Journalismusforschung

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Obwohl technische Innovationen das Berufsbild von Journalisten stets verändert und mitgeprägt haben, blieben im Printwie im Funkjournalismus redaktionelle Aufgaben einerseits und technische Aufgaben andererseits bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend getrennt. Ab Mitte der 1970er-Jahre ändert sich dies jedoch grundlegend, als elektronische Produktionssysteme im Medienbereich Einzug halten. Dies gilt zunächst in besonderer Weise für den Zeitungs- und Zeitschriftenjournalismus in der Folge der Implementation von Redaktionselektronik in den Zeitungsverlagshäusern (vgl. Weischenberg 1978; Mast 1984; Pürer 1985). Denn dadurch wurden technische Aufgaben wie Texterfassung und Textgestaltung, die zuvor von Setzern und Metteuren vorgenommen wurden, aus den Setzereien weitgehend in die Redaktionen verlagert und müssen dort nun von den Journalisten weitgehend selbst durchgeführt werden. Ähnliches vollzog sich durch sog. elektronisches Broadcasting sowie durch die Einführung der digitalen Technik (z. B. elektronisches Schneiden) in den Radio- und Fernsehredaktionen. Ein weiterer Technologieschub, der für Journalisten nicht ohne Folgen bleibt, ist in den multimedialen Möglichkeiten des Onlinejournalismus zu sehen, die Text, Ton, Bild, Video und Grafik vereinen (siehe Kap. 4.4). Nicht zu Unrecht wurde daher zunächst vom »redaktionstechnischen Journalismus« (Pürer 1985) gesprochen und konnte man im Weiteren besser (und eleganter) vom »elektronischen Publizisten« sprechen, der sowohl redaktionelle (Inhalt) wie auch zunehmend technische Aufgaben (Form, Gestaltung) integriert.


2.2Journalismus und politisches System

Für den Journalismus in Deutschland gilt, dass Möglichkeiten seiner mehr oder weniger ungehinderten Ausübung von Anfang an eng mit dem jeweils herrschenden politischen System verbunden waren. Dies geht aus dem langen Kampf um die Pressefreiheit in Deutschland hervor (vgl. u. a. Fischer 1982; Wilke 1984a). Es gibt sie – trotz Aufhebung der Zensur im Jahre 1848 – uneingeschränkt de facto erst seit 1949 mit dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes in Westdeutschland, in Ostdeutschland erst seit der 1990 erfolgten Wiedervereinigung. Davor wurden deutsche Journalisten »in den absoluten Fürstenstaaten politisch verfolgt, durch Bismarcks Sozialistengesetz kaltgestellt, in Weimar für ideologische Ziele missbraucht, in Nazideutschland ins Konzentrationslager geworfen und in der DDR als Funktionäre des Klassenkampfes eingesetzt, wobei jede dieser Zeiten sich durchaus nicht nur auf eine Repressalie beschränkte« (Donsbach 1999a, S. 492).

In pluralistischen demokratischen Systemen wie der Bundesrepublik Deutschland werden den Massenmedien aus einer idealistischen normativen Sicht wichtige Funktionen zugewiesen: Sie sollen eine demokratiepolitisch wichtige Aufgabe erfüllen, indem sie nicht nur Öffentlichkeit über gesellschaftlich relevante Vorgänge in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur herstellen, sondern v. a. auch Kritik- und Kontrollaufgaben wahrnehmen, indem sie auf die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien bei Gesetzgebung (Legislative), Gesetzesvollzug (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) sorgfältig achten. Sie sind idealiter in das Prinzip der Gewaltenteilung eingebunden. Gleichwohl stellen Medien und Journalismus keine »Vierte Gewalt« (Publikative) dar: Weder sieht dies das Grundgesetz vor, noch verfügt die Mehrheit der Journalisten über die dazu erforderlichen Kompetenzen und Qualifikationen. Nicht zu übersehen ist in diesem Kontext zudem, dass große Medienbetriebe selbst mächtige Institutionen darstellen und Interessen verfolgen, sich damit also die Frage nach der »Kontrolle der Kontrolleure« stellt.

