Jahrbuch der Baumpflege 2019

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3 Baumschutzmaßnahmen ausschreiben

Vor dem Hintergrund von Bauvorhaben, die im Bereich oder Umfeld von Bäumen stattfinden, ist es notwendig, die in der Planung festgelegten Maßnahmen in einer Leistungsbeschreibung so darzustellen, dass der Baumschutz fachgerecht ausgeführt, überprüft und abgerechnet werden kann. Durch die eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung kann der Unternehmer die an ihn gestellten Leistungsanforderungen erkennen und abwägen, inwiefern er diese Anforderungen erfüllen kann.

Zu beachten ist jedoch auch, dass der Hauptunternehmer, dessen Kernkompetenz z. B. bei Straßen- oder Kanalbauarbeiten liegt, nicht automatisch über die notwendige Fachkunde und Leistungsfähigkeit zur fachlich erforderlichen Durchführung von Baumschutzmaßnahmen verfügt (BECKSCHULTE et al. 2001).

Abbildung 3: Stammschutz ist nicht gleichbedeutend mit fachgerechtem Baumschutz auf Baustellen

Diese fachliche Eignung wird der Hauptauftragnehmer i. d. R. durch die Beauftragung von Nachunternehmerleistungen abdecken. Hierbei ergibt sich für den Auftraggeber die Schwierigkeit, die fachliche Eignung des Nachunterunternehmers zu prüfen. Dies kann nur geschehen, wenn bereits in der Angebotsphase der Nachunternehmer benannt wird und dieser entsprechend der § 6a VOB/A seine Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit in Bezug auf Baumschutzmaßnahmen nachweist.

Bei der Leistungsbeschreibung ist darauf zu achten, dass nur die Baumschutzmaßnahmen beschrieben werden, welche auch notwendig sind und dem fachgerechten Baumschutz dienen. Die bloße Angabe zur Erstellung eines Stammschutzes, während der Wurzelbereich nachhaltig versiegelt wird, erfüllt die Anforderungen an einen fachgerechten Baumschutz nicht (Abbildung 3).

Für die Veröffentlichung der grundlegend überarbeiteten ZTV-Baumpflege im Jahr 2017 wurde das Kapitel „Baumschutz auf Baustellen“ in Anlehnung an die DIN 18920 und RAS-LP 4 umfassend überarbeitet und ergänzt (DUJESIEFKEN 2017). Welche dieser Maßnahmen gemäß ZTV-Baumpflege für den Einzelfall fachgerecht sind, kann nur durch baumfachlich geschultes Personal festgelegt werden.

Die fachgerechte Ausführung der geplanten und ausgeschriebenen Baumschutzmaßnahmen muss je nach Bauablaufplanung vor Baubeginn der anderen Gewerke oder baubegleitend erfolgen. Diese Zeitabläufe sind auch im Ausschreibungsverfahren zu berücksichtigen. Eine Verankerung der Bauausführungen zum Baumschutz im meist zeitlich nachrangigen Landschaftsbau ist nicht ausreichend, da hier die Maßnahmen zum Baumschutz erst dann erfolgen, wenn die durch das Hauptgewerk verursachten Baumbeschädigungen schon erfolgt sind. Daher sind die Anforderungen zum Baumschutz auf Baustellen zwingend in die Hauptausschreibung mit aufzunehmen.

Alternativ dazu kann die Baustellenvorbereitung und der Baumschutz als eigenständiges Los vergeben werden. Diese Variante hat den Vorteil, dass aufgrund der in der Regel niedrigeren Auftragssumme auch beschränkt vergeben werden kann und somit dem Ausschreibenden mehr Möglichkeiten in Bezug auf die Auswahl einer geeigneten Firma gegeben werden.

4 Überwachung der Baumschutzmaßnahmen durch die Umweltbaubegleitung

Zur Überwachung der Baumschutzmaßnahmen bedarf es grundlegender Kenntnisse der einschlägigen Normen und Regelwerke in Verbindung mit umfangreichem baumfachlichem Wissen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die beauftragten Leistungen zum Baumschutz fachgerecht ausgeführt wurden, diese ausreichend sind oder gegebenenfalls geändert werden müssen. Diese speziellen Anforderungen lassen deutlich erkennen, dass die Leistungen zur Überprüfung des Baumschutzes durch die Bauleitung des Hauptbaugewerkes fachlich in der Regel nicht erbracht werden können. Daher ist es notwendig, diese Fähigkeitslücke in der Bauleitung mit externem Wissen zu füllen. Dies erfolgt mittels Beauftragung eines Baumsachverständigen, der mit seiner Sachkompetenz die fachgerechte Umsetzung des Baumschutzes betreut.

