Die Menschen verstehen: Grenzüberschreitende Kommunikation in Theorie und Praxis

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6 Abschließende Bemerkungen

Von der ersten Publikation der AALF-Kiel unter studentischer Beteiligung mit dem Titel Angewandte Linguistik-Französisch im Jahre 1970 bis zu den Beiträgen des im Jahr 1999 von Albert Raasch & Peter Bühler herausgegebenen Bandes in der SALUS-Reihe mit dem Titel Angewandte Linguistik und Sprachlehrforschung: entdecken, erfahren, erleben spannt sich ein weiter Bogen. Aber das Interessen- und Spannungsfeld, in dem sich Albert Raasch bewegte und von dem hier nur einzelne Facetten beleuchtet werden konnten, war und ist bis heute unverändert. Es ging und geht immer um die wissenschaftliche Profilierung einer Disziplin mit der Perspektive einer Qualitätsverbesserung von fremdsprachlichem Lehren und Lernen in unterschiedlichen institutionellen Kontexten.

Es war für Lehramtsstudierende eine Chance, nicht nur die Entwicklung der fachdidaktischen Positionierung zu Beginn der 1970er Jahre bewusst miterleben zu können, sondern auch die breite Diskussion um Veränderungen des Bildungswesens, wie sie z.B. durch die Veröffentlichung des vom Deutschen Bildungsrat erarbeiteten Strukturplans für das Bildungswesen (1970) ausgelöst wurde, zu verfolgen.

Die Diskussion zum Verhältnis von Fremdsprachendidaktik, Angewandter Linguistik und Sprachlehrforschung sowie zu Aufgaben und Inhalten einer Fremdsprachendidaktik ist auch heute rege und folglich noch nicht abgeschlossen, wie die folgenden Aussagen zeigen.

Nach Bausch, Melzer, Krumm, Krummhorn & Riemer (2016: 1) befasst sich „die Fremdsprachendidaktik schwerpunktmäßig mit dem schulischen Fremdsprachenlernen (…). Im Gegensatz dazu „fokussiert die Sprachlehrforschung dezidiert auch andere institutionelle Kontexte…“. Für Barbara Schmenk hingegen ist „die Aussage, dass FSD (Fremdsprachendidaktik, E.L.) zur Ausbildung von Lehrenden und zur Erforschung schulischen Fremdsprachenunterrichts diene, unzureichend. Sie tut mehr, ihr Gegenstandsbereich ist weiter gesteckt als die unmittelbare Anbindung an die Institution Schule erahnen läßt“. (Schmenk 2019: 17)

Albert Raasch ist es mit seinen Arbeiten, seinem Interesse und seiner Offenheit für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen in ganz unterschiedlichen Kontexten immer gelungen, eine Personen und Positionen vermittelnde Haltung einzunehmen und anstelle einer Konfrontation zwischen Fremdsprachendidaktik und Sprachlehr- und -lernforschung zugunsten einer Verknüpfung der Disziplinen zu plädieren. Dies gelang ihm auch deshalb, weil er sich – und auch das erfuhr man als junger Student sehr schnell – als Fachdidaktiker und Sprachlehr-/-lernforscher einem interdisziplinären Ansatz verpflichtet fühlte, der in fine mit seinem zutiefst menschlichen Anliegen verbunden war, persönlich einen substantiellen Beitrag zur deutsch-französischen Verständigung zu leisten.

Literatur

AALF-Kiel (Hrsg.) (1970). Angewandte Linguistik – Französisch. Kiel.

Bausch, K.-R., E. Burwitz-Melzer, H. J. Krumm, G. Mehlhorn & C. Riemer (62016). Fremdsprachendidaktik und Sprachlehr-/-lernforschung. In: Burwitz-Melzer, E., G. Mehlhorn, C. Riemer, K.-R. Bausch & H. J. Krumm (Hrsg.). Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen: Francke, 1-7.

Cadéo, Alain (2015). Zoé. Paris : Mercure de France.

