Jahrbuch der Baumpflege 2019

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3.2 Verletzung von Wurzeln

Trotz aller Bestrebungen, Baumwurzeln zu schützen, werden diese regelmäßig beschädigt oder müssen aufgrund fehlender Alternativen entfernt werden. Hinsichtlich der Ursachen von Wurzelverletzungen ist daher zwischen zielgerichteten, fachlich korrekt ausgeführten Eingriffen und unsachgemäßen Eingriffen zu unterscheiden, die beispielsweise infolge eines unbedarften Einsatzes von Maschinen entstehen.

Zielgerichtete Eingriffe als Teil baumpflegerischer Maßnahmen haben stets zum Ziel, das Ausmaß unvermeidbarer Schäden zu minimieren. Da die Möglichkeiten für Korrekturen der Folgen unsachgemäßer Eingriffe bzw. die Eindämmung der dadurch zukünftig entstehenden Schäden begrenzt sind, muss der Fokus einer jeden Tiefbaumaßnahme in Baumnähe auf dem Erhalt von vorhandenen Wurzeln liegen.

3.3 Ersticken von Wurzeln/Beeinflussung des Gashaushaltes

Der Schutz von Wurzeln kann als Maßnahme einzeln behandelt, jedoch nicht losgelöst vom Schutz des Wurzelraumes gesehen werden. So schädigt beispielsweise das Befahren des Wurzelbereiches mit Maschinen die hier vorkommenden Wurzeln nicht viel weniger als unmittelbare mechanische Beschädigungen. Allerdings treten die zunächst nicht direkt erkennbaren Effekte dabei zeitverzögert auf, mitunter erst nach mehreren Vegetationsperioden (STOBBE & KOWOL 2005). Mit Blick auf die Beeinflussung von Wurzeln ist bei der Herstellung von Leitungsgräben daher auch ein Augenmerk auf das Verfüllen und Verdichten des Grabens sowie die anschließende Herstellung der Wegedecke zu legen.

Bäume sind mit ihren Wurzeln an die vorherrschenden Bedingungen angepasst, so dass auch an gestörten und vergleichsweise lebensfeindlichen Standorten darauf geachtet werden muss, dass sich die Umgebungsbedingungen nicht zu einem weiteren Nachteil für den Baum verändern. Veränderungen in Form von Abgrabungen (Bodenabtrag), Überfüllungen (Bodenauftrag), Überverdichtungen und Versiegelungen sind in jedem Fall zu vermeiden.

3.4 Grundwasserbeeinflussung/ Baumaßnahmen mit Wasserhaltung

Die Anpassung von Bäumen an ihren Standort betrifft auch ihren Wasserhaushalt. Sind Bäume von Baumaßnahmen mit Wasserhaltung betroffen, stellt dies eine besondere Herausforderung dar. Hierbei ist nicht nur auf den Erhalt der Wurzeln zu achten, sondern auch darauf, dass diese mit einer veränderten Wasserzufuhr bzw. dem Entzug von Wasser konfrontiert werden. Sind Wurzelsysteme einmal an einem Standort mit den dort vorherrschenden Bedingungen etabliert, können abrupte und/oder länger anhaltende Veränderungen den Niedergang eines Baumes nach sich ziehen – obwohl diesem keine einzige Wurzel entnommen wurde.

Insbesondere die Wurzelsysteme älterer Bäume besitzen keine ausreichende Plastizität, um sich grundlegend neuen Bedingungen anzupassen. Einmal trockengefallene Wurzeln sterben unweigerlich ab und können nicht mehr reaktiviert werden. Jüngere Bäume haben ein größeres Potenzial, um sich auf solche Veränderungen einzustellen. Unabhängig vom Alter führen Grundwasseranstiege in aller Regel jedoch vergleichsweise rasch zu einem Absterben betroffener Bäume, da das Wasser die Bodenluft verdrängt und die Wurzeln daraufhin wegen des Luftmangels bald ersticken und degenerieren.

