Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft

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a) Ursache 3: Forderung nach Wertfreiheit in der Sozialwirtschaft

Vollends defensiv wurde die Diskussion als politische Forderungen zunahmen, wertgebundene/freigemeinnützige Organisationen seien schädlich für die Sozialwirtschaftund da der Staat zur Wertneutralität verpflichtet sei, habe er daher darauf zu achten, dass nur wertfreie Organisationen für das Soziale beauftragt werden. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere unterstellt, dass in den Arbeitsrechtsregelungsverfahren des Dritten Weges der Kirchen, der Streik und Aussperrung als Mittel der Tariffindung ausschließt, Mitarbeiter bei Caritas und Diakonie über den Tisch gezogen werden.

Schnell wurde allerdings deutlich, dass damit das verfassungsrechtlich garantierte Subsidiaritätsprinzip, als eine der wertvollsten Errungenschaften unserer Demokratie, geradezu auf den Kopf gestellt wurde. Zudem wurde empirisch mehr und mehr deutlich, dass Mitarbeiter im nicht kirchlichen Bereich der Sozialwirtschaft nicht besser, sondern deutlich schlechter bezahlt werden, da die Gewerkschaften im Angebotswettbewerbssystem in vielen Bereichen nicht in der Lage sind, ausreichende Organisationsmacht zu entwickeln und flächentarifliche Regelungen durchzusetzen.

Dass solche Diskussionen nach Wertfreiheit in der Sozialwirtschaft überhaupt aufkommen konnten, sollte allerdings als endgültige Warnung verstanden werden, bei der Theoriebildung das Bild des notwendigen Übels zu verlassen und eine offensive Ausrichtung für die Organisationsformen des kirchlichen Dienstes und des caritativen Unternehmertums zu wählen. Das mündet in der Forderung nach Tariftreue in der Sozialwirtschaft und Stärkung des wertgebundenen Unternehmertums in der Sozialwirtschaft als wichtigem Beitrag für unsere Demokratie in einem modernen Verständnis von Subsidiarität.

Zunächst aber noch einige Gedanken zu den theoretischen Errungenschaften, die schon in der Phase der defensiven Ausrichtung der Theoriebildung erzielt werden konnten

2. Nachgelagerte Theoriebildung in der Phase der Defensive

In der Kommission Ökonomie der Caritas der Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes erfolgten mit den tarifpolitischen Leitlinien2 (am 20. März 2007 durch die Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes beschlossen) und den unternehmenspolitischen Leitlinien3 (am 16. Oktober 2008 durch die Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes beschlossen) zwei erste wichtige Schritte der nachgelagerten Theoriebildung.

Für unsere Betrachtung ist die Leitlinie eins der Tarifpolitischen Leitlinien essentiell. Sie lautet:

„Gerechten Lohn über gerechte Verfahren realisieren: Die Soziallehre der Kirche fordert eine gerechte Entlohnung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dies erfordert ein kollektivrechtlich begründetes Verfahren der Vereinbarung von Vergütungsregelungen. Die Voraussetzungen für einen fairen Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite sind nur im Rahmen eines kollektiven Verfahrens gegeben. Ein individuell ausgehandelter Arbeitsvertrag kann dies nicht leisten, weil in der Regel nur eine Minderheit leistungsstarker und am Arbeitsmarkt knapper Arbeitskräfte über hinreichende Verhandlungsmacht in individuellen Aushandlungsprozessen verfügt. Gerade auch die Rücksichtnahme auf schwächere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Vergleichbarkeit der Arbeitsverhältnisse spricht für Kollektivverhandlungen. Um Konflikte in den tariflichen Verhandlungen, die innerhalb der Arbeitsrechtlichen Kommission nicht gelöst werden können, klären zu können, müssen effektive außergerichtliche Streitschlichtungsverfahren entwickelt werden.“

Dies ist die ethische Untermauerung der Position für Tariftreue in der Sozialwirtschaft. Danach ist es im Angebotswettbewerb für den Fall, dass es nicht ohnehin zu einem allgemeinverbindlichen Tarif kommt, zwar denkbar, dass es auch zu einem Wettbewerb über die Tarife der verschiedenen Verbände kommt, es müssen aber fair ausgehandelte Flächentarife sein. Haustarife, die stark von Flächentarifen abweichen, oder gar ausschließlich auf individuellen Arbeitsverträgen beruhende Regelungen haben danach im Angebotswettbewerb der Sozialwirtschaft nichts zu suchen. Diese Forderung hat sich beispielsweise das Bündnis für Tariftreue, in dem sich Ver.di, Caritas und Diakonie sowie das Rote Kreuz in Baden-Württemberg zusammengeschlossen haben, auf die Fahnen geschrieben.

