Glaube

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9. Das Ecksteinwort Jesaja 28,16

Jes 28,16bβ ist der zweite Beleg im Buch Protojesaja: hammaʾamîn loʾ yāḥîš (»Wer glaubt, der weicht/eilt/flieht nicht!«). Wie in Jes 7,9b ist auch hier Ausdruck und Folge des Glaubens die Standhaftigkeit, und der Anlass für das Motiv ist wieder das Bündnisverbot.

Jes 28 beginnt in V. 1–13 mit einem »Wehe« gegen »die stolze Krone« von Ephraim, hoch »auf dem Haupt des fetten Tals« gelegen und voll lallender Trunkener. Die wütende Polemik richtet sich anscheinend gegen ein prosperierendes, auf einem Berg thronendes Heiligtum im Gebiet des (ehemaligen) Nordreichs. Ihm wird der Untergang durch einen Starken und Mächtigen angesagt, der wie ein schreckliches Unwetter dreinfahren und es einreißen wird (V. 2). In der Folge wird Jahwe selbst für den Rest seines Volkes wieder die herrliche Krone sein. Der Abschnitt mündet in V. 13 in ein »Wort Jahwes« – der Begriff ist im Buch Jesaja ungewöhnlich –, das das Lallen der Trunkenen »ṣaw lāṣāw ṣaw lāṣāw qaw lāqāw qaw lāqāw« zur Drohung werden lässt: »dass sie gehen und rücklings straucheln, zerbrechen, sich verstricken und gefangen werden.«

Im nächsten Abschnitt V. 14–22 folgt ein weiteres »Wort Jahwes«, nun als direkte Anrede. Diesmal richtet es sich nach Süden: gegen die Übermütigen, die über das Volk in Jerusalem herrschen. Sie werden mit ihren eigenen Worten überführt: »Denn ihr spracht: Wir haben mit dem Tod einen Bund geschlossen und mit dem Totenreich Vertrag gemacht. Die strömende Geißel, wenn sie einherfährt, wird uns nicht treffen« (V. 15abα). Die »strömende Geißel«, ein Attribut des dreinfahrenden Wettergotts (Gese 1970: 131f.), benennt eine ähnliche militärische Bedrohung, wie sie in V. 3 dem Norden galt. Die Rettung suchen die Oberen Jerusalems in der Bündnispolitik. Die aber, so die Polemik, trägt das Verderben in sich selbst: Die Bundesgenossen sind Tod und Totenreich. Mit ihnen im Bunde wird das Unheil nicht |20|abgewehrt, sondern im Gegenteil heraufbeschworen. Es kommt von Jahwe selbst: »Darum, so spricht […] Jahwe: […] Die strömende Geißel, wenn sie einherfährt, werdet ihr von ihr niedergewalzt werden« (V. 16aα.18b; dazu Müller 2014).

Anklage und Drohung, die wortgenau aufeinander bezogen sind, werden von einer Verheißung für den Zion auseinandergerissen: dem »Ecksteinwort«. Dieses Bildwort hat möglicherweise einst anders angeschlossen. »Es wäre doch zu merkwürdig, annehmen zu wollen, daß diese verheißenden Verse mitten in einer Unheilsweissagung ihren legitimen Ort haben sollten« (Herrmann 1965: 143). Sie klingen wie das positive Gegenstück zu der Drohung gegen die stolze Krone Ephraims:

16[…] Siehe, <ich lege> in Zion einen Stein, einen Festungsstein (?), einen kostbaren Eckstein als Fundament [<als Fundament>: Wer glaubt, der weicht nicht!] 17und mache das Recht zur Richtschnur (leqāw) und die Gerechtigkeit zum Senklot. Und Hagel wird wegfegen die lügnerische Zuflucht, und Wasser wird das Versteck wegschwemmen. 18Gesühnt werden wird euer Bund mit dem Tod, und euer Vertrag mit dem Totenreich wird nicht zustande kommen.

