Handbuch der Sprachminderheiten in Deutschland

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8.3 Sprache in der Statistik



Die Tradition der sprachstatistischen Erhebungen reicht in Nordfriesland bis ins 19. Jahrhundert zurück (Walker 2016). Die Erhebungen können großflächige Areale umfassen oder sich nur mit einem Dorf befassen. Unterschiedlich ist auch die Motivation für die Erhebungen: Sie kann zum Beispiel politischer (der Siegeszug des Deutschen über das Dänische), sprachpflegerischer (wo Friesischunterricht sinnvoll wäre), wissenschaftlicher (Verteilung der Sprachen in einem bestimmten Gebiet), oder pädagogischer Natur sein (Einführung von Friesischstudenten in die praktische Spracharbeit).



Im Laufe der Zeit hat sich der thematische Umfang vergrößert. Während es anfangs nur um die Feststellung der Verteilung von Sprachkenntnissen ging, kamen später auch Fragen zum Gebrauch der Sprachen und zu Attitüden gegenüber den Sprachen hinzu. Auch die untersuchte Zielgruppe hat sich im Laufe der Zeit geändert. Am Anfang galt das Interesse der/den Sprache(n) der Familie oder des Haushaltes,1 später stand das Individuum, auch das Kind, mehr im Mittelpunkt.



Die Erhebungsmethoden weisen auch Unterschiede auf. Die Befragungen wurden mit einer direkten oder indirekten Fragebogenaktion durch den Explorator selbst, durch Ortskundige, Lehrer, Studenten, Schüler oder Wissenschaftler durchgeführt. Die Ergebnisse wurden tabellarisch, manchmal auch kartographisch dargestellt und dokumentieren die Verbreitung und Entwicklung der gesellschaftlichen sowie der individuellen Mehrsprachigkeit. Der Sprachgebrauch in der Familie und Haushaltung scheint eher einsprachig zu sein, während das Individuum meist mehrsprachig ist. Allerdings ist ein zunehmender Verlust von Sprachkenntnissen in den Regional- und Minderheitensprachen erkennbar.



Die Überlegung, zusammen mit der letzten Volkszählung auch eine Spracherhebung im Kreis Nordfriesland durchzuführen, wurde von friesischer Seite mit dem Argument abgewiesen, dass man lieber an einen bestimmten Sprachstand glauben als die Wahrheit wissen wolle (Steensen 1996).





8.4 Sprache in der Familie



Um die Sprachverhältnisse und Sprachentwicklungen in der Familie genauer zu eruieren, läuft ein Projekt zu Sprecherbiographien (Walker 2017c). Als Grundthese wird angenommen, dass Spracherwerb und Sprachgebrauch von Generation zu Generation und von Ort zu Ort variieren. Untersucht wird zunächst der Erwerb in den Lebensabschnitten a) vor der institutionellen Bildung, b) in der institutionellen Bildung, c) in der Ausbildung und d) im Beruf, wobei eine weitere Binnendifferenzierung möglich ist. Ein möglicher, aber noch nicht eingeführter Abschnitt wäre das Rentenalter. Ein Beispiel: Ein Mann wurde 1942 auf Sylt geboren, wo die Familie Hochdeutsch sprach. Als er vier Jahre alt war, zog die Familie aufs Festland, wo sie bei der friesischsprachigen Urgroßmutter wohnte. Nebenan wohnten die friesischsprachigen Großeltern. Die Familiensprache wechselte zu Friesisch. Auf der Straße lernte der Knabe Niederdeutsch. Mit sechs Jahren ging er auf die dänische Schule, wo er Dänisch und Englisch lernte. Im Beruf lernte er später Jütisch.



In der Untersuchung spiegelt sich zunächst der starke gesellschaftliche Wandel wider. Während zum Beispiel die Groß- und Urgroßelterngeneration zur Volksschule im Dorf gingen, besuchen die Kinder heute häufig eine große, zentral gelegene Schule. Während die älteren Generationen wenig mobil waren, ist die Mobilität ein Zeichen der modernen Zeit usw.



Auf Grund des gesellschaftlichen Wandels befinden sich die Spracherwerbsprozesse ebenfalls im Wandel. Allgemein gilt, dass die Großeltern- und Urgroßelterngenerationen zu einem großen Teil in friesischer und/oder niederdeutscher Sprache sozialisiert wurden. Hochdeutsch hat man erst in der Schule gelernt. Die heutige Kindergeneration wird weitgehend hochdeutsch sozialisiert. Gewisse Kenntnisse des Friesischen oder des Niederdeutschen werden, wenn überhaupt, oft erst im Kindergarten oder in der Schule erworben.



