Glaube

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1. Die Etymologie von

ʾæ

mîn

 (»glauben«)



»Die

ʾ

mn

 entsprechenden Vokabeln in den andern semitischen Sprachen lassen zusammen mit dem alttestamentlichen Befund keinen Zweifel darüber bestehen, daß die Grundbedeutung der Wurzel ›fest, sicher, zuverlässig‹ ist« (Wildberger 1967: 373). Im Einzelnen lässt sich die Semantik (im Anschluss an Kaiser 2000: 944) so bestimmen: Der Grundstamm (

qal

)

ʾ

mn

 bedeutet ein beständiges Beistehen. Im passiven oder reflexiven Stamm (

nifal

) ist

ʾæ

man

 das dauerhafte oder |10|zuverlässige Verhalten einer Person, Handlung oder Sache. Im Kausativstamm (

hifil

) meint

ʾæ

mîn

 den dieser Zuverlässigkeit antwortenden vertrauensvollen oder treuen rezeptiven Akt. Gerhard Ebeling hat das in die Formeln gefasst, »daß

n

ʾ

mn

 dies bezeichnet: daß etwas dem entspricht, was es zu sein verspricht Man könnte auch sagen: daß etwas hinsichtlich dessen, was es erwarten läßt, nicht enttäuscht« (Ebeling 1958: 211). Daraufhin hat »das Hiphil

h

ʾ

myn

 , kausativ bzw. deklarativ, die Bedeutung: etwas

n

ʾ

mn

 sein lassen bzw. für

n

ʾ

mn

 erklären, also gelten lassen bzw. ihm das zusprechen, daß es dem entspricht, was es verspricht« (Ebeling 1958: 212). Ein Fingerzeig zum Verständnis liegt auch darin, dass die Nomina

ʾæ

mæt

 (»Gewissheit, Wahrheit«) und

ʾæ

mûnāh

 (»Festigkeit, Treue«) von demselben Wortstamm gebildet sind. Auch an das geläufige Wort »Amen« ist zu erinnern, im Hebräischen die Formel für nachdrückliche, förmliche Zustimmung: »So sei es!« »Man könnte das Hif umschreiben: ›Zu etwas Amen sagen mit allen Konsequenzen für Objekt und Subjekt‹« (Weiser 1935: 90).



Für den im engeren Sinne religiösen Gebrauch von

ʾæ

mîn

 gibt es im Alten Testament nur etwa 28 Belege. Sie sind noch dazu teilweise untereinander vernetzt. »

h

ʾ

myn

 als Glaubensbegriff gehört offensichtlich nicht an den Anfang der israelitischen Religionsgeschichte und taucht als solcher nur in gewissen Schichten des Alten Testamentes auf« (Wildberger 1967: 386). So sehr die Sache am Ende allgemein geworden ist, war sie am Anfang speziell.





2. Jesaja 7,9b als Ausgangspunkt



Die Entstehung des Begriffs hat man immer in Jes 7,9b gesucht:

ʾ

im lo

ʾ

 ta

ʾa

mînû kî lo

ʾ

 te

ʾ

āmenû

 (»Wenn ihr euch nicht fest macht, werdet ihr nicht fest stehen«). Luther hat das Wortspiel treffend mit »Gleubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht« übersetzt. »Die Stelle ist hochinteressant. Man sieht in ihr den Begriff des ›Glaubens‹ sich bilden« (Stade 1887: 594 Anm. 2). Sie galt lange Zeit als sicher datierbar. »Die Stelle hat den Vorzug, daß wir den Autor, dessen Zeit und geistige Heimat kennen und darum wissen, von welchem Hintergrund her der Satz zu verstehen ist« (Wildberger 1968: 131). »Jesaja scheint den Ausdruck in die religiöse Sprache eingeführt zu haben« (Guthe 1922: 601, Anm. b).