In der Praxis wird diese Leistung unterschiedlich benannt:

 Fachbauleitung Baumschutz

 Bauleitung Baumschutz

 Ökologische Bauleitung

 Umweltfreundliche Bauüberwachung

 Baumfachliche Baubegleitung

 Ökologische Baubegleitung

 Umweltbaubegleitung

Dabei setzt sich zunehmend der Begriff „Umweltbaubegleitung“ durch, u. a. haben sich die Straßen- und Verkehrsverwaltungen des Bundes und der Länder weitgehend auf diese Benennung verständigt (HVA F-StB 2018). Die Verwendung der Bezeichnung „Umweltbaubegleitung“ ist eine umfassende, die sowohl ihre Zielperspektive als auch das Wesen der Aufgabe, nämlich die Begleitung einer Vorhabenrealisierung, zutreffend bezeichnet (AHO 2018).

Die Baubegleitung, ob Umweltbaubegleitung, ökologische Baubegleitung oder anders benannt, unterscheidet sich grundlegend von jeder bauleitenden Tätigkeit. Während die Bauleitung gegenüber den ausführenden Unternehmen weisungsbefugt ist, ist die Umweltbaubegleitung als Berater des Auftraggebers begleitend tätig, ohne dass ihr eine direkte Weisungsbefugnis gegenüber den Unternehmen zugestanden wird (SCHLIEMER 2014). Ausgenommen davon sind die Unternehmen, die direkt mit der Ausführung von Baumschutzmaßnahmen beauftragt wurden.

Die Akzeptanz der Umweltbaubegleitung ist nicht selten von dem Auftreten derselben abhängig. So sind neben den fachlichen auch kommunikative Fähigkeiten notwendig sowie Grundkenntnisse zum allgemeinen Baugeschehen und die Bereitschaft, konstruktiv mit allen Akteuren Lösungen zum Baumschutz unter Berücksichtigung des Baufortschrittes zu erarbeiten.

Die wesentlichen Tätigkeiten der Umweltbaubegleitung zum Baumschutz unmittelbar vor und während der Bauzeit sind:

 Zusammenstellung der wesentlichen Auflagen aus Planung und Genehmigung sowie Aufbereiten als Handlungsgrundlage für die Beteiligten

 Dokumention des Ist-Zustandes des zu schützenden Baumbestandes vor Baubeginn (Fotodokumentation) und Kontrolle des Baumbestandes während des Bauablaufs auf Veränderungen z. B. bei befristeter Grundwasserabsenkung

 Kennzeichnung des zu schützenden Baumbestandes

 Festlegung von Baugrenzen zum Schutz der Vegetation

 Festlegung von Standort, Abgrenzung und Erreichbarkeit der Baustelleneinrichtungsflächen und Lagerflächen

 Festlegung von Maßnahmen zum Schutz vor Bodenverdichtung im Wurzelbereich

 Hinweise auf spezielle, eventuell erst bei Bauausführung erkennbare, relevante Vermeidungs- und Schutzmaßnahmen. Abstimmungen mit dem Auftraggeber und ggf. den zuständigen Behörden

 Beratung und Aufklärung der an der Baumaßnahme interessierten Stellen (z. B. Naturschutzbehörden und -verbände) und Betroffenen (z. B. Anlieger) über Art, räumlichen und zeitlichen Umfang, Sinn und Zweck von baumschutzfachlichen Maßnahmen

 Beratung bei der Bestimmung von Eingriffen vermeidender oder vermindernder Ausführungsarten und -techniken sowie bei einer Beschränkung von verwendbaren Maschinen und Geräten

 Beratung der örtlichen Bauüberwachung zu naturschutz- und umweltrechtlichen Auflagen und deren technischer Umsetzung (Schutzmaßnahmen, Absteckung etc.)