In diesem Zusammenhang wird auch der Frage nachgegangen, welche Sprache mit den unterschiedlichen Familienmitgliedern gesprochen wird, etwa Eltern, Großeltern, Kindern, Enkelkindern, Tante, Onkel, Kusinen, Mann/Frau, Schwiegereltern, -sohn oder -tochter. Die Gründe für die jeweilige Sprachwahl werden analysiert. Es lässt sich beobachten, dass die dem Erwerb sowie dem Gebrauch der jeweiligen Sprachen zugrunde liegenden Faktoren komplex sein können. Ein Beispiel: Ingeborg wurde 1941 auf Amrum geboren. Sie sprach Hochdeutsch mit ihrer vom Festland stammenden Mutter, da die Hebamme bei der Geburt mit ihr Hochdeutsch gesprochen hatte. Als der Vater später aus dem Krieg kam, hat er auch mit ihr Hochdeutsch gesprochen, da sich dies als Eltern-Kind-Sprache etabliert hatte. Mit Ingeborgs Bruder (*1933) sprachen Mutter und Vater Niederdeutsch, die Geschwistersprache ist jedoch Hochdeutsch. Friesisch hat Ingeborg in erster Linie von einem monolingualen Spielfreund (*1946) sowie später von ihrem Mann Erk (*1939) gelernt. Die Ehesprache war Friesisch. Dänischkenntnisse erwarb sie mit etwa elf Jahren von einem friesischen Wanderlehrer auf Amrum, der Dänischkurse in privaten Häusern anbot und Ferien in Dänemark organisierte. Erk hat Hochdeutsch erst auf der Schule sowie von den Flüchtlingen nach dem Krieg gelernt. Als er später als Zimmermann auf Wanderschaft war, hat er in Hamburg Niederdeutsch- und in Kopenhagen Dänischkenntnisse erworben. 1962 sind Ingeborg und Erk nach Amerika ausgewandert, wo Englisch dazu kam. Dies war auch die Sprache, die sie mit ihren beiden dort geborenen Töchtern sprachen. Als sie 1974 nach Amrum zurückkamen, wechselte die Eltern-Kinder-Sprache zu Hochdeutsch, da die Töchter ohne Deutschkenntnisse hier eingeschult wurden. Im Laufe der Zeit begannen Ingeborg und Erk zunehmend Friesisch mit ihren Töchtern zu sprechen, die beide hochdeutschsprechende Männer von der Insel geheiratet haben. In beiden Fällen sprechen die Töchter Hochdeutsch mit ihrem jeweiligen Ehemann und Friesisch mit den Kindern. Bei der ältesten Tochter scheint dies daran zu liegen, dass die Hebamme, eine Föhrerfriesin, Friesisch mit den Kindern bei der Geburt gesprochen hatte. Ingeborg und Erk sprechen Friesisch mit den Enkelkindern, die auch untereinander diese Sprache verwenden (Walker 2017c: 116f.).



Ein weiterer Aspekt der Untersuchung ist die mit Tieren sowie beim Zählen, Beten, Fluchen usw. verwendete Sprache. In der Tierwelt spielt der Hund sprachlich oft eine Sonderrolle, indem er als Schoßhund mit der Nähesprache (Friesisch), als Befehlsempfänger dagegen mit der Distanzsprache (Hochdeutsch) angesprochen wird. Die Wahl der Sprache beim Zählen kann mit dem Numeralisierungsprozess, die Wahl beim Gebet mit dem formellen/informellen Charakter des Gebetes zusammenhängen.





