GegenStandpunkt 3-17

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IV.

Doch schon am nächsten Tag ist Trump ziemlich schlecht drauf. Trotz seiner per Wahlerfolg bewiesenen Großartigkeit und all seiner Erfolge im Amt will sich bei den etablierten Medien die Erkenntnis einfach nicht durchsetzen, dass er ein Glücksfall für Amerika ist. Und so fügt er der langen Geschichte seines Kampfes gegen die „mainstream media“ eine weitere Episode hinzu. An diesem Morgen sind es die zwei Moderatoren eines gerade bei Republikanern beliebten Morgenmagazins (Joe Scarborough und Mika Brzezinski von „Morning Joe“), die zu spüren bekommen, was es heißt, wenn Trump „Feuer mit Feuer bekämpft“:

„Hab’ gehört, das niedrig bewertete ‚Morning Joe‘ spricht schlecht über mich (die Show gucke ich eh nicht mehr). Wie kommt es dann, dass die Niedrig-IQ-Crazy-Mika zusammen mit Psycho-Joe drei Nächte in Folge ums Neujahr herum zu mir ins Mar-a-Lago kamen und darauf bestanden, sich mit mir zu treffen? Sie blutete schlimm wegen eines Faceliftings. Ich hab’ Nein gesagt!“ (29.6.17)

Für die Profis der Öffentlichkeit offenbart Trump mit seinem persönlichen Angriff auf „Crazy Joe“ und „Dumm-wie-ein-Stein-Mika“ (so ein weiterer Tweet) eine Schwäche: Er steht nicht über dem ‚Meinungsstreit‘, den sie führen, sondern reagiert empfindlich auf alles, was er als Beleidigung wahrnimmt – und das ist recht viel. Der Hauptbetroffene davon, dass Trump sich immer so aggressiv betroffen aufführt, ist sein eigenes Amt: Indem er sich – wie im Wahlkampf – als Partei bekennt und aufführt, als müsste er den Sieg noch erringen, wozu auch persönliche Gehässigkeiten unvermeidlich dazugehören, beschmutzt er die „Würde“ des hohen Amtes, das er mit seinen offenbar effektiven Methoden mittlerweile längst errungen hat. In diesem Sinne wird ein aufschlussreicher Vergleich gemacht:

„Vielleicht sollten wir einen Moment lang mit Donald Trump Mitleid haben... Denn ihm geht offensichtlich die Härte eines George Washington ab, der einmal bemerkte, dass ‚die Pfeile‘ seiner Kritiker ‚niemals den verwundbarsten Teil von mir treffen könnten‘. Ihm fehlt auch das Selbstvertrauen eines Dwight Eisenhower, der einmal auf die Frage, ob er die Berichterstattung über ihn fair finde, sagte: ‚Naja, am Ende sehe ich nicht, was ein Journalist einem Präsidenten jemals antun könnte.‘“ (New York Times, 30.6.17)

Oder, wie der angegriffene Moderator selbst es zusammenfasst:

„Trump sollte sich mehr um die NATO oder den Aufbau einer Beziehung zu Angela Merkel kümmern als sich mit irgendwelchen Nachrichten-Moderatoren anzulegen.“ (Ebd.)

Das ist schon interessant, denn damit verlangt die demokratische Öffentlichkeit von der Herrschaft Souveränität auch ihr und ihrer Kritik gegenüber: Den Präsidenten sollte polemische Kritik nicht jucken, jedenfalls nicht so sehr, dass er sich zu einem Gegenschlag herausgefordert sieht. Damit wird ausdrücklich die Freiheit der Macht anerkannt, journalistische Angriffe schlicht zu ignorieren – man besteht sogar darauf, wenn man genau darin „die Würde des Amtes“ erkannt haben will: Der höchste Amtsträger soll in der Gewissheit ruhen, im Besitz der einzig entscheidenden Kompetenz zu sein, nämlich den Weg der Nation zu bestimmen und sich in dieser Autorität praktisch unanfechtbar zu wissen. Diese Forderung gibt Auskunft über die wahre Natur der Freiheit, die die professionelle Öffentlichkeit für sich selbst verlangt: Sie ist bloß die Kehrseite der Freiheit, die die Presse den wirklichen Machthabern zuerkennt. Man besteht auf der Erlaubnis, das gesamte Tun und Treiben der Regierenden in Frage zu stellen, weil man weiß und akzeptiert, ja geradezu darauf besteht, dass die Öffentlichkeit von den Herrschenden als ungefährliche, weil praktisch inkompetente, eben als ‚bloße‘ Kritik behandelt wird. Das ist die Meinungsfreiheit, zu der die journalistische Öffentlichkeit von der demokratischen Hoheit ermächtigt sein will: Sie besteht in der strikten Trennung zwischen einer Äußerung von Kritik, die rücksichtslos sein darf, und der praktischen Konsequenz, die noch jeder Kritik immanent ist. Der Respekt, den man vom Präsidenten fordert, besteht in der souveränen Duldung von Meinungen, die bei aller Gehässigkeit dem angegriffenen Machthaber alle Freiheit lassen, selbst zu entscheiden, was aus ihnen folgt – und ob überhaupt irgendetwas.