Diese Sicherheit ist der neueren Exegese verloren gegangen. Das Kapitel Jes 7 unterbricht den Zusammenhang, der zwischen Jesajas |11|Berufung in Jes 6 und der zeichenhaften Zeugung des Sohnes »Raubebald Eilebeute« in Jes 8 bestanden hat (Becker 1997: 24–31). Beide sind als Selbstbericht in der Ich-Rede des Propheten geschrieben. Hingegen berichtet in Jes 7 ein anderer, was Jesaja getan und gesagt haben soll. Der früher verbreitete Vorschlag, diesen Bericht ebenfalls auf eine Ich-Rede zurückzuführen (Budde 1885: 125; Marti 1920: 115), hat gegen sich, dass man keinen Grund nennen kann, warum der Text geändert worden sein sollte.



Es ist deshalb wahrscheinlich, dass dieses Zwischen-Kapitel nicht auf den Propheten Jesaja im 8. Jahrhundert zurückgeht. Das schließt nicht aus, dass der religiöse Begriff des Glaubens dennoch hier seinen Ursprung hat.





3. Die Immanuel-Weissagung Jesaja 7,1–17



Im Mittelpunkt von Jes 7 steht die berühmte Immanuel-Weissagung in V. 14: »Siehe, die junge Frau ist schwanger geworden und wird einen Sohn gebären, den <sollst du> Immanuel nennen.« Die Geburt dieses Kindes soll ein Hoffnungszeichen sein in einer Lage, die durch die Feindschaft zweier Könige bestimmt ist. »Denn ehe der Knabe Böses verwerfen und Gutes wählen kann, wird das Land verlassen sein, vor dessen zwei Königen dir graut« (V. 16). Abgesehen von der äußeren Bedrohung bleiben die Umstände indes unbestimmt: Die junge Frau wird als dem Leser bekannte Person eingeführt. Wer ist sie? Und wer ist das Kind, dessen Geburt bevorsteht?



Eine Heilsprophetie dieser Art will kein Rätsel aufgeben. Die Lösung findet sich sofort im folgenden Kapitel. Die Ankündigung in Jes 7,14b.16 stimmt in Aufbau und Wortlaut auffallend überein mit der Zeichenhandlung Jes 8,1–4 (Kaiser 1981: 177 Anm. 13). Dort berichtet Jesaja, wie er mit der Prophetin, anscheinend seiner Kollegin, einen Sohn zeugt und ihn auf Jahwes Geheiß

maher šālāl ḥāš baz

 nennt: »Raubebald Eilebeute«. Der Name drückt aus, was das Kind ist, nämlich eine lebende Drohung gegen die Feinde Judas: »denn ehe der Knabe ›Vater‹ und ›Mutter‹ sagen kann, trägt man den Reichtum von Damaskus und die Beute von Samaria vor den König von Assur« (V. 4). An seiner kindlichen Sprachentwicklung lässt sich die Niederlage Arams und Israels absehen. Der Anlass für diese Heilsprophetie dürfte jener Angriff gewesen sein, zu dem Aram und Israel sich in den Jahren 734/33 gegen Juda zusammentaten und den man gemeinhin den |12|»syrisch-ephraimitischen Krieg« nennt. Nur ein Jahr später trat der assyrische Großkönig Tiglatpileser III. auf den Plan und machte dem Reich der Aramäer ein Ende. Der König von Israel aber musste sich Assyrien unterwerfen und verlor einen großen Teil seines Gebiets. Es spricht nichts dagegen, dass die Zeichenhandlung auf Jesaja selbst zurückgeht.



Die Übereinstimmung des Wortlauts stellt außer Frage, dass die Ankündigung in Jes 7 im Vorausblick auf die Zeichenhandlung in Jes 8 gelesen werden soll. Anhand des Berichts aus den Büchern der Könige (2Kön 16,1.5), der dafür eingangs zitiert wird, fügt sie vorab die historischen Umstände hinzu:



1

Es geschah zur Zeit des Ahas, des Sohnes Jotams, des Sohnes Usijas, des Königs von Juda, da zog herauf Rezin, der König von Aram, und Pekach, der Sohn Remaljas, der König von Israel, nach Jerusalem, um gegen es kämpfen.