In den meisten pluralistischen Demokratien westlichen Typs ist in der Ausübung des journalistischen Berufs ein Jedermannsrecht zu sehen. Dies ist auch in Deutschland der Fall. Daher ist hier die Berufsbezeichnung Journalist auch nicht geschützt. Begründet wird dies mit Art. 5 des Grundgesetzes, wonach »jeder […] das Recht (hat), seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]«. Folgerichtig ist der Zugang zum Beruf im Prinzip auch nicht an spezielle Voraussetzungen oder Ausbildungsgänge gebunden. (Dies schließt freilich nicht aus, dass sich Journalisten angesichts zunehmender Komplexität von Vorgängen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur mehr denn je eine besonders qualifizierte Ausbildung angedeihen lassen sollten – vgl. Kap. 2.3). In Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes ist auch die wichtigste Rechtsgrundlage der journalistischen Arbeit zu sehen. Er verbürgt einerseits die Pressefreiheit als individuelles (Abwehr-) Recht für jeden einzelnen Bürger und garantiert andererseits die Freiheit der Medien von jeglicher staatlichen Einflussnahme. Weitere relevante Rechtsgrundlagen für den Journalismus sind (nicht zuletzt auf Grund der föderativen Struktur Deutschlands) u. a. in den Landesverfassungen und Landespressegesetzen, in medienrelevanten zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen sowie in zahlreichen anderen Rechtsmaterien zu sehen (vgl. Pürer/Raabe 2007, S. 331ff).

Zu erwähnen ist in diesem Kontext, dass die Journalisten zur Erfüllung ihrer öffentlichen und dem Gemeinwohl dienenden Aufgabe einerseits mit Sonderrechten ausgestattet sind, ihnen andererseits aber auch besondere Pflichten auferlegt werden. Zu den Sonderrechten (vgl. Pürer/Raabe 2007, S. 354ff) gehören z. B. der besondere Auskunftsanspruch gegenüber Behörden, das Zeugnisverweigerungsrecht (Informantenschutz) sowie die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses (Beschlagnahmeverbot von eigenbeschafften Unterlagen, Durchsuchungsverbot). Zu den besonderen Pflichten zählen u. a. die Verpflichtung zur Berichtigung falscher Nachrichten sowie die Sorgfaltspflicht: Sie hält Journalisten an, alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung genau auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.


2.3Ausbildung und Sozialisation im Journalismus

Da, wie erwähnt, Pressefreiheit ein Jedermannsrecht ist, ist der Berufszugang in den Journalismus prinzipiell offen und nach wie vor nicht an eine formalisierte Ausbildung gebunden. (»Eine staatliche Ausbildung wäre […] nur für den Fall zulässig, in dem Journalisten unzureichend ihre öffentliche Aufgabe erfüllen würden und damit die Pressefreiheit selbst gefährdet wäre« – Donsbach 2009, S. 98). In die Qualifikation von Journalisten wurde seitens der Medienbetriebe für lange Zeit (unverständlicherweise) nur wenig Aufwand und Mühe investiert, dem klassischen, einer Lehre vergleichbaren Volontariat nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Für lange Zeit galt der Journalismus v. a. unter Medienpraktikern gar als »Begabungsberuf«, der nicht erlernbar sei. Diese befremdende und überholte Auffassung (um nicht zu sagen: Ideologie) ist heute nur noch selten vorzufinden. Im Gegenteil: Da 1) zunehmend viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens einer wissenschaftlichen Durchdringung unterliegen, 2) zahlreiche Vorgänge in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur infolge ihrer hohen Komplexität nur noch schwer zu durchschauen sind und 3) immer größer werdende Informationsmengen zu bewältigen sind, hat sich weithin die Einsicht durchgesetzt, dass (nicht nur – aber v. a.) im Informationsjournalismus tätige Personen über eine gute Ausbildung verfügen sollten.