Während die Krone Ephraims ins Tal gerissen wird, ist der Tempel in Zion fest gegründet. Das Stichwort qaw (»Richtschnur«), das in dem Lallen der Trunkenen anklang, wird zum Anlass der Verheißung, dass Jahwe das Heiligtum von Jerusalem auf Recht und Gerechtigkeit gründen will.

Das Bildwort wird unterbrochen von der Mahnung »Wer glaubt, der weicht nicht!« (V. 16bβ). Man hat wieder und wieder versucht, diesen Satz als ursprünglichen Teil der Aussage zu deuten (vgl. zuletzt Hartenstein 2004). Doch das will nicht recht gelingen. »Tatsächlich spricht eine Reihe von Gründen dafür, die Wendung […] als Deutung der vorangehenden metaphorischen Rede zu begreifen« (Barthel 1997: 324). Deshalb ist auch hier am wahrscheinlichsten, dass das Motiv des Glaubens hinzugefügt worden ist. Das zweite mûsād (»als Fundament«) (Wildberger 1982: 1067: »zweifellos Dittographie«) könnte sogar das Stichwort (Lemma) für eine Randglosse gewesen sein. Die Masoreten haben es als Partizip mûssād (»gegründet«) gelesen, um dem jetzigen Text notdürftig einen Sinn abzugewinnen. Der Zusatz bewirkt, dass der ganze Vers nunmehr »als eine ins Positive gewendete Variante des Wortes vom Glauben in 7,9b zu lesen« ist (Barthel 1997: 325).

Nicht nur der Wortlaut beider Stellen hängt eng zusammen; auch der Anlass ist derselbe wie dort: Die Oberen Jerusalems machen Bündnisse, statt allein auf Jahwe und auf seine Verheißung zu vertrauen. »In diesem Zusammenhang gewinnt auch lʾ yḥyš [sc. ›der weicht nicht‹] |21|einen guten Sinn. Es beschreibt die politische Konkretion des Glaubens im Unterschied zur Politik der militärischen Bündnisse […]. Das ›nicht eilen‹ ist ein prägnanter Ausdruck für jene Haltung des Stilleseins, die ausführlicher in 30,15 und auf andere Weise auch in 7,4 beschrieben wird« (Barthel 1997: 324). Der Verweis auf Jes 30,15 trifft die Sache: »In Stillesein und Vertrauen läge eure Kraft.« Das isolationistische Gottvertrauen bestimmt nicht nur die Theologie der Chronik, sondern ist nachdrückliches Programm auch der späten Ergänzer des Jesajabuchs. Wieder ist auch an Ex 14,14 zu erinnern: »Jahwe wird für euch kämpfen, ihr aber sollt still sein!« Wahrscheinlich stammt die polemische Verballhornung, die in V. 15bβ das Zitat der Oberen fortführt (vgl. Müller 2012: 59), von derselben Hand: »Denn wir haben Lüge zu unsrer Zuflucht gemacht und uns versteckt in Trug.« Als Reaktion auf den Unglauben wurde dem Ecksteinwort in V. 17b–18a eine Drohung angehängt: »Und Hagel wird wegfegen die lügnerische Zuflucht, und Wasser wird das Versteck wegschwemmen. Gesühnt werden wird euer Bund mit dem Tod, und euer Vertrag mit dem Totenreich wird nicht zustande kommen.« Dass der Ausdruck loʾ tāqûm (»wird nicht zustande kommen«) wörtlich mit Jes 7,7 übereinstimmt, dürfte kein Zufall sein.