2

Da schwankte sein Herz und das Herz seines Volks, wie Waldbäume schwanken im Wind.

3

Und Jahwe sprach zu Jesaja: Geh hinaus Ahas entgegen

4

und sprich zu ihm: Fürchte dich nicht, und dein Herz sei nicht verzagt!

7

So spricht Jahwe: Es wird nicht zustande kommen und nicht geschehen!

14

Siehe, die junge Frau ist schwanger geworden und wird einen Sohn gebären, den <sollst du> Immanuel nennen.

16

Denn ehe der Knabe Böses verwerfen und Gutes wählen kann, wird das Land, vor dessen zwei Königen dir graut, überlassen sein

17

an den König von Assur.



Die junge Frau ist keine andere als die Prophetin; denn sie ist bereits schwanger (

hārāh

 perf.). Deswegen ist es auch dasselbe Kind, das hier vorab einen weiteren, diesmal heilvollen Namen erhält:

ʿ

immānû

ʾ

el

 (»Gott ist mit uns«). Dieser Name ist ein Bekenntnis: die Antwort auf die Zusage »Fürchte dich nicht!«, die der Prophet dem König verkündet, dessen Herz vor den heraufziehenden Feinden schwankt wie Waldbäume im Wind: »Es wird nicht zustande kommen und nicht geschehen!« Da die Deutung, die Jes 7 der Ankündigung in Jes 8,1–4 gibt, nicht älter sein kann als die Königebücher, auf deren Darstellung sie zurückgreift, kann der Kern des Kapitels frühestens aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts stammen.





4. Die Forderung des Glaubens hat ihren Grund in der Davidverheißung



Ein Heilsorakel wie in Jes 7 ergeht in der Regel ohne Bedingung. Doch wie der Text heute vorliegt, wird es an eine Voraussetzung geknüpft: »So spricht Jahwe: Es wird nicht zustande kommen und nicht |13|geschehen!

Wenn ihr euch nicht fest macht, werdet ihr nicht fest stehen

« (V. 7.9b). Die Mahnung zum Glauben, die sich jetzt an die Zusage anschließt, richtet sich an eine Gruppe, nicht mehr an König Ahas allein. Daraus geht hervor, dass sie literarisch auf eine spätere Ebene gehört. Ernst Würthwein hat erkannt, wie sie gemeint ist. Der Satz

lo

ʾ

 te

ʾ

āmenû

 (»ihr werdet nicht fest stehen«) spielt auf die Dynastieverheißung in 2Sam 7,16 an, die David durch den Propheten Nathan erhalten haben soll: »Dein Haus und dein Königtum sollen fest stehen (

w

e

ʾ

man

) für immer« (Würthwein 1954: 139). Für die Davidverheißung ist

bayit næ

ʾæ

mān

 (»beständiges Haus«) der stehende Begriff (1Sam 2,35; 25,28; 1Kön 11,38; ferner Jes 55,3; Ps 89,29.38; vgl. Veijola 1975: 74f.). Dass Jes 7,9b »die davidische Dynastie und diese ihr gegebene Verheißung im Sinne hat, wird bis in den Wortlaut hinein spürbar, da in dem

te

ʾ

āmenû

 von V. 9b das entscheidende Stichwort der Nathanweissagung –

n

ʾ

mn

 – aufgenommen wird« (Würthwein 1954: 141). Demnach betrifft die Bedingung: »Wenn ihr euch nicht fest macht, werdet ihr nicht fest stehen« = »Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht«, das Haus David und dessen von Jahwe verheißenen dauernden Bestand.



