Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2

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Ruhrorter Kaufleute expandieren in die Eisenindustrie

1803 schlugen weltpolitische Ereignisse auf das Dreiländereck an Elpenbach und Emscher durch. Die ▶ Säkularisierung in der Folge des ▶ Reichsdeputationshauptschlusses löste in Deutschland alle geistlichen Staaten auf. Das Vest Recklinghausen fiel in den Besitz des Herzogtums Arenberg, das Reichsstift Essen kam unter preußische Herrschaft. Die Fürstäbtissin zog es zurück in ihre Heimat Sachsen. Bei der Übernahme Essens erklärte der preußische Staat die Eisenhütten Neu-Essen und St. Antony zu Bestandteilen des Privateigentums von Maria Kunigunde. Dabei spielte die Erwartung eine entscheidende Rolle, dass den Hütten angesichts des schlechten Erzes, des Kohlenmangels sowie der Konkurrenz im Siegerland, am Rhein und in Holland keine große Entwicklung mehr bevorstehe.106

Maria Kunigunde entschloss sich, ihre Hüttenanteile zu verkaufen. Im Zusammenhang mit den Verkaufsverhandlungen erhielt Gottlob Jacobi die Anfrage eines Unbekannten mit zehn „Fragen in Beziehung auf die St. Antoni-Hütte“. In seiner Antwort vom 8. Oktober 1803107 stellte er die Fakten sachlich dar, betonte aber, dass er zum Verkauf seiner Anteile nicht bereit sei, da die Hütte „meine Nahrung sichert“ und er „nichts anderes als das Berg und Hüttenwesen erlernt habe“. Aus seiner Darstellung ergab sich das Bild einer profitablen, mit wichtigen Privilegien ausgestatteten Hütte. Zunächst bot Maria Kunigunde die Hütten dem preußischen Staat an. Eine Prüfungskommission kam zu dem Ergebnis, dass die gute Lage der Hütten vom Engagement des „gewandten und geistreichen Herrn“ Jacobi abhängig wäre, der wegen seiner Fähigkeiten für den profitablen Betrieb der Hütten unverzichtbar sei. Außerdem werde der Mangel an Holz wegen der anstehenden Schonung vor allem der Essener Wälder zunehmen, so dass sich eine Übernahme der Hütten nicht lohne.108 Auch der arenbergische Staat und die Witwe Krupp als Eigentümerin der Hütte Gute Hoffnung zeigten kein Interesse an einer Übernahme.109

Gottlob Jacobi fand zwei neue Interessenten: Franz und Gerhard Haniel, Kaufleute aus Ruhrort, die zuvor bereits als Spediteure für die Hütten tätig110 und mit ihm verschwägert waren. Jacobi hatte 1800 die Schwester der Beiden, Johanna Sophia, geheiratet. Nachdem Franz Haniel111 die Kosten einer Übernahme und eines weiteren Betriebs der Hütten kalkuliert hatte, kaufte er mit seinem Bruder Gerhard in zwei Verträgen vom 10. Mai 1805 die Anteile von Maria Kunigunde an der St. Antony-Hütte für 23.800 und an der Hütte Neu-Essen für 8.000 Reichstaler.112 Zur Hütte Neu-Essen gehörte auch die Oberhausener Mahl- und Ölmühle; aus ihr ging später das erste Walzwerk auf Oberhausener Gebiet hervor. Die Kaufsummen waren in Raten bis Juli 1809 bar oder in guten Wechseln zu zahlen. Die Brüder Haniel bildeten mit ihrem Schwager Jacobi für den Betrieb der Hütten eine gemeinsame Gesellschaft, die jedem zu einem Drittel gehörte.