10. Abrahams Glaube nach Genesis 15,6

Der erste Beleg in der Lesefolge des Alten Testaments ist zugleich der bekannteste, weil Paulus ihn in Röm 4 und Gal 3 zitiert: »Und er (Abraham) glaubte an Jahwe (weʾæmin beyhwh), und er rechnete es ihm zur Gerechtigkeit an.« Voran ging Abrahams Klage, keinen rechtmäßigen Nachkommen zu haben. Die Verheißungen, die Abraham erhalten hatte, drohten ins Leere zu gehen. Jahwe antwortet, indem er ihn auffordert, zum gestirnten Himmel aufzublicken: »So werden deine Nachkommen sein!«

Ursprünglich endete die Szene an dieser Stelle. Abrahams Reaktion ist später ergänzt worden. »Und er glaubte« (weʾæmin) ist grammatisch ein aramaisierendes Perfectum copulativum (Hoffmann 2006: 85f.), das oft am Einsatz literarischer Zusätze steht. Die Feststellung steht in Spannung zur anschließenden Erzählung von Jahwes Bundesschluss mit Abraham in V. 7–21, für die noch immer Abrahams Zweifel der Anlass ist. Die Szene Gen 15,1–5, die durch V. 6 gedeutet wird, gehört zu den Stücken, die erst lange nach der Verbindung von Jahwist |22|und Priesterschrift in den Pentateuch kamen, das heißt nicht vor Mitte bis Ende des 5. Jahrhunderts (Levin 2004).

Die Ergänzung ist folglich noch jünger. Abraham wird nachträglich als Vorbild dargestellt, als Vater des Glaubens. Die Feststellung setzt voraus, was sie begründen will: Abrahams Gerechtigkeit. Abraham, der Jahwe bald darauf als Anwalt der Gerechten entgegentritt (Gen 18,23–32), weil die Zerstörung Sodoms auch Gerechte treffen könnte, musste selbst ein Gerechter gewesen sein. Worin bestand seine Gerechtigkeit?

Die älteren Erzählungen kreisen darum, dass Abraham von Jahwe die Verheißung empfing. Jahwe verheißt ihm seinen Beistand und Segen, zahlreiche Nachkommen (Gen 12,2f.) und schließlich das Land (Gen 13,15). Auf diese Verheißung hin hat Abraham sein Vaterhaus verlassen, um in ein ihm unbekanntes Land zu ziehen. Auf diese Verheißung hin hat er Lot bei der Wahl, wo er siedeln wolle, den Vortritt gelassen (Gen 13,9). Das tat er gegen den Augenschein, hatte doch Jahwe das Land ihm und seinen Nachkommen zugesprochen. Aber Abraham zweifelte nicht, dass Jahwe seine Verheißung dennoch erfüllen werde. Vielleicht kann man auch Abrahams größten Gehorsam einbeziehen, als er bereit war, auf Gottes Geheiß den verheißenen Sohn zu opfern (Gen 22), denn sogar als Gott sich selbst widersprach, hielt Abraham an der Verheißung fest. Daraus zieht Gen 15,6 die Folgerung: Abraham »glaubte«. Wieder gibt es gute Gründe, dass Jes 7,9b das Muster dafür gewesen ist, das Festhalten an der Verheißung mit dem Wort ʾæmin zu bezeichnen (Smend 1967: 247f.).

Abrahams Glaube war »die Leistung seines gesammten Lebens, die Gott von ihm forderte« (Smend 1899: 393), und dieser Glaube wurde ihm, vergleichbar dem Verfahren im kultischen Gottesbescheid (vgl. von Rad 1951a), zur Gerechtigkeit angerechnet. »Alles Gewicht liegt auf Gott und seiner Verheißung. Das einzig mögliche Verhalten des Menschen gegenüber der Verheißung ist das des Glaubens, des Entgegennehmens, des Sich-Einlassens auf die Verheißung« (Schmid 1980: 408). Unter dieser Voraussetzung bildet die Gerechtigkeit, und zwar die Gerechtigkeit aus dem Glauben, das Kriterium im (eschatologischen) Gottesgericht (vgl. Ez 18 u.ö.). Die Deutung, die Paulus gegeben hat, trifft genau: »Abraham zweifelte nicht an der Verheißung Gottes durch Unglauben, sondern wurde stark im Glauben und gab Gott die Ehre und wusste aufs allergewisseste: was Gott verheißt, das kann er auch tun. Darum ist es ihm auch ›zur Gerechtigkeit gerechnet worden‹« (Röm 4,20–22).