Das ist zwar wunderbar konstruktiv, beeindruckt Trump aber überhaupt nicht: Die Presse soll ja gerade Partei ergreifen, nämlich für ihn – und zwar gerade deswegen, weil er sich als Partei aufführt und auf niemanden Rücksicht nimmt. Genau das braucht es ja für den Kampf, der im Politikbetrieb der USA endlich zu führen ist – gegen alle, die sein volksdienliches nationales Konkurrenzprogramm nicht unterstützen. Er will ja gerade den Geist des Kämpfens und vor allem des Siegens, also der Erledigung aller Gegner, in die Politik (wieder)einführen, weil Amerika endlich wieder zum weltweit unangefochtenen Gewinner werden soll. Dazu gehört ein sehr entschlossener Kampf gegen seine Kritiker in den „mainstream media“; dieser Kampf bringt allerdings nicht bloß seine Feindschaft gegen sie zum Ausdruck. Seine tiefe Beleidigung zeugt vielmehr von einem stark empfundenen Rechtsanspruch auf Anerkennung; nicht bloß wegen seiner empfindlichen Seele, sondern wegen der Natur seiner politischen Position. Denn so sehr Trump sich als Gegner von Establishment & Mainstream versteht, so wenig versteht er sich dabei als Vertreter einer bloßen Randposition jenseits des Mainstreams, der mit dessen Feindschaft ohnehin fest rechnet. Er giert nach Lob und Anerkennung, weil er sich sicher ist, selbst der wahre Vertreter des wahren amerikanischen Mainstreams zu sein. Seine Grobheiten gegen seine Kritiker sind dabei sehr passend, weil er damit deutlich macht, dass die Beschimpfung des Präsidenten seine Gegner disqualifiziert.

V.

Kurz nach seiner Reise nach Polen und zum G20-Gipfel in Hamburg – für die er von der amerikanischen Presse relativ gute Noten bekommt – kehrt Trump nach Europa zurück, diesmal nach Paris, um anlässlich des französischen Nationalfeiertags und des Eintritts der USA in den Ersten Weltkrieg vor hundert Jahren die französisch-amerikanische Freundschaft zu feiern. Paris ist zwar immer noch nicht Pittsburgh, also kein relevantes politisches Sorgeobjekt für ihn, bietet aber eine schöne Gelegenheit, die Großartigkeit der amerikanischen Nation zu feiern, nämlich ihre vergangenen kriegerischen Großtaten, diesmal die Rettung Frankreichs und der Welt im Ersten Weltkrieg. Partnerschaft zwischen Nationen, eine profunde Verbundenheit zwischen Völkern – solche Werte und Ideale sind dem ‚America first!‘-Fanatiker also keineswegs fremd; sie gehören dort sogar zelebriert, wo sie in der schönsten Form offenbar werden, nämlich in der Waffenbrüderschaft. In ihr bewähren sich Völker mit Haut und Haar und bis zur letzten Konsequenz als Völker im elementaren Sinne: als Manövriermasse unter dem Kommando ihres Staates, die ihm durch ihren Einsatz und ihre Opfer zu seiner Durchsetzung gegen seinesgleichen verhilft – zu einem Sieg im Weltmaßstab in dem gefeierten Fall, für den Frankreich nicht einmal mehr alte Schulden bezahlen muss.