Die Forderung nach qualifiziert ausgebildeten Journalisten kam Anfang der 1970er-Jahre auf. Damals konnte in einer bundesweit unter Zeitungsvolontären durchgeführten Umfrage empirisch nachgewiesen werden, dass die redaktionelle Ausbildung den Anforderungen an einen modernen Journalismus weitgehend nicht entsprach (vgl. Kieslich 1971, 1974). In einem vom Deutschen Presserat initiierten und (zunächst 1971 und dann 1973) von Verlegern, Journalisten und Wissenschaftlern erarbeiteten »Memorandum zur Journalistenausbildung« (siehe Aufermann/Elitz 1975, S. 286ff) wurden Empfehlungen zur Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten von Journalisten festgehalten. Es entfaltete sich daraufhin in weiten Bereichen des Medienwesens eine heftige Ausbildungsdebatte, die in der Kommunikationswissenschaft in eine Diskussion über die Professionalisierung des Journalismus mündete (vgl. Publizistik 19:1974 Heft 3–4 sowie Publizistik 20:1975, Heft 1–2; vgl. Aufermann/Elitz 1975). Ihr ursprünglich aus den USA stammender Grundgedanke war, angesichts gestiegener Berufsanforderungen für den Journalismus u. a. ähnliche Ausbildungs- und Zugangsregeln zu schaffen wie sie etwa für klassische Professionen (Lehrer, Ärzte, Rechtsanwälte etc.) gelten und die Journalisten auf verantwortungsethisches Handeln zu verpflichten. Zu einer solchen – allgemein verbindlichen – Professionalisierung des journalistischen Berufs kam es aber aus mehreren Gründen nicht: So wurde sie mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht für vereinbar gehalten. Außerdem wurde eingewendet, eine vereinheitlichte Journalistenausbildung könnte zu einer Homogenisierung der Weltsicht der Journalisten führen, was die Vielfalt der Meinungen beeinträchtigen könnte. Auch wurde befürchtet, dass die Professionalisierung des Journalismus zu einer Abschirmung der Journalisten vom Publikum führt. Last but not least wurde argumentiert, dass der Journalist der Wahrheit verpflichtet sei und somit auch gesinnungsethisch handeln müsse; ihm könne und dürfe – nicht zuletzt infolge unzureichender Kenntnisse der Medienwirkungsforschung – (ausschließlich) verantwortungsethisches, also an den vermeintlichen oder wirklichen Folgen orientiertes Handeln, nicht abverlangt werden (vgl. Kepplinger/Vohl 1976; Kunczik, 1977, 1988).

 

Gleichwohl gingen von dieser Ausbildungsdebatte zahlreiche Impulse und Initiativen für die Verbesserung der Ausbildung von Journalisten aus. So wurden in der Folge an mehreren Universitäten Diplomstudiengänge für Journalistik errichtet, universitäre und außeruniversitäre studien- und berufsbegleitende Ausbildungseinrichtungen geschaffen, neue Journalistenschulen etabliert und auch dem Volontariat mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Ausbildungsvertrag zwischen Verleger- und Journalistenverbänden, der das zweijährige Volontariat in Zeitungsverlagshäusern inhaltlich regelt, kam allerdings erst viele Jahre später, nämlich 1990 zu Stande.

Mindestvoraussetzung, um heute im Journalismus tätig zu sein, ist der Nachweis des Abiturs. In zahlreichen Zeitungs- und Rundfunkredaktionen ist für den Einstieg in den Journalismus ein abgeschlossenes (Fach-)Studium unabdingbar. Es gibt auch mehrere Wege, die in den Journalismus (Print-, Funk-, Onlinemedien) führen. Zu erwähnen sind insbesondere folgende:

 Das klassische Volontariat: Es dauert in den Zeitungsverlagshäusern zwei Jahre, führt den Volontär durch mehrere Ressorts und vermittelt in aller Regel eine gute praktisch-handwerkliche Ausbildung.

 Freie Journalistenschulen: Die Ausbildung findet in Kompaktkursen statt, die 18 bis 24 Monate dauern und neben einer soliden, teils mehrmedialen praktisch-handwerklichen Ausbildung (Print, Funk, Online) auch medien- und berufskundliche Inhalte vermitteln.

 Universitäre Ausbildungsgänge in Form von Bachelor- und Masterstudiengängen Journalismus: Sie integrieren eine crossmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung mit einer theoretisch-kommunikationswissenschaftlichen. Es gibt darunter Masterstudiengänge, deren Studierende ein Bachelor- oder Masterstudium in einem anderen Fach (Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Literaturwissenschaft etc.) abgeschlossen haben, sodass viele von ihnen über inhaltliche Voraussetzungen für die Tätigkeit in einem Ressort verfügen.

 Das Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft: Es vermittelt in seinen BA- und MA-Studiengängen, wie sein Name sagt, eine primär theoretische bzw. wissenschaftliche Ausbildung und versucht, Einblicke in die breite Palette der Kommunikationsberufe (Journalismus, Public Relations, Werbung, Medienmanagement, Onlinekommunikation etc.) zu bieten. (Pflicht-)Praktika ergänzen in aller Regel ihr Lehrprogramm.

