Jahrbuch der Baumpflege 2019

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3 Vorkommen von Bäumen an und auf HWS-Anlagen und deren Wirkung

Hochwasserschutzanlagen wurden vor einigen Jahrzehnten gezielt mit Alleen oder Baumreihen bepflanzt, um vor allem die Einbindung in die Landschaft zu gewährleisten. Zudem wurde in der Vergangenheit oft angenommen, dass Bäume und deren Wurzeln auch bei Deichen und Dämmen der Standsicherheit zuträglich sind, wie dies bei Ufergehölzen der Fall ist. In PATT & GONSOWSKI (2010) heißt es z. B.: „Ufergehölze erhöhen die Stabilität, beeinflussen jedoch auch die Abflussleistung. Auf Dämmen und Deichen ist zudem Vorsicht bei der Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern geboten, da Wurzelwerk ggf. die Sickerwassermengen erhöht, was u. U. zu Stabilitätsproblemen führen kann.“

Durch natürliche Sukzession können sich über Jahrzehnte waldartige oder waldähnliche Baumbestände entwickeln, ohne dass diese als Wald ausgewiesen sind. Diese können in der Praxis zugleich häufig Schutzgebiete/Biotope für Flora und gleichzeitig Habitate für bedrohte Tierarten, wie z. B. spezielle Fledermausarten, darstellen. Höhlenbäume sind durch das BNatSchG besonders geschützt und bei möglichen Eingriffen muss geprüft werden, ob im Falle einer erforderlichen Freistellung die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG erfüllt werden, was i. d. R. in der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) erfolgt. Die Fällung hat i. d. R. außerhalb der Vegetations- und Brutperioden im Winter zu erfolgen (01. Oktober bis 28./29. Februar).

Falls waldartige oder waldähnliche Bestände an und auf HWS-Anlagen vorhanden sind, ist dies i. d. R. auf eine nicht erfolgte oder nicht sachgerecht durchgeführte Unterhaltung zurückzuführen (Abbildung 2). In DIN 19712 ist hier folgender Grundsatz zu finden: „Hochwasserschutzanlagen sind so zu unterhalten und zu betreiben, dass ihre Sicherheit ständig gegeben ist. Die konkrete Durchführung von Unterhaltung und Betrieb wird durch die Art der Hochwasserschutzanlage (Deich, Wand, mobiles System) bestimmt.“ Hierbei sind aufgrund der erhöhten Vulnerabilität erdbauliche Deiche und Dämme intensiver zu unterhalten als dies für massive Hochwasserschutzmauern der Fall ist. Bei mobilen Systemen muss sichergestellt werden, dass sich der Aufbau und der Einsatz der Systeme jederzeit durchführen lassen, was ebenfalls zu einer strikten Regelung bzgl. Bäume führt (BWK 2005).

Grundsätzlich zu unterscheiden ist bei Vorkommen von Gehölzen, ob sich die HWS-Anlage und der Baum im städtischen bzw. bebauten Bereich oder im ländlichen Raum befinden. Es kann von erheblicher Bedeutung sein, ob man sich nach Baugesetzbuch § 34 im Innenbereich oder Außenbereich befindet. Im Außenbereich sind technische Maßnahmen im Einzelfall i. d. R. einfacher umzusetzen, da im Außenbereich weniger Restriktionen vorhanden sind.

Abbildung 2: Waldartiger Bewuchs an einem Deich an der Isar im Münchner Stadtbereich

Abbildung 3: Windwurf eines Baumes an einem Deich in Düsseldorf infolge des Sturmtiefs Ela 2014 (Quelle: SEB Düsseldorf) und an der Schwarzen Elster infolge des Sturmtiefs Kyrill 2007 (Quelle: LUA Brandenburg)

Bei der Betrachtung der Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Hochwasserschutzbauwerken als Ingenieurbauwerk werden i. d. R. der Lastfall bzw. die Bemessungssituation „Windwurf – Versagen eines Baumes mit Ausbruch des Wurzeltellers“ berücksichtigt (Abbildung 3). Dies stellt hinsichtlich der Auswirkungen auf die HWS-Anlagen eine der kritischsten Einwirkungen dar. Eine Festlegung der Auswirkungen des Versagens von Einzelbäumen auf die HWS-Anlage, deren Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit und die Festlegung von erforderlichen Ertüchtigungsmaßnahmen sind im Einzelfall zu bestimmen.