|23|Hab 2,4b, der andere für Paulus ausschlaggebende Beleg (vgl. Röm 1,17; Gal 3,11), ist der Sache nach hier anzuschließen: »Der Gerechte wird durch seine Treue (ʾæmûnātô) am Leben bleiben.« »Die ʾæmûnāh ist die unwandelbare Treue, das unverrückbare Vertrauen auf Gott, mit einem Worte: der Glauben, dass das Festhalten an Gott und seinem Willen das Heil bedinge. Leben hat hier den prägnanten Sinn von ›verschont werden im Gericht, Rettung, Heil erfahren‹ und die Aussage von V. 4b fasst das jesajanische Wort Jes 7,9 zusammen« (Marti 1904: 337). Auch dieser Satz steht nicht ursprünglich in seinem Kontext, sondern dürfte ein Nachtrag sein. »Die Zusammenbindung von 2,1–3 mit 2,4 bleibt problematisch« (Perlitt 2004: 66).

 

11. Exodus 4 und der Zweifel an den religiösen Amtsträgern

Die Mahnung zum Glauben richtet sich nicht nur gegen die außenpolitischen Machenschaften, das heißt gegen den Zweifel an der alles entscheidenden Macht Jahwes, sondern auch gegen das Misstrauen, dem Jahwes Sachwalter sich ausgesetzt sehen. Der Mittler des Gotteswillens schlechthin ist Mose. Im Rahmen seiner Berufung äußert er das Bedenken: »Siehe, sie werden mir nicht glauben (loʾ yaʾamînû lî)« (Ex 4,1). Dieser Einwand geht dem klassischen »Einwand des Berufenen«, mit dem Mose nach dem Vorbild Jeremias behauptet, nicht reden zu können (Ex 4,10 ← Jer 1,6), noch voraus. Der Abschnitt Ex 4,1–9, der erzählt, wie Jahwe Moses Zweifel entkräftet, ist nachträglich eingefügt worden – und mit ihm das Motiv des Glaubens.

Das Mittel gegen den Zweifel ist das Wunder. Auf Moses Bedenken hin verwandelt Jahwe dessen Stab in eine Schlange und auch wieder zurück. Damit wird das Erweiswunder vorweggenommen, das Aaron auf Moses Geheiß vor dem Pharao tun wird (Ex 7,8–10). Die Schlussfolgerung folgt unvermittelt: »So werden sie glauben (yaʾamînû), dass Jahwe dir erschienen ist, der Gott ihrer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs« (V. 5). Damit nicht genug: Jahwe tut noch ein zweites Wunder, diesmal an Mose selbst: Moses Hand wird aussätzig und wieder rein. Erneut kommt die Schlussfolgerung unvermittelt: »Wenn sie dir nun nicht glauben (loʾ yaʾamînû lāk) und nicht auf das erste Zeichen hören, so werden sie glauben (weʾæmînû) auf das zweiten Zeichen hin« (V. 8). Auch damit nicht genug: »Wenn sie aber auch auf diese beiden Zeichen hin nicht glauben (loʾ yaʾamînû) und nicht auf deine Stimme hören werden, so nimm von dem Wasser |24|des Nils und gieß auf das Trockene. Das Wasser, das du aus dem Nil nimmst, wird zu Blut werden auf dem Trockenen« (V. 9). Die dreifache Staffelung der Zeichen, die wahrscheinlich nicht in einem Zuge niedergeschrieben wurde, zeigt, wie dringend das Problem war. Es ist, als würde Jahwe selber der Überzeugungskraft seiner Wunder misstrauen. Mit der Verwandlung des Nilwassers in Blut wird die erste der ägyptischen Plagen vorweggenommen (Ex 7,17–24) – die auf diese Weise allesamt den Glauben erwecken sollen. Als Mose zu den Israeliten zurückkehrt, begleitet ihn Aaron und vollbringt die Wunderzeichen. »Da glaubte (wayyaʾamen) das Volk« (Ex 4,31a), genauso wie es bei der Rettung am Schilfmeer an Jahwe und an Mose glauben wird (Ex 14,31).