Abb. 22: Franz Haniel (1779 – 1868), Gemälde von Max Volkhardt nach einer älteren Vorlage

Abb. 23: Gerhard Haniel (1774 – 1834), Bruder von Franz Haniel und Mitgesellschafter der „Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen“

Trotz oder gerade wegen der schwierigen Lage in der Zeit der ▶ Revolutionskriege und des zunehmenden Einflusses von Frankreich ließen sich gute Geschäfte machen. So profitierten die Gießereien der Region vom Bedarf des französischen Militärs unter anderem an Ballasteisen für die Kriegsschiffe, wofür sogar Ausnahmen vom Einfuhrverbot in die linksrheinischen Gebiete gemacht wurden.113

In der Zwischenzeit in Sterkrade: Die Krupps als Hüttenbesitzer

Nach Übernahme der Hütte Gute Hoffnung 1799 ließ Helene Amalie Krupp das Werk, das zur Zeit von Pfandhöfers Flucht weitgehend stillgestanden hatte, wieder herrichten und weiter ausbauen. Eine Lehmformerei, ein Magazin, ein Kohlenschuppen sowie eine Schlackenpoche entstanden neu.114 Verhüttet wurde weiterhin das Raseneisenerz aus dem rechtsrheinischen Kleve, für das Witwe Krupp mit der Ersteigerung der Hütte alle Rechte übernommen hatte. Um Rohstoffe günstiger beziehen und Produkte zu einem konkurrenzfähigen Preis verkaufen zu können, erbat sie von den preußischen Behörden noch vor der Produktionsaufnahme Zollfreiheit. Doch die Verhandlungen verzögerten sich immer wieder, auch weil Krupp den Behörden notwendige Auskünfte schuldig blieb. Erst am 29. Juli 1801 erhielt sie für sechs Jahre volle Zollfreiheit für alle importierten Rohstoffe sowie für Exporte in die Niederlande zugesprochen.115 Pfandhöfer bot Amalie Krupp im März 1800 aus Holland nochmals seine Dienste zum Betrieb der Hütte an, doch ließ sie den Hochofen im Mai 1800 ohne ihn anblasen. Sie hatte sich zuvor intensiv um Aufträge für Gusswaren aller Art sowie für Munition besonders in den Niederlanden bemüht.116 Aber die Kampagne unter Hüttenmeister Schwickert war nicht besonders erfolgreich. Jacobi behauptete, dass Amalie Krupp unfähiges Personal beschäftige. Einige ihrer Mitarbeiter habe er auf seiner Hütte wegen schlechter Leistungen entlassen.117 Erst unter einem neuen erfahrenen Hüttenverwalter, Ferdinand Linnhoff aus Arnsberg, arbeitete die Gute Hoffnung erfolgreicher. Bis 1804 beschäftigte das Werk zwischen 35 und 96 Mann.118

Den Betrieb der Hütte Gute Hoffnung erschwerten in diesen Jahren immer wieder Auseinandersetzungen mit Gottlob Jacobi als Hüttenmeister von St. Antony. Dabei schenkten sich die beiden Eigentümer nichts. Allerdings befand sich die St. Antony-Hütte in der besseren Ausgangslage, da die Hütte Gute Hoffnung bachabwärts lag und darauf angewiesen war, dass bei der oberhalb gelegenen Hütte das Wasser nicht aufgehalten wurde. Es lag also in der Macht von Jacobi, der Hütte Gute Hoffnung das Wasser abzugraben. Dies hatte auch Helene Amalie Krupp erkannt und, noch bevor sie die Gute Hoffnung 1800 wieder in Betrieb setzen wollte, gegenüber dem Oberbergamt ihre Bedenken wegen der Wassernutzung geäußert. Da Jacobi gern selbst die Hütte Gute Hoffnung übernommen oder zumindest gepachtet hätte – 1799 hatte er dies Krupp angeboten119 –, befürchtete sie, dass er der Hütte für einige Zeit das Wasser vorenthalten könnte.120

