung, Reinigungsmittel und -maschinen, Küchengeräte und Unterhaltungstechnologie, um nur einige Konsumtionsbereiche zu nennen, sind erforderlich, um einen privaten Raum aufrechtzuerhalten, in dem Frauenarbeit fortgesetzt ausgebeutet und unsichtbar gemacht wird. Um ihre unbezahlte Hausarbeit fortzuführen, muss sie eine endlose Vielfalt von stets auf den neuesten Stand gebrachten Waren kaufen. In dieser Hinsicht ist sie einzigartig: Von keiner anderen Arbeiterklasse wird erwartet, dass sie Werkzeuge für eine Arbeit kaufen, für die sie nicht bezahlt wird, und sich zu schämen, wenn sie sich nicht die besten Arbeitsmittel leisten können, die beste Waschmaschine, den modernsten Herd, die neusten Reinigungsmittel.

Diese Abwertung ihrer Arbeit wird durch die neoliberalen ­Ideologien der freien Wahl und der Selbstermächtigung verstärkt, welche Frauen ­demütigen, die nicht in der Lage sind, die Doppelschicht von außerhäuslicher und innerhäuslicher Arbeit zu leisten und von Verzweiflung und Erschöpfung übermannt werden. Sie wird als unordentlich und unorganisiert stigmatisiert, geschmäht, die Gesundheit ihrer Familie aufs Spiel zu setzen. Mehr noch, sie muss, um ihr Recht auf eine Doppelschicht zu behalten, um eine verlässliche Arbeiterin, Partnerin und Mutter zu sein, an ihrer eigenen Unterdrückung mitwirken, indem sie große Mengen von Waren kauft, die sie schöner zu machen versprechen, gesünder und sexuell reizvoller. Der Kapitalismus profitiert aus der Unterdrückung von Frauen, indem er verlangt, dass sie die Werkzeuge für ihre unbezahlte Arbeit kaufen, und dann noch verlangt, dass sie ihre eigene Verdinglichung aufrechterhalten, indem sie Produkte konsumieren, die gemacht sind, um die Zeichen dieser Herabwürdigung an Körper und Geist zu verbergen.

Außerhalb dieser Einhegung ist die Frau einem System ausgeliefert, das sie in diese Gefangennahme treibt, das romantische Liebe verspricht, Sicherheit und Mutterschaft, oder ihren Widerstand in Versagen umbenennt.

Die Furien der kapitalistischen Elemente werden auf sie losgelassen durch ein Wohlfahrtssystem, das ihre Sexualität und Würde demütigt durch ein männlich dominiertes und vom Profit getriebenes Erziehungs- und Gesundheitssystem und einen ausbeuterischen Arbeitsplatz. Sie weiß, dass das optimistische Lächeln neoliberaler Selbstverbesserungs-Politik die stets gegenwärtige Drohung sozialen Ausschlusses und der Armut maskieren soll, ebenso wie jede Hochglanzanzeige für Gesichtscreme von der Aussicht auf Hässlichkeit überschattet ist. Aber sie kann mit diesem aufkommenden Klassenbewusstsein sehr wenig ausrichten, da sie von anderen Frauen durch unentwegte Arbeit abgeschnitten ist. Wenn sie durch Unterhaltung zu entkommen sucht, wird sie wiederum von Erzählungen bombardiert, die ihr eintrichtern, dass die Geschlechterverhältnisse des Kapitalismus eine unveränderbare Lebenstatsache sind, natürlich und von Anfang an. Es ist daher bloß natürlich, dass sie für die Arbeitsmittel wie Waschmaschine, Staubsauger, Reinigungsmittel, Mopp, Schwamm, Herd, Kühlschrank bezahlen sollte, um umsonst zu arbeiten. Freiheit heißt, jemand anderen zu haben, der diese Arbeitsmittel bezahlt, oder eine andere Arbeiterin zu bezahlen, die mit ihnen arbeitet.

Kulturell lebt sie unter der Bedrohung durch männliche Gewalt, die es zur Gefahr macht, nachts allein auf die Straße zu gehen, die sie zu Hause erwartet und ihre Kinder sich ducken lässt. Es wird ihr versichert, dass Männergewalt gegen Frauen von neoliberalen kapitalistischen Regierungen nicht geduldet wird, und doch begegnet ihr ein Rechtssystem, das sie demütigt, weil sie keine Gegenwehr gezeigt hat, und ein soziales Urteil, das ihr bedeutet, »Ausschuss« zu sein, wenn sie sich als verletzt identifiziert. In ein Frauenhaus gegangen zu sein, in eine Notaufnahme im Krankenhaus, die Polizei um Schutz gerufen zu haben, vor Gericht gegangen zu sein, um Gerechtigkeit zu finden, heißt soziale Isolation und Stigma einzuladen. Sie wird eine Last für die Wirtschaft und eine Ausgestoßene, selbst wenn verschiedene profitgetriebene Systeme noch von ihrem Leid gewinnen.