Deutscher Bildungsrat (Hrsg.) (1979). Empfehlungen der Bildungskommission. Strukturplan für das Deutsche Bildungswesen. Stuttgart: Klett.

Freudenstein, Reinhold (1969). Unterrichtsmittel Sprachlabor. Technik, Methodik, Didaktik. Bochum: F. Kamp.

Leupold, Eynar (1970). Interview mit Professor Martinet. In: AALF-Kiel (Hrsg.). Angewandte Linguistik – Französisch. Kiel, 103-113.

Pessoa, Fernando (1985). Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares. Zürich: Amman Verlag, 49.

Raasch, Albert (1981). Die Schlange und das Kaninchen. In: Kühlwein, W. & A. Raasch (Hrsg.). Sprache: Lehren – Lernen. Kongreßberichte der 11. Jahrestagung der Gesellschaft für Angewandte Linguistik GAL e.V. Darmstadt 1980. Band II. Tübingen: Narr.

Raasch, Albert & Peter Bühler (Hrsg.) (1999). Angewandte Linguistik und Sprachlehrforschung: entdecken, erfahren, erleben. 25 Jahre Angewandte Linguistik und Sprachlehrforschung Französisch an der Universität des Saarlandes. Saarbrücken: Romanistisches Institut.

Schmenk, Barbara (2019). Zum Spannungsfeld der Fremdsprachendidaktik und ihrer Bezugswissenschaften. In: Wilden, E. & H. Rossa (Hrsg.). Fremdsprachenforschung als interdisziplinäres Projekt. Tübingen: Lang, 15-34.

Albert Raasch und die Gründung der Gesellschaft für Angewandte Linguistik

Wolfgang Kühlwein

1 Albert Raasch: Initiator der GAL e.V.
1.1 Vorbemerkung und ein caveat zur frühen Quellenlage

Ein Zufall ist es nicht, wohl aber eine u.E. durchaus begründete Koinzidenz: Albert Raasch 90 und die deutsche Gründung einer [sprich: ‚der‘] Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL e.V.) mit deren nunmehr fast aufs Jahr genau 50-jährigem Gründungsjubiläum. Indes: war deren Gründung – mit Raasch als einem der amtsgerichtlich in Kiel eingetragenen Gründungsväter – so total neu?

Was war da wissenschaftshistorisch geschehen, das nach über mehr als zwei Jahrtausenden von Reflektion über Sprache Anwendungen dieses ‚Studiums‘ geradezu als einen Hype erzeugt haben mag – nun subsumiert unter der Bezeichnung Angewandte Linguistik (Kap. 2)? Und damit sind wir auch schon beim Erzeuger: Albert Raasch. Wir konzedieren heute: weitere Co-Väter kommen in Betracht, denen indes Albert Raasch verbunden war, ist und bleibt. Sie weisen uns noch heute – von ihm aktualisierte – Wege (Kap. 3).

Die Quellenlage für die Gründungsphase der GAL und mithin auch für deren Anteil von Albert Raasch als Mitbegründer ist u.E. nicht übermäßig ergiebig. Auch die Websites der diversen nationalen angewandt-linguistischen Gesellschaften konzentrieren sich – verständlicherweise – eher auf gegenwärtige Aktivitäten und Zukunftsprojektionen, weniger auf die früheste eigene Historie. Für diese erste Phase sind da frühe Protokolle, maschinenschriftlich nur, allenfalls noch als limitierte Xerox-Kopien; da sind die frühesten damaligen Co-Akteure als Zeitzeugen – insoweit sie noch unter uns weilen; da sind allenfalls noch Zeitzeugen aus der damals ‚zweiten Reihe‘, mithin damalige frühere jüngere Mitarbeiter der ersten Akteure, die in das Gründungsgeschehen eingebunden waren – wie auch der Verfasser als mit Albert Raasch für die GAL-Gründung in Kiel gerichtlich Eingetragener.