Im Juni 1800 war es dann so weit: Jacobi hielt tatsächlich mehrfach für mehrere Tage das Wasser auf und zwang damit Amalie Krupp zur vorübergehenden Betriebseinstellung.121 Nachdem eine gütliche Einigung gescheitert war, wandte sich Krupp an die preußische Kriegs- und Domänenkammer in Wesel, die wiederum die Kölnische Hofkammer einschaltete.122 Die preußische Verwaltung warf Jacobi vor, „daß er dabei nur die sehr strafbare Absicht gehabt, der Witwe Krupp Schaden und Nachteil zuzuführen.“ Zu einem Verhandlungstermin am 14. August 1800 legte Jacobi eine schriftliche Stellungnahme vor,123 in der er abstritt, das Wasser bewusst zum Schaden von Krupp oder der Hütte Gute Hoffnung aufgehalten zu haben. Zurzeit herrsche eine Dürre, so dass kaum das Wasserrad der St. Antony-Hütte angetrieben werden könne. Überhaupt sei das Wasser für den Hüttenbetrieb schon immer knapp gewesen. Weiter ging Jacobi auf die technischen Unterschiede zwischen beiden Hütten ein, die nach seiner Meinung bewirkten, dass St. Antony mit weniger Wasser auskomme als die Sterkrader Hütte. St. Antony besitze ein oberschlächtiges Wasserrad mit hohem Gefälle sowie ein „ganz neu eingerichtetes“ Gebläse, „welches fast garkeiner Reibung unterworfen ist“. Dagegen habe die Hütte Gute Hoffnung nur ein technisch weniger vorteilhaftes unterschlächtiges Rad mit niedrigem Gefälle und „ein noch so erbärmliches nach dem alten Schlendrian eingerichtetes Gebläse“, so dass der Wasserverbrauch dort ungleich höher sei. Auf St. Antony reiche das Wasser sogar noch für ein neues ▶ Pochwerk. Zudem beschäftige Frau Krupp unfähiges Personal auf der Hütte.


Abb. 24: Anlage zum Gutachten des Baudirektors Lehmann, Lageplan der St. Antony-Hütte, 1801

Am 18. November 1800 kam es zu einem Ortstermin, den von preußischer Seite Baudirektor Lehmann wahrnahm, der in seiner anschließenden Stellungnahme die Angaben von Jacobi zum technischen Zustand der beiden Hütten bestätigte.124 Er konkretisierte, dass durch die Unterschiede die Hütte Gute Hoffnung etwa ein Drittel mehr Wasser benötige als St. Antony. Das Oberbergamt schlug Amalie Krupp daher vor, einen bereits bestehenden Damm für einen weiteren Teich zu nutzen und somit Wasservorräte für zwei Tage anzulegen, die einen Betrieb der Hütte sicherstellten. Diesen Vorschlag griff Krupp auf und ließ darüber hinaus einen weiteren Damm anlegen, der Sand und Schlamm von der St. Antony-Hütte aufhalten sollte. Am 6. Dezember 1802 beschwerte sich nun Jacobi über diesen neuen Damm, der dazu führe, dass sich Schlamm und Sand soweit aufstauten, dass sie das Wasserrad der St. Antony-Hütte still zu setzen drohten.125 Nur zu diesem Zweck hätte Krupp den Damm angelegt. Bei Überschwemmungen infolge starker Regenfälle wäre die sofortige Stilllegung der St. Antony-Hütte zu erwarten. Eine Einigung zog sich hin, da zunächst die Frage des exakten Grenzverlaufs zwischen den beteiligten Staaten zu klären war. Mehrfach erinnerte Jacobi bis Sommer 1804 an die Erledigung seines Anliegens. Letztlich dürfte er sich mit seiner Forderung, die Stauung des Bachs zu beseitigen, durchgesetzt haben.