Vor der Offenbarung der Tora am Sinai wird die Bestätigung wiederholt: »Siehe, ich komme in einer dichten Wolke zu dir, damit das Volk höre, wie ich mit dir rede, und auch dir für immer glaube (yaʾamînû)« (Ex 19,9). Mose in Person wird einbezogen in die Theophanie. Die wiederholende Rückbindung »Und Mose berichtete Jahwe die Worte des Volks« zeigt, dass V. 9 nachträglich an V. 8 angeschlossen worden ist. Durch all diese Zusätze rahmt das Motiv des Glaubens den Weg von Ägypten bis zum Gottesberg. Es gewinnt für die Darstellung der Geschichte des Gottesvolks strukturbildende Funktion (Schmitt 1979 und 1995).

12. Die Unbedingtheit der Glaubensforderung

Das vorbehaltlose Vertrauen auf Gott ist Inbegriff der richtigen religiösen Haltung und zugleich eine ständige Herausforderung. »Es ist […] bedeutsam, daß von den 50 Stellen mit hʾmyn allein 33 Stellen verneint sind. Diese negierten Stellen bezeichnen, sofern sie in theologischem Zusammenhang stehen, nun alle mehr oder weniger deutlich das ›Nicht-Glauben‹ als die vor Gott unmögliche Haltung, ja als Sünde. Dagegen wird der Glaube als das rechte Verhalten, als die Grundhaltung des Frommen vor Gott deutlich« (Pfeiffer 1959: 154). Die Erinnerung an die Geschichte wird zur Mahnung an die Gegenwart.

Als die Kundschafter zurückkehren und berichten: »Das Land frisst seine Bewohner« (Num 13,32), und die Gemeinde sich daraufhin anschickt, nach Ägypten zurückzukehren (Num 14,1–5), und sie Mose und Aaron, die das verhindern wollen (V. 5–10a), mit Steinigung drohen, erscheint die Herrlichkeit Jahwes:

|25|11Und Jahwe sprach zu Mose: Wie lange soll dieses Volk mich lästern! [Und wie lange wollen sie nicht an mich glauben (loʾ yaʾamînû bî) bei all den Zeichen, die ich in ihrer Mitte getan habe!] 12Ich will es schlagen mit Pest und will es vernichten und dich zu einem größeren und stärkeren Volk machen als dieses.

Die Doppelung »und wie lange« zeigt, dass der Satz über den Unglauben ein »ungeschickt eingefügter« Nachtrag ist (Noth 1966: 96). Auch hier hat der Zweifel an der Autorität der religiösen Amtsträger das Motiv des Glaubens auf den Plan gerufen.

Anders als in Ex 4 lassen die Israeliten sich diesmal von den Wunderzeichen nicht überzeugen. In der Nacherzählung Dtn 1–3 findet sich das »traurige Fazit« (Perlitt 2013: 110): »Doch selbst daraufhin wart ihr ohne Glauben (ʾênekæm maʾamînim) an Jahwe, euren Gott« (Dtn 1,32). Als die Israeliten den Rückweg nach Ägypten einschlagen wollten, bedeutete dies, dass sie der Landverheißung den Glauben verweigerten. So hat auch Ps 106,24 es gedeutet: »Sie verachteten das kostbare Land; sie glaubten nicht (loʾʾæmînû) seinem Wort.« »Die richtige Reaktion des Gottesvolkes auf die erfahrene Güte wäre […] gläubiges Vertrauen auf Jahwe gewesen, worin im Jahwekrieg die einzige angemessene Einstellung zu Gott lag (Ex 14,31; Jes 7,9; 28,16), und als Israel nun am Mangel des Vertrauens scheiterte […], wurde aus seinem Verhalten ein Paradigma des Unglaubens« (Veijola 2004: 39).