 Fachhochschulstudiengänge: Sie leisten eine ressortbezogene Grundausbildung, vermitteln gleichzeitig eine (in aller Regel mehrmediale) praktisch-handwerkliche Ausbildung (Print, Funk, Online) sowie medien- und berufskundliches Wissen.

 Studienbegleitende Akademien: Sie vermitteln Studierenden aller Studienrichtungen begleitend zum Studium (vorwiegend in der vorlesungsfreien Zeit) eine intensive praktisch-handwerkliche (Print oder Funk oder Online) sowie medien- und berufskundliche Ausbildung in Form von mehrwöchigen bzw. mehrmonatigen Kompaktkursen und ergänzenden (Wochenend-) Seminaren.

 Berufsbegleitende Akademien: Sie bieten für bereits im Beruf stehende Journalisten (v. a. für Jungjournalisten) und sog. Seiteneinsteiger mehrmonatige bzw. mehrwöchige, vorwiegend praktisch-handwerkliche Ausbildungskurse (Print, Funk, Online) sowie mehrtägige medien-, berufs- oder ressortkundliche Fortbildungsseminare.

 Journalistenschulen in Medienbetrieben: Sie leisten (meist) eine crossmediale praktisch-handwerkliche Ausbildung, die durch medien- und berufskundliche Ausbildungsinhalte (darunter auch Medienökonomie) ergänzt wird.

Überblicke über die Ausbildungslandschaft im deutschen Sprachraum und deren Entwicklung in den zurückliegenden drei Jahrzehnten vermittelt Walter Hömberg (2005). Er spricht von einer »Expansion« (Zunahme an Ausbildungsofferten) sowie von einer zunehmenden »Differenzierung« (Universitäten, Fachhochschulen, private Einrichtungen etc.). Auch der sog. Bologna-Prozess, die Einführung zweigliedriger Studiengänge mit den Abschlüssen Bachelor und Master, spielt(e) eine Rolle (Hömberg 2005, S. 16ff; Hömberg/Hackel-de Latour 2005; Altmeppen/Hömberg 2002).

Was die Ausbildungsinhalte betrifft, so besteht Übereinkunft darüber, dass Journalisten – v. a. jene, die bei den klassischen Medien im Informationsbereich arbeiten – über eine möglichst umfassende und breit angelegte Ausbildung verfügen sollten. Fünf Gebiete sind anzusprechen (vgl. Pürer 1996b, S. 402f):


1)
2)Ein fundiertes, allgemeines gesellschaftliches Grundlagenwissen mit Kenntnissen über Staat, Politik, Recht, Gesellschaft und Kultur. Es ermöglicht im Bedarfsfall den Einsatz des Journalisten in mehreren Ressorts.
3)Ein umfassendes Ressortwissen in Politik oder Wirtschaft oder Kultur oder Sport oder Sozialem etc. Es ist unerlässlich für jenes Ressort, in welchem man vorwiegend arbeitet und für das man ohne Spezialwissen nicht mehr auskommt.
4)Die Grundlagen der Methoden und Techniken der Sozial- und Medienforschung. Journalisten sind oft mit empirischem Datenmaterial konfrontiert, dessen Entstehung und Qualität sie unbedingt beurteilen können sollten.
5)Eine gute Kenntnis des Medien- und Berufswissens, um über eigene Rechte und Pflichten genau Bescheid zu wissen.

Zu ergänzen ist dieser Katalog um Ausbildungsinhalte, die aus dem Vorhandensein neuer Kommunikations- und Medienangebote in Onlinemedien wie Blogs, soziale Gemeinschaften, Kurznachrichtendienste, Kommentarfunktionen und andere Kommunikationsanwendungen und -möglichkeiten resultieren.

