Future Skills in Medizin und Gesundheit

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5.4



Gelassenheit: Als Skill im Managementalltag nicht mehr wegzudenken





Gelassenheit ermöglicht es, Energie und Fokus auf die wichtigen Themen zu lenken, entscheidungsfähig und zielorientiert zu bleiben, ohne sich durch das Aufspringen auf destruktive (Angst-)Emotionen aufgrund fehlender Selbstmanagement- und Managementstrukturen vom Weg abbringen zu lassen, selbst auszubrennen oder Teams durch destruktive Führung zu demotivieren. Gerade mit dem Ausblick in die Zukunft des Krankenhaus- und Gesundheitswesens ist verlässlich zu sagen, dass der Wandel und Veränderungen das Stetige bleiben werden. Gelassenheit kann aber tagtäglich dazu beitragen, diese Veränderungen positiv für sich und die eigene Organisation zu nutzen und aktiv den Blick auf die Möglichkeiten zu richten, die wir beeinflussen und umsetzen können. Im Bereich des Selbstmanagements kann Gelassenheit dazu verhelfen, die Sicherheit der überarbeiteten, tragfähigen Systeme zu nutzen und mehr in eine Beobachtungs- statt Reaktionshaltung zu kommen, sodass impulsiv-affektive Verhaltensmuster, durch bedachte (Re-)Aktionen abgelöst werden. Für die Umsetzung in Zukunft können wir verinnerlichen, was wir von der Gelassenheit haben und wie wir Stück für Stück dazu beitragen wollen, sie im eigenen Organisationssystem zu etablieren.







Literatur





Behar B, Guth C, Salfeld R (2018) Modernes Krankenhausmanagement. Konzepte und Lösungen. Springer Berlin



Fleßa S (2018) Systemisches Krankenhausmanagement. Walter de Gruyter Berlin/Boston



Malik F (2014, 2019) Führen Leisten Leben. Wirksames Management für eine neue Welt. Campus Verlag Frankfurt a.M.



Schütz A (2016) Leadership und Führung. Systemisch-Lösungsorientierte Handlungsoptionen für das Krankenhaus. Kohlhammer Stuttgart



Werry K (2012) Führung. Auf die letzten Meter kommt es an. Gabler Wiesbaden












Marina Leonie Moskvina





Frau Moskvina ist zertifizierte systemische Personal und Business Coach und verfügt über jahrelange Praxiserfahrung im Bereich Personalführung und -management in Krankenhäusern sowie Wirtschaftsunternehmen mit Schwerpunktsetzung auf Veränderungsprozesse, Individual- und Abteilungs-Coaching, Führungskonzepte sowie HR-Strategien im Krankenhaus. Darüber hinaus hat sie viele Jahre im People Development im internationalen, akademischen Umfeld gearbeitet und ein Unternehmen mitgegründet.



Dieser Beitrag ist entstanden in Zusammenarbeit mit Dr. Arne Berndt, Partner bei WMC Healthcare.









6

Humor


Marek Bartzik und Corinna Peifer



Humor ist jedem Menschen im Privat- und Berufsleben bekannt. Oft verstehen Menschen unter Humor, dass jemand einen guten Witz erzählen kann. Doch Humor ist mehr als die Fähigkeit Witze erzählen zu können. Wir finden Humor z.B. als Konstrukt in der Positiven Psychologie, als eine von 24 Charakterstärken. Personen mit der Charakterstärke Humor werden als verspielt beschrieben, sie lenken den Blick vor allem auf die guten Seiten des Lebens und mögen es selbst zu lachen und auch andere zu erheitern (Müller u. Ruch 2011).



Die Humorforschung betrachtet Humor aus unterschiedlichen Blickwinkeln und somit lassen sich auch viele verschiedene Theorien aufzählen (Scheel u. Gockel 2017). Hier könnten z.B. genannt werden:



Die Inkongruenztheorie:

 Humor entsteht aus etwas Widersprüchlichem, Unerwartetem und führt zur Erheiterung von Personen



Die Überlegenheitstheorie:

 Humor wird genutzt, um sich anderen Personen gegenüber überlegen zu fühlen oder



Die Arousal-Theorie:

 Abbau von psychologischen Spannungen durch die Nutzung von Humor



Dabei erklärt jede einzelne Humortheorie eine Funktion von Humor, wobei er sich sowohl auf andere Personen und die Interaktion mit ihnen auswirkt, wie auch auf die eigene Person: Humor kann als eine Methode der Kommunikation, der Kontaktaufnahme und des Beziehungsaufbaus mit anderen Personen verstanden werden. Humor steigert das eigene Wohlbefinden und das Arbeitsklima im Team. Weiterhin kann Humor als eine Art der Coping-Strategie verwendet werden, um mit besonders stressigen und belastenden Situationen umgehen zu können (Scheel u. Gockel 2017).