4 Erfahrungen in der Hansestadt Hamburg
4.1 Anmeldung und Beauftragung der Baubegleitung

Der Bedarf an einer baumfachlichen Baubegleitung ergibt sich stets aus dem zu erwartenden Einfluss, den eine Baumaßnahme auf einen Baum ausüben kann. Dieser kann meist schon anhand von Katasterauszügen durch den zuständigen Baumkontrolleur abgeschätzt werden. Die Effekte reichen von bodenbedingten Einflüssen auf den Baum, wie einer (temporären) Veränderung des Grundwasserstandes oder geplanten Umgestaltungen des Baumumfeldes, bis hin zu einer unmittelbaren Gefährdung durch unumgängliche Baumaßnahmen, wie der Herstellung von Leitungsgräben im Schutzbereich von Bäumen. In der Stadt Hamburg ist die baumfachliche Baubegleitung, z. B. bei Tiefbaumaßnahmen, in den allermeisten Fällen durch die Hamburger Baumschutzverordnung zwingend vorgeschrieben oder wird vom zuständigen Amt eingefordert.

Unabhängig vom jeweiligen Anlass muss in der Hansestadt das ausführende Bauunternehmen für eine baumfachliche Baubegleitung sorgen. In einem ersten Schritt erfolgt hierzu eine Anfrage des Tiefbauers oder Netzbetreibers bei einem Baumpflegefachbetrieb zur fachlichen Begleitung der Maßnahme. Bei Übernahme des Auftrags erfolgt dann durch den Baumfachbetrieb die Anmeldung der Begleitung beim zuständigen Bezirksamt. Dabei ist es üblich, dass diese Schritte fernschriftlich, d. h. per E-Mail, erfolgen (vgl. Abbildung 5 und 6).

Abbildung 5: Die Anfrage nach einer baumfachlichen Baubegleitung durch den Tiefbau bzw. Netzbetreiber erfolgt unkompliziert per E-Mail.

Abbildung 6: Die Anmeldung der baumfachlichen Baubegleitung beim Bezirksamt erfolgt ebenso einfach per E-Mail durch den Baumpflegefachbetrieb.

Zeitgleich mit der Anmeldung der Begleitung erfolgt die Beantragung eines Kartenauszuges des betroffenen Straßenzuges, so dass auch hinsichtlich der korrekten Baumnummern Übereinkunft herrscht. Zusätzlich stellt das Amt häufig der Baubegleitung eine Liste mit Stammdaten der betreffenden Bäume zur Verfügung. Dieser Ablauf, mit dem auch der vorbereitende Aufwand für alle beteiligten Stellen auf ein Minimum reduziert wird, hat sich in der Hansestadt Hamburg zur Zufriedenheit aller Beteiligten etablieren können. Das dort bewährte Schema umfasst im Einzelnen:

Schritt 1: Anfrage des Tiefbauunternehmens zur baumfachlichen Begleitung

Schritt 2: Anmeldung der Maßnahme durch die begleitende Firma beim jeweiligen Bezirksamt

Schritt 3: Zurverfügungstellung amtlicher Auskünfte zum betreffenden Baumbestand

Sind alle notwendigen Unterlagen vorhanden, können die Arbeitspapiere für die baubegleitende Fachkraft zusammengestellt werden. Dies sind in der Regel:

 das Wurzelprotokoll

 die Informationen des Bezirksamtes (Kartenauszug/Baumliste)

 das Auftragsschreiben des Tiefbauunternehmens

 ein Leistungsnachweis zur Dokumentation der abgeleisteten Stunden

4.2 Anforderungen des Auftraggebers an die Baumpflegefachkraft

Der Auftraggeber darf von einer baumfachlichen Baubegleitung Grundkenntnisse des Tiefbaus erwarten, so dass die allgemeinen Arbeitsabläufe und die dabei eingesetzten Werkzeuge und Maschinen bekannt sind. Die Kenntnis der Definition der gängigsten Begriffe wie beispielsweise „Löffel“, „Auskoffern“, „Rückenstütze“, „Grabensohle“, „Muffe“, „Zwickel“, „Schwarzdecke“ usw. erleichtert den Umgang miteinander und hilft, Missverständnissen vorzubeugen. Dies bedeutet zugleich, dass sich die ausführenden Kräfte bei Unsicherheiten unbedingt durch Rückfragen vergewissern sollten. Baumfachkraft und Tiefbauer teilen ihre Sachkenntnis gerne, können den Stand des Wissens der anderen Beteiligten jedoch nicht erahnen.