Aus diesem Ausbildungskatalog ergeben sich Kompetenzen, über die Journalisten verfügen sollten. Weischenberg hat 1990 auf drei Schlüsselkompetenzen hingewiesen (Weischenberg 1990): die Fach- und Organisationskompetenz (das Handwerk und das Medienwissen), die Sachkompetenz (das Ressortwissen) sowie die Vermittlungskompetenz (die mediengerechte Artikulationsfähigkeit). Claus Eurich spricht die folgenden Kompetenzen an: die Selektionskompetenz (Herstellung und Wahrung des Blicks auf und für das Wesentliche); die Recherchekompetenz (Auffinden und Prüfen der Seriosität von Quellen, systematisches Gegenrecherchieren etc.); die Kontextkompetenz (ereignisbezogen Schnittstellendimensionen freilegen, neue Themenfolgen erschließen etc.); die Vermittlungskompetenz (Sprachkompetenz, Kompetenz der Stilformen, Kompetenz der Visualisierung etc.); die Reflexionskompetenz (Berücksichtigung sozialer Prozesse und ontologischer Komponenten) und die Sozialkompetenz (Bedachtnahme auf den Umstand, dass durch die Folgen journalistischer Tätigkeit im weitesten Sinne die Herstellung und Verstärkung von gesellschaftlichem Sinn und Eigensinn erfolgt) (vgl. Eurich 1998, S. 16).

Die European Journalism Training Organisation (EJTA) hat 2006 mit Blick auf die Veränderungen, durch die der Journalismus infolge des Internets gekennzeichnet ist, den nachfolgend genannten Kompetenzenkatalog entwickelt (hier in Übernahme von Steffen Burkhardt 2009, S. 10–12):

 Reflexionskompetenz: Kenntnis der gesellschaftlichen Grundwerte, Entwicklung des Mediensystems sowie der Zielgruppen journalistischer Produkte. Bedeutung des Journalismus in modernen Gesellschaften, seine Verantwortung, seinen Einfluss. »Journalisten müssen die Werte, die durch ihre professionellen Entscheidungen zum Ausdruck gebracht werden, erkennen, benennen und begründen können« (Burkhardt 2009, S. 10).

 Vermittlungskompetenz: Öffentlichkeitswirksame Inhalte identifizieren, sie mediengerecht für spezifische Zielgruppen aufbereiten, analytischer Zugang zu aktuellen Ereignissen, Kenntnisse der Nachrichtenfaktoren, Verständnis der Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen von Medien, Medieninstitutionen und Medienprodukten. »Nur wer Ereignisse für spezifische Zielgruppen selektieren kann, ist journalistisch in der Lage, öffentliche Diskurse, Diskussionen und Debatten reflektiert zu gestalten« (Burkhardt 2009, S. 11).

 Planungs- und Organisationskompetenz: realistische Arbeitspläne erstellen und umsetzen können. »Journalistinnen und Journalisten sollten dabei trotz Außendrucks zielführend arbeiten können und flexibel genug sein, spontan auf unerwartete Entwicklungen angemessen zu reagieren« (ebd.).

 Informationskompetenz: Informationen nachrichtlich erfassen und verarbeiten können, Kenntnis von Informationsquellen/Informanten, Referenzpublikationen, Datenbanken, Nachrichtenagenturen, Fähigkeit; Quellen zu hinterfragen, Beiträge durch (Double-)Checks objektivieren. »Vor allem durch die neuen Medien wird Informationskompetenz auch als Basis für einen Interaktionsprozess verstanden und in einem weiteren Sinn als Fähigkeit gesehen, mit der Gesellschaft informierend zu interagieren« (ebd.).

 Selektionskompetenz: Zwischen relevanten und weniger relevanten Aspekten unterscheiden können, richtig gewichten; Informationen korrekt, akkurat, zuverlässig und vollständig verarbeiten und sie in den richtigen Kontext setzen können. »Bei der Selektion müssen sie Informationen für ein spezifisches Medium verarbeiten und die Folgen ihrer Auswahl für die Zielgruppe, die Gesellschaft (zunehmend auch aus interkultureller Perspektive), die Informanten, die Betroffenen und sich selbst abwägen« (Burkhardt 2009, S. 11f).

 Strukturierungskompetenz: Kenntnis der Darstellungsformen, für spezifische Inhalte angemessene Form wählen, auf Erzählstrukturen achten »und die Strukturen der Informationsaufbereitung auf die Bedürfnisse eines Medienprodukts abzustimmen« (Burkhartd 2009, S. 12).