Es lassen sich auch verschiedene Stile von Humor nach Martin et al. (2003) beschreiben. Es wird unterschieden zwischen den beiden positiven Humorformen



Sozialer Humor

 (Nutzung von Humor, um Beziehungen mit anderen Personen aufzubauen),



Selbstaufwertender Humor

 (Nutzung von Humor, um sich selbst aufzuwerten, ohne andere Personen/Gruppen abzuwerten)



und den beiden negativen Humorformen



Aggressiver Humor

 (Nutzung von Humor, um andere Personen/Gruppen abzuwerten),



Selbstabwertender Humor

 (Nutzung von Humor in der Form sich selbst vor anderen abzuwerten, um Aufmerksamkeit zu erlangen).



Neben den verschiedenen Humorstilen wird in der Humorforschung auch von einem „Sinn für Humor“ gesprochen. Häufig wird der Sinn für Humor als ein Persönlichkeitsmerkmal oder eine Gewohnheit betrachtet. Der Sinn für Humor setzt sich aus verschiedenen Humor-Gewohnheiten zusammen (McGhee 2010). Die Gewohnheiten des Sinns für Humor nach McGhee sind:



spielerische Einstellung,



Humor genießen,



Lachen,



verbaler Humor,



Humor im Alltag entdecken,



über sich selbst lachen sowie



Humor unter Stress.



Personen mit einem hohen Sinn für Humor genießen Humor und entdecken diesen im Alltag in vielen verschiedenen Situationen. Sie lachen oft und gern, auch über sich selbst, und bringen auch andere Personen gern zum Lachen. Auch in stressigen Situationen oder an stressigen Tagen verlieren Personen mit einem hohen Sinn für Humor ihren Humor nicht und können Humor als Coping-Strategie nutzen. Eine spielerische Einstellung hilft Personen dabei, nicht alles mit Ernsthaftigkeit zu betrachten. Hierbei ist es wichtig, dass die aktuelle Situation eine spielerische Einstellung zulässt und nicht unangebracht ist. Humor sollte in passenden Situationen angewandt werden, die zu positiven Veränderungen beitragen (Prehm 2018).







6.1



Beispiele und Anwendungsfelder für die Nutzung im Gesundheitswesen





Auch wenn wir Humor eher mit dem Privatleben in Verbindung bringen, ist der Einsatz von Humor nicht nur im Privatleben förderlich, sondern auch im Arbeitskontext. Besonders im Gesundheitswesen kann Humor Vorteile mit sich bringen, wenn man ihn bewusst im Arbeitsalltag anwendet und die Grenzen von Humor kennt und schätzt. Bei der Nutzung von Humor gibt es eine/n Sender*in und Empfänger*inund somit kann Humor im Gesundheitswesen als eine Intervention mit verschiedenen Akteuren betrachtet werden (Prehm 2018).



So kann Humor als Intervention vom medizinischen Fachpersonal an eine/n Patient*in gerichtet werden, ein/e Patient*in kann Humor in der Interaktion mit medizinischem Fachpersonal anwenden und auch kann Humor im Kollegium unter medizinischem Fachpersonal genutzt werden. Die Funktionen der Nutzung von Humor sind hierbei sehr vielfältig (Prehm 2018).



Im Arbeitsalltag von medizinischem Fachpersonal treten immer wieder medizinische Notfälle auf, die in kürzester Zeit bewältigt werden müssen. Beispielsweise kann medizinisches Fachpersonal im Kollegium Humor nutzen, um Emotionen und Spannungen abzubauen, die durch diese stressige Situation entstanden sind. Weiterhin können Patient*innen, die unter ihrer krankheitsbedingten Situation leiden, Humor nutzen, um mit ihrem negativen Gesundheitszustand positiver umzugehen. Wenn Patient*innen für diese Strategie offen sind, kann medizinisches Fachpersonal diesen Bewältigungsprozess durch gezielte humorvolle Interaktion mit dem/der Patient*in unterstützen (Prehm 2018). Im Klinikkontext oder auch in Hospizen ist der Einsatz von Klinikclowns in der Praxis bereits sehr bekannt und führt dazu, dass Patient*innen auch auf Palliativstationen lächeln und lachen können (Prehm 2018).