Jedoch wird es stets der Fall sein, dass normal dimensionierte Erddeiche beim Auftreten von Gehölzen auf und am Deich als nicht standsicher eingestuft werden, wie dies auch in den einschlägigen technischen Regelwerken, wie z. B. der DIN 19712, gehandhabt wird. Die Zuordnung des „Windwurfs“ zu den unterschiedlichen Bemessungssituationen „permanent (BS-P)“, „außergewöhnlich (BS-A)“ oder „extrem (BS-E)“ ist auch im Einzelfall festzulegen. Kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Versagen des Baumes zusammen mit dem zu betrachtenden Bemessungshochwasser (BHW) eintritt, dann könnte im Einzelfall auch die ständige Bemessungssituation (BS-P) herangezogen werden, wohingegen der Windwurf auch in den Regelwerken eher zu BS-A oder BS-E gezählt wird.

Einzelbäume im Abflussbereich und nahe am Deich oder auf dem Deich sind als besonders kritisch zu beurteilen, sind jedoch in der Praxis nicht so selten anzutreffen (Abbildung 4). Die Bäume verbleiben oft als Kompromiss nach Freistellungs- und Ertüchtigungsarbeiten, um umwelt- und naturschutzfachlichen Aspekten entgegenzukommen. Jedoch ist der Bereich um Einzelbäume sehr erosionsanfällig, da hier Kolke, auch Erosionslöcher oder -krater genannt, infolge von Wirbelströmungen auftreten können. Gleichzeitig erfahren die Bäume die volle Wind- und Strömungsbelastung, was die Standsicherheit des Baumes und/ oder des Deiches gefährden kann. Bäume tragen zur Beschattung von erosionssensiblen Bereichen des Deiches oder Dammes bei, sodass in den Bereichen auch die vor Erosion schützende Vegetationsdecke fehlen kann.

Die Wurzeln von Bäumen führen besonders bei Deichen und Dämmen zu Wasserwegigkeiten, welche bei gerichteter Durchströmung im Hochwasserfall zu Erosionsprozessen, d. h. zum Austrag von Bodenpartikeln und zu einer Erhöhung der Sickerlinie führen können. Werden Dichtungen durchwurzelt, reichen schon relativ kleine Wurzeln aus, um z. B. eine Oberflächendichtung aus Ton oder Lehm praktisch funktionsuntüchtig zu machen. Die Durchwurzelungsresistenz von Dichtungen wird z. B. in HASELSTEINER & STROBL (2006) und den Merkblättern für Dichtungselemente im Wasserbau der DWA bewertet (vgl. BAW MSD 2011).

Bäume tragen erhöhte Einwirkungen bzw. Kräfte, z. B. durch das Übertragen von Windkräften über den Stamm und die Wurzeln, in das Tragwerk ein. Die eingetragenen Kräfte werden durch das statische System „Baum“ stark gedämpft. Gleichzeitig können Bäume die Widerstandswirkung des Tragwerks, z. B. durch windinduzierte Auflockerung von Böden, durch eine verstärkte Durchlässigkeit oder durch die Beeinträchtigung der Filterwirksamkeit nach erfolgter Durchwurzelung von Dichtungen oder Filterelementen beeinträchtigen.

Greifbare, mit technischen Kennwerten belegbare Untersuchungen für einige der genannten Auswirkungen sind rar gesät. Jedoch haben Zugversuche an Bäumen, deren Wurzelwerk in Kontakt mit angrenzenden Hochwasserschutzmauern stehen, gezeigt, dass auch bei Orkanbelastung keine Verschiebung an der Wand nachgewiesen werden konnte. Die ingenieurtechnische Bestimmung von z. B. Auflockerungsprozessen oder „Pumpeffekten“ durch Windbelastungen stellt sich auch hinsichtlich der Versuchstechnik als schwierig dar. Zudem weisen Deiche i. d. R. keine Messinstrumentierung auf, sodass im Einstaufall auch i. d. R. keine Informationen zum Verhalten der HWS-Anlage in Form der Porenwasserdruckverteilung oder der Verformung während Hochwasser gesammelt werden. Jedoch gibt es national und international einige publizierte Untersuchungen, die sich mit der Veränderung der Durchlässigkeit von Böden durch Wurzeleindringen beschäftigen (z. B. HASELSTEINER 2007a).

Bäume und deren Wurzeln können Wühltieren, wie z. B. Bisam, Hasen oder Füchsen eine Behausung bieten. Die Beschattung nahe an Stämmen von Bäumen bewirkt zudem, dass sich dort keine geschlossene Vegetationsdecke einstellen kann, wie bereits erwähnt wurde. Treten Bäume und/oder Sträucher in Bereichen auf, wo Sickerwasser austreten könnte, kann im Hochwasserfall die Überwachung erschwert oder verhindert werden.