Erst ab dem Kongressbericht der 2. Jahrestagung der Gesellschaft für Angewandte Linguistik GAL e.V. (Julius Groos Verlag, Heidelberg 1971) liegen nachvollziehbar erste Print-Veröffentlichungen vor, mithin erstmals für den Kongress vom 9.-10. Oktober 1970 in Stuttgart – als Sonderband der Zeitschrift IRAL (= International Review of Applied Linguistics) – wie auch die Kongressberichte folgender Jahre in gleicher IRAL-Sonderband-Reihe. Dieser erste Kongressbericht war – wie auch ihm folgende Kongressberichte der nächsten Jahre – sehr selektiv: Für 1970 nahm er (Kurz-)Fassungen von nur 38 von 100 Präsentationen auf.

Für die vorliegende Würdigung indes bedeutsam: Im Vorwort schreiben die beiden Vorsitzenden, also auch unser Jubilar Albert Raasch, richtungweisend:

Die ausgewählten Beiträge sollen aufmerksam machen auf die intensiven Bestrebungen deutscher Kollegen in Theorie und Praxis, den Rückstand auf dem Gebiete der Angewandten Linguistik gegenüber einem großen Teil des Auslandes [Kursivierung durch den Verfassser] abzubauen. [Vorwort, S. 4].

1.2 Erste Akteure und Aktionen

Da versammelten sich nach einem am 15. Juni 1968 in Hannover stattgefundenen, vorbereitenden Gespräch am 2. November 1968 mit unserem Jubilar Albert Raasch 18 „Gleichgesinnte“, als welche man sie heute bezeichnen würde, im Leo-Raeppel-Saal des Internationalen Hauses Sonnenberg bei St. Andreasberg / Harz zwecks Gründung einer deutschen Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL e.V.). Damals Namen, von denen manche noch nicht fachbekannt waren, manche es aber qua Entwicklung der Angewandten Linguistik zu weltweit anerkannter Reputation bringen sollten. So 1968 mit Albert Raasch, Dr. Korbinian Braun (München), Prof. Dr. Broder Carstensen (Anglistischer Linguist, Universität Hamburg), Dr. Ulrich Engel (Mannheim – Institut für Deutsche Sprache, IDS), Dr. Hubert Flitner (Hannover), Dr. Reinhold Freudenstein (Marburg; Vorreiter des sprachlabor-unterstützten Fremdsprachenlernens), Gerhard Kaufmann (München), Dr. Rolf-Dietrich Keil (Euskirchen), Helmut Keiner (Berenbostel), Dr. Gerhard Müller (Berlin), Dietrich Nehls (Wiss. Mitarbeiter Anglistik, Universität Kiel; fertigte das Protokoll eben dieser Sitzung, unterzeichnet von den drei in eben dieser Sitzung bereits als GAL-Vorstand Gewählten), Prof. Dr. Gerhard Nickel (Englische Sprachwissenschaft, Universität Kiel), Norbert Nowacek (Kaufbeuren), Hans-Eberhard Piepho (Schulrektor Hannover, später Professor für Didaktik des Englischen, Universität Gießen), Elfriede Roeske (Göttingen; später langjährige Vorsitzende des GAL-Nominierungsausschusses), Josef Rohrer (Euskirchen), Dr. Alexander Schüssler (Gießen), Artur Weber (Heidelberg), Prof. Dr. Wolfram Wilß (Leiter des Institutes für Übersetzen und Dolmetschen der Universität des Saarlandes, Saarbrücken.)

 

Und nicht unwichtig für das Gedeihen der jungen Gesellschaft: Grüße / Wünsche hatten entsandt, da zwar bei der o.a. Vorbesprechung in Hannover auf nationaler Ebene nicht zugegen und vor allem nicht beschränkt auf ‚Fremdsprachen für deutsch-sprechende Muttersprachler‘, sondern fachlich weiträumig ausgreifend: Hans Eggers, Hans-Wilhelm Klein und Hugo Steger.

Indes war für die risikoreiche Zukunft der GAL die Begrüßung internationaler Gäste ungemein bedeutsamer, so Prof. Dr. S. Pit Corder (Edinburgh), Prof. Max Gorosch (Stockholm), Sven Nord (vom Europarat Straßburg), und gerade für den Jubilar dieser Festschrift als angewandter Kollege besonders bedeutsam: Prof. Bernard Pottier (Paris).