Zudem muss sich der Auftraggeber darauf verlassen können, dass sich die eingesetzte Baumfachkraft vor und während der Arbeiten vollumfänglich um die Belange des Wurzelschutzes kümmert. Dies beinhaltet auch, dass die Baubegleitung selbstständig darüber entscheiden kann, wann und wo unter Berücksichtigung des Baumschutzes Maschinen für Grabungsarbeiten eingesetzt werden können, wann Grabungen einzustellen bzw. wiederaufzunehmen sind und vor allem, dass alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Baumwurzeln umgesetzt werden.

Das Bindeglied zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer ist das Wurzelprotokoll, in dem die Einwirkungen auf den Baum / Beschädigungen sowie erforderliche nachsorgende Maßnahmen dokumentiert werden. Im Zweifel dient das Protokoll mit der dazugehörigen Dokumentation auch als Beweismittel.

4.3 Anforderungen der Baumfachkraft an den Auftraggeber

Der Auftragnehmer darf vom Auftraggeber erwarten, dass dieser ihm im Vorfeld alle grundlegenden Informationen zur Baumaßnahme (z. B. Leitungsverlegung im Gehwegbereich), zum Baumbestand (z. B. 35 Altbäume) und zu den Baumstandorten (z. B. Baumroste vorhanden) usw. mitteilt. Ein Grundverständnis der ausführenden Tief- und Straßenbauer für die Bedeutung und die Schutzbedürftigkeit von Baumwurzeln trägt dazu bei, dass sich die baumfachliche Baubegleitung nahtlos in den Bauablauf integrieren kann.

Zudem gilt auch hier, dass Rückfragen bei Unklarheiten den besten Schutz vor unsachgemäßen Eingriffen darstellen. Beim Tiefbau werden dickere Wurzeln beispielsweise auch mal als „Äste“ angesprochen, was zunächst verwirren kann.

Die Baumfachkraft muss zudem alle notwendigen Schritte zum Wurzelschutz einleiten und im Einzelfall von ihrer Befugnis zur Veranlassung eines Baustopps Gebrauch machen können. In diesem Fall ist die Baumeigentümerin (Stadt Hamburg, z. B. vertreten durch den städtischen Baumkontrolleur) in die Problematik mit einzubinden. Ihr obliegen die weiteren Entscheidungen hinsichtlich der Vorgehensweise. Auch wenn die Notwendigkeit verschiedener Maßnahmen bei Bedarf direkt vor Ort erläutert werden kann, bildet das Wurzelprotokoll mit einer zusätzlichen fotografischen Dokumentation auch hier die wichtigste Nahtstelle zwischen der beauftragten Baubegleitung, dem auftraggebenden Tiefbauunternehmen und der Baumeigentümerin.

 

4.4 Das Wurzelprotokoll

Um Schädigungen von Bäumen durch unsachgemäße Eingriffe in den Wurzelraum zukünftig zu unterbinden, hat die Firma Baumpflege Bollmann aus Ellerau bereits 2011 das sogenannte „Wurzelprotokoll für baumfachliche Baubegleitungen“ entwickelt. Dieses hat seit seiner Einführung in der Hansestadt Hamburg nicht nur die Zustimmung aller Beteiligten gefunden, sondern wird dort mit großem Erfolg umgesetzt.

Das Wurzelprotokoll bildet den Ausgangspunkt einer jeden baumfachlichen Baubegleitung. Die Vorbereitung des Protokolls im Büro beschränkt sich auf die Eingabe einiger Stammdaten, wie die Angaben zur beauftragenden Firma mit Ansprechpartner, den Zeitpunkt der Beauftragung, den Grund der Aufgrabung, Angaben zu den Baumstandorten sowie die Nennung des zuständigen städtischen Baumkontrolleurs. Abbildung 7 zeigt beispielhaft den Aufbau eines Wurzelprotokolls.