Abbildung 4: Einzelbäume an und auf Deichen an der Loisach in Bayern (links), an der Gera bei Erfurt (mittig) und an der Isar im Stadtbereich München (rechts)

Abbildung 5: Wurzeln in Deichen an der Ammer (links) und an der Donau (rechts) nach Deichbrüchen 1999 und 1988 (Quelle: Wasserwirtschaftsverwaltung Bayern)

Abbildung 6: Ausgegrabene Wurzeln einer Pappel an einer HWS-Mauer im städtischen Bereich von Düsseldorf

Im Rahmen von Unterhalt, Inspektion und Überwachung während Hochwasser ist die Zugänglichkeit aller Bereiche von HWS-Anlagen besonders für die „Deichläufer“ von grundlegender Bedeutung. Auch hier können Bäume „im Wege stehen“. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Verkehrssicherungspflicht entlang der Wege an und auf HWS-Anlagen hingewiesen.

Je kleiner eine HWS-Anlage ist, desto schwerwiegender sind die möglichen nachteiligen Auswirkungen und Einwirkungen von Bäumen zu bewerten. Kleine Deiche können vollständig durchwurzelt werden, wie dies in Abbildung 5 dargestellt wird. Bei größeren Deichen wird i. d. R. nicht der ganze Querschnitt mit Wurzeln durchörtert. Die Ausbildung der Wurzeln hängt natürlich von zahlreichen Randbedingungen und der Baumart ab. Ausgrabungen von Wurzeln sind z. B. in LFU BY (1990), WINSKI (2004) und CIRIA (2013) dokumentiert.

 

Im Rahmen eines Projektes im Stadtbereich Düsseldorf wurden an bestehenden HWS-Mauern Wurzelausgrabungen durchgeführt, welche erneut darlegten, dass sich je nach Baumart und Bodenbeschaffenheit die Wurzelausbreitung sehr unterschiedlich darstellen kann. In Abbildung 6 ist das starke Wurzelwachstum einer Pappel dargestellt, welche ein Geflecht aus Starkwurzeln mit Kontakt zur Bestandsmauer ausgebildet hat. Anzumerken ist, dass die Mauer hiervon keinen nachweislichen Schaden erlitten hat.

4 Maßnahmenplanung und Vereinbarkeit von Bäumen mit HWS-Anlagen

Bereits Mitte des letzten Jahrhunderts wurden Empfehlungen für Deiche und Dämme gegeben, welche vorsahen, dass der „Deich selbst … frei von Bäumen und Büschen sein“ soll (SCHRÖDER 1950). Dieser Grundsatz zieht sich derzeit durch alle Normen, Richtlinien und Regelwerke. Im Allgemeinen werden und wurden Zonierungen und Sicherheitsabstände eingeführt, welche die Zulässigkeit von unterschiedlich klassifizierten Gehölzen definieren. In Abbildung 7 ist der Regelfall für die Zulässigkeit von Bewuchs an Deichen an Fließgewässern dargestellt.

Abbildung 7: Bewuchsregeln für einen Deich nach DIN 19712 und DWA-M 507 Teil 1 und Teil 2 für den Regelfall (aus HASELSTEINER 2018c)

Abbildung 8: Querschnitt eines zu ertüchtigenden Deiches mit Freistellung von Gehölzen

Für normal dimensionierte Deiche ist der Regelfall maßgebend. Jedoch können überdimensionierte Deiche und/oder zusätzliche Sicherungsmaßnahmen es ermöglichen, Bäume im Ausnahmefall zuzulassen. Dies ist nach DIN 19712 zulässig, wenn unter anderem z. B. die Standsicherheit des Deiches für den Lastfall „Baum- bzw. Windwurf“ nachgewiesen werden kann. Dafür sind „in der Regel überdimensionierte Querschnitte (Überprofil) oder besondere Sicherungselemente (z. B. Spundwände)“ erforderlich.

Werden statische Ersatzsysteme (Systeme, die die Standsicherheit des vorhandenen Trag- bzw. Bauwerks übernehmen) z. B. in Form von Spundwänden vorgesehen, wird i. d. R. das Versagen des Baumes inklusive Ausbruch des Wurzelkraters angesetzt. Die statisch tragende „Innendichtung“ muss dann einen Geländesprung, sprich Erd- und Wasserdruck, welcher Biegung erzeugt, aufnehmen. Die Verformungen am Kopf des Elementes sind zu begrenzen. Die Festlegung des Wurzelkraters bzw. des Ausbruchkörpers sowie die Lage – land- oder wasserseitig – sind hier fallspezifisch festzulegen.