 Teilnahme an Abstimmungen und Baubesprechungen

Welche dieser oben benannten Tätigkeiten der Umweltbaubegleitung für den Einzelfall notwendig sind, ist stets neu festzulegen oder ggf. durch weitere Leistungen zu ergänzen.

Während Mängel oder Schäden an nahezu allen bautechnisch errichteten Bauwerken in Abhängigkeit vom finanziellen und technischen Aufwand behoben werden können, lassen sich Schäden an Bäumen, z. B. Wurzelverluste, auch mit noch so großem Aufwand selten vollständig beheben. Ein Funktionsverlust des Baumes tritt i. d. R. immer frühzeitiger ein als ohne Beschädigung. Daher kommt der konsequenten Kontrolle der Baumaßnahmen, sofern sie innerhalb des Baumbereichs stattfinden, eine besondere Bedeutung zu.

5 Beauftragung der Umweltbaubegleitung (UBB)

Die Umweltbaubegleitung an sich ist nicht Bestandteil der Leistungskataloge zur Objektplanung für Gebäude, Bauwerke, Freianlagen oder sonstige Anlagen und Einrichtungen, sondern gilt als Beratungsleistung (AHO 2018). Die Stellung des Umweltbaubegleiters ist als die eines Beraters zu verstehen, der den Vorhabenträger ebenso wie seine beauftragten Planer und Bauleiter in besonderen Fragestellungen, also hier dem Baumschutz auf Baustellen, unterstützt. Er äußert sich i. d. R. nicht unmittelbar gegenüber den ausführenden Firmen, sondern gegenüber der örtlichen Bauleitung, der Bauoberleitung oder dem Vorhabenträger.

Eine UBB sollte, beginnend mit der Planung des Bauablaufes und der Baustelleneinrichtung, beim Ausschreibungs- und Vergabeverfahren von Bauleistungen bis zur Fertigstellung über die gesamte Bauzeit des Vorhabens eingesetzt werden.

Die Beauftragung von Leistungen zur Umweltbaubegleitung erfordert eine möglichst konkrete und umfassende Beschreibung der Leistung, die häufig nur auf den Einzelfall bezogen werden kann.

6 Ausblick

Die Berücksichtigung des fachgerechten Baumschutzes auf Baustellen ist auf Grundlage satzungsrechtlicher Vorgaben zwingend vorgeschrieben und nicht als Bildnis einer besonderen Affinität einzelner Personen zu Bäumen zu verstehen. Die Anwendung der Normen und Regelwerke zum Baumschutz in Verbindung mit den immer komplexer werdenden Bauvorhaben fordern entsprechende Spezialisten. Diese können über die Umweltbaubegleitung alle Akteure beraten, so dass die im Baubereich vorhandenen Bäume nachhaltig geschützt und erhalten werden.

 

Immer mehr Bauherren erkennen – schlichtweg auch aus wirtschaftlichen Gründen – die deutlichen Vorteile der Umweltbaubegleitung. Da die UBB vorausschauend Konflikte in Bezug auf den Baumschutz aufzeigt, können diese dann rechtzeitig ohne Baustillstandszeiten oder deutliche Kostensteigerungen bei gleichzeitiger Erhaltung des zu schützenden Baumbestandes behoben werden. Die Tätigkeit der Umweltbaubegleitung zum Baumschutz auf Baustellen wird die Baumfachleute in der Zukunft häufiger fordern. Den ausführenden Baumpflegefirmen sei angeraten, nicht nur Pflegearbeiten in der Krone fachgerecht ausführen zu können, sondern ihre Fähigkeiten und Leistungen auch auf den Wurzelbereich und das Baumumfeld zu erweitern.

Literatur

AHO Ausschuss der Verbände und Kammer der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e. V., HERRCHEN et. al, 2018: AHO-Schriftenreihe, Heft Nr. 27: Umweltbaubegleitung – Leistungsbild und Honorierung, 2. Auflage, Bundesanzeiger Verlag.

AMTAGE, T., 2016: Baumschutz auf Baustellen – ein Beitrag zum Erhalt der Verkehrssicherheit. Tagungsband der FLL Verkehrssicherheitstage 2016, 135–142.

ATV DIN 18320: 2016–09 VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil C: Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) – Landschaftsbauarbeiten, Beuth Verlag, Berlin.

BECKSCHULTE, C.; MENCKE, M., 2001: Baumschutz auf Baustellen, Beratende Ingenieure, Ausgabe März 2001, 43–46.