Auch in Dtn 9,23 hat Num 14,11 ein Echo gefunden (vgl. Schmitt 2001: 319): »Als Jahwe euch aus Kadesch-Barnea sandte und sprach: Geht hinauf und nehmt das Land ein, das ich euch gegeben habe!, da lehntet ihr euch auf gegen den Befehl Jahwes, eures Gottes, [und glaubtet nicht an ihn (weloʾʾæmantæm lô)] und gehorchtet seiner Stimme nicht.« Die Doppelung zeigt, dass auch an dieser Stelle der Ungehorsam nachträglich als Unglaube bestimmt worden ist.

Bevorzugt richtete sich der Vorwurf des Unglaubens in der Spätzeit gegen die Bewohner des ehemaligen Nordreichs, die die Geschichte, wie Jahwe sein Volk in der Frühzeit geleitet und gerettet hatte, mit den Jerusalemern teilten, aber nicht entfernt daran dachten, ihren eigenen Kult aufzugeben. In dem großen Geschichtspsalm Ps 78, der »die Verwerfung Ephraims und die Erwählung Judas« (Hupfeld 1860: 354) begründet, wird die Heilsgeschichte zum Grund der Anklage. Trotz der Rettungswunder während des Wüstenzugs »glaubten sie nicht (loʾʾæmînû) an Gott und vertrauten nicht auf seine Hilfe« (V. 22). Sogar als Jahwe die Wunderzeichen wiederholte, blieben die Israeliten bei dieser Haltung: »Sie sündigten weiter und glaubten nicht (weloʾ |26|hæʾæmînû) an seine Wunder« (V. 32). »Ihr Herz war nicht beständig bei ihm, und sie standen nicht fest (weloʾʾæmnû) in seinem Bund« (V. 37). In dem immer weiter vermehrten Geschichtsresümee 2Kön 17,7–23, das auf den Untergang des Nordreichs folgt, lautet ein zentraler Satz, Jahwe habe alle seine Knechte, die Propheten, zu ihnen gesandt, »aber sie gehorchten nicht, sondern waren halsstarrig wie ihre Väter, die nicht glaubten (loʾʾæmînû) an Jahwe, ihren Gott« (2Kön 17,14). Die Halsstarrigkeit, die die Väter mit der Sünde des Goldenen Kalbs an den Tag gelegt haben (Ex 32,9; 33,3.5; 34,9; Dtn 9,6.13), wird nunmehr als Unglaube bestimmt.

Der Vorwurf blieb nicht auf die Polemik gegen die (Nord-)Israeliten beschränkt. Als die Rolle des Mose immer mehr an Bedeutung gewann, wurde der Umstand, dass in der Landnahme-Überlieferung nicht Mose, sondern Josua der Führer des Volkes war, zum Problem. Warum hatte Mose den Jordan nicht überschritten? In der Murr-Erzählung Num 20,12 wird in einem Nachtrag, der die Ätiologie von Meriba in V. 13 von ihrem Anlass in V. 11 trennt, die Anklage hinzugefügt: »Jahwe aber sprach zu Mose und Aaron: Weil ihr nicht an mich geglaubt habt (loʾʾæmantæm bî), um mich vor den Augen der Israeliten zu heiligen, darum sollt ihr diese Versammlung nicht in das Land bringen, das ich ihnen gegeben habe.« Es musste ein schwerwiegendes Vergehen gewesen sein, das verhinderte, dass Mose das Volk in das Land der Verheißung geführt hat, wie es seines Amtes gewesen wäre. Der Unglaube galt als die Sünde schlechthin.