 Präsentationskompetenz: Sich schriftliche und mündliche Sprachfertigkeit aneignen, Informationen möglichst auch crossmedial aufbereiten können (durch Verknüpfung von Texten, Bildern, Tönen, Videosequenzen); sich Genre-, Technik und Layoutkenntnisse aneignen. »Ziel ist dabei nicht, alles zu können, sondern eine Koordinationsfähigkeit für die Arbeit im Team zu entwickeln und z. B. Techniker in Hinblick auf eine sinnvolle Präsentation von Themen anzuleiten« (ebd.).

 Evaluationskompetenz: Eigene Arbeit und die anderer auf Basis von Qualitätskriterien bewerten können. Die Evaluationskompetenz »erfordert eine Offenheit für kritische Selbst- und Fremdevaluation als konstruktiver Voraussetzung zu Weiterentwicklung der journalistischen Arbeit und die Bereitschaft, Verantwortung für die Folgen von Veröffentlichungen zu übernehmen« (ebd.).

 Soziale Kompetenz: Sozial akzeptierte Umgangsformen, Engagement und Initiative in der Teamarbeit, Erkennen und Beachten von hierarchischen Beziehungen. Die soziale Kompetenz »setzt die Kenntnis der beruflichen Aufgabe, persönlicher Stärken und Schwächen und die Reflexion von Kolleginnen und Kollegen voraus« (ebd.).

Im Zusammenhang mit dem Thema Ausbildung sei noch kurz die Frage angesprochen, welche Stadien ein Journalist durchschreitet, wenn er im Zuge des Eintritts in eine Redaktion gleichsam schrittweise die journalistische Berufsrolle übernimmt. Es handelt sich dabei um einen Vorgang, der allgemein als berufliche Sozialisation bezeichnet wird und den es in allen anderen Berufen auch gibt. Sie geht im Wesentlichen in drei Etappen vor sich (vgl. Rühl 1971, Langenbucher 1971; Gruber 1976, Gottschlich 1980): In der Rekrutierungsphase (unmittelbar vor Berufseintritt) sind die soziale Herkunft des Journalisten, v. a. aber seine Vorstellungen über den Beruf, seine Erwartungen an den Beruf sowie seine Motivation von Bedeutung. Es konnte festgestellt werden, dass Journalisten eher der Mittel- und Oberschicht entstammen, sie den Beruf ergreifen, weil sie sich ein hohes Maß an Selbstverwirklichung erwarten und mit dem Beruf oftmals idealistische Erwartungen verbunden sind (die Welt verbessern, Macht ausüben können, anderen helfen). In der Konkretisierungsphase, also während der redaktionellen Ausbildung, erhält der in die Redaktion Eintretende vielfältige An- und Unterweisungen, lernt Sanktionsmöglichkeiten (Lob, Tadel) kennen und erfährt bei Bewährung auch berufliche Förderung. In dieser Phase übernimmt oder antizipiert er bewusst oder unbewusst Verhaltensregeln, verinnerlicht allmählich die in der Redaktion geltenden Werte, passt sich an und übt vielleicht auch Selbstzensur. Kurz: Er lernt die Diskrepanz zwischen Berufsvorstellungen und -erwartungen einerseits und der Berufswirklichkeit andererseits kennen. In der Konsolidierungsphase, nach dem Ende der Ausbildung, kommen die Ergebnisse beruflicher Sozialisation zum Tragen: Die redaktionellen Mitgliedsregeln und die Berufsethik werden übernommen, es bildet sich das persönliche Berufsverständnis heraus. Die Grundmuster berufsspezifischer Vorstellungsbilder wie berufliche Autonomie, moralische Integrität sowie das Gefühl persönlicher Kompetenz verfestigen sich.

 

2.4Berufsbild und Berufsstruktur

Wie erwähnt, ist die Berufsbezeichnung Journalist in Deutschland und zahlreichen anderen demokratischen Ländern westlicher Prägung nicht geschützt: Rein rechtlich kann sich jeder als Journalist bezeichnen. Es gibt daher auch kein allgemein verbindliches Berufsbild. Und angesichts der Fülle journalistischer Berufe mit je unterschiedlichen Arbeitsfeldern und Tätigkeitsmerkmalen verwundert es folglich nicht, dass neuere Definitionen von »Journalist« bzw. »Journalismus« in aller Regel eher allgemein gehalten sind. So definiert z. B. Manfred Rühl Journalismus (aus systemtheoretischer Sicht) als »Herstellung und Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation« (Rühl 1980, S. 319), wobei das Kennzeichen der Themen, die der Journalismus bereitstellt, das Aktualitätsprinzip ist.