8.5 Sprachnorm und Sprachwandel



Auf Grund der Dialektvielfalt im Nordfriesischen kann nicht von einer Norm die Rede sein, sondern fast jede Hauptmundart hat ihre eigene orthographische, grammatische und lexikalische Norm (Wilts 2001a, 2001b). Die sylterfriesische Mundart verfügt über die älteste Norm, die mit Boy P. Möllers Lesebuch (1909) und dem Wörterbuch von 1916 festgelegt worden ist. Für die Inseln Föhr und Amrum wurde die orthographische Norm mit dem „Alkersumer Protokoll“ 1971 festgelegt. Eine leichte Korrektur erfolgte 1980 bei der Herausgabe eines Wörterbuchs, die auch zu einer größeren orthographischen Differenzierung zwischen den Mundarten von Föhr und Amrum führte. Eine grammatische Norm existiert ansatzweise in Form von Formenlehren, eine lexikalische Norm mit diversen Wörterbüchern. Auf dem Festland wurde 1955 mit dem Wörterbuch von Tams Jörgensen eine orthographische Norm für die Mooringer Mundart kodifiziert, die auf der Westermooringer Mundart basierte. Diese wurde 1988 durch das Mooringer Wörterbuch ersetzt, dem die größere Ostermooringer Mundart zugrunde liegt. Für die Wiedingharde wurde 1994, in Abweichung von Peter Jensens orthographischer Norm, die er 1927 in seinem Wörterbuch und vielen Prosatexten etabliert hatte, eine neue orthographische Norm eingeführt. Auch für die Mooringer und Wiedingharder Mundarten gibt es Formenlehren, die Ansätze einer grammatischen Norm enthalten. Von Bendsens Ansatz aus dem Jahr 1860 abgesehen existiert keine ausführliche Grammatik über eine nordfriesische Mundart, obwohl viele Schriften sich mit grammatikalischen Fragen befassen.1



Der Sprachwandel im Friesischen ist Gegenstand verschiedener Untersuchungen gewesen, in denen die Anpassung der friesischen Grammatik an die dominante hochdeutsche Grammatik sowie der Verlust von Regeln, die vom Hochdeutschen abweichen, festgestellt wird (siehe z.B. Parker 1993). Ebert (1994) beklagt sich über den Verlust der von ihr entdeckten Regeln zum Gebrauch des bestimmten Artikels im Friesischen. Ein grundlegender Aufsatz zu dieser Thematik befindet sich bei Århammar (2001), in dem Kontakterscheinungen mit den benachbarten Sprachen Dänisch/Niederdeutsch/Niederländisch/Hochdeutsch/Englisch analysiert werden.



Die im Rahmen des Schreibwettbewerbs

Ferteel iinjsen!

 veröffentlichten Texte (vgl. Kap. 7.6.5) geben oft beredtes Zeugnis über den Sprachwandel, und es kann für einen Herausgeber friesischer Texte ein Problem sein, in welchem Maße er in einen „neufriesischen“ Text eingreift. Da die wenigsten Friesen auf Grund des fehlenden oder unzureichenden Friesischunterrichts Schriftlichkeit im Friesischen beherrschen, müssen friesische Texte vor der Veröffentlichung fast immer überarbeitet werden.



Auf Grund des Sprachwandels wird darüber diskutiert, was „gutes“ und „schlechtes“ Friesisch sei. Für „new speakers“ scheint die

und

 + Infinitiv-Konstruktion, etwa

dåt as ai lacht än schriw frasch

 (‚das ist nicht leicht und schreiben Friesisch‘) von Echtheit zu zeugen, obwohl sie ursprünglich auf dänisches Substrat zurückzuführen sein dürfte (Hoekstra 2011). Das Reflexivpronomen 3. Pers.

sik

 statt etwa

ham/har

 bzw.

jam

 scheint sich zu einem Shibboleth für schlechtes Friesisch entwickelt zu haben (Faltings 2020). In der letzten Zeit hat eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit des Normgedankens für die friesischen Mundarten die Gemüter bewegt.2

 






9 Spracheinstellungen: Friesisch als Ausdruck kultureller Identität



Die Frage der friesischen Identität bedarf einer differenzierten Betrachtung.



Ein wichtiger Aspekt der friesischen Identität ist die Ortsgebundenheit. Man ist primär Mitglied einer Dorfgemeinschaft und eventuell darüber hinaus einer Insel- oder Hardengemeinschaft. Dieser stark ausgeprägte Regionalismus spiegelte sich in der Einstellung zur friesischen Sprache wider, indem man die eigene Ortsmundart als das richtige Friesisch schlechthin empfand. Diese Einstellung scheint sich jedoch, zumindest auf dem Festland, inzwischen in einem gewissen Wandel zu befinden, wo sich die Mooringer Mundart, teilweise durch den Schulunterricht bedingt, langsam als die übergeordnete Mundart etabliert.



Ein zweiter Aspekt ist die lange Tradition eines friesischen Stammesbewusstseins (Nickelsen 1982: 41).1 1652 schrieb zum Beispiel der Husumer Bürgermeister Caspar Dankwerth, dass die Einwohner dieser Gegend „riesischen Herkommens und Geblütes“ seien (Nickelsen 1982: 40). Im Laufe der Jahrhunderte haben allerdings ganz unterschiedliche Vorstellungen bezüglich des Umfangs des friesischen Gebietes und Stammes existiert. Dieses Bewusstsein hat sich zudem nie über einige Ansätze im 19. Jahrhundert hinaus zu einer nationalen Bewegung entwickeln können.