Ein Vorstand musste her, um handlungsfähig zu werden. Also wurden gewählt: als 1. Vorsitzender Gerhard Nickel (Anglist Kiel), als 2. Vorsitzender Albert Raasch (Romanist Kiel) und als Schatzmeister Hans-Eberhard Piepho (Hannover, schulpraktische Welt).

Zwei Fragen bleiben aus heutiger Sicht:

1 weshalb diese Reihenfolge und

2 weshalb beide Vorsitzenden aus Kiel – waren doch alle Landesteile der damaligen Bundesrepublik Deutschland in der Versammlung vertreten?

Zu (a): Im Jahre 1968, d.h. wenig länger als 20 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges, während dessen – sowie zudem noch zwölf Jahre vorher – Deutschland – und mithin auch dessen Wissenschaft – von den einschlägigen Entwicklungen auf Weltebene weitgehend abgeschottet war. Nach 1945 fand dann eine allmähliche Öffnung des damaligen Westdeutschland – besonders hin zu den angelsächsischen Ländern, besonders eben zu den Vereinigten Staaten als den Befreiern von der Diktatur – statt, und dies auf allen (nicht) nur sprachlichen Ebenen – vom Unterrock, der zum Petticoat wurde, bis zur Absorbierung (und bald auch Weiterentwicklung) neuerer (sprach)wissenschaftlicher Theorien- und Methodeninstrumentarien vorwiegend angelsächsischer Provenienz.

Dies mag eine Rolle gespielt haben für die im Jahre 1968 gewählte Stufung (Anglist Nr. 1: Nickel; Romanist als Nr. 2: Raasch). Indes: Aus der frühesten Aufzeichnung dieser ersten Versammlung von 1968 geht zweifelsfrei hervor, dass nach diesbezüglicher Diskussion die Reihenfolge 1. versus 2. Vorsitzender keine Abstufung bedeute (à la 2. Vorsitzender = Führung der Geschäftsstelle), sondern dass der 2. Vorsitzende stets die Funktion des 1. Vorsitzenden ausüben könne. Und eben dies hat die GAL bei etlichen späteren Mitgliederversammlungen qua gelegentlichen Ausfalls des 1. Vorsitzenden für die Versammlungsleitung auch so erlebt. Dies mag einer der Gründe sein, die Albert Raasch dazu bewegten, diese Vorstandsfunktion zusammen mit seinem ersten Co-Vorsitzenden sowie eben auch mit folgenden GAL-Co-Vorständen länger ausgeübt zu haben als u.W. irgendein anderes Vorstandmitglied jemals.

Zu (b): Beide Vorsitzenden von der Christian-Albrechts-Universität KIEL! Auch dies erklärt nur ein kurzer Rückblick – hier nicht auf die übergreifende politische Lage 1968, sondern beschränkt auf unsere sprachwissenschaftliche Historie, wie sie damals bestand.

Für die meisten Universitäten galt: Die Beschäftigung mit dem Prüfungsgeschehen im Teil-Prüfungsfach Sprachwissenschaft in den Einzelphilologien konzentrierte sich auf die Mediävistik, mithin außer Literatur auf die Herleitung der betreffenden heutigen Sprache aus deren Vorgängerstadien, also dem Altfranzösischen, dem Althochdeutschen und dem Altenglischen über das Mittelalter bis heute – und dies oft fast ausschließlich bezogen auf die Lautentwicklung; kaum Syntax, geschweige denn Semantik. Genauer: isolativ und nicht qua System und übergreifender Struktur, um ein einzelnes Phänomen qua seines Stellenwertes (valeur) einordnen zu können.