 

Abb. 25: „Zeichnung über einen unterhalb der Antony Eisen Hütte befindlichen Weier“ aus den Prozessunterlagen 1800 bis 1802

Der Konflikt zwischen Krupp und Jacobi eskalierte in den folgenden Jahren mehrfach. Als 1803 das Reichsstift Essen an Preußen fiel, beantragte Amalie Krupp – allerdings erfolglos – die Übertragung des Rechts am Eisenerz im Essener Gebiet. Sie begründete den Antrag damit, dass die ehemalige Fürstäbtissin Maria Kunigunde, die nun als Privatier Inhaberin der Rechte am Erz sei, das Erz nicht in Preußen verhütten würde, sondern nach der Stilllegung der Hütte Neu-Essen auf der St. Antony-Hütte, also im ausländischen Vest Recklinghausen, verarbeite.126 Im Gegenzug ließ Jacobi 1805 heimlich Raseneisenerz auf der preußischen Seite der Grenze bei Dorsten abgraben.127 Im Duisburger Intelligenz-Zettel erschien daraufhin am 29. Januar 1805 ein „Publicandum“ des Königlich Preußisch Westfälischen Oberbergamts, in dem nochmals darauf hingewiesen wurde, dass nur die Hütte Gute Hoffnung das Recht habe, das Erz zu nutzen. 20 Reichstaler Belohung stellte man denjenigen in Aussicht, die Beweismittel zur Überführung von Tätern erbrachten, die Erz über die Grenze schafften. Anonymität wurde zugesichert.128 Zudem schwelte weiterhin der Streit um die Verschmutzung des Elpenbachs durch das Erzwaschen auf St. Antony.129


Abb. 26: Friedrich Krupp (1787 – 1826), Enkel von Helene Amalie Krupp und Gründer der Gussstahlfabrik in Essen, zeitgenössischer Scherenschnitt.

Den technischen Zustand der Hütte Gute Hoffnung beschrieb Eversmann 1804 als „nichts auszeichnend bemerkenswerthes“ und wies nur auf einen Temperofen und auf eine Schleifmühle hin. Deutlich betonte er die Nachteile der Hütte, die in einem zu schwachen Gebläse liegen würden.130 So wurde die Hütte Gute Hoffnung 1804/​05, um gegenüber der St. Antony-Hütte konkurrenzfähig zu bleiben, dem aktuellen technischen Stand angepasst. Das alte und zu schwache Gebläse wurde durch ein Zylindergebläse ersetzt und ein neuer Hochofen mit neuem Hüttengebäude errichtet.131 Wieder kam es zu Streitigkeiten mit Jacobi. Er war in seinen Aktionen nicht zimperlich. Als im Herbst 1804 das neue Gebläse auf der Hütte Gute Hoffnung gebaut werden sollte, besuchte der extra hierzu angestellte Schreinermeister gemeinsam mit dem Platzknecht auf Einladung Jacobis die St. Antony-Hütte, um sich das dortige Gebläse anzusehen. Als sie dort eintrafen, setzten Jacobi oder seine Mitarbeiter sie jedoch gegen ihren Willen mehrere Tage auf der Hütte fest.132 Trotz dieser Einschüchterung bauten sie das neue Zylindergebläse in Sterkrade. 1806 folgten zwei weitere Gebläsezylinder, bei deren Bau Franz Dinnendahl (1775 – 1826) half,133 der die ersten Dampfmaschinen in der Region herstellte. Dieser berichtete in seinen Erinnerungen, dass er bereits 1803 bei Jacobi Teile für seine erste selbst konstruierte „Feuermaschine“ für die Zeche Wohlgemuth hatte gießen lassen.134