Gleichwohl haben »seit jeher die Strukturdefinitionen im Berufsbild des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) eine starke normative Kraft ausgeübt« (Donsbach 1999a, S. 489) und zumindest in der Praxis weithin Anerkennung gefunden. Vergleicht man die Berufsbilder des 1949 gegründeten DJV von den Anfangsjahren bis zur Gegenwart, so hat sich der Journalismus entlang dreier Dimensionen bis heute verändert, wie Donsbach festhält: So ist 1) ein Wandel vom Journalismus als Begabungsberuf zum Ausbildungs- und Qualifikationsberuf feststellbar; wird 2) der sog. »subsidiäre Journalismus«, also Tätigkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit, in das Berufsbild integriert; und schließlich werden 3) Tätigkeitsmerkmale und Arbeitsformen an die technischen und wirtschaftlichen Veränderungen in der Medienwelt angepasst (vgl. Donsbach 1999a, S. 490). Die derzeit gültige Definition des Berufsbildes des DJV lautet (DJV 2012):

»Journalistin/Journalist ist, wer nach folgenden Kriterien hauptberuflich an der Erarbeitung bzw. Verbreitung von Informationen, Meinungen und Unterhaltung durch Medien mittels Wort, Bild, Ton oder Kombinationen dieser Darstellungsmittel beteiligt ist:


1)Journalistinnen und Journalisten sind fest angestellt oder freiberuflich tätig für Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Anzeigenblätter oder aktuelle Verlagsproduktionen), Rundfunksender (Hörfunk und Fernsehen), digitale Medien, soweit sie an publizistischen Ansprüchen orientierte Angebote und Dienstleistungen schaffen, Nachrichtenagenturen, Pressedienste, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Wirtschaft, Verwaltung und Organisationen sowie in der medienbezogenen Bildungsarbeit und Beratung.
2)Zu journalistischen Leistungen gehören vornehmlich die Erarbeitung von Wort und Bildinformationen durch Recherchieren (Sammeln und Prüfen) sowie Auswählen und Bearbeiten der Informationsinhalte, deren eigenschöpferische medienspezifische Aufbereitung (Berichterstattung und Kommentierung), Gestaltung und Vermittlung, ferner disponierende Tätigkeiten im Bereich von Organisation, Technik und Personal.
3)Journalistinnen und Journalisten üben ihren Beruf aus als freiberuflich Tätige oder als Angestellte eines Medienunternehmens bzw. im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines Wirtschaftsunternehmens, einer Verwaltung oder einer Organisation.

Freie Journalistinnen und freie Journalisten sind tätig

 regelmäßig für einen oder mehrere Auftraggeber auf der Grundlage individueller Vereinbarungen oder tariflicher Verträge,

 für ein oder mehrere Unternehmen auf der Grundlage von Vereinbarungen im Einzelfall oder ohne Auftrag, indem sie journalistische Beiträge erarbeiten und den Medien anbieten.

Freie Journalistin/freier Journalist ist auch, wer Inhaber oder Anteilseigner eines Medienbüros ist oder im Zusammenschluss mit anderen freien Journalistinnen oder Journalisten arbeitet, sofern die journalistische Tätigkeit dabei im Vordergrund steht. Angestellte Journalistinnen und Journalisten arbeiten auf der Basis des geltenden Arbeitsrechts und bestehender Tarifverträge.«

Aus der sehr detaillierten Beschreibung geht hervor, dass das Berufsbild im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis (fest angestellt oder freiberuflich), auf die Medien (Presse, Rundfunk, Online-, Offlinemedien, Öffentlichkeitsarbeit etc.), auf die Tätigkeitsmerkmale (Recherchieren, Auswählen, Aufbereiten, Gestalten etc.) und auf die Unternehmensart (Medienunternehmen, Wirtschaftsunternehmen, Verwaltung, Organisation) konkretisiert wird. Es bezieht damit einen möglichst umfassenden Kreis von Personen ein, die in Kommunikationsberufen tätig sind. Dies ist nicht zuletzt berufspolitisch für die Verbände selbst (hohe Mitgliederzahlen) sowie für die jeweils Betroffenen (Tarifverträge) von besonderer Bedeutung.