Die unternehmenspolitischen Leitlinien haben zwar den wesentlichen formalen Unterschied zwischen einem frei/gemeinnützigen und privat/gewerblichen Unternehmen herausgearbeitet und umfangreich beschrieben, nämlich, dass Gewinne zwar erzielt, aber niemals ausgeschüttet, sondern immer wieder für Hilfeleistungen in der Zukunft verwendet werden. Der wesentliche Unterschied für die unternehmerischen Zielsysteme wurde allerdings zu wenig beleuchtet.

Zwar müssen alle Unternehmen finanzielle Ziele, Ziele in Bezug auf die Qualität der Hilfeleistung und Ziele in Bezug auf die Sorge um die Mitarbeiter in Einklang bringen, wenn Sie im Angebotswettbewerb bestehen wollen. Der wesentliche Unterschied liegt in einer privatgewerblichen Aktiengesellschaft aber darin, dass letzter Souverän die finanziellen Interessen der Anteilseigner sind, die in der Regel auf Wertsteigerung der Aktie und Ausschüttung angelegt sind. Das bewirkt, dass im Konfliktfall in der Regel den finanziellen Zielen der Vorrang gegeben wird.

Ein caritatives frei/gemeinnütziges Unternehmen ist befreit von Ausschüttungszwängen, steht dafür aber vor der komplexen ethischen Herausforderung, dass im magischen Dreieck die qualitäts- bzw. mitarbeiterbezogenen Ziele nicht einfach finanziellen Zielen untergeordnet werden dürfen, im Extremfall sogar dann, wenn dadurch Wachstums- oder sogar Existenzrisiken zunächst einmal erhöht erscheinen.

Dies hat in den Verbänden der kirchlichen freien Wohlfahrt über fast fünfzehn Jahre zu der massiven Diskussion geführt, wie lange das Gebot der Tariftreue aufrechterhalten werden darf, wenn eine Existenzgefährdung für die Einrichtungsträger droht. Diese Diskussion hat erst abgenommen, seitdem die Wende auf dem Arbeitsmarkt auch die bestandsfördernden Eigenschaften flächentariflicher Regelungen wieder deutlicher zu Tage fördert.

IV. Entwicklung des spezifischen kirchlichen Dienstes und des caritatives Unternehmertums als gemeinwohlorientierte Offensive in die säkulare Gesellschaft
1. Änderungen der Rahmenbedingungen ermöglicht offensivere Aktionen

Seit Beginn der 10er Jahre dieses Jahrtausends begann die Schrumpfung des „Scheinriesen“ Angebotswettbewerb als anscheinend wichtigstes Allokationsinstrument zur Steuerung der Ressourcen der Sozialwirtschaft in Richtung einer normalen Größe. Zunächst kam der Druck vor allem über teils skandalöse Entwicklungen bezüglich der Qualität und der Entlohnung der Arbeit bei privaten Subunternehmern, die zwar den günstigsten Preis geboten haben, aber von ihrer gesamten Corporate Governance Struktur eigentlich keinen Platz in einem Angebotswettbewerb haben dürften. Auch der Angebotswettbewerb im Sozialen muss sich letztlich der möglichst guten Hilfestellung für bedürftige Menschen unterordnen und damit dem Gemeinwohl dienen.

Eine erste überaus wichtige Reglementierung, um solche Auswüchse zu vermeiden, war die Einführung eines Mindestlohns für die Pflege zum 1. Januar 2015. Ein politischer Erfolg, der im Übrigen entscheidend durch das abgestimmte Vorgehen der Verhandlungspartner der Arbeitsbedingungen der katholischen Caritas ausging. Und zwar deswegen, weil die ethischen Spannungen und Auseinandersetzungen bei den unteren Lohngruppen der stationären Altenhilfe im Rahmen immer härter werdender Tarifverhandlungen für uns Verhandler unerträglich wurden.

Vollends zum Umdenken hat allerdings das Umkippen des Arbeitsmarktes in einen Angebotsmarkt geführt, der insbesondere in der Pflege schon jetzt fast überall zu wahrnehmbaren Versorgungsnöten führt, obwohl die doppelte demographische Herausforderung in der Pflege (zunehmende Zahl der Pflegebedürftigen bei weniger werdenden jungen Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt erwerbstätig werden) ihren Höhepunkt erst in den Jahren 2025 bis 2030 erreichen wird.