Man sagt ihr, dass das Glück ihrer Kinder in ihrer Verantwortung liegt, ebenso wie die Bedingungen ihres Lebens, und ihre wachsende politische Erkenntnis des Systems, welches sie unterdrückt, wird durch die hegemoniale Demütigung zum Schweigen gebracht, ihr beginnendes Gewahrwerden sei ein »bloßes Opferbewusstsein«. Erst wenn die materiellen Bedingungen des Lebens proletarischer Frauen und Kinder geändert sind, sind sie frei, in Würde zu leben. Ein sozialistischer Feminismus könnte damit beginnen, auf die emotionalen, psychologischen und physischen Zerstörungen des Lebens von Frauen und Kindern aufmerksam zu machen, die durch ein männlich dominiertes profitgetriebenes System, das auf der unsichtbaren Sklaverei des Heims basiert, verursacht werden. Wenn das Ausmaß des Leides anerkannt ist, lässt sich ein sozialistischer Feminismus nicht länger als naive und idealistische Forderung des Unmöglichen abtun, sondern kann verstanden werden als notwendige Umwälzung eines Systems, das menschliches Leben beschädigt.

Mögliche Forderungen könnten sein:

• Rentenalter für Frauen mit 55

• Geringere Steuern für arbeitende Mütter und Jugendliche bis zu ­einer vernünftigen Schwelle

• Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs

• Nationalisierung der Banken. Banken und Unternehmen sollten einen Prozentsatz ihrer Gewinne an den Staat geben zur Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Frauen, Kindern, Jugendlichen.

 

• Staatliche Krankenhäuser für Frauen und Kinder, wo sie umsonst behandelt werden.

• Die Umverteilung eines Prozentsatzes der obszönen und antigesellschaftlichen Militärhaushalte in Projekte, die für das Wohlbefinden von Frauen und Kindern sorgen. Die Schaffung eines »gesellschaftlichen Friedensfonds« anstelle des Geldes, das für Waffen und Massenvernichtung ausgegeben wird. Vollständige Transparenz über die globalen Unternehmen, die am militärisch-industriellen Komplex beteiligt sind, und ihre Verbindungen zum Staat. Vollständige Aufklärung über den Militärhaushalt und Eröffnung eines breiteren gesellschaftlichen Dialogs über die Notwendigkeit solcher Ausgaben. Öffentliche Gespräche über die Kosten des Militärhaushalts für die Steuerzahler.

• Hausarbeit soll als Teil der Wirtschaft anerkannt werden und nicht länger die unsichtbare Arbeit einer Sklavenklasse von Frauen sein. Haushaltsreiniger, die die häusliche Umwelt, die Arbeiterinnen im Haus und in der weiteren Umgebung vergiften, sollten einer »Erdsteuer« unterworfen werden.

• Mehr Lohn für Reinigungs- und alle Arbeiterinnen in Haushalten

• Regulierung des zweiten Arbeitsmarkts, um die erniedrigende Ausbeutung zu beenden, die die gelegentliche Kurzzeitbeschäftigung begleitet, die viele Frauen erdulden. Aufbau starker Gewerkschaften innerhalb des zweiten Arbeitsmarkts.

• Vermehrte Sozialhilfe für alleinerziehende Mütter und Jugendliche. Schluss mit den Entwürdigungsritualen der Sozialhilfe, die die sozial Verletzlichsten und ihre Kinder beschämen und demütigen. Frauen sollten vom Staat nicht länger dafür bestraft werden, dass sie sich weigern, unterdrückerische heterosexuelle Beziehungen zu ertragen.

• Der Stigmatisierung alleinerziehender Mütter und ihrer Kinder sollte in einer groß angelegten Kampagne begegnet und soziale Achtung und die Pflicht der Sorge für diese Bürgerinnen aufgebaut werden. Mütter sollten frei sein, zerstörerische Ehen und Beziehungen zu verlassen, ohne sozioökonomische Unterdrückung zu fürchten.

• Höhere Löhne für die Jugend

• Familienzentrierter Arbeitsplatz. Es ist demütigend zu fordern, Frauen sollten arbeiten und traditioneller Kinderfürsorge nachkommen, ohne den Schultag oder den Arbeitstag zu verändern. Die strukturelle Diskriminierung arbeitender Mütter, die verlangt, dass sie entweder ihr Einkommen oder ihre Kinder opfern, muss ein Ende haben. Es braucht die Anerkennung der Mütter- und Elternarbeit als lebenswichtige Grundlage sozialen Zusammenhalts und der Wirtschaft und die dafür angemessene Politik.

• Die Arbeitszeit muss so restrukturiert werden, dass sie die Anwesenheit von Kindern im Arbeiterleben widerspiegelt. Kostenlose Krippen an allen Arbeitsplätzen für alle Arbeitenden. Kostenlose Horte für alle arbeitenden Eltern.

• Mehr Lohn für alle Arbeitenden mit Kindern und Jugendlichen von der Krippe und Vorschule bis zu den höheren Erziehungseinrichtungen.