 



Medizinisches Fachpersonal kann Humor auch als Intervention in der Interaktion mit Patient*innen bewusst einsetzen, um eine Beziehung zu Patient*innen oder deren Familienangehörigen aufzubauen. Der Einsatz von Humor im Gesundheitswesen wird von Patient*innen sogar als eine wichtige Eigenschaft von medizinischem Fachpersonal angesehen. Besonders in schwierigen Situationen, wie z.B. bei einem unfreundlichen Patient*innen oder Familienangehörigen, kann der bewusste und gezielte Einsatz von Humor helfen, die Situation aufzulockern (Prehm 2018).



Weiterhin kann die Nutzung von Humor den hohen körperlichen und emotionalen Anforderungen in medizinischen Berufen entgegenwirken. Humor steigert zudem die eigene Resilienz. Besonders im Gesundheitswesen sind der Stresslevel und die Burnout-Quote von medizinischem Fachpersonal sehr hoch (Prehm 2018). Das permanente hohe Stresslevel und die hohe Burnout-Quote können dazu führen, dass medizinisches Fachpersonal hohe Arbeitsunfähigkeitszeiten haben oder sogar verfrüht den Beruf gesundheitsbedingt aufgeben muss. Häufig werden von medizinischem Fachpersonal Überlegungen angestrebt, den Beruf frühzeitig aufzugeben. Besonders auch Nachwuchskräfte im Gesundheitswesen (z.B. Pflegekräfte) denken häufig über einen verfrühten Berufsausstieg nach.







6.2



Bedeutung der Nutzung von Humor für das Gesundheitswesen





Eine humorvolle Haltung und Humor als Interventionsform im Gesundheitswesen zu fördern, können den Umgang mit den hohen emotionalen Anforderungen des Berufs unterstützen, wie z.B. die Betreuung von unfreundlichen und teilweise auch aggressiven Patient*innen oder Familienangehörigen und die ständige Konfrontation mit Krankheit und Tod. Gleichzeitig kann Humor den Umgang der Patient*innen mit ihrer Erkrankung positiv beeinflussen. Das Gute an Humor als Interventionsform ist, dass er erlernbar ist. So ist der Sinn für Humor über die Zeit nicht stabil und gilt durch Trainings als veränderbar. Ein bereits bekanntes Training „The 7 Humor Habits Programm“ zur Steigerung des Sinns für Humor wurde von McGhee (2010) entwickelt. Das Ziel des „The 7 Humor Habits Programm“ ist der Aufbau und die Stärkung von Fähigkeiten, um Humor im Alltag anzuwenden und erleben zu können. Dieses Trainingsprogramm zur Entwicklung und Stärkung des Sinns für Humor ist nicht speziell für das Gesundheitswesen entwickelt, sondern für alle Personen, die vergessen haben, ihren Humor im Alltag zu nutzen und dadurch ihre spielerische Einstellung im Leben verloren haben (McGhee 2010). Aufgrund der hohen Komplexität von bewusstem und zielgerichtetem Einsatz von Humor im Gesundheitswesen sollten jedoch spezielle Trainings für medizinisches Fachpersonal konzipiert werden, die berufsspezifische Situationen, wie z.B. Kommunikation und aktive Kontaktaufnahme mit Patient*innen, berücksichtigen.







6.3



Zukünftige Relevanz von Humor und praktische Implikationen





Der demografische Wandel erhöht den Druck für Arbeitgeber im Gesundheitswesen drastisch, da eine immer weiter ansteigende Patient*innenzahl unausweichlich ist (Prehm 2018). Um in der Zukunft die steigenden Patient*innenzahlen im Gesundheitswesen bewältigen zu können, muss qualifiziertes medizinisches Fachpersonal gewonnen und gehalten werden. Gerade die bereits jetzt feststellbaren erhöhten Kündigungsraten von medizinischem Fachpersonal (insbesondere von Pflegekräften) können weitreichende Konsequenzen für das Gesundheitswesen haben. Es entstehen nicht nur hohe ökonomische Kosten für Arbeitgeber, sondern auch das Wohlbefinden des aktiven medizinischen Fachpersonals leidet unter einer Personalunterbesetzung. So muss neu eingestelltes medizinisches Fachpersonal unter hohen beruflichen Anforderungen angelernt oder ausgebildet werden. In der Zukunft könnten durch steigende Anforderungen und Belastungen im Gesundheitswesen die Kündigungsraten und Berufsausstiege nochmal drastisch steigen und zu großen Problemen im Gesundheitswesen führen. Daher sollte auch besonders ein Augenmerk auf medizinisches Fachpersonal gelegt werden, das sich am Anfang seines Berufslebens befindet.