Es ist wiederholt versucht worden, Daten zu Berufsbild, Berufsstruktur, Selbstbild und Fremdbild der Journalisten in Deutschland zu ergründen. Es ist dies forschungstechnisch gar nicht so einfach zu bewerkstelligen: So liegen keine Berufslisten oder Berufsverzeichnisse vor, in die Einsicht genommen werden könnte. Und auch die Berufsverbände sind aus Gründen des Datenschutzes in aller Regel nicht bereit, die Namen ihrer Mitglieder bekannt zu geben. Daher sind Journalismusforscher weitgehend auf die Bereitschaft von Medienbetrieben angewiesen, wenn sie Informationen über die Anzahl der journalistisch Beschäftigten erhalten oder sich für Zwecke wissenschaftlicher Befragungen (mittelbaren oder unmittelbaren) Zugang zu Journalisten verschaffen wollen. Nicht selten stößt man dabei unter den Journalisten auch auf eine beträchtliche Zahl von Antwortverweigerern. Es verwundert dies bei einer Berufsgruppe, die anderen Personengruppen – berufsbedingt natürlich – sehr gerne auf die Finger, unter den Teppich (und mitunter sogar in die Betten) schaut. Möglicherweise ist aber ein Grund auch darin zu sehen, dass zahlreiche Fragebögen – nicht zuletzt von Studierenden der Journalistik oder Kommunikationswissenschaft – auf den Schreibtischen der Journalisten landen, deren Bearbeitung oftmals viel Zeitaufwand bedeutet.

Unter den zahlreichen empirischen Studien, die es über Journalisten in Deutschland seit Ende der 1960er- bzw. Anfang der 1970er- Jahre gibt, seien hier aus Platzgründen jene herausgehoben, die medienübergreifende Gesamtdarstellungen umfass(t)en. Es sind dies Mitte der 1970er-Jahre vorgelegte Studien, Anfang der 1990er- Jahre (nach der Wiedervereinigung) erstellte Studien sowie zwischen 2005 und 2009 entstandene Journalistenbefragungen. Dazu im Einzelnen:

Journalistenenquete 1974,

Synopse »Journalismus als Beruf« 1977

1974 erarbeitete die Arbeitsgemeinschaft für Kommunikationsforschung (AfK) München eine – leider nicht veröffentlichte, sondern nur als vervielfältigter Forschungsbericht vorliegende – repräsentative »Journalistenenquete« (vgl. Böckelmann 1993, S. 56ff). 1977 folgte – ebenfalls von der AfK München – die Forschungssynopse »Journalismus als Beruf« (vgl. Böckelmann 1993, S 58ff). Auch sie liegt nur als vervielfältigtes Manuskript vor. Bei ihr handelte es sich u. a. auch um eine Auswertung von Kernstudien, deren Datenmaterial zugänglich und einigermaßen vergleichbar war (vgl. ebd.). Damals gab es in der Bundesrepublik (also nur Westdeutschland) »etwa 25.000 Journalisten«, unter ihnen mehr als 4.500 freie Journalisten und etwas mehr als 1.500 Volontäre und Praktikanten (ebd.). Die meisten von ihnen arbeiteten bei Tages- und Wochenzeitungen (6.500). »Etwa 3.000 Journalisten waren beim Rundfunk [damals nur öffentlich-rechtlicher Rundfunk – H. P.] und sonstigen AV-Medien tätig« (Böckelmann 1993, S. 59). Die Befragten hielten mehrheitlich (»zwischen der Hälfte und zwei Dritteln«) den Journalismus »für einen ›Beruf für Idealisten‹«, Beziehungen wurden für Karrieren als wesentlich erachtet (Böckelmann 1983, S. 60). Im Rollenverständnis der Befragten dominierte die Auffassung, »politische und gesellschaftliche Prozesse kritisch zu kommentieren und zu kontrollieren« (ebd.), daneben gab es noch »die Rollenvorstellung vom Journalisten als Anwalt unterprivilegierter […] Bevölkerungsgruppen« (ebd.). Das Berufsbild befand sich damals infolge »zunehmender Rationalisierung und Technisierung der journalistischen Berufstätigkeit« im Umbruch (ebd.). Zur Erklärung: Die Einführung elektronischer Systeme der Zeitungsproduktion – und damit die Verlagerung technischer Arbeiten aus dem Bereich Satzherstellung in die Redaktion – stand damals bevor.

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