Die Nathanverheißung in 2Sam 7 bildet nicht nur die inhaltliche Voraussetzung für den heutigen Text von Jes 7, sondern erlaubt es auch, diese weitere Ebene des Textes zu datieren. »Das 7. Kapitel ist ziemlich jungen Datums« (Wellhausen 1885: 254). In V. 2 und 6 ist das Zeltheiligtum am Sinai vorausgesetzt, das die Priesterschrift im 5. Jahrhundert für ihre Fassung der Frühgeschichte des Gottesvolkes erfunden hat. Daraufhin steht das ganze Kapitel traditionsgeschichtlich zwischen der deuteronomistischen Theologie und dem chronistischen Geschichtswerk (Levin 1985: 251–254; Porzig 2009: 174f.). Es befindet sich »auf dem Weg zum Davidbild der Chronik« (Kratz 2000: 187). Wenn Jes 7,9b die Verheißung in 2Sam 7,16 zur Voraussetzung hat, gehört das Motiv des Glaubens von Anfang an in den Rahmen der spätalttestamentlichen Theologie.

 





5. Das Bündnisverbot



Die theologiegeschichtlichen Koordinaten lassen sich noch genauer bestimmen. In 2Kön 16,5abα.8.9aβb ist ein Fragment aus den Regesten des Jerusalemer Tempels erhalten geblieben, das behauptet, König Ahas sei es gewesen, der Tiglatpileser III. bewogen habe, gegen Aram vorzugehen:



|14|

5

Damals zog herauf Rezin, der König von Aram, und Pekach, der Sohn Remaljas, der König von Israel, nach Jerusalem zum Kampf, und sie belagerten Ahas.

8

Da nahm Ahas das Silber und das Gold, das sich im Hause Jahwes und in den Schätzen des Königshauses fand, und sandte dem König von Assur ein Huldigungsgeschenk.

9

Und der König von Assur zog herauf gegen Damaskus und eroberte es und führte es in die Verbannung, und den Rezin tötete er.



Diese Quelle steht in Widerspruch zu der sogenannten Tontafelinschrift Tiglatpilesers, nach deren Darstellung Ahas dem Großkönig seinen Tribut nicht allein, sondern gemeinsam mit den anderen südlevantinischen Königen dargebracht hat (TUAT I/4: 374f.). Das geschah wahrscheinlich erst

nach

 der Eroberung von Damaskus.



Wie immer der historische Hergang gewesen sein mag – über die theologische Bewertung hat entschieden, dass Ahas mit seinem Hilfegesuch an den Großkönig gegen einen bekannten Grundsatz des chronistischen Geschichtswerks verstoßen hätte, auf dessen umfassende Bedeutung Tetsuo Yamaga aufmerksam gemacht hat: das strikte Bündnisverbot (Yamaga 2001). Für die chronistische Theologie gehörte es zu den schlimmsten Sünden der Könige von Juda, wenn sie sich mit ausländischen Mächten einließen, statt sich für den Bestand ihres Königtums bedingungslos auf den Gott Jahwe zu verlassen.



Dieses Motiv, dessen Anlass in der hellenistischen Zeit zu vermuten ist, als Jerusalem zwischen den Seleukiden im Norden und den Ptolemäern im Süden politisch jonglierte, hat auch in die Königebücher und in die prophetischen Bücher Eingang gefunden. Deshalb wurde in 2Kön 16,5bβ – und in Jes 7,1b in ähnlicher Weise – nachträglich hinzugefügt, dass Rezin und Pekach gar nicht in der Lage gewesen seien, Jerusalem wirksam zu bedrohen: »Aber sie konnten (es) nicht erobern.« Um die Sünde des Königs Ahas offenkundig zu machen, nennt 2Kön 16,7 das angebliche Gesuch sogar im Wortlaut:



Ahas sandte Boten zu Tiglatpileser, dem König von Assur, und ließ sagen: Ich bin dein Knecht und dein Sohn. Zieh herauf und errette mich aus der Hand des Königs von Aram und aus der Hand des Königs von Israel, die aufgestanden sind gegen mich.



Der Bearbeiter, der diesen Vers eingefügt hat, unterstellt Ahas, mit seinem Hilferuf an den Großkönig die Zusagen ausgeschlagen zu haben, die Jahwe David einst für seinen Sohn und damit für seine Dynastie gegeben hat: »Ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein« (2Sam 7,14). Stattdessen habe Ahas in frevelhafter Weise dem König von Assur die Rolle angetragen, die allein Jahwe zukam: ihn zu erretten.