Der nationalpolitische Aspekt der friesischen Identität ergab sich erst im Zusammenhang mit der „friesischen Bewegung“.2 Da die Friesen immer offen für alle europäischen geistigen und kulturellen Strömungen waren, erfasste das im Zuge der Romantik verstärkte Interesse für die Sprachen und die Geschichte der Völker Europas auch Nordfriesland. Werke zur nordfriesischen Geschichte erschienen, und andere zur nordfriesischen Sprache wurden in Angriff genommen. In den Jahren nach 1840 entwarf Pastor Christian Feddersen aus Wester-Schnatebüll ein Programm für eine friesische Sprach- und Nationalbewegung. Hierin kam er zu der Überzeugung, weder Deutscher noch Däne zu sein, sondern Nordfriese. Dieser Ansatz kam jedoch zu spät. Der nationale Gegensatz zwischen Deutsch und Dänisch, der etwa 1840 aufbrach, hatte inzwischen auch Nordfriesland erreicht. Für eine friesische Sonderentwicklung blieb kein Raum.3



Nach einem ersten, gescheiterten Versuch im Jahre 1879, einen nordfriesischen Verein zu gründen, wurde 1902 der

Nordfriesische Verein für Heimatkunde und Heimatliebe

 ins Leben gerufen. Das Interesse des Vereins galt am Anfang hauptsächlich der nordfriesischen Geschichte, Natur- und Volkskunde.



Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zwischen dem

Nordfriesischen Verein

 und dem 1923 gegründeten

Friesisch-schleswigschen Verein

 zum Streit über den Status der Nordfriesen. Während der

Friesisch-schleswigsche Verein

 die Friesen als eine nationale Minderheit innerhalb Deutschlands sah, der eine rechtliche Sicherung für die Erhaltung und Förderung der friesischen Sprache und Kultur zugebilligt werden sollte, vertrat der

Nordfriesische Verein

 die Ansicht, dass die Friesen aufgrund der jahrhundertelangen Bindung an die deutsche Hochsprache und Kultur letztlich Deutsche geworden wären. Der Status einer nationalen Minderheit wurde abgelehnt, auch wenn man sich für eine Förderung friesischer Sprache und Kultur einsetzte.



Trotz des Streites entwickelten sich die folgenden Jahre zu einer Blütezeit der friesischen Sprachpflege. 1928 wurde wöchentlich in allen Schulen des Sprachgebietes eine Friesischstunde erteilt. Ab 1933 ließ diese Arbeit aber allmählich nach und kam nach 1939 weitgehend zum Erliegen.



Nach dem Zweiten Weltkrieg flammte die deutsch-dänische Auseinandersetzung wieder auf und beeinträchtigte noch einige Jahrzehnte die Bemühungen um das Friesische. Heute hat der Konflikt stark nachgelassen. Die einzelnen friesischen Vereine respektieren gegenseitig die unterschiedlichen nationalpolitischen Standpunkte und arbeiten jetzt im Interesse der gemeinsamen Sache zusammen.4



Infolge der deutsch-dänischen Auseinandersetzung galt zum Teil die Maxime, dass es keine „friesischen“ Friesen, sondern nur deutsche oder dänische Friesen geben könne. Der deutsche Staatsbürger friesischer Herkunft musste sich also zum Deutschtum oder zum Dänentum bekennen. Für ein eigenes Friesentum blieb kein Platz. Damit wurde der Friese gezwungen, eine zusätzliche nationalpolitische Komponente in seine Identität aufzunehmen, obwohl einige dies ablehnten.5 Trotz der nationalpolitischen Uneinigkeit blieb der Grundgedanke eines friesischen Stammes erhalten, und die sich befehdenden Seiten verfolgten in Bezug auf die Sprach- und Kulturarbeit weitgehend dieselben Ziele.



Um die Bemühungen um die friesische Sprache und Kultur nicht länger unnötig zu belasten, haben sich die unterschiedlichen friesischen Fraktionen auf die Bezeichnung „friesische Volksgruppe“ geeinigt, um sich von der nationalen dänischen Minderheit zu unterscheiden, die eine Nation bzw. einen Staat im Hintergrund hat. Dieser Kompromiss scheint allgemein akzeptiert zu sein.