13. Ein theologischer Schlüsselbegriff aus der Spätzeit des Alten Testaments

Mit dem Motiv des Glaubens hat die immer tiefer in den Text wie in die Sache eindringende theologische Reflexion den Kern der Gottesbeziehung auf einen schlüssigen Begriff gebracht. Wie gut das gelungen ist, zeigt die breite Wirkung im Neuen Testament und darüber hinaus. Gemessen daran erstaunt freilich, dass der Begriff im Alten Testament selbst nur an wenigen, wenn auch wichtigen Stellen begegnet. Der einfache Grund dafür ist, dass er erst in der Spätzeit entstanden ist.

Die meisten Belege sind erst nachträglich in ihren Kontext gekommen. Schon die ältesten von ihnen setzen das Bündnisverbot voraus, das für die Theologie der Chronik leitend gewesen ist. Dem Paktieren mit äußeren Mächten wird die Forderung des bedingungslosen |27|Glaubens an Jahwe entgegengestellt. Dieses Motiv hat auch im Buch Jesaja ein breites Echo gefunden. Der zeitgeschichtliche Anlass ist in der hellenistischen Zeit zu vermuten.

Der Begriff des Glaubens kann weder auf den Propheten Jesaja zurückgehen, wie man früher angenommen hat, noch stammt er aus der deuteronomistischen Theologie oder der Theologie der Priesterschrift, wenn er auch mit alldem gut zu vereinbaren ist, wie die Zusätze im Buch Jesaja sowie in den deuteronomistischen und priesterschriftlichen Texten zeigen. Eine besondere Affinität besteht zum Motiv der Gerechtigkeit (bes. Gen 15,6; Hab 2,4b). Die Anrechnung des Glaubens zur Gerechtigkeit steht im Horizont des (eschatologischen) Gottesgerichts.

Von anderen Verben, die die Gottesbeziehung beschreiben, unterscheidet sich ʾæmîn darin, dass der Glaube auf die vorausgehende heilvolle Zuwendung Jahwes antwortet, auf Gottes Verheißungen und auf seine Wunder. Glaube, wie er im Alten Testament verstanden wird, ist seinem Wesen nach Antwort. Gerade deshalb ist der Unglaube, der Gottes Zuwendung ausschlägt, ein so schweres Vergehen. »Mit negiertem hʾmyn b/l wird […] ein theologischer Begriff […] gebraucht, mit dem das Mißtrauen gegenüber Jahwes Verheißen und Wirken zugunsten Israels als Mangel an Vertrauen auf Jahwe selbst, also als Schuld bezeichnet werden kann. […] Wenn durch solche Vertrauensverweigerung aber alle Landverheißungen und Führungszusagen praktisch zu Lügen erklärt werden, wird Gott selbst zum Lügner, wie das in 1Joh 5,10 gesagt wird: ὁ μὴ πιστεύων τῷ θεῷ ψεύστην πεποίηκεν αὐτόν« (Perlitt 2013: 111). »Wer Gott nicht glaubt, der hat ihn zum Lügner gemacht.« Mit dem Glauben steht tatsächlich alles auf dem Spiel: »Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!«

Das bedingungslose Festhalten an Gott ist das Wesen des Glaubens. Dabei gibt es eine Entwicklung, in deren Verlauf das »Sich-Festmachen« von einer Gegenstandsbeziehung – dem Festhalten an den Wundern, den Verheißungen, dem Wort – immer mehr zu einer personalen Beziehung wird, zum »glauben an«. In dieser Form wurde ʾæmîn (»glauben«) zu einem Begriff eigenen Rechts für – man kann es nicht besser sagen – den »Glauben« an Gott. Die Semantik ist am Ende so eindeutig, dass man sie auch ohne Ableitung versteht.