Die heutige Fassung von Jes 7 reagiert auf diese Verfehlung. »Genau |15|an diesem Punkt, nämlich in der leidenschaftlichen Ausschaltung jeglicher eigenen Sicherung, setzt Jesajas Eifern ein« (von Rad 1960: 170). Deshalb wurde das ursprüngliche Heilsorakel so ergänzt, dass es zur Warnung wird:



1

Es geschah zur Zeit des Ahas, des Sohnes Jotams, des Sohnes Usijas, des Königs von Juda, da zog herauf Rezin, der König von Aram, und Pekach, der Sohn Remaljas, der König von Israel, nach Jerusalem, um gegen es zu kämpfen.

Er konnte aber nicht gegen es kämpfen.


2

Da wurde dem Hause David gemeldet: Aram hat sich gelagert gegen Ephraim.

 Da schwankte sein Herz und das Herz seines Volks, wie Waldbäume schwanken im Wind.

3

Und Jahwe sprach zu Jesaja: Geh hinaus, Ahas entgegen

4

und sprich zu ihm:

Hüte dich und bleibe still!

 Fürchte dich nicht, und dein Herz sei nicht verzagt

vor diesen beiden Brandscheiten, die nur noch rauchen

, vor der Zornesglut Rezins und Arams und des Sohnes Remaljas.

7

So spricht Jahwe: Es wird nicht zustande kommen und nicht geschehen!

9

Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht

.



Das Ineinander von Heilsansage und Drohung, das die Ausleger immer frappiert hat, geht auf Überarbeitung zurück. In V. 2 wird über den König hinaus das Haus David ins Spiel gebracht: »Da wurde dem Haus David gemeldet: Aram hat sich gelagert gegen Efraim.« Die Zornesglut Rezins und Pekachs wird bagatellisiert: Die beiden Könige sind »Brandscheite, die nur noch rauchen« (V. 4a). Der Beruhigungsformel »Fürchte dich nicht!« geht nun die Mahnung voraus: »Hüte dich und bleibe still!« Zwischen den Zeilen steht, dass Ahas sich nicht gehütet hat und nicht still geblieben ist. Doch nicht mehr der judäische König im 8. Jahrhundert ist der Adressat, sondern die tatsächlichen oder möglichen Vertreter des davidischen Königtums in der hellenistischen Gegenwart (Yamaga 2001: 153).





6. Der Glaube ist Antwort auf die Verheißung



Man hat gefragt, ob die Entstehung des Begriffs

ʾæ

mîn

 (»glauben«) »in Verbindung mit einem Wortspiel, wie es Jes 7,9 enthält, wahrscheinlich ist oder gerade das Wortspiel bereits den Begriff voraussetzt« (Ebeling 1958: 215 Anm. 22). Diese Alternative lässt sich entscheiden. Die besondere Semantik des Hifil

ʾæ

mîn

 (»sich festmachen, glauben«) erklärt sich anhand des Nifal

ʾæ

man

 (»beständig sein«), das auf der Verheißung in 2Sam 7,16 beruht. Es ist dieses Wortspiel, das die besondere, religiöse Bedeutung von

ʾæ

mîn

 hervorgebracht hat:

ʾæ

mîn

 (»glauben«) heißt, etwas

ʾæ

man

 sein zu lassen, also gelten |16|zu lassen oder ihm zuzusprechen, dass es dem entspricht, was es verspricht (vgl. Ebeling 1958: 212).



Das bedeutet: Glaube, wo der Begriff seinen Ursprung hat, ist dem Wesen nach Antwort auf eine gegebene Verheißung. Darin liegt die Besonderheit von

ʾæ

mîn

 und der Unterschied zu anderen Verben, die das Gottesverhältnis beschreiben, wie

ʾ

hb

 (»lieben«),

yr

ʾ

 (»fürchten«),

ʿ

bd

 (»dienen«),

bṭḥ

 (»vertrauen«),

ḥsh

 (»sich bergen«),

qwh pi.