BRUNNER W.; SCHMIDWEBER, A., 2007: Umweltbaubegleitung mit integrierter Erfolgskontrolle. Einbindung in den Bau und Betrieb eines Vorhabens. Umwelt-Wissen Nr. 0736. Bundesamt für Umwelt, Bern.

Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (Hrsg.), 2018: Merkblatt DWA-M-619: Ökologische Baubegleitung bei Gewässerunterhaltung und -ausbau, Hennef.

DIN 18920: 2014–07 Vegetationstechnik im Landschaftsbau – Schutz von Bäumen, Pflanzenbeständen und Vegetationsflächen bei Baumaßnahmen, Beuth Verlag, Berlin.

DUJESIEFKEN, D., 2017: Die neue ZTV-Baumpflege der FLL – die wesentlichen Änderungen hinsichtlich Inhalt und Struktur. In: DUJESIEFKEN, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2017, Haymarket Media, Braunschweig, 267–272.

ERHARD, F.; HERRCHEN, D.; PFROMMER, D., 2007: Die Umweltbaubegleitung. Anmerkungen zu Leistungen und Vergütung für ein neues Aufgabenfeld der Ingenieure und Landschaftsarchitekten. Zusammenfassung zur Veröffentlichung in Deutsches Ingenieur-Blatt, Heft 6/2007, S. 36 ff.

Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V., ZTV-Baumpflege 2017. Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Baumpflege, Bonn.

FRANKEN, H., 2015: Vertragsmuster für die Umweltbaubegleitung (UBB), verfügbar im Download unter www.bdla.de, Bund deutscher Landschaftsarchitekten (BDLA), 2015, Berlin.

Handbuch für die Vergabe und Ausführung von freiberuflichen Leistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA F-StB): 2018

Hochschule Osnabrück, 2013: Fortbildungsveranstaltung Besondere Fachkunde Umweltbaubegleitung, unveröffentlichtes Manuskript, Osnabrück.

POMMNITZ, M., 2016: Mangelnde Standsicherheit von Bäumen nach Baumaßnahmen – Gründe für einen sinnvollen Baumschutz In: DUJESIEFKEN, D. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2016. Haymarket Media Braunschweig, 183–190.

RAS-LP 4, 1999: Richtlinie für die Anlage von Straßen, Teil: Landschaftspflege, Abschnitt 4: Schutz von Bäumen, Vegetationsbeständen und Tieren bei Baumaßnahmen. FGSV-Verlag, Köln.

SCHLIEMER, C., 2014: Abgrenzung der Umweltbaubegleitung zur Bauleitung und Bauüberwachung unter Berücksichtigung zu Grunde liegender Richtlinien und Normen. Vortragsmanuskript, verfügbar im Download unter www.nna.niedersachen.de

VOB Gesamtausgabe, 2016, Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (DIN 1960), Teil B (DIN 1961), Teil C (ATV), DIN Deutsches Institut für Normung e. V. (Hrsg.), Beuth Verlag, Berlin.

Autor

Dipl.-Ing. (FH) Thomas Amtage ist Landschaftsgärtner, Landschaftsarchitekt, ö.b.u.v. SV für Garten- und Landschaftsbau, Herstellung und Unterhaltung, Baumpflege, Verkehrssicherheit von Bäumen und Baumwertermittlung, mit eigenen Büros in Berlin und Sachsen-Anhalt. Er arbeitet in mehreren Gremien und Ausschüssen mit, u. a. im FLL-Regelwerksausschuss „ZTV-Baumpflege“.


Dipl.-Ing. (FH)

Thomas Amtage

amtage Landschaftsarchitektur

Sachverständigenbüro

Allee der Kosmonauten 32B

12681 Berlin

Tel. (030) 67122772

thomas@amtage.biz

Grundlagen der Kronensicherung und Einsatzmöglichkeiten nach der neuen ZTV-Baumpflege
Basics of crown cabling and application options according to the new German standard „ZTV-Baumpflege“

von Andreas Detter

Zusammenfassung

Einbau und Kontrolle von Kronensicherungen stellen hohe Anforderungen an die Fachleute. In vielen Fällen sind sie jedoch sinnvoll und zielführend zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit einsetzbar, vor allem wenn die Sicherheitserwartungen besonders hoch sind, das Risiko erst bei zukünftigen Kontrollen genauer beurteilt werden kann oder baumschädigende Schnittmaßnahmen vermieden werden sollen. Die Eigenschaften der Sicherung müssen auf die Dynamik in der Baumkrone und die zu erwartenden Lasten abgestimmt werden. Hierbei geben biomechanische Erkenntnisse zum Schwingungsverhalten von Bäumen im natürlichen Wind und die langjährige Erfahrung mit der Nachgiebigkeit von Baumkronen, über die viele Baumkletterer verfügen, wertvolle Hilfestellungen.