Knappes Gut sind neben den solidarisch verfügbaren Finanzen aus Steuern und Sozialversicherungen damit zunehmend die Menschen, die für soziale Hilfeleistungen benötigt werden. Plötzlich wird immer mehr Akteuren klar, dass diese Probleme durch Angebotswettbewerb alter Prägung sogar gefährlich verschärft werden. Insbesondere der Wettbewerb über den Tarif und die Bezahlung der Mitarbeiter ist in Frage zu stellen. Der in den tarifpolitischen Leitlinien ethisch geforderte Satz (siehe oben) wird plötzlich politikfähig.

Und eine weitere Erkenntnis brach sich mehr und mehr Bahn. Eine ausreichende Versorgung mit sozialen Diensten, und damit auch ein wichtiger Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft, wird nur gelingen, wenn die Aktivierung der sozialen Ressourcen im Sozialraum gelingt. Dies setzt voraus, dass für jeden Sozialraum die überall vorhandenen – allerdings höchst unterschiedlichen – Engagementpotentiale für das Soziale durch je geeignete Kooperations- und Vernetzungsressourcen freigesetzt werden. Hier stellt sich allerdings gleich die spannende ordnungspolitische Frage, wie ein auf sein richtiges Maß geschrumpfter Angebotswettbewerb zu gestalten ist, der trotz Wettbewerb Kooperation und Vernetzung im Sozialraum befördert.

2. Chancen für den kirchlichen Dienst und caritatives Unternehmertum im gemeinwohl- und sozialräumlich orientierten Politikmodell

Vor dem Hintergrund wurden vor allem die Grenzen des Wettbewerbes ohne Kooperation bei der Lösung der doppelten demographischen Herausforderung in der Pflege problematisiert. Auf der Grundlage eines politischen Modells für die Sozialwirtschaft – das im Rahmen des Bündnisses für Tariftreue in Baden-Württemberg entstanden ist – waren eine tiefergehende Problemanalyse sowie eine anregende Diskussionen zur Veränderung der politischen und sozialräumlichen Steuerung der Sozialwirtschaft sowie ein Weiterentwicklung der Rolle der Wohlfahrtsverbände am Beispiel der Problematik im Bereich Alter und Pflege möglich.

 

a) Das Modell


Abbildung 1: Sozialpartnerschaftliches Vierecksverhältnis am Beispiel Altenhilfe.

Das Modell in Abb.1 hat einen gemeinwohlorientierten Ansatz und geht davon aus, dass Qualitätspolitik, Finanzpolitik, Mitarbeiterpolitik und Ordnungspolitik so auszurichten sind, dass für die Gesellschaft vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung (doppelte Herausforderung) das gemeinwohlbezogene Optimum erreicht wird. Dies würde dann auch die Sozialpartner in das abgebildete „Sozialpartnerschaftliche Gleichgewicht“ bringen. Dazu müssen die politischen Rahmenbedingungen für die Sozialräume so gestaltet sein, dass die vorhandenen bzw. zu erschließenden Ressourcen des solidarisch/freiwilligen Engagements, des frei gemeinnützigen non-profit Engagements und des privatwirtschaftlichen Profit Engagements durch Wettbewerb und/oder Kooperation optimal innerhalb der Sozialräume ausgerichtet werden können.

a) Problemanalyse

Derzeit werden die politischen Rahmenbedingungen durch die folgenden Settings festgelegt.

aa) 1. Setting

Die Legislative gibt auf der Bundesebene die gesetzlichen Vorgaben vor, die durch Verordnungen der Exekutive auf der Landeseben konkretisiert werden. Dies sind die Repräsentanten des Poles Ordnungspolitik.

Probleme:

• Mit vielen dieser Regelungen sind die Verbände der Leistungserbringer als Repräsentanten des Poles Qualitätspolitik, die Verbände der Kostenträger als Repräsentanten des Poles Finanzpolitik und Gewerkschaften und Mitarbeitervertreter als Repräsentanten des Poles Mitarbeiterpolitik nicht einverstanden. Besonders problematisch sind Verordnungen, die von allen Repräsentanten der anderen Pole abgelehnt werden. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel die Heimmindestbauverordnung des Landes Baden-Württemberg zu nennen, in der Einbettzimmer vorgeschrieben werden, ohne dem finanziellen Mehrbedarf die notwendige Beachtung zu schenken.