Der pan-friesische Gedanke ist ein weiterer Aspekt der friesischen Identität. Das Bewusstsein einer Zusammengehörigkeit von West-, Ost- und Nordfriesland ist bereits im 17. Jahrhundert belegt. Eine tatsächliche Kontaktaufnahme zwischen Nord- und Westfriesen scheint erst ab etwa 1850 erfolgt zu sein.6 Hier ging man von dem Grundgedanken einer einstigen großfriesischen Einheit aus. Zu Ostfriesland wurden erst später Verbindungen geknüpft. Der erste Friesenkongress, an dem Vertreter aller drei Frieslande teilnahmen, fand 1925 in Jever statt. 1930 wurde nach vielen Verhandlungen der

Friesenrat

 gegründet. Nach Wiederaufnahme der interfriesischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1952 erneut ein Friesenkongress durchgeführt. Seitdem findet er alle drei Jahre abwechselnd in den drei Frieslanden statt. Beim Kongress 1955 in Aurich wurde das „friesische Manifest“ verkündet, das erstmalig eine gemeinsame Grundsatzerklärung aller drei Friesenstämme darstellt. 1956 wurde der

Friesenrat

, inzwischen auch

Interfriesischer Rat

 genannt, neu gebildet, der heute aus den Sektionen Nord, Ost und West besteht.7 2006 wurde eine „Interfriesische Erklärung“ auf der Mitgliederversammlung des

Interfriesischen Rates

 in Leck angenommen. Anlässlich des Friesenkongresses in Leer 2009 ist eine interfriesische Fahne eingeweiht worden (Rickmers 2011).



Die Beziehungen zwischen den drei Frieslanden werden durch verschiedene Veranstaltungen – wie Treffen friesischer Bauern, Kommunalpolitiker, Frauen usw. – gefördert.8 Ferner findet alle drei Jahre die Sternfahrt der Friesen nach Helgoland statt. Der seit 1956 ebenfalls alle drei Jahre stattfindende Philologenkongress in Ljouwert/Leeuwarden, Westfriesland wurde 2018 durch die „First Conference on Frisian Humanities“ abgelöst.



Im Versuche, die wichtigsten Identitätsmerkmale der Nordfriesen herauszufinden, wurde 2004/05 eine Untersuchung zum Thema „Heimat“ durchgeführt, die zu einem „Kanon friesischer Kultur“ führte. Hier werden als wichtige identitätsbestimmende Faktoren die Herkunft, der maritime Charakter von Landschaft und Klima, kulturelle und historische Besonderheiten sowie die Sprachenlandschaft postuliert (Kunz/Steensen 2005, Steensen 2011a).






10 Linguistic Landscapes



Die Mehrsprachigkeit Nordfrieslands spiegelt sich in der linguistic landscape wider, da Namen und Inschriften auf Friesisch, Hoch- und Niederdeutsch in unterschiedlichen Kontexten vorkommen. Namen und Inschriften auf Dänisch beschränken sich weitgehend auf Institutionen der dänischen Minderheit oder auf Institutionen, zum Beispiel Geschäfte und Wirtshäuser, die ein Interesse an Besuchern aus Dänemark haben.





10.1 Streetscape – Die Widerspiegelung der Mehrsprachigkeit in den Straßen Nordfrieslands

10.1.1 Ortsschilder



Nach langjährigen Bemühungen wurden 1997 zweisprachige Ortsschilder zugelassen. Bedingung war die Gestaltung des Schildes mit dem hochdeutschen Ortsnamen oben in großen Buchstaben und dem friesischen Namen darunter in kleineren Buchstaben. Den Gemeinden wurde freigestellt, zweisprachige Ortsschilder aufzustellen, die sie allerdings selbst finanzieren mussten (Petersen et al. 1997, Rinio 1997, Steensen 2017).



Heute gibt es folgende zweisprachige Ortsschilder (friesisch/hochdeutsch): auf Sylt in den Ortschaften Ārichsem/Archsum, Kaamp/Kampen, Kairem/Keitum, Muasem/Morsum, Munkmeesk/Munkmarsch, Raantem/Rantum, Tinem/Tinnum und Weesterlön/Westerland; auf Föhr in Aalkersem/Alkersum, Borigsem/Borgsum, Dunsem/Dunsum, Hedehüsem/Hedehusum, Klantem/Klintum, Madlem/Midlum, Ödersem/Utersum, Olersem/Oldsum, Ööwenem/Oevenum, Söleraanj/Süderende, Taftem/Toftum, Wiisem/Witsum und Wraksem/Wrixum; auf Amrum in Neebel/Nebel, Noorsaarep/Norddorf, Sössaarep/Süddorf und Stianood/Steenodde; auf der Hallig de Huuge/Hallig Hooge und auf dem Fe