Durch Humortrainings kann medizinisches Fachpersonal auf die hohen körperlichen und emotionalen Belastungen ihres Berufs vorbereitet und befähigt werden, gezielt Bewältigungsmaßnahmen anzuwenden.



Humortrainings könnten bereits während der Ausbildung durchgeführt und in das Ausbildungscurriculum verankert werden. Ein aktuelles Projekt der Universität zu Lübeck in Kooperation mit der Alexianer GmbH und der Stiftung „Humor Hilft Heilen“ setzt genau hier an und evaluiert derzeit ein Humortraining für die Pflegeausbildung, das den Einsatz von Humor kontextspezifisch schult – für einen positiveren Umgang mit sich selbst und den Patient*innen (

https://www.ipsy1.uni-luebeck.de/forschung/ag-peifer/projekte.html

).



Basierend auf der Lern- und Trainingsforschung sollten Humortrainings im Gesundheitsbereich einen Lernansatz verfolgen, der das Lernen als einen aktiven und integrierenden Prozess mit unmittelbarem Bezug zur Praxis im Gesundheitswesen versteht. So sollten Problemstellungen aus der Praxis in das Humortraining integriert werden, damit diese im Training gemeinsam reflektiert und direkt aus dem Training in die Praxis übertragen werden können. Zudem sollten Humortrainings nicht einmalig durchgeführt werden, sondern wiederholt angeboten werden, sodass Humor im Gesundheitswesen immer wieder als Interventionsform in Erinnerung gerufen wird.







6.4



Fazit





Humor hat wichtige Funktionen im Gesundheitskontext, für Beschäftigte wie auch für Patient*innen. Dazu zählen ein verbesserter Umgang mit Stress und Belastungen, eine Steigerung der Resilienz sowie ein verbesserter Beziehungsaufbau mit Patient*innen und Kolleg*innen. Studien zeigen zudem: Humor ist trainierbar. Dabei ist zu beachten, dass die Trainings einen Praxisbezug haben und regelmäßig aufgefrischt werden sollten. Damit hat das Thema Humor großes Potenzial für den langfristigen Einsatz im Rahmen einer Befähigungs- und Bindungsstrategie im Gesundheitswesen.







Literatur





Martin RA, Puhlik-Doris P, Larsen G, Gray J, Weir K (2003) Individual Differences in Uses of Humor and their Relation to Psychological Well-being: Development of the Humor Styles Questionnaire. Journal of Research in Personality 37(1), 48–75. DOI:

https://doi.org/https://doi.org/10.1016/S0092-6566(02)00534-2



McGhee PE (2010) Humor as Survival Training for a Stressed-Out World: The 7 Humor Habits Program. Author-House Bloomington



Müller L, Ruch W (2011) Humor and Strengths of Character. Journal of Positive Psychology 6(5), 368–376. DOI:

https://doi.org/10.1080/17439760.2011.592508



Prehm M (2018) Pflege deinen Humor – Eine praktische Anleitung für Pflegepersonal. Springer-Verlag Berlin/ Heidelberg. DOI:

https://doi.org/10.1007/978-3-662-56080-8



Scheel T, Gockel C (2017) Humor at Work in Teams, Leadership, Negotiations, Learning and Health. In: Humor at Work in Teams, Leadership, Negotiations, Learning and Health. Springer New York. DOI:

https://doi.org/10.1007/978-3-319-65691-5












Marek Bartzik, M.Sc.





Marek Bartzik ist Wirtschaftspsychologe, Mitarbeiter in der Begleitung von Veränderungsprozessen, systemischer Coach und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Frau Prof. Dr. Corinna Peifer im Projekt „Freude Pflegen“ an der Universität zu Lübeck. Das Projekt „Freude Pflegen“ beschäftigt sich mit Humor im Pflegebereich. Es wurde ein Unterrichtskonzept zur Integration in die Pflegeausbildung entwickelt, das systematisch auf eine Verbesserung des eigenen Umgangs mit den herausfordernden Arbeitsumständen hinwirkt. Derzeit wird das Unterrichtskonzept evaluiert.












Prof. Dr. Corinna Peifer





Corinna Peifer ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität zu Lübeck und leitet dort die Arbeitsgruppe Arbeit und Gesundheit. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit Themen wie Flow-Erleben, Stress-Management, Humor und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Sie ist Gründungsmitglied des European Flow-Researcher’s Network und Landesvertreterin für das European Network of Positive Psychology (ENPP) sowie Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Positiv-Psychologische Forschung (DGPPF).