Als 1805 der neue Hochofen mit neuer Lehmformerei fertig war, war mittlerweile auch der Enkel von Helene Amalie, Friedrich Krupp (1787 – 1826), in die Arbeit auf Gute Hoffnung einbezogen und sammelte erste Erfahrungen im Eisenhüttenwesen. Am 27. Juni 1807 übertrug ihm Amalie Krupp die Hütte Gute Hoffnung für einen Betrag von 12.000 Reichstalern.135 Da dieser demnächst plane zu heiraten, solle ihm damit ein „ordentliches Auskommen“ verschafft werden. Im August 1808 heiratete er seine junge Braut Theresia Wilhelmi auf der Hütte. Noch 1807 hatte Hüttenverwalter Linnhoff die Hütte Gute Hoffnung verlassen. Friedrich Krupp verbesserte nun das Verhältnis zu Jacobi und intensivierte die Beziehungen zu Franz Dinnendahl, für den er 1806/​07 einige Gussaufträge für Dampfmaschinen erledigte.136 Sie waren gedacht für eine Wasserhaltungs- und Fördermaschine der Zeche Sälzer & Neuack. Allerdings waren die Teile so mangelhaft, dass sie mehrfach gegossen werden mussten und schwierig zu verarbeiten waren.137 Dinnendahl beschwerte sich später, dass er „den Zylinder wegen der damals im Gießen großer Stücke noch unvollkommenen Eisenhütte zu Sterkrade fünfmal von neuem und dennoch in drei Stücken musste gießen lassen, ehe derselbe brauchbar war […]“.138

Noch 1807 übernahm Jacobi auf der St. Antony-Hütte dann von Krupp Aufträge für Dinnendahl zur Herstellung von Zylindern, Dampfröhren, Schachtpumpen und Kolben, die Krupp wegen Eisenmangels nicht mehr fertigen konnte. Jacobi wusste durch Qualität zu überzeugen. Auch als Friedrich Krupp im Sommer 1808 einen ▶ Kupolofen auf der Hütte Gute Hoffnung bauen ließ, kam er immer noch nicht an die Qualität der Erzeugnisse von Jacobi heran. Krupp stellte fest, dass „auch ich selbst gestehen muß, dass alles dasjenige, was ich dem Dinnendahl in Lehmguß geliefert habe nur Frack-Ware gegen dasjenige ist, was H. Jacoby ihm geliefert hat, ebenso in der Schönheit als in ihrer Schwere […]“.139 Neben diesen Maschinenteilen stellte die Kruppsche Hütte weiterhin vor allem Ballasteisen und Gewichte, Eisenplatten der verschiedensten Art, Gusswaren für den täglichen Bedarf wie Töpfe, Kessel und Pfannen sowie verschiedene Öfen her.140 Immer wieder wurde auch Munition produziert.

Frau Krupp ärgert die Haniels

Trotz aller Maßnahmen von Friedrich Krupp warf die Hütte Gute Hoffnung keinen Profit ab. So verzichtete er am 15. Mai 1808 zu Gunsten seiner Großmutter wieder auf sein Eigentum und Amalie Krupp stellte die Hütte im folgenden Jahr zum Verkauf. Der mangelnde ökonomische Erfolg sowie die fortwährenden Konflikte mit Jacobi dürften zu dieser Entscheidung beigetragen haben. Interesse an der Hütte hatten die drei Gesellschafter der St. Antony-Hütte und der Hütte Neu-Essen. Durch den Kauf wäre der wichtigste Konkurrent auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten ausgeschieden. Doch wussten sie, dass sie mit der Witwe Krupp nur schwer handelseinig werden konnten. Franz Haniel schrieb in seiner Autobiografie, dass sie „mit jener alten Frau sehr in Hader [lagen] und diese wünschte daher ihre alte Hütte und Plunder zu verkaufen“.141

Franz und Gerhard Haniel kannten die Hütte Gute Hoffnung gut. 1793 waren sie vom befreundeten Handelshaus I. F. Hoffmann und Söhne in Rotterdam – einem Auftraggeber Pfandhöfers – eingesetzt worden, um die Arbeiten auf der Hütte zu kontrollieren. Hoffmann hatte Munition bei Pfandhöfer geordert, doch verzögerte sich die Lieferung. So bat er die Haniels, die Abwicklung seiner Aufträge in Sterkrade zu kontrollieren und fällige Gelder an Pfandhöfer nur nach Auslieferung der Waren auszuzahlen. In diesem Zusammenhang besuchten sie mehrfach die Hütte und konnten sich ein Bild vom Stand der Technik machen. Auch führten sie Warentransporte für die Hütte Gute Hoffnung aus.142 Zolleinnehmer Noot, ein Verwandter der Haniels, war durch seine staatlichen Aufgaben und die Kontrollbefugnisse, die ihm gegenüber Pfandhöfer zeitweise oblagen, ebenfalls gut über die Hütte unterrichtet.