Nach der Militärparade kommt eine Pressekonferenz, auf der Trump seinem Amtskollegen Macron sein größtmögliches Lob spendet: Er ist so wie Trump selbst, ein „großartiger Präsident, ein harter Kerl. Er wird die Leute nicht schonen, die gegen das Gesetz verstoßen und diese furchtbare Gewalt ausüben.“ Und eine gewisse Affinität zwischen den Vorstehern der großartigen Amerikaner hier und der grandiosen Franzosen dort, dem besten Präsidenten aller Zeiten hier und dem président jupitérien dort, lässt sich auch nicht bestreiten: Macron demonstriert es bei jeder Gelegenheit mit seinen zahlreichen Inszenierungen von Glanz und Gloria der französischen Macht vor den herrschaftlichen Prunkbauten des Landes und eben bei einer beeindruckenden Militärparade mit Trump an seiner Seite. Und beide führen es zusammen mit einer ausgedehnten Händedruck-Session auf den Champs Élysées in aller Deutlichkeit vor: Die Herrlichkeit der Macht lässt deren Inhaber heller erstrahlen, und die Standhaftigkeit der Machthaber wirft ein schönes Licht auf die Respektwürdigkeit der Macht, die sie kommandieren und repräsentieren. So findet Trump bei Macron endlich mal das positive Echo, das seine heimische Öffentlichkeit ihm verweigert: Ganz Frankreich ein Podest für die Großartigkeit Amerikas, das vor hundert Jahren gekommen ist, um zu siegen, und für den Siegeswillen Trumps, der hundert Jahre später vorbeischaut, um Amerika wieder großartig zu machen.

Das alles ist für die demokratische Öffentlichkeit vollkommen normal. Für die ist die entscheidende Frage, wie gelungen die Person an der Macht dieser Repräsentationspflicht nachkommt. Von dem Standpunkt aus findet sie an der Reise etwas ganz anderes bemerkenswert, nämlich schon wieder ein Haar in der Suppe. Trump erfüllt nämlich auch hier seine staatsmännische Pflicht ganz im Sinne seiner persönlichen Einzigartigkeit: Als Nr. 1 der Nr. 1, als leibhaftiges „America first!“, leistet er sich, ganz Kavalier der alten Schule, eine lobend-anzügliche Bemerkung über die beeindruckende Figur von Mme Macron. Das sorgt für eine kleine Aufregung, weil bei der Demonstration völkerverbindender militärischer Herrlichkeit heutzutage der demonstrative Respekt für die Würde der Frau nicht fehlen darf. Ansonsten wird vor allem das zur Kenntnis genommen: Trump hat eine schöne Zeit weg von daheim genossen, wo die ‚Russland-Affäre‘, der er in Paris mit seinem Staatsbesuch doch nur mal wieder zu entfliehen versucht, geduldig auf seine Heimkehr wartet.

VI.

Es ist nämlich herausgekommen, dass Trumps Sohn und einige andere Vertreter der Trump-Wahlkampfmannschaft sich mit einer russischen Anwältin und einigen anderen getroffen haben, um ‚Kompromat‘ gegen Hillary Clinton, die damalige Gegnerin im Wahlkampf, zu sammeln. Die ‚Russland-Affäre‘ geht also weiter. Die amerikanische und europäische Öffentlichkeit gibt sich von dem Treffen geschockt und ist zugleich überhaupt nicht überrascht: Dass Trump mit den Russen illegal zusammengearbeitet hat, steht für sie ja längst fest; mit den neuen Informationen hat man zwar immer noch keinen ‚rauchenden Colt‘ gefunden, aber ‚die Einschläge kommen immer näher‘. Und das sorgt für einen spannenden Sommer, fast so spannend wie der Auftritt des von Trump gefeuerten FBI-Chefs vor dem Untersuchungsausschuss im Kongress einige Wochen zuvor. Die amerikanische Demokratie verarbeitet ihre internen Machtkämpfe mit beeindruckender Transparenz als Medienspektakel.