 (»hoffen«),

yḥl pi.

 (»warten«),

ḥkh pi.

 (»harren«). Alle diese Verben bezeichnen Regungen, mit denen der Mensch von sich aus in ein Verhältnis zu Gott – oder auch zu anderen Göttern – tritt. Für den Glauben aber ist wesentlich, dass er nicht auf sich selbst steht. Er ist Antwort. Er setzt die Verheißung voraus. »›Glaube‹ bei Jesaja ist, um es zugespitzt zu sagen, nicht Glaube an Gott und auch nicht Glaube an das prophetische Wort, sondern eine aus dem Wissen um Gott und seine Verheißungen sich ergebende Haltung der Festigkeit, der Zuversicht und des Vertrauens angesichts der Bedrohlichkeit der konkreten Situation« (Wildberger 1967: 377), »dieses Raumgeben dem Walten Gottes, dieses Abstehen von Selbsthilfe« (von Rad 1960: 170). Und wie Gottes Verheißung ohne Vorbehalt ergeht, so ist der, dem sie zugesprochen wird, aufgefordert, sich vorbehaltlos auf sie einzulassen und seine Existenz auf die Verheißung zu gründen. Ein Vertrauen unter Vorbehalt wäre kein Vertrauen. Die Bedingungslosigkeit ist Bedingung, und sie ist hart bis zur Drohung: »Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!«





7. Die Anwendung von Jesaja 7,9b in 2. Chronik 20,20



Die Ausrichtung auf eine gegebene Verheißung und der Zusammenhang mit dem Bündnisverbot, die den Begriff des Glaubens an seinem Ursprung geprägt haben, kehren in weiteren Belegen wieder. Ein Beispiel ist 2Chr 20,20, wo die Mahnung aus Jes 7,9b in erzählendem Zusammenhang aufgenommen wird. Die beiden Texte stehen in nächster Nähe zueinander, und auch die Situation ist ähnlich wie in Jes 7: König Joschafat wird von den Moabitern, den Ammonitern und den Edomitern angegriffen und ist außerstande, sich mit militärischen Mitteln zu helfen. Aber er reagiert im Gegensatz zu Ahas. Statt sich mit fremden Mächten zu verbünden, ruft er ein Fasten aus. Die Judäer versammeln sich im Vorhof des Tempels, und Joschafat richtet ein großes Bittgebet an Jahwe. Der Levit Jahasiël übermittelt, vom Geist geleitet, die göttliche Antwort und verkündet, dass Jahwe selbst für sein Volk |17|kämpfen werde. Am Morgen ziehen die Judäer ihren Feinden entgegen. Joschafat gibt wie Jesaja die Weisung aus: »Glaubt (

ha

ʾa

mînû

) an euren Gott Jahwe, so werdet ihr fest bleiben (

w

e

te

ʾ

āmenû

).« Die Fortsetzung bringt zum Ausdruck, dass der König mit diesen Worten die prophetische Überlieferung zitiert: »Glaubt (

ha

ʾa

mînû

) an seine Propheten, so wird es euch gelingen.« Was weiter geschieht, führt den Lohn solchen Vertrauens vor Augen: Während die Sänger Loblieder anstimmen, lässt Jahwe die Feinde sich gegenseitig vernichten. Für die Israeliten bleibt nur, eine gewaltige Kriegsbeute zu teilen.