Die Brüder Haniel und Jacobi vereinbarten untereinander einen Kaufpreis von maximal 30.000 Talern.143Erste Verhandlungen zwischen Franz Haniel und Amalie Krupp scheiterten an unterschiedlichen Preisvorstellungen. So vereinbarte Franz Haniel mit seinem Schwager Heinrich Huyssen – Franz und Gerhard Haniel hatten jeweils eine Schwester von Huyssen geheiratet –, dass dieser für die drei Gesellschafter den Kauf erledigen sollte. Heinrich Huyssen stammte aus einer Essener Bürgerfamilie, die Nachbarn und Bekannte der Krupps waren. Als Kaufpreis für die Hütte mit ihren Waren, Vorräten und Gerätschaften handelte Huyssen nun mit der Witwe Krupp eine Summe von 37.800 Reichstalern aus, zahlbar in Raten bis 1818. Den Kaufvertrag setzte am 14. September 1808 ein mit Huyssen befreundeter Notar auf Heinrich Huyssen als Käufer auf. Als Bürgen waren die Brüder Haniel und Jacobi eingesetzt. Doch verkaufte Heinrich Huyssen die Hütte dann nicht – wie eigentlich vereinbart – an die anderen drei Gesellschafter weiter, sondern verlangte, mit diesen gleichberechtigt in eine gemeinsame Gesellschaft für den Betrieb der drei Hütten einzutreten. Dies zog ihm den Zorn Franz Haniels zu, der darüber hinaus noch mit Vorwürfen seiner bisherigen Kompagnons überschüttet wurde.144

Um einen Familienzwist zu vermeiden, kam es am 20. September 1808 zur Verbindung der vier Kompagnons zum gemeinsamen Betrieb der drei Hütten. Am 5. April 1810 wurde diese Gemeinschaft in einem Vertrag bekräftigt und es entstand die Firma „Hüttengewerkschaft und Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen“ (JHH), an der jeder zu einem Viertel beteiligt war.145 Dieses Unternehmen trug dann auch einen Teil der Zahlungen aus dem Vertrag mit der „Madame Krupp“, die eigentlich Huyssen zu leisten hatte. Die Beträge sollten eigentlich aus einbehaltenen Gewinnen von Huyssen gedeckt werden, doch trugen nach Ansicht von Franz Haniel die anderen Partner zur teilweisen Deckung der Kosten bei.146 Jacobi fungierte als allein verantwortlicher Direktor der drei Hütten. Es war ihm verboten, aus der gemeinsamen Gesellschaft auszuscheiden oder sich heimlich an einem anderen Hüttenwerk zu beteiligen. Er erhielt dafür aus der Hüttenkasse ein jährliches Gehalt von 600 Reichstalern sowie freien Brand, Licht, Wohnung, Arzt- und Apothekenkosten, Briefporto und „hinlänglich“ Land für einen Gemüsegarten. Für die Buchführung stellte das Unternehmen einen „Faktor“ neu ein. Weiter regelte der Vertrag detailliert, wie Entscheidungen zwischen den vier Anteilseignern abzustimmen waren und gewährte ihnen gegenseitig ein Vorkaufsrecht im Falle des Verkaufs von Unternehmensanteilen.


Abb. 27: Heinrich Huyssen (1779 – 1870), undatiertes Gemälde

Hüttenmeister, Aufgeber, Schmelzer und Former: Wer arbeitete auf den Hüttenwerken bei Oberhausen?