 

Der Vorfall und die Aufregung darüber zeugen gleichermaßen davon, was im demokratischen Wahlkampf normal und geboten ist: Die Jagd nach ‚schmutziger Wäsche‘, um den Gegner moralisch bis zum Rufmord hin zu diskreditieren, ist – das versichern die vielen befragten ehemaligen professionellen Wahlkampfmitarbeiter – eine bewährte Methode, die Bürger darüber aufzuklären, in welchem Kästchen ihr Wahlkreuz am besten aufgehoben ist. Und allemal effektiver als die Widerlegung irgendwelcher ‚Argumente‘ der Gegenseite. Die Demokraten waren in der Hinsicht offenbar auch nicht faul, haben immerhin einige Agenten in die Ukraine geschickt, um zwielichtigen Geschäftsbeziehungen des Trump-Clans nachzugehen. Doch absolut tabu – das versichern die gleichen Mitarbeiter – ist dabei die Zusammenarbeit mit fremden Mächten; das gebietet der Patriotismus der demokratischen Schlammschlacht, in der es um die personelle Besetzung und nicht die Schädigung der Weltmacht gehen soll. Für Trump selbst gilt diese Unterscheidung allerdings nicht; er bringt in zweierlei Hinsicht etwas mehr Konsequenz, also Rücksichtslosigkeit in den demokratischen Wahlkampf: Erstens sind dort, wo es ums Gewinnen geht, sowieso alle Mittel geboten; gerade das ist ja sein Rezept für seinen Erfolg als Geschäftsmann gewesen – also für den Erfolg, mit dem er sich erfolgreich als geeigneter Kandidat fürs höchste Amt empfohlen hat. Zweitens sitzt aus seiner Sicht der Hauptgegner ohnehin nicht in Moskau, sondern im Sumpf des eigenen Establishments, dessen Verrat an Amerika schon längst feststeht.

Der stets wachsende Verdacht einer konspirativen Zusammenarbeit zwischen Trump und Putin wurde von Anfang an durch die für die amerikanischen Medien befremdliche Bewunderung genährt, die Trump für das echte Mannsbild im Kreml schon während des Wahlkampfs und immer wieder zum Ausdruck gebracht hat. Und tatsächlich: Was die Sittlichkeit der präsidentiellen Machtausübung angeht, ist Putin für Trump stets ein vorbildlicher Charakter gewesen. Er schätzt die schiere Führungsstärke, die Putin ausstrahlt – zumal in einer feindlichen Umwelt. Er ist beeindruckt von der Entschiedenheit und vor allem von dem Erfolg, mit dem Putin sich als starker Führer nach innen und nach außen inszeniert und auch betätigt. Trump schließt sich auch nicht der Empörung der amerikanischen Presse über Putins Vorgehen gegen seine inneren und äußeren Gegner an, hält die vielmehr für eine bodenlose Heuchelei: „Denkt ihr wirklich, wir sind so unschuldig?“ Auch Putins Feindschaft gegen gewisse Auswüchse des ‚Liberalismus‘, seine mannhafte Verteidigung von Russland als einem Land, das nicht nur ökonomische und weltpolitische Interessen verfolgt, sondern nichts weniger als die „Zivilisation“ bewahren will, findet Trump höchst anständig. Nichts anderes bewegt ja die „wahren Patrioten“, mit denen Trump so gerne außerhalb des verlotterten Sumpfs in Washington Zeit verbringt. Dass Putin schließlich die Souveränität Russlands, die Wiederherstellung seiner weltpolitischen Stärke zum Dreh- und Angelpunkt seiner Politik macht, kann Trump nur billigen. Und zwar nicht deswegen, weil er ein ‚Russlandfreund‘ wäre und der Wiederauferstehung der russischen Weltmacht das Wort reden würde, sondern weil er genau das für Amerika will – nur in viel größerem Maßstab, versteht sich. Aus dem Grund ist es für Trump übrigens ein Rätsel, warum Russland den Kandidaten Trump hätte favorisieren sollen – ausgerechnet den Mann, der sich die Dominanz Amerikas über den Weltenergiemarkt und die Verstärkung seiner absoluten militärischen Überlegenheit in aller Welt vorgenommen hat! Ob die Verwunderung echt oder gespielt ist, tut nichts zur Sache; in jedem Fall zeugt sie von dem durch und durch patriotischen Fanatismus für die amerikanische Macht, der Trumps Wertschätzung für Putin zugrunde liegt.