Dagegen agierte damals bald die Universität Kiel: Sie wagte es, vergleichsweise junge Professoren auf Lehrstühle zu berufen (damals noch Ordinarien genannt), von denen bekannt war, dass sie sich neueren und bislang eben noch wenig bekannten, geschweige denn vorherrschenden Strömungen der Sprachwissenschaft öffneten. In Kiel waren sich da offenbar mehrere Philologien einig (mit Ausnahme vermutlich der damaligen Nordistik). Somit kamen an EINEM Ort zusammen: die Germanistik mit Hugo Steger, die Anglistik mit Gerhard Nickel, die Romanistik mit Klaus Heger und Albert Raasch, sogar die Vergleichende Sprachwissenschaft mit Werner Winter. Obschon alle Genannten qua Ausbildung primär traditionelle Sprachwissenschaftler waren, waren sie doch vergleichsweise offen für eine Linguistik neuerer Prägung – und sogar bis zu einem gewissen Grad offen für anwendungsorientiertes Tun.

Und bei Albert Raasch – in der Romanistik der Kieler Universität lehrend und forschend – kam diesbezüglich für die Anwendung verstärkend hinzu: Seine universitäre Tätigkeit verband er mit seiner Berufung in den Lehrkörper der Kieler Pädagogischen Hochschule. Ein neues philologisches Fach Französisch an der PH! Auch dort wurde erwartet: französische Sprachpraxis natürlich, doch auch möglichst universitätsnahes Tun, sprich französische Literatur, französische Sprachgeschichte. Jedoch begann seine erste Aktivität dort, obwohl es noch so gut wie keine Studierenden des 1. Semesters für das neugegründete Fach gab, mit einem – damals noch sehr ungewöhnlich(!) – angewandt-linguistischen Forschungsprojekt.

Zurück zum GAL-Gründungsgeschehen 1968ff: Außer dem Vorstand wurde gleichzeitig auch ein Beirat gewählt. Dieser sollte und ist auch heute immer noch fachbezogen. Seine Funktion hat sich über Jahrzehnte bislang hervorragend bewährt: Beratung für den Vorstand sowie am Puls der Zeit bleibend für die jeweiligen Teildisziplinen / ‚Fachbereiche‘, wie sie damals genannt wurden.

Die von den GAL-Gründern vor einem halben Jahrhundert exhaustiv repräsentierten Teildisziplinen / Sektionen erweiterten sich nach 1968 erheblich – bis hin zur Entwicklung eigenständiger Fachverbände und Studienfächer. Kaum aber verweist deren Historie auf deren Mutter, die GAL von 1968, zurück.

1968 waren diese Sektionen noch beschränkt auf:

 Pädagogische Technologie (Dr. Reinhold Freudenstein)

 Theorie der Übersetzung (Prof. Dr. Wolfram Wilß)

 Didaktik des Fremdsprachenunterrichts (Dr. Alexander Schüßler)

 Erforschung der deutschen Gegenwartssprache (Gerhard Kaufmann)

 Psycholinguistik (Prof. Dr. Carl-Friedrich Graumann)

 Linguistik (Prof. Dr. Broder Carstensen)

 Sprachtests (Robert Nowacek)

 Maschinelle Sprachanalyse (Prof. Dr. Hans Eggers).

Ein u.E. guter Anfang, der denn auch eine sofortige politische Anerkennung und wissenschaftlich internationale Würdigung erfahren sollte.

So fand bereits die Arbeitstagung (noch nicht Jahreskongress genannt) und 1. Ordentliche Mitgliederversammlung – vom 28.-30. November 1969 an der Universität Stuttgart unter der Schirmherrschaft und mit Begrüßung durch den damaligen Kultusminister Baden-Württemberg, Prof. Dr. Wilhelm Hahn, und Empfang seitens des Oberbürgermeisters der Stadt Stuttgart, Dr. Johannes Klett, sowie einem Hauptvortrag von Prof. Dr. Robert Lado (Georgetown University / Washington D.C.) als Festredner zum Thema Language, Thought, and Meaning in Language Teaching sowie mit Sektionsbeiträgen von u.a. Sir James Pitman (K.B.E., London), Prof. Dr. Peter Strevens (University of Essex, Colchester), Dr. David Crystal (University of Reading), Prof. Dr. Bertil Malmberg (Universität Lund) statt.