Abbildung 7: Auszug des in der Hansestadt Hamburg etablierten Wurzelprotokolls der Baumpflege Bollmann GmbH, welches das verbindende und verbindliche Element zwischen dem Tiefbauer, der baumfachlichen Baubegleitung und der Baumeigentümerin ist.

Alle weiteren Daten werden vor Ort vom Baumpfleger ausgefüllt. Hierunter fallen Angaben zur Baumart und den Stammdurchmessern sowie detaillierte Aussagen zu Schäden, die sich beispielsweise aus unvermeidlichen, jedoch kontrolliert beigebrachten Wurzelverlusten ergeben können. Auch Informationen zur Entfernung der Eingriffe zum Stamm und zum Umfang von ggf. notwendigen Kronenausgleichsschnitten sind Teil der Dokumentation. Das Protokoll enthält somit alle wesentlichen Informationen und umfassende Details zu Ablauf und Hergang des Bauvorhabens in Bezug auf den Baumschutz.

Die genaue Kenntnis des Umfangs beschädigter Wurzeln bzw. fachlich korrekt nachbehandelter Wurzelschäden und möglicher nachsorgender Pflegemaßnahmen eines jeden Baumes vermittelt allen Beteiligten (in komplexen Fällen im Zusammenhang mit der fotografischen Dokumentation) ein möglichst genaues Bild der tatsächlichen Ereignisse. Damit erübrigt sich zukünftig auch die Notwendigkeit, über mögliche Wurzelverluste zu spekulieren.

Idealerweise erfolgt die Dateneingabe und -verarbeitung digital, so dass sich der Aufwand zur Nachbereitung des Auftrags auf ein Minimum reduziert. Die Einbindung der Dokumentation in ein bestehendes Baumkataster stellt dabei die effizienteste Art dar, einzelbaumbezogene Informationen jederzeit zur Hand zu haben. Auch dieser Schritt wird in der Hansestadt Hamburg seit Jahren konsequent umgesetzt.

5 Der Wurzelschutz in der Praxis
5.1 Schutzmaßnahmen im Baumumfeld

Zu den mittelbaren Maßnahmen des Wurzelschutzes gehört beispielsweise der Einsatz von Platten, Bohlen, Matten und/oder Kies zum Abtrag von Lasten, die (bei offener Baumscheibe) durch schwere Maschinen oder Fahrzeuge in den Wurzelraum eingeleitet werden könnten. Auch die korrekte Platzierung der Baustelleneinrichtung gehört zu diesen Maßnahmen und verhindert, dass Lasten oder Unrat (wie beispielsweise WC-Abwässer oder Chemikalien) in den Wurzelbereich eingetragen werden.

Bevor die Arbeiten im Wurzelraum beginnen, erfolgt auch die Baustellenabsicherung. Diese wird in aller Regel durch die ausführende Tiefbaufirma umgesetzt. Hier hat die baubegleitende Baumfachkraft Zeit, sich mit dem betroffenen Baum und dessen Standort vertraut zu machen. Ein geschultes Auge erkennt bereits vor dem ersten Spatenstich, wo es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Kontakt mit dem Wurzelwerk kommen wird.

5.2 Schutzmaßnahmen an Stamm und Krone

Obwohl Schutzmaßnahmen am Stamm und an der Krone auf den ersten Blick in keinem direkten Zusammenhang mit den Wurzeln eines Baumes stehen, umfassen sie oft den Wurzelraum oder finden innerhalb des Wurzelschutzbereiches Anwendung. Zudem ist der Einsatz von Maschinen zur Abnahme des Wegebelages vor Tiefbaumaßnahmen nicht selten, und entsprechend besteht eine konkrete Gefahr für den Baum durch schweres Gerät.