Summary

Installation and inspection of cabling systems place high demands on arborists. However, they may be used sensibly and purposefully to minimize risks, especially if safety expectations are high, if the risk may be assessed more precisely in the future, or if adverse effects of pruning measures on tree health shall be avoided. The properties of the cabling system must match the dynamics in the tree crown and the expected loads. Biomechanical findings on the dynamic behavior of trees in natural wind provide guidance on this issue, just like the evidence that experienced climbers gather on the flexibility of tree crowns.

1 Einleitung

Immer wieder führen Anforderungen an die Verkehrssicherheit dazu, dass die Kronen alter Bäume stark eingekürzt werden. Infolge des Verlustes an Blattfläche und der entstehenden Schnittwunden kann dies ungünstige Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der betroffenen Bäume haben. In vielen Fällen lässt sich die Bruchsicherheit durch den Einbau von Kronensicherungen jedoch auch ohne solche Eingriffe gewährleisten.

Im Zuge der Überarbeitung der ZTV-Baumpflege (Ausgabe 2017) wurde auch das Thema Kronensicherung umstrukturiert. Die Eigenschaften des verwendeten Materials (Kap. 2) und die Vorschriften zur Ausführung (Kap. 3), die mit Vereinbarung der ZTV vertraglich gelten, wurden dabei klar von detaillierteren Angaben getrennt, die gesondert für den Einzelfall ausgeschrieben werden müssen (Kap. 0). Hieraus entstehen erhöhte Anforderungen an die Ausschreibenden, da sie Festlegungen treffen müssen, die zuvor meist dem Anbieter überlassen waren. Wenn vom Regelfall abgewichen werden soll, sind solche Angaben jedoch für eine eindeutige und kalkulierbare Leistungsbeschreibung sowie als belastbare vertragliche Basis für die Ausführung und Abrechnung der Arbeiten unverzichtbar.

Allerdings enthält die ZTV-Baumpflege als Regelwerk naturgemäß keine ausreichenden Informationen, wie eine Kronensicherung gestaltet werden sollte, um das Sicherungsziel zuverlässig, baumschonend und zugleich wirtschaftlich zu erreichen. Im informativen Anhang B sind lediglich erfahrungsbasierte Empfehlungen für Mindestbruchlasten vorhanden, die sich nach dem Durchmesser des zu sichernden Kronenteils richten. Tatsächlich können aber Abweichungen von dieser sog. Bemessungstreppe wichtig sein, um Kronensicherungen angemessen und sinnvoll zu dimensionieren.

Dieser Beitrag soll die technischen und biomechanischen Grundlagen umreißen, um die Rahmenbedingungen für einen fachgerechten Einbau von Kronensicherungen aufzuzeigen und um zu erklären, wie ihre Funktionsweise durch eine zielgerichtete Anpassung an die Beschaffenheit der Baumkrone im konkreten Einzelfall verbessert werden kann.

2 Grundlagen
2.1 Einsatzmöglichkeiten

In der baumpflegerischen Praxis gibt es grundsätzlich viele Einsatzmöglichkeiten für Kronensicherungen. Vor allem dienen sie zur Sicherung bruchgefährdeter Zwiesel und Gabelungen sowie einzelner erhöht bruchgefährdeter Kronenteile. Sie werden aber auch verwendet, um Altbäume abzuspannen bzw. auf andere Bäume rückzuverankern oder um Jungbäume zu stabilisieren. Der Standardfall ist die Sicherung eines Zwiesels mit konkurrierenden Stämmlingen. Während bei Jungbäumen diese ungünstige Kronenentwicklung noch durch Schnittmaßnahmen korrigiert werden kann, sind Schnittmaßnahmen bei Bäumen in der Reifephase oder bei Altbäumen hier weniger zielführend. Vielfach können Bäume V-förmige Gabelungen auch durch erhöhtes Dickenwachstum auf Höhe des Rindeneinschlusses ausreichend verstärken, so dass sie keine konkrete Gefahr darstellen (WÄLDCHEN 2007). Genau diese Reaktionsholzbildung wird aber möglicherweise unterbunden, wenn Schnittmaßnahmen zu stark in die Physiologie des Baumes eingreifen.