Nach dem Zusammenschluss der drei Hütten im Jahr 1810 arbeiteten bei der JHH insgesamt 162 Personen (siehe Tabelle 1).147 Fragt man nach der Herkunft dieser Arbeitskräfte, so ist zwischen qualifizierten und ungelernten Arbeitern zu differenzieren. Facharbeiter wie Hüttenmeister, Sand- und Lehmformer, Köhler sowie weitere Fachkräfte wurden in Gebieten angeworben, in denen das Hüttenwesen bereits verbreitet war. Dies waren das Sauer- und Siegerland, der Raum Bocholt oder Eisen produzierende Gebiete der südlich gelegenen Mittelgebirge. So stammten beispielsweise die Baumeister der St. Antony-Hütte Joan Antony von Graes und Johannes Henricus Westerhoff sowie die späteren Pächter Schwartz und Hundt sowie Döeinck, Diepenbrock und Reigers aus der Nähe von Bocholt, der erste Hüttenmeister Heinrich Lichlen aus Fischbach bei Saarbrücken und sein Nachfolger Johann Assemuth von der Altenbekener Hütte. Johann Eberhard Pfandhöfer, ebenfalls Pächter von St. Antony und Gründer der Hütte Gute Hoffnug, stammte aus Hayn bei Siegen und der Formermeister Caspar Cremer wurde 1809 aus Rheinböllen im Westerwald angeworben.148 Immer wieder wurden auch hoch qualifizierte Leute aus Wallonien vor allem beim Bau der Hochöfen beschäftigt.149 Manchmal warben die Hüttenbesitzer, Pächter oder Faktoren Mitarbeiter gezielt bei anderen Hütten ab. Oft kamen sie im ganzen Team: Der Hüttenmeister brachte Aufgeber und Schmelzer, die Former Knechte, Putzer und Lehmjungen mit.

 

Unqualifizierte Arbeiter stammten dagegen aus der näheren Umgebung. Die Tätigkeiten wie Fuhrdienste, Erzschürfen oder andere ungelernte Tätigkeiten boten der ansässigen Bevölkerung einen guten Nebenverdienst. So vermutete Engelbert, dass aus der 1773/​75 gegründeten Pfälzerkolonie Königshardt 1805 sieben Tagelöhner auf der Eisenhütte arbeiteten und ihre Zahl bis 1822 auf 16 Arbeiter anstieg.150 Transportarbeiten führten zumeist die Bauern der Umgebung durch, was während der Saat- und Erntezeiten immer wieder zu größeren Problemen führte, da die Bauern dann ihre Felder nicht verlassen konnten.151

Kolonisten und andere ortsansässige Arbeiter hatten ihre Kötterstellen und damit ihre Wohnungen in der Nähe. Die Facharbeiter weilten dagegen oft nur während der Hochofenkampagnen, die zumeist nicht länger als 20 bis 30 Wochen dauerten, auf der Hütte. Manchmal wanderten sie auch zwischen verschiedenen Hütten hin und her, um die zu unterschiedlichen Zeiten laufenden Kampagnen auszunutzen. Sie dürften während ihrer Tätigkeit in Oberhausen auf den Hütten selbst gewohnt haben.152 Noch auf einem Plan der St. Antony-Hütte von 1859153 finden sich Hinweise auf Schlafstuben für 14 Mann über der Lehmformerei und für zehn Mann über der Schmiede. Nach und nach wurden die Fachkräfte auch ansässig. Doch auch dies konnte mit Problemen verbunden sein. Als der im Oktober 1810 auf der St. Antony-Hütte beschäftigte Schwefler Johann Schmitz, der ursprünglich aus Altenburg im Herzogtum Nassau stammte, die Osterfelder Witwe Michels (genannt Egelbusch) heiraten und sich mit ihr in deren Kotten niederlassen wollte, benötigte er eine besondere staatliche Genehmigung.154