Als Sicherungsmaßnahmen kommen u. a. Wurzelschutzbarrieren, statische Ersatzsysteme und erdbauliche Anschüttungen in Betracht. Wurzelschutzbarrieren können aus Geokunststoffen oder grobkörnigen Bodenstoffen bestehen. Statische Ersatzsysteme bilden i. d. R. vertikale Dichtungselemente, wie z. B. Stahlspundwände, bewehrte Bodenvermörtelungswände, selten Bohrpfahlwände, Schlitzwände oder andere Methoden des Spezialtiefbaus, wie z. B. moderne Kunststoffwände (z. B. HASELSTEINER & STROBL 2006; HASELSTEINER 2008, 2018a, b; HASELSTEINER & RIEMKE 2017). Da nach WHG grundsätzlich ein Eingriff in das Abflussprofil und die Beeinträchtigung von Retentionsraum nicht zulässig sind, werden Überprofile i. d. R. in Form von in Richtung Landseite entwickelten sehr breiten Kronen oder Bermen ausgebildet, worauf dann Bäume unter Beachtung des Baumversagens geduldet werden können.

Je nach projektspezifischen Randbedingungen kann auch trotz der Einbringung von massiven Sicherungsmaßnahmen seitens der Genehmigungsbehörden gefordert werden, Gehölze im Umfeld der HWS-Anlage zu entfernen. In einem Deichertüchtigungsprojekt in Düsseldorf wurde zwar die Anordnung einer statisch wirksamen Spundwand geplant, jedoch auch gleichzeitig ein gehölzfreier Bereich vorgesehen, der mit den Vorgaben hinsichtlich der Schutzzonen I und II (10 m) der Deichschutzverordnung (DSchVO) der Bezirksregierung Düsseldorf (BezReg 2000) im Einklang steht (Abbildung 8). Die Maßnahme entspricht somit dem Regelfall der Matrix in Abbildung 9.

Abbildung 9: Bewuchsregeln für einen Deich im Regelfall und Ausnahmefall nach DWA-M 507–2 (Entwurf)

Derzeit befindet sich das Merkblatt DWA-M 507–2 in Bearbeitung. Es soll weiterführende Hinweise und Empfehlungen zum Umgang mit Gehölzen auf Deichen an Fließgewässern beinhalten.

In Abbildung 9 ist ein Vorschlag einer Zonierung zur Beurteilung der Zulässigkeit von Gehölzen an Deichen in Abhängigkeit davon, ob es sich um einen Regeloder Ausnahmefall handelt, dargestellt (vgl. HASELSTEINER & STROBL 2006; HASELSTEINER 2007a, 2010a, b).

Abbildung 10: Ein mit einer statisch wirksamen Dichtung ausgebildeter Deich in Oberbayern

Abbildung 11: Pappelallee auf Deichkronenbereich auf dem Niederkasseler Deich in Düsseldorf

Die Zulässigkeit wird unter Berücksichtigung von Aspekten der Hochwassersicherheit – Standsicherheit, Verteidigung, Unterhaltung, Überwachung – und des zu erwartenden Gefahrenpotentials des Gehölzes, welches sich in der Gehölzklasse niederschlägt, sowie der Lage des Gehölzes relativ zur HWS-Anlage beurteilt. Die Gehölzklasse I (GeK) umfasst sehr große Bäume mit starkem Wurzelwachstum wie z. B. Pappel und Robinie. Kleinwüchsige Sträucher, wie z. B. die Brombeere oder die Heckenkirsche, werden der GeK IV zugeordnet (siehe HASELSTEINER 2007b; vgl. BAW MSD 2011). Bei einem Projekt in Oberbayern sollte in Zukunft Gehölzbewuchs, welche ca. einer GeK II entspricht, bis an den Deich heranreichen können, sodass man sich u. a. für die Verwendung eines statischen Ersatzsystems bzw. einer statisch wirksamen Dichtung, welche aus einer Kombination aus Spund- und Bodenvermörtelungswand besteht, entschieden hat (Abbildung 10). Da es sich hier um einen Neubau handelt, müssen die Gehölze im Baubereich entfernt und natürlich kompensiert werden. Die Maßnahmen entsprechen dem Ausnahmefall (Nr. 4) in Abbildung 9. In einigen Situationen stellt sich die Deichbreite so dar, dass dies dem Ausnahmefall (Nr. 3) nach Abbildung 9 entspricht. Die Deichkrone wurde aufgrund von historischen Bautätigkeiten oder aufgrund der topographischen Gegebenheiten sehr breit ausgeführt, so dass auch Großbewuchs auf der Deichkrone geduldet werden kann. In Düsseldorf befindet sich beispielsweise eine Pappelallee auf einem sehr breiten Abschnitt des Niederkasseler Deiches (Abbildung 11).