Anders liegt der Fall, wenn die Korrektur der Wuchsform noch möglich und für die langfristige Entwicklung des Baumes sinnvoll ist. Dann wäre eine Sicherung allein nicht der richtige Weg, um einer erhöhten Bruchgefahr zu begegnen. Wenn z. B. weit ausladende Stämmlinge ungünstig angebunden sind und aufgrund der Kronenarchitektur immer weiter nach außen wachsen, könnte eine Kronensicherung zwar das Versagensrisiko vermindern, aber wenig zur nachhaltigen Entschärfung der Situation beitragen. Die ZTV-Baumpflege in der derzeit gültigen Fassung weist auf die grundsätzliche Frage hin, ob Sicherungsziele besser durch eine Kronensicherung, durch einen Kronenschnitt oder durch eine Kombination beider Maßnahmen erreicht werden können.

Das Sicherungsziel unterscheidet sich bei Bruchsicherungen und den sog. Trag-/Haltesicherungen. Während erstere dem Bruch vorbeugen sollen, sind letztere nur dazu gedacht, die gesicherten Teile nach dem Bruchversagen in der Krone zu halten. Darüber hinaus kann aber auch nach der geplanten Funktionsdauer differenziert werden. In einigen Fällen ist eine dauerhafte Minimierung des Risikos erforderlich, insbesondere falls der Baum die festgestellte Gefährdung voraussichtlich nicht mehr kompensieren kann. Hierfür wären Materialien mit langer Lebensdauer besser geeignet, vor allem wenn sich der Baum bereits in der Alterungsphase befindet und keine maßgebliche Veränderung der Baumhöhe oder des Kronenaufbaus zu erwarten ist.

Andererseits ist häufig zunächst eine temporäre, also zeitlich begrenzte Sicherung ausreichend, z. B. wenn die weitere Entwicklung des Baumes abgewartet werden soll. Hierfür bieten sich Produkte an, die nach einer gewissen Einsatzdauer ersetzt werden müssen, weil ihre Zeitstandsfestigkeit1 materialbedingt auf acht bis zwölf Jahre begrenzt ist. Daher sind moderne textile Kronensicherungen ein geeignetes Mittel, um auch vorübergehende Unsicherheiten bei der Einschätzung des Versagensrisikos oder temporär erhöhte Sicherheitsanforderungen abzusichern. Folgende Beispiele sind hierfür denkbar:

 

 Überprüfung unklarer Defektsymptome im Zuge weiterer jährlicher Kontrollen

 Zeitgewinn während der Baum auf Schwachstellen durch Zuwachs reagiert

 Erhöhung der Sicherheitsreserven bei Veränderungen im Baumumfeld, z. B. nach Freistellungen oder bei zeitweilig erhöhter Sicherheitserwartung.

Viele Sicherungspflichtige zögern allerdings, einmal eingebaute Kronensicherungen wieder zu entnehmen. Grundsätzlich könnten ausreichend dehnbare Verbindungen auch nach der Einsatzdauer durchaus in der Krone belassen werden. Im Hinblick auf eine Haftung im Versagensfall muss natürlich nachvollziehbar belegt werden, warum sie ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr gewartet und ersetzt wurden. Dies setzt den Mut voraus, der Zuverlässigkeit der eigenen Beurteilung zu vertrauen, ebenso wie den Willen, die finanziellen Mittel des Baumeigentümers verantwortlich zu verwalten. Bei dauerhaften Einschränkungen der Verkehrssicherheit kommen Sicherungen vor allem dann in Frage, wenn alternative Lösungen stark baumschädigend wären. In solchen Fällen sollte berücksichtigt werden, dass dabei zumindest im Fall von Sicherungen aus Kunststoffen ein regelmäßiger Austausch der Verbindungen in Kauf genommen werden muss.

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