Ein korrekt angebrachter Stammschutz sorgt dafür, dass der Baum beim Kontakt mit einer Maschine keinen Schaden nimmt. Ein mit einer Windung um den Baum gewickeltes Dränrohr erfüllt diesen Schutz ebenso wenig wie schwere Gerüstbohlen, die auf den Wurzelanläufen aufgesetzt sind. Letztere verletzen bereits durch ihr Eigengewicht regelmäßig die Wurzelanläufe. Ein fehlender oder ungeeigneter Stammschutz ist der Baumeigentümerin umgehend zu melden.

Im Ausnahmefall kann auch eine Einkürzung von Kronenteilen notwendig sein, um einen Baum vor zu erwartenden Beschädigungen durch Baumaschinen zu schützen. Steht kein ausreichender Arbeitsraum zur Verfügung, sind die Arbeiten vorübergehend einzustellen, bis ein Fachbetrieb das benötigte Lichtraumprofil erstellt hat. Wenngleich das Ziel einer jeden baumfachlichen Baubegleitung der Erhalt des vollständigen Baumes ist, so muss von Fall zu Fall auch nach Kompromissen gesucht werden, um notwendige Eingriffe zu ermöglichen und den Schaden für den Baum dabei so gering wie möglich zu halten.

5.3 Öffnung des Wurzelraumes

Nachdem die örtliche Lage analysiert wurde, kann mit den Tiefbauarbeiten begonnen werden. Für die eingesetzte Baubegleitung ist dies eine der kritischen Phasen, in denen ihre volle fachliche Kompetenz gefragt ist. Problematisch ist, dass während der anfänglichen Grabungsarbeiten ein möglicher Wurzelverlauf nur erahnt werden kann. Die Gefahr einer unbeabsichtigten Wurzelverletzung durch die falsche Grabungstechnik ist in dieser Phase besonders hoch. Ein Baggereinsatz kann hier verheerende Auswirkungen haben.

Abbildung 8: (Fein-)Wurzelgeflechte unter Wegebelägen können in aller Regel entfernt werden, um einen einfachen Zugang zum Wurzelraum zu ermöglichen.

Bei der Öffnung des Wurzelraumes hat der Erhalt von Wurzeln stets oberste Priorität. Dicht unter dem Wegebelag, zumeist in engem Kontakt zu diesem und mitunter auch mit ihm verwachsen, finden sich regelmäßig einzelne Feinst- und Feinwurzeln oder deren Geflechte (Abbildung 8). Ihr Erhalt ist in aller Regel nicht möglich und in der Mehrzahl aller Fälle auch nicht unabdingbar. Um den Zugang zum Leitungsgraben zu ermöglichen, kann die Entfernung dieser Wurzeln in der Bettung des Wegebelages daher durchaus in Erwägung gezogen werden, ohne dass dem Baum hierdurch zwangsläufig ein bleibender Schaden entsteht.

Dessen ungeachtet findet die Öffnung des Wurzelraumes, die zugleich eine Sondierung der Wurzeln darstellt, stets in Handschachtung oder Saugtechnik statt (Abbildung 9).

Abbildung 9: Die Freilegung des Wurzelraumes unter Wurzelerhalt in Handschachtung ist in der Hansestadt Hamburg eine von allen Parteien akzeptierte Selbstverständlichkeit.

In begründeten Ausnahmefällen kann eine Sondierung der Wurzeln mit Geräten erfolgen, wenn ein zahnloser Löffel genutzt wird und der Aushub äußerst behutsam unter Sichtkontakt (eine Person im Graben, eine in der Maschine) erfolgt. Die Entscheidung, ob eine solche Vorgehensweise infrage kommt, obliegt allein der baumfachlichen Baubegleitung.

5.4 Umgang mit freigelegten Wurzeln

Bei der schichtweisen Abtragung des Bodens kann es zur Freilegung von Wurzeln kommen. In dem Fall ist abzuwägen, wie mit diesen umgegangen werden soll. Die weitere Handhabung der freigelegten Wurzeln hängt von unterschiedlichen Parametern ab: von der Stärke der Wurzel, deren Beschädigungsgrad, der Witterung und vom Grund für die Aufgrabung.