Genau das – die Freiheit der amerikanischen Macht, die Souveränität Washingtons gegenüber allen anderen Mächten – ist auch der Maßstab, an dem Trumps Kritiker sein ‚Verhältnis‘ zu Putin skandalisieren. Man befürchtet ein Einknicken vor dem Rivalen, wälzt die Sorge, ob Trump dem Machiavelli im Kreml auf den Leim gehen könnte und Amerikas Macht von ihm instrumentalisieren und seine strategischen Positionen schwächen lassen könnte. Und man verlängert diese Sorge in den Verdacht, Putin habe kompromittierende Informationen gegen Trump selbst, damit auch einen Erpressungshebel, mit dem er die Fähigkeit der Supermacht, rücksichtslos zu handeln, empfindlich einschränken könnte. Trump schießt wiederum mit dem gleichen Vorwurf zurück, dass es doch die Demokraten unter der Führerschaft des Clinton-Clans selbst waren, die so richtig mit den Russen zur Stärkung des Gegners und zur Schwächung Amerikas kollaboriert haben. Er dagegen wolle bloß, wie gesagt, die USA gegenüber der ganzen Welt stärken.

Und dank der Fortschritte der nationalen Aufrüstung bekommt Trump gleich die Gelegenheit, genau das zu zelebrieren.

VII.

Denn zum Abschluss der „Made in USA“-Woche Ende Juli darf Trump den größten Flugzeugträger der Welt einweihen:

„Bei der Indienstnahme dieses atemberaubenden Schiffs gebührt unsere Hochachtung den Tausenden von Soldaten und Zivilisten, die es entworfen und gebaut haben. Sie haben ihre Liebe zum Vaterland in alle Schotten und Nieten dieses Schiffes gegossen... Ihr erlebt jetzt den Augenblick, in dem dieses unglaubliche Kunstwerk der Stolz der US-Navy und das Symbol der Macht und des Ansehens Amerikas wird... Amerikanischer Stahl und amerikanische Hände haben eine 100 000 Tonnen schwere Botschaft an die Welt gebaut: Amerikanische Stärke ist allen überlegen, und unter meiner Regierung werden wir täglich größer und besser und stärker. Das kann ich euch allen sagen: Wo auch immer dieses Schiff am Horizont auftauchen wird, werden unsere Alliierten in Ruhe schlafen können und unsere Feinde vor Furcht zittern, weil dann jeder weiß, dass Amerika jetzt kommt und Amerika kommt gewaltig. (Applaus)“ (21.7.17)

Patriotismus ist für Trump keine bloße Sonntagsveranstaltung, und das gilt nicht nur für die Soldaten, die ihn beruflich und gegebenenfalls bis zur letzten Konsequenz praktizieren. Patriotismus wird täglich bei der Arbeit gelebt, in der täglichen Anstrengung, für sich und seine Familie zu sorgen. Das gilt erst recht für die Gebrauchswerte, die die Zerstörungskraft der Supermacht bilden. Zwar fehlen in diesem poetischen Bild einer äußerst innigen Einheit von ‚Hand‘ und ‚Stahl‘, von hard work und hard power die Rüstungsunternehmen, die an dieser Vergegenständlichung der Vaterlandsliebe bekanntlich gut verdienen, aber an die Einheit von deren Geschäft und den Gewaltpotenzen der Nation hat Trump auch gedacht: Zum Schluss seiner zeremoniellen Rede rühmt er sich für sein Vorhaben, rekordmäßige Rüstungsausgaben zu beschließen. Die Arbeiter können darin den Beweis sehen, wie sehr der Präsident höchstpersönlich an sie denkt, wenn er das gedeihliche Verhältnis von mehr Geschäft und mehr Gewalt zu optimieren verspricht – mit ein paar Zentnern greenbacks „tons of jobs!“ So kann man den Ausbau imperialistischer Überlegenheit per Ausbau militärischer Abschreckungs- und Vernichtungspotenzen auch erläutern: als Gunst für tüchtige Amerikaner, die zum Leben harte Arbeit im Dienste satt finanzierter Arbeitgeber brauchen. Da fühlt sich die demokratisch reife Presse zu konstruktiver Skepsis herausgefordert: „Sind wirklich rekordmäßige Rüstungsausgaben beschlossen worden?“ „Werden dadurch wirklich so viele Jobs entstehen?“ Und so beteiligen sich alle an der Fertigstellung der Gleichung, die sie dann vorwärts wie rückwärts lesen können: Amerikanische Arbeit schafft imperialistische Machtpotenzen, deren Stärkung den großartigen amerikanischen Firmen was zu verdienen und den großartigen armen Leuten Arbeit gibt. So sieht der Dienst des Vaterlands an den Landeskindern aus, die es lieben:

„Nun muss der Kongress seine Arbeit tun und einen Haushalt beschließen, der für die vermehrte, stabile und verlässliche Finanzierung sorgt, die unser Militär braucht und unsere Männer und Frauen in Uniform verdienen – und ihr werdet es kriegen, glaubt mir. Ich sag’s euch, ihr kriegt das schon.“ (Ebd.)