• Die Akteure im Sozialraum fühlen sich durch viele Bestimmungen in ihren Steuerungsspielräumen vor Ort stark eingeschränkt.

• Ebenso werden die Regelungen vor Ort häufig als zu bürokratisch und damit als überflüssiger Ressourcenverzehr der ohnehin schon zu knappen Ressourcen abgelehnt.

aa) 2. Setting

Daneben legen die Vertreter der Kostenträger als Repräsentanten des Poles Finanzpolitik und der Leistungserbringer als Repräsentanten des Poles Qualitätspolitik in Verhandlungen über Rahmenverträge und ggf. ergänzt durch Einzelverhandlungen pro Einrichtung das Verhältnis von Qualität und Finanzen fest.

Probleme:

• Die meisten Verhandlungen verlaufen inzwischen ohne Ergebnis und werden über Schiedsstellen oder noch langwierigere Gerichtsverfahren entschieden. Die Ergebnisse werden häufig von allen Beteiligten als suboptimal empfunden.

• Die Schuld für die schwierigen Verhandlungen sehen die Repräsentanten beider Pole häufig in unzureichenden Gesetzen und Verordnungen.

• Beide Seiten stehen in der Kritik von den Repräsentanten des Poles Mitarbeiterpolitik, bei ihren Abschlüssen die Interessen der Mitarbeiter nicht genügend im Auge zu haben und insbesondere zu hohe Arbeitsverdichtung und Lohndumping zu befördern.

• Das wiederum ruft die Ordnungspolitik auf den Plan mit einseitigen Beschlüssen über Mindestpersonalschlüssel und Mindestgehälter für Ordnung zu sorgen.

• Zudem verschärft die Ordnungspolitik zur Beschränkung eines ungezügelten Angebotswettbewerbs immer wieder die Regeln der Qualitäts- und Korruptionsüberwachung mit entsprechenden Zusatzkosten für Bürokratie.

aa) 3. Setting

Darüber hinaus legen die Vertreter der Leitungserbringer als Repräsentanten des Poles Qualitätspolitik und der Gewerkschaften und Mitarbeitervertreter als Repräsentanten des Poles Mitarbeiterpolitik in Tarifverhandlungen über Tarifverträge bzw. flächentarifliche Regelungen im Dritten Weg Gehälter und Arbeitszeit fest.

Probleme:

• Die meisten Verhandlungen verlaufen inzwischen auch hier ohne Ergebnis und werden über Schiedsstellen oder Streiks entschieden. Die Ergebnisse werden häufig von allen Beteiligten als suboptimal empfunden.

• Die Schuld für die schwierigen Verhandlungen sehen die Repräsentanten beider Pole häufig in unzureichenden Gesetzen und Verordnungen und darin, dass die Finanzressourcen an der falschen Stelle verschwendet werden oder zu gering sind.

• Darüber hinaus werden von den Nutzern flächentariflicher Regelungen Haustarife und einzelvertragliche Regelungen als systemschädlich abgelehnt.

aa) 4. Setting

Vor dem Hintergrund der politischen Rahmensetzungen aus den Settings 1–3 steuern dann die Akteure im Sozialraum das Angebot an Dienstleistungen. Im Rahmen des Angebotswettbewerbes steuern sie Produkte, Preise und Standorte.

Probleme:

• Die derzeitigen Formen des Angebotswettbewerbes verhindern notwendige Kooperationen auf örtlicher Ebene.

• Mögliches privates freiwilliges Engagement wird verhindert.

• Die Unzufriedenheit der sozialräumlichen Akteure mit den politischen Rahmenbedingungen wächst, da sie wahrnehmen, dass in gegebenen Rahmenbedingungen nicht das gemeinwohlbezogene Optimum erreicht wird.

Die oben geschilderten Probleme machen deutlich, dass die derzeitigen Steuerungs- und Verhandlungssettings (1.–4.) nicht geeignet sind, politische Rahmenbedingungen für die Sozialräume zu erarbeiten, die die doppelte demographische Herausforderung der alternden Gesellschaft bewältigen werden. Auch neue Gesetze und Verordnungen durch Legislative und Exekutive allein werden das Problem nicht lösen sondern unter Umständen noch verschärfen.