5 Konzeptioneller Ansatz, Abwägung und Kosten

Bei interdisziplinären Hochwasserschutzprojekten treffen, wie bereits erwähnt wurde, nicht selten sehr voneinander abweichende Vorstellungen und Interessen aufeinander. Jedoch sind sich i. d. R. alle Beteiligten und Betroffenen einig, dass die Gewährleistung oder die Herstellung des Hochwasserschutzes oberste Priorität hat.

Die für die Herstellung oder Sicherstellung des Hochwasserschutzes erforderlichen Maßnahmen sind unter Beachtung von gesetzlich verankerten naturschutzfachlichen und landschaftsästhetischen Aspekten umzusetzen. Besonders in städtischen Bereichen sind zahlreiche weitere Vorgaben beim Umgang mit Bäumen zu beachten, wie z. B. Alleenschutz, eine Baumschutzsatzung, ein Grünflächen-/Grünordnungsplan, ein Bebauungsplan, etc.

Abbildung 12: Ablaufdiagramm zur Maßnahmen- und Kompensationsplanung bei Eingriffen durch Maßnahmen an HWS-Anlagen

In Abbildung 12 ist ein Ablaufdiagramm dargestellt, nach welchem das Vorgehen bei Maßnahmen an HWS-Anlagen untergliedert werden kann. Nach Festlegung der Notwendigkeit von Maßnahmen hinsichtlich Standsicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Verkehrssicherheit (Prozesse A und B) ist aus der Sicht von Natur- und Umweltschutz sowie Landschaftsästhetik und Städtebild zu beurteilen, ob die betroffenen Gehölze erhaltenswert sind (Prozesse C und D). Bei der Auswahl der technischen Maßnahmen (Prozess E) kann dann eine Anpassung der Maßnahmen erfolgen (Prozess F). Die Anpassung der Maßnahmen hat i. d. R. eine Kostensteigerung zur Folge.

Abschließend ist bei derartigen Projekten der Eingriff zu beurteilen (Prozess G) und zu kompensieren (Prozess H). Hierbei wird i. d. R. versucht, die Kompensation von z. B. Baumfällungen so durchzuführen, dass die Funktion lokal wiederhergestellt wird, was praktisch einer Ersatzpflanzung von Bäumen vor Ort entspricht.

Die Mehrkosten für die Ausbildung von „gehölzresistenten“ Hochwasserschutzanlagen können bei erdbaulichen HWS-Anlagen 50% der Baukosten und bei Mauern über 15% betragen. Wobei bei dieser Schätzung bei Mauern davon ausgegangen wird, dass der Baum die Standsicherheit von relativ massiven Mauern i. d. R. nicht wesentlich beeinflussen kann.

Literatur

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DWA-M 507–2, 2018: Deiche an Fließgewässern – Teil 2: Ökologische Gesichtspunkte und Bewuchs auf Deichen. Merkblatt 507–2, Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA), Hennef (in Bearbeitung).

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PATT, H.; GONSOWSKI, P., 2010: Wasserbau – Grundlagen, Gestaltung von wasserbaulichen Bauwerken und Anlagen. Springer Heidelberg Dordrecht London New York.

SCHROEDER, G., 1950: Landwirtschaftlicher Wasserbau. Springer-Verlag Berlin Göttingen Heidelberg.

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Autor

Dr.-Ing. Ronald Haselsteiner hat als Fachgebietsleiter im Fachbereich Wasserbau ständig mit Hochwasserschutzprojekten und Stauanlagen und somit mit Deichen, Dämmen und Mauern zu tun. Innerhalb seiner Forschungstätigkeit an der TU München und seiner Dissertation 2007 hat er sich insbesondere mit den unterschiedlichen Bewuchsformen und deren Auswirkungen auf und an Deichen beschäftigt. Seit 2005 ist er bei allen deichspezifischen Merkblättern der DWA involviert und versucht auch im Rahmen dieser Tätigkeit den interdisziplinären Dialog mit den anderen Fachgebieten aufrechtzuerhalten.


Dr.-Ing. Ronald Haselsteiner

Björnsen Beratende Ingenieure GmbH

Fachgebietsleiter Wasserbau

Maria Trost 3

56070 Koblenz

Tel. (0261) 8851 359

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