Wobei es auch einen Extra-Dienst gibt, für den die Soldaten selbst etwas tun können – die Demokratie macht es möglich:

„Und übrigens: Ruft eure Senatoren an, um dafür zu sorgen, dass ihr health care kriegt.“ (Ebd.)

VIII.

Doch es hilft alles nichts. Einige Tage später steht fest: Die Reform des amerikanischen Gesundheitswesens ist vorerst gescheitert. Dabei ist das Projekt namens ‚Repeal & Replace‘ – die Abschaffung und Ersetzung der während der Obama-Administration beschlossenen Gesundheitsreform – gar nicht an Obamas Demokraten gescheitert, sondern an der Uneinigkeit der Republikaner selbst, die sieben Jahre lang in ihrem Hass auf ‚Obamacare‘ ein Bild der Geschlossenheit abgegeben haben. Manchen Senatoren gehen die vorgesehenen Einsparungen zu weit; sie verweisen auf die Schäden für die Bürger, die voraussichtlich zu Millionen aus jeder Versicherung rausfliegen würden. Da ist außerdem die in manchen Bundesstaaten grassierende ‚Opioid-Epidemie‘, für deren Bekämpfung sogar die unter Obamacare vorgesehenen staatlichen Gelder nicht ansatzweise ausgereicht haben. Etwas gewichtiger sind die befürchteten Schäden für das Geschäft mit der medizinischen Versorgung, das sich auf die gleichen Gelder längst verlässt. Zudem ist in etlichen Kommunen das Krankenhaus der größte Arbeitgeber, und dessen größte Geldquelle sind wiederum die Subventionen des Zentralstaates. Andere Republikaner entdecken umgekehrt im neuen Gesetzesentwurf viel zu viel vom alten System, nämlich zu viele Kosten, für Unternehmer wie – solange die gesund bleiben – für die zwangsversicherten Bürger. Manche unter ihnen siedeln ihren Einwand eine Ebene höher an und gewahren in der Versicherungspflicht einen einzigen Anschlag auf den Höchstwert der Freiheit, auf dem die ganze Nation aufgebaut ist. Da gibt es die einen, die mit ihrem Geld selbstverantwortlich umgehen sollen, also die Freiheit genießen sollen, selbst zu entscheiden, wo Verzicht fällig ist, ohne für andere Bürger ihres Schlags verzichten zu müssen. Die anderen brauchen Freiheit von den – steuerlichen oder sonstigen – Kosten, die ihnen die medizinische Versorgung ihrer Belegschaften bereitet. Schließlich gibt es verantwortliche Haushaltspolitiker, die von gewissen Posten befreit werden müssen, die ihren Staatshaushalt belasten... So bringen die Republikaner gegeneinander alle Momente des widersprüchlichen Monstrums namens kapitalistisches Gesundheitswesen zur Geltung. Da treffen die disparaten Ansprüche des Staates aufeinander: der Anspruch auf Volksgesundheit, d.h. auf die Tauglichkeit des Volkskörpers für alle Anforderungen der kapitalistischen Konkurrenz und des Staatslebens, die auf die Leute zukommen; das politische Interesse an einem erfolgreichen Geschäft mit der medizinischen Versorgung und deren Finanzierung; drittens der Staatsgesichtspunkt einer möglichst geringfügigen finanziellen Belastung für ‚die Wirtschaft‘ und den Staatshaushalt. Daher gehört ein gelungenes Gesundheitswesen zu den unerreichten Idealen bürgerlicher Politiker, die in diesem Nest aus konkurrierenden, der Marktwirtschaft eigenen Ansprüchen eine Herausforderung sehen, die es mit verantwortlicher Sachkompetenz, politischer Klugheit und Kuhhandel zu bewältigen gilt, so dass die soziale Marktwirtschaft eine endlose Geschichte der Reformpläne, der erfolgreichen und bald danach wieder reformbedürftigen Reformen und der erneuten Reformpläne darstellt.