Das Modell aus Abb. 1 legt dafür die folgenden drei Gründe nahe:

1. Bei einer Analyse der derzeitigen Steuerungs- und Verhandlungssettings fehlen Settings, die die vier Politikpole in eine gleichgewichtige Ausrichtung bringen, d.h. es entstehen ordnungspolitische Vorgaben für die sozialräumliche Steuerung, die nicht harmonieren und so das Erreichen des gemeinwohlbezogenen Optimums vor Ort von vorne herein unmöglich machen (Abb.2).


Abbildung 2: Die Rahmenbedingungen lassen ein gemeinwohlorientiertes Optimum nicht zu.

2. Darüber hinaus schränken Einzelergebnisse der politischen Prozesse von Gesetzen, Verordnungen und Verhandlungen notwendige Steuerungsspielräume im Sozialraum ein und verhindern so Innovation, die zu Erreichen des gemeinwohlorientierten Optimums notwendig ist.

3. Schließlich fördern die bestehenden Instrumente der sozialräumlichen Steuerung zu sehr den Angebotswettbewerb gegenüber sozialräumlicher Kooperation.

V. Lösungsansätze:

Das Modell nach Abb.1 legt nahe, dass besser abgestimmte politische Rahmenbedingungen der vier Politikpole dazu führen könnten, den sozialräumlichen Akteuren genügend Freiheiten zu geben, vor Ort das gemeinwohlorientierte Optimum zu erreichen, vgl. Abb. 3.


Abbildung 3: optimale Ausrichtung der Rahmenbedingungen

1. Ebene 1: Setzung von Rahmenbedingungen

Eine Chance, dies zu erreichen, könnte darin liegen, die derzeitigen politischen Entscheidungs- und Verhandlungssettings um neue Verhandlungssettings zu ergänzen. Bei diesen sollen nicht ein oder zwei Pole handeln und jeweils versuchen ihre Interessen zu maximieren oder in bilateralen Verhandlungen konkrete Ergebnisse zu erzielen, sondern es sollen sich Akteure aller vier Pole treffen. Die Akteure müssen versuchen, einen gemeinsamen ordnungspolitischen Rahmen abzustecken, der in den Sozialräumen bessere Chancen bietet, dort das gemeinwohlorientierte Optimum zu erreichen (vgl. Abb. 3). Ob dadurch die benannten vier Settings nur ergänzt oder sogar ersetzt werden können, bleibt abzuwarten. Auch Treffen von Akteuren der Verhandler, der Pole Q, F, und M ohne O können hilfreich sein; zum Beispiel als Lösungsmodell, wenn Tarifverhandlungen und Kostensatzverhandlungen isoliert nicht mehr zu Ergebnissen führen.

Sozialpartnerschaftliche Verhandlungsmodelle in dieser Weise neu zu denken, kann nur über einen längeren Prozess der Vertrauensbildung zum Erfolg führen. Druckmittel bzw. Schiedssprüche zur Erreichung eines Verhandlungsergebnisses, wie in den zweipoligen Verhandlungen, scheiden für die drei- oder vierpoligen Verhandlungen aus. Alle Verhandlungspartner als Repräsentanten der vier Pole müssen sich dabei auf Gespräche einlassen, die alle vier Pole gleichzeitig im Blick haben. Das wird nur gelingen, wenn man sich vorher auf gemeinsame Ziele einigt.

Das heißt etwa für das Hilfefeld Alter- und Pflege: Die doppelte demografische Herausforderung soll im Sinne des Gemeinwohls besser bewältigt werden. Der einzige Verhandlungsdruck, der für alle besteht, ist, dass man im Fall des Misserfolges wieder auf die schlechteren Ergebnisse der oben benannten vier Settings angewiesen sein wird.

2. Ebene 2: Förderung von sozialräumlicher Kooperation und notwendiger Beschränkung von Wettbewerb

Kommt es auf der Ebene 1 zu einem erfolgreichen Ergebnis, können innerhalb eines neu gewährten Spielraumes, die sozialräumlichen Akteure ihre eigenen Überlegungen zur Beschränkung des örtlichen Angebotswettbewerbs im Verhältnis zu den örtlich sinnvollen Kooperationen anstellen. Eine Clearingstelle auf Landkreisebene (Konferenzen für Gesundheit, Alter und Pflege), in der Repräsentanten aller vier Pole vertreten sind, könnte diese Überlegungen sozialraumbezogen anregen und am Ende auch das Ergebnis bewerten. Auch solche örtlichen und landkreisbezogenen Strukturen lassen sich nur über einen längeren Weg der Vertrauensbildung aufbauen.