Die Erzählung vom Sieg über die ostjordanischen Feinde ist in ihrer Tragweite nur zu verstehen, wenn man sie als Gegenstück zu dem in 2Chr 18 vorangehenden Kriegszug gegen die Aramäer liest. »Das Bild des Joschafat hier steht im krassen Gegensatz zu dem in Kap. 18, wo Joschafat sich auf das menschliche Mittel der Bündnispolitik verlassen hat und dadurch einen schmerzlichen Verlust erlitt« (Yamaga 2001: 114). Damals hatte Joschafat gegen das Bündnisverbot verstoßen und sich mit König Ahab von Israel eingelassen. Daraufhin führte der Kampf gegen die Aramäer in eine schwere Niederlage. Ahab fand den Tod; Joschafat kam zwar davon, wurde aber in Jerusalem von einer Strafpredigt des Sehers Jehu empfangen (2Chr 19,2), die ihn immerhin zu einer großen Reform veranlasste (2Chr 19,4–11) – und dazu, es beim nächsten Kriegszug in 2Chr 20 richtig zu machen.





8. Der Jahwekrieg Ex 14



2Chr 20 ist kein frei gestalteter Text. Zu den Vorlagen gehört neben Jes 7 die Erzählung vom Feldzug gegen die Moabiter in 2Kön 3 (Wellhausen 1905: 203; Yamaga 2001: 95.128–141), aber auch die Erzählung vom Rettungswunder am Meer in Ex 14, die zum Musterbeispiel für den Jahwekrieg geworden ist. Wenn der Levit Jahasiël in 2Chr 20,17 verkündet: »Tretet herzu und steht und seht die Hilfe Jahwes an euch, Juda und Jerusalem. Fürchtet euch nicht und zittert nicht! Morgen zieht ihnen entgegen, und Jahwe ist mit euch!«, nimmt er wörtlich das Heilsorakel auf, das Mose in Ex 14,13f. der Furcht der Israeliten entgegengerufen hat: »Fürchtet euch nicht! Tretet herzu und seht die Hilfe Jahwes, die er euch heute erweisen wird; denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wieder sehen für immer. Jahwe wird für euch kämpfen!« (von Rad 1934: 251f.; Yamaga 2001: 118).



Die Querverbindung zwischen den beiden Erzählungen ist deshalb |18|von Belang, weil auch Ex 14 auf den Glauben der Israeliten hinausläuft – allerdings sekundär und wahrscheinlich erst, nachdem die Erzählung ihrerseits zum Vorbild für 2Chr 20 geworden war (zum Wachstum des Textes von Ex 14 vgl. Levin 2009). Die erweiterte Fassung endet mit dem Resümee: »Israel sah die große Machttat, die Jahwe an Ägypten getan hatte, und das Volk fürchtete Jahwe, und sie glaubten (

wayya

ʾa

mînû

) an Jahwe und an seinen Knecht Mose« (Ex 14,31). Das Motiv ist an einen älteren Erzählschluss angehängt worden: »So errettete Jahwe an jenem Tage Israel aus der Hand Ägyptens, und Israel sah die Ägypter tot am Gestade des Meeres« (V. 30; vgl. Smend 1967: 246). Die Rettungserzählung wurde nachträglich zur Glaubenserzählung gestaltet. Wie in 2Chr 20,20 bezieht sich der Glaube sowohl auf Jahwe als auch auf seinen Propheten, hier Mose. Auch der jüngere Geschichtspsalm 106 versteht die Erzählung vom Meerwunder als Beispiel für den Glauben des Gottesvolks: »Und sie glaubten an seine Worte und sangen sein Lob« (Ps 106,12, vgl. Ex 14,31).



Anders als in 2Chr 20 ist der Glaube in Ex 14,31 nicht die Voraussetzung des Rettungswunders, sondern dessen Folge. Wieder steht der Zusatz nicht allein. Ihm geht voraus, dass die Israeliten angesichts der ägyptischen Übermacht an Jahwes rettender Macht gezweifelt haben. Das wird ihnen in V. 11f. in den Mund gelegt, vermutlich durch denselben Bearbeiter (vgl. Aurelius 1988: 184 Anm. 238): »Gab es keine Gräber in Ägypten? Du hast uns herausgenommen, damit wir in der Wüste sterben. Was hast du uns angetan, uns aus Ägypten herauszuführen!« Das geläufige Motiv vom Murren der Israeliten, das auch an ande