Die Widersprüche eines kapitalistischen Gesundheitswesens gehen Trump allerdings nichts an; sich selbst kennt er dagegen sehr gut: „Ich hasse es, zu verlieren.“ Damit dürfte die Substanz seiner Unzufriedenheit über das gescheiterte Reformvorhaben erschöpfend auf den Punkt gebracht sein. Das liegt allerdings nicht daran, dass ihm der Gegenstand ‚health care‘ selbst egal wäre – was ihm von allen Seiten, auch von den Republikanern vorgeworfen wird:

 

„Manche in den Fake-News-Medien sagen, ich engagiere mich nicht für health care. Falsch. Ich kenne mich gut aus und will einen Sieg für die USA.“ (28.6.17)

Auch die Betreuung der Volksgesundheit und des riesigen Geschäfts, das damit gemacht wird, ist also für Trump ein weiterer Fall der immer gleichen Notwendigkeit, auf jedem Feld die Nr. 1 zu sein, auch wenn es auf diesem Feld keinen Gegner in dem Sinne gibt. Das war überhaupt Trumps ganze eigene Kritik an Obamacare: ein Verstoß gegen das allerheiligste amerikanische Prinzip, den Erfolg. Obamacare war – so Trumps Mantra – eine gescheiterte Reform; inwiefern, ist da nicht so entscheidend, auf jeden Fall herrscht auf allen Seiten irgendwie Unzufriedenheit. Diese vernichtende Kritik war nie als Auftakt zu einem eigenen Plan gemeint, den Trump in der Tasche hat oder von seinen Fachmännern hat entwickeln lassen. Entgegen den Vorwürfen der Öffentlichkeit ist das allerdings kein Fall von Planlosigkeit, oder nur dem Drang geschuldet, sich an Obama zu rächen. Es ist vielmehr ein weiterer Anwendungsfall für Trumps Haupt- und Generaldiagnose: Amerika hat schon alle nötigen Mittel, das Beste für alle berechtigten Interessen in der Nation zu erreichen; es mangelt bloß am politischen Willen & Können in Washington, den einschlägigen ‚Deal‘ hinzubekommen. In der Frage, worin dieser Deal genau zu bestehen hat, ist Trump stets undogmatisch geblieben; ganz dogmatisch ist er aber darin, dass der Deal eine gelungene Gleichung zwischen der Freiheit des Geschäfts und der Befriedung, wenn nicht Befriedigung aller anderen einschlägigen berechtigten Ansprüche hinbringen muss. Entsprechend führt sich Trump in allen Stadien der Verhandlungen mit und im Kongress auf: Er agiert als Cheerleader und als Mahner, wie ein mit echten Vollmachten ausgestatteter und besonders gebieterischer Bundespräsident, der gegenüber dem Politikbetrieb die Einheit zwischen Führung und Volk, also ihr gemeinsames Recht auf erfolgreiches Regieren vertritt. Er verkörpert das sozialstaatliche Ideal einer Versöhnung zwischen allen konkurrierenden Ansprüchen in Bezug auf das Gesundheitswesen gewissermaßen als eine lebende politmoralische Instanz, die über dem politischen Verfahren steht und mit dem Damoklesschwert wedelt. Die anderen Politiker schulden ihm diesen Erfolg; dass sie sein großes Reformanliegen, egal aus welchen unterschiedlichen Gründen, scheitern lassen, ist nicht weniger als ein Verrat an ihm. Vor allem deswegen, weil ihm das von der journalistischen Öffentlichkeit hauptsächlich als sein Misserfolg angekreidet wird: ein Dealmaker, der es einfach nicht versteht, in der Politik echte Erfolge einzufahren.

Und weil sie hier Verrat begangen haben, haben sich die versammelten Politiker im Kongress auf allen Feldern vorerst diskreditiert; Trump teilt ihnen das in aller ihm eigenen Deutlichkeit mit, sobald dieser Haufen von Verlierern mit neuen Sanktionen gegen Russland allen Ernstes Trumps außenpolitische Bestimmungsfreiheit eingrenzen will:

„Unsere Beziehung zu Russland war noch nie schlechter und wird sehr gefährlich. Dafür könnt ihr dem Kongress danken – den gleichen Leuten, die uns nicht mal eine Gesundheitsreform geben können!“ (3.8.17)