Grundsätzlich stehen dem Baumpfleger drei Möglichkeiten zur Auswahl:

 das Belassen der Wurzel und deren Schutz vor Austrocknung bzw. Frost (vgl. Abbildung 10),

 das Beschneiden der Wurzel aufgrund verletzter Wurzelpartien bzw. räumlicher Konflikte oder

 die Kappung der gesamten Wurzel (bis zur Baugrubenwand, in Einzelfällen auch darüber hinaus).

Müssen die Wurzeln beschnitten werden, ist je nach Stärke der Wurzel vorab die Baumeigentümerin oder aber ihr Vertreter (z. B. der Baumkontrolleur im Falle von Stadtbäumen) zu informieren. Die Baumeigentümerin entscheidet letztlich über die durchzuführende Maßnahme. Sind die freigelegten Wurzeln erst einmal versorgt, müssen im Anschluss daran die Wurzelstärken und der Umfang von Verletzungen protokolliert werden.

Abbildung 10: Ebenso wird der pflegliche Umgang mit freigelegten Wurzeln respektiert und die bei den Arbeiten dennoch verletzten Wurzeln werden stets fachgerecht versorgt.

5.5 Durchtrennen von Wurzeln

Sind Wurzelverluste trotz aller Schutzmaßnahmen nicht zu vermeiden und besteht keine Möglichkeit zum Erhalt verletzter Wurzeln, sind die betroffenen Wurzeln schneidend und glatt zu durchtrennen – und zwar so, dass dabei stets die kleinstmögliche Schnittfläche entsteht. Erst der glatte Schnitt, der bei stärkeren Wurzeln mit einer scharfen(!) Säge zu erfolgen hat, gibt einer Wurzel im Zusammenspiel mit einer kleinen Schnittfläche die Möglichkeit zur Überwallung der Wunde. Nach dem Schnitt muss die Schnittstelle bis mindestens einen Fingerbreit hinter dem Schnitt mit einem Wundverschlussmittel versiegelt werden.

Dies dient dazu, das unter der Rinde liegende Kambium, aus dem das Wundgewebe entsteht, vor dem Eintrocknen zu schützen. Fällt das Kambium trocken, so stirbt dieses zarte Gewebe unwiderruflich ab, weswegen die Versiegelung der Schnittstelle unmittelbar zu erfolgen hat. Der Anstrich verhindert jedoch niemals den Besatz der Wunde mit den Sporen von Schadorganismen. Hieraus entstehenden Schäden kann allein durch eine korrekte Wundversorgung vorgebeugt werden, die für eine bestmögliche Wundreaktion sorgt. Nach der Wundversorgung ist der Rest der freiliegenden Wurzel mit geeigneten Mitteln vor Austrocknung zu schützen.

5.6 Nachversorgung freigelegter Wurzeln

Freigelegte Wurzeln müssen unabhängig von einer vorhandenen Wunde stets feucht gehalten werden, bis die hergestellte Grube wieder verfüllt wird. Vor dem Eingriff hat der umgebende Boden die Wurzeln sicher vor Austrocknung geschützt, in offenen Baugruben muss dieser Schutz nun anderweitig sichergestellt werden. Dies geschieht beispielsweise durch die feuchte Bandagierung freigelegter Wurzeln oder das Umwickeln von Wurzelsträngen mit geeignetem Material (z. B. Jute) sowie das Abdecken der Wurzeln mit Vlies.

In jedem Falle muss die Maßnahme zeitnah nach dem Freilegen erfolgen. Ziel ist, dass die so versorgten Wurzeln nicht austrocknen und im Falle von länger offenen Gruben dauerhaft feucht gehalten werden. Bei Bedarf müssen die Wurzeln daher regelmäßig neu befeuchtet werden. Bei trockenheißer Witterung kann das zusätzliche Einschlagen der umwickelten und befeuchteten Wurzeln in eine Kunststofffolie dabei helfen, die Verdunstungsrate herabzusetzen. Hierbei sollte einer weißen Folie der Vorzug gegeben werden, um eine Erhitzung der Wurzeln zu verhindern. Im Winter freigelegte Wurzeln sind in gleicher Weise durch eine geeignete Ummantelung vor Erfrierungen zu schützen.