So auch die Arbeitstagung und 2. Ordentliche Mitgliederversammlung vom 9./10. Oktober 1970, die ebenfalls an der Universität Stuttgart abgehalten wurde. Für sie hatte die damalige Staatssekretärin Dr. Hildegard Hamm-Brücher die Schirmherrschaft übernommen. Die Association Internationale de Linguistique Appliquée (AILA) (s.u.) ließ ihre Wünsche durch ihren damaligen Generalsekretär Prof. Dr. Max Gorosch förmlich übermitteln. Prof. Dr. S. Pit Corder (University of Edinburgh und Präsident der British Association of Applied Linguistics (BAAL)) hielt den Plenarvortrag zum damals noch sehr neuen Feld Fehleranalyse. Und auch die Programme der Sektionen erfreuten sich bereits erheblicher internationaler Beteiligung, so. u.a. durch Referenten aus Belgien, Frankreich, Großbritannien, Schweden, Ungarn – und natürlich war auch unser Jubilar Albert Raasch aktiv vertreten, so u.a. in einem von C. Graumann geleiteten Rundgespräch zu Sprachpsychologischen Problemen in der Curriculum-Forschung.

Indes, für eine auf alle einzelnen, damals mit Albert Raasch gegründeten Sektionen und deren damaliger Legitimation eingehende Erörterung zu ihrem Für und Wider ist diese Stelle wohl nicht der geeignete Ort. Manche Sektionen benannten sich um, manche kamen neu hinzu, ja sind inzwischen eigene neue Fächer geworden. Daher sei hier nur aus den ersten Arbeitstagungen 1969ff sowie Gesprächen des Verfassers mit den ersten Akteuren sowie den ersten Tagungsprogrammen und -protokollen stichwortartig festgehalten:

 Bereits 1970 weitete sich Pädagogische Technologie vorausschauend zu Technologie und Medienverbund, die Sektion Theorie der Übersetzung entwickelte sich umgehend über die Theorie(n) hinaus und nannte sich umfassender Übersetzungswissenschaft. Die Sektion Erforschung der deutschen Gegenwartssprache verstand sich nun bereits als deutlich breiter aufgestellt und wurde in der 2. Ordentlichen Mitgliederversammlung fusioniert mit der Sektion Linguistik und firmierte mithin nun unter dem Titel Beschreibung der Gegenwartssprachen / Linguistik und nahm bereits regionale und soziale Varietäten mit deren Einflüssen auf den Sprachunterricht in den Blick.

 Neu konstituierten sich bereits 1970 die Sektionen Phonetik sowie Sprachheilkunde zu denen zwei Jahre später die Neugründungen Kontrastive Linguistik und Fehleranalyse und Stilforschung und Rhetorik kamen, und die Sektion Psycholinguistik wurde zu der Sektion Soziolinguistik / Psycholinguistik erweitert.

Ein genauerer Blick ist u.E. indes angebracht zur Gründung der damaligen Sektion Linguistik. Die Frage aus gegenwärtiger Sicht ist dabei die folgende: Sahen Albert Raasch und seine GAL-Mitbegründer Linguistik als „Sektion“ der – jedenfalls für Deutschland von ihnen gegründeten – ,Angewandten‘ Linguistik an? Diese Frage wäre im Jahre 1968 womöglich – trotz zeitbedingt wohl unabweisbarer aktueller Trends zum Nachholen in der sprachwissenschaftlichen Theorien- und Methodenbildung – doch wohl eher mit einem deutlichen Nein zu beantworten gewesen. Die frühen „Angewandten“ waren sich u.E. sehr wohl des Umstandes bewusst, dass es ohne eine aktuell begründete, theoretisch-linguistische Komponente auch keine verantwortbaren Anwendungen geben könne.

Und angesichts der erstaunlichen Zahl von 700 Teilnehmern, die den 2. Jahreskongress der GAL besuchten, ergibt sich die Frage: Weshalb solch ein – in heutiger Terminologie – Hype?