7

Inspiration


Gerd Wirtz



7.1



Visionäre statt Technokraten







„Die Digitalisierung hat perspektivisch das Potenzial, Prozesse und grundsätzliche Prinzipien der gesundheitlichen Versorgung zu verändern.“





Macht Ihnen dieses Zitat unseres – wie ich betonen möchte sehr geschätzten – Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr. med. Klaus Reinhardt, so richtig Lust auf digitale Medizin? Mir nicht und ich nehme an, Ihnen auch nicht.



An Sätzen wie diesen zeigt sich exemplarisch, warum die Digitalisierung in der Medizin in Deutschland noch nicht auf breiterer Basis etabliert ist: Es gibt derzeit kaum chancenorientierte und motivierende Kommunikation über das Thema. Aber Fortschritt ist immer eine Frage der Akzeptanz.








Die Technik kann schon Vieles leisten, doch die Zustimmung hinkt häufig noch meilenweit hinterher.



Die moderne Medizin könnte mithilfe der digitalen Instrumente schon längst ihren Anspruch einlösen, präventiver und menschlicher zu sein. Doch wir nutzen das immense Potenzial noch lange nicht aus.



Eine Studie zum Thema „Digital Riser“ des European Center for Digital Competitiveness aus dem Jahr 2020 zeigt einen besorgniserregenden Trend: Deutschland gehört zu den Ländern, die im Ländervergleich in Sachen digitale Kompetenz am stärksten zurückgefallen sind. Wenn wir diesen Trend umkehren wollen, müssen wir den Menschen eine positive Vision von der Zukunftsmedizin bieten. Digital Health Literacy ist die Grundlage, damit der Fortschritt in der Gesellschaft ankommt und von ihr weitergetragen wird. Das betrifft Ärzte und Patienten gleichermaßen, denn beide Gruppen eint, dass sie häufig ein verzerrtes Bild von Zukunftsmedizin haben. Mit übertriebener Sorge vor möglichen Gefahren wie Datenmissbrauch und wenig Ideen, wie sie selbst von digitalen Produkten profitieren können.







7.2



Mehr Menschlichkeit in der Pflege statt „Terminator“





Wie sieht unser Bild von der Medizin der Zukunft heute aus? Wie stellen wir uns eine Medizin vor, in der der Einsatz von Robotern, Künstlicher Intelligenz und Datenauswertung so alltäglich ist wie das Abhören mit dem Stethoskop? Wenn ich nach den Rückmeldungen der Teilnehmer meiner Vorträge gehe, herrschen bei diesem Thema Gefühle wie Unbehagen oder gar Angst vor. Eine Teilnehmerin sagte mir kürzlich, ihre Mutter sei jetzt über 80 Jahre alt. Der Umzug ins Altenheim stehe an. Der Gedanke, dass dort in einigen Jahren nur noch Roboter auf den Gängen herumfahren und die alten Menschen versorgen, sei für sie eine Horrorvorstellung. Solche und ähnliche Bilder tauchen in den Köpfen vieler Menschen auf, wenn sie an Zukunftsmedizin denken. Tatsächlich ist unsere Vorstellung von Künstlicher Intelligenz stark geprägt von Science-Fiction-Filmen wie „Star Wars“ oder „Terminator“. Das fand eine Studie des Meinungsforschungsinstitut Allensbach im Jahr 2019 heraus. Können wir uns den freundlichen R2D2 noch als Hausgenossen vorstellen, rührt der Terminator an unserer Ur-Angst der dem Menschen überlegenen Technik, die sich am Ende gegen ihn wendet.

 



Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im realen Pflegeheimalltag sieht hingegen folgendermaßen aus: Pflegekräfte im Altenheim verbringen heute rund 30 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Dokumentation. Drei junge Informatikstudenten kamen auf eine clevere Idee: Genauso wie wir per Alexa bei Amazon einkaufen, können künftig Pflegende die zu dokumentierenden Informationen in ein Smartphone sprechen statt sie am Schreibtisch in den Computer tippen. Nach diesem Prinzip funktioniert die App, den die Gründer in ihrer Firma Voize entwickelten. Der Sprachassistent ist speziell auf die Bedürfnisse im Medizinbereich zugeschnitten. Er muss keinen großen Wortschatz haben, dafür medizinische Fachbegriffe erkennen. Die App muss offline funktionieren, da nicht alle Einrichtungen flächendeckend über WLAN verfügen. Und der Datenschutz muss natürlich gewährleistet sein. Dazu verarbeitet das Gerät den Text direkt auf dem Gerät, statt über den Umweg einer Cloud, wie es Siri oder Alex