Panitzsch

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Dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen, begründet von Martin Luther, entspricht auf gesellschaftlicher Ebene die demokratische Mitverantwortung aller. Man kann sich nicht nur auf andere, auf den Staat beziehen. Jeder muss auch selbst Verantwortung übernehmen, verantwortlich handeln. Vielleicht greift und wirkt hier auch alles zusammen. Kirche ist und bleibt nur Kirche, wenn sie nicht Kirche der Macht und der Mächtigen ist. Auch in einem weltanschaulich neutralen Staat sind der Kirche staatliche Zuwendungen und Sonderleistungen willkommen. Das kann abhängig machen und Mitbeteiligung an der Macht birgt Gefahren in sich. Es scheint, dass Kirche nur in der Bedrängnis ihrem ursprünglichem Auftrag nachkommt. Das schafft Solidarität und lässt uns auch an den Nächsten denken und für ihn handeln. Wenn wir das tun, dann wachsen wir als Kirche und reifen persönlich, auch im Sinne der Nächstenliebe.

Dietrich Bonhoeffer als Gewährsmann des Glaubens in dunkelster Nacht auch und besonders für uns heute schreibt sinngemäß: Gott führt uns nicht um die Probleme des Lebens vorbei, aber er hilft uns hindurch. Dazu gibt er uns nur so viel Widerstandskraft, wie wir sie in der Situation brauchen, „damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“

In der Liedstrophe von Matthias Claudius wird zusammengefasst, was der heutige Bibeltext beinhaltet: „Wir pflügen und wir streuen, den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen, liegt in des Himmels Hand. Der tut mit leisem Wehen, sich mild und heimlich auf und träuft, wenn wir heimgehen, Wuchs und Gedeihen drauf. Alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn. Drum dankt ihm dankt und hofft auf ihn.“

Wir brauchen nur zu tun, was uns aufgetragen ist, nicht mehr, aber auch nicht weniger. So wie die Saat von allein wächst, so reift die Frucht auch von selbst und dann wird sie abgehauen, denn die Ernte ist da. Wir sind Bettler und Lobsänger zugleich, das ist wahr.

Und der Friede Gottes, der alles menschliche Denken und Handeln übersteigt, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


ORT – KIRCHE – LANDSCHAFT

Vom Parthendorf zum Ortsteil

Schlaglichter aus