• Kostenlose Schulen und Abschaffung aller Eliteschulen, die Vorurteile und Klassenhass vertiefen und die Kinder der sozial und ökonomisch Schwachen demütigen. Alle Kinder sollten Zugang zu den gleichen Unterrichtstechnologien, Informationen und Versorgungsmöglichkeiten haben, unabhängig vom Reichtum der Eltern.

• Staatlich geförderte Therapie für die sozial Schwachen. Solche Therapie sollte darauf gerichtet sein, die soziale Ausschließung auszumerzen, die zu Verletzbarkeit und Leid führt, und nicht bloß eine Empfehlung für die Vermarktung von Leiden für die großen Pharma­industrien sein. Es muss um die Schaffung pragmatischer Lösungen für das Leiden gehen, die auf soziale Einschließung und Wohlbefinden durch nicht-ausbeuterische Produktivität und vermehrtes Mitgefühl in der Gemeinschaft zielen.

• Pornographie muss höher besteuert werden. Schwere Strafen für die Herstellung und Verbreitung von Material zu Kindesmissbrauch im Netz, für die Abnehmer und die Internet-Unternehmen, die Komplizen in der Verbreitung solcher Verbrechensbilder sind. Kindern, die durch die Kinder-Pornographie-Industrie ausgebeutet wurden, sollte ein bedeutender Schadensersatz gewährt werden. Bessere finanzielle Ausstattung einer zentralisierten EU-Strafverfolgungsbehörde, die die Herstellung und Verbreitung von Kindesmissbrauch darstellendem Material bekämpft.

• Die Vergesellschaftung des Rechtssystems, so dass private Rechtsunternehmen durch staatliche Rechtsdienstleistungen ersetzt werden. Allen Bürgern sollten Zugang zu kostenloser Rechtsberatung und gleichen Rechtsquellen gewährt werden. Die Ausmerzung von Frauenfeindlichkeit im Rechtssystem. Die Ausmerzung des Provokations­vorwurfs vonseiten der Verteidigung in der Rechtsprechung über sexuelle Übergriffe.

• Die Bildung von Arbeitskollektiven, in denen der Besitz in den Gemeinschaften geteilt wird, so z. B. Wohnungen, Kindergärten, Schulen, Universitäten. Die aktive Förderung sozialen Zusammenhalts durch die Kollektivierung von Fähigkeiten, Wissen und Ressourcen in den Gemeinschaften. Schaffung eines Gutscheinsystems in den Kommunen, so dass die Arbeitenden Arbeit und Produkte austauschen können.

• Würdige Altenheime. Die Beseitigung der blutsaugerischen kapitalistischen Ausbeutung der Alten durch private Altenheime. Denn die soziale Ausschließung der Alten und Schwachen muss durch Überbrückung der Generationenkluft und den Aufbau von Achtung und Wissensvermittlung über die Generationengrenzen hinweg überwunden werden.

• Lohnerhöhung für alle Krankenschwestern und pflegenden Berufe.

• Die Beseitigung aller privaten Frauenhäuser. Staatliche Frauenhäuser sollten angemessene Gelder bekommen und ihre Arbeitenden einen würdigen Lohn. Frauenhäuser sollten eine moderne Ausstattung und angemessene Sicherheitsstandards haben. Scham und Geheimhaltung über Gewalt gegen Frauen sollte abgebaut werden, indem die Schutzsuchenden in die Gemeinschaft aufgenommen werden und eine Bildung geschieht, die Gewalt gegen Frauen verhüten will.

• Die rechtliche Anerkennung von häuslicher Gewalt sollte emotionalen und psychologischen Missbrauch einbeziehen. Die Stärkung von einstweiligen Verfügungen bei Gewalttaten. Geldstrafen für Männer, die wegen Gewalt gegen Frauen und Kinder verurteilt sind; das Geld sollte den Frauen und Kindern gegeben werden, denen sie etwas zuleide getan haben.

• Steuererhöhungen für alle Unterhaltungsformen, die Formen barbarischer Gewalt zelebrieren. Die Überwachung von Unterhaltung, die Rassen- und Geschlechterhass feiert.

• Männer sollen bei der Ausmerzung von Gewalt gegen Frauen durch andere Männer eigeninitiativ eine Führungsrolle übernehmen.

• Geistige und körperliche Arbeit von Frauen soll gleicher Status und gleiche Bezahlung gewährt werden. Der sozialen Herabsetzung weiblicher Handarbeiter soll ein Ende gesetzt werden.

• An allen Universitäten sollten kostenlose Kinderbetreuungseinrichtungen für Angestellte und Studierende angeboten werden. Tatsächlich sollte an allen Arbeitsplätzen anerkannt werden, dass die Arbeitenden Eltern sind. Erzieherinnen und Lehrerinnen sollten eine angemessene Bezahlung erhalten, die ihre Arbeit sowie die von ihnen Betreuten und Unterrichteten nicht herabwürdigt und herabsetzt. Frauenhäuser sollten angemessen finanziert werden. Sexuelle, physische und psychische Gewalt gegen Frauen und Kinder sollte offen angesprochen werden als anhaltende Form der Unterdrückung, die die zukünftige Produktivität der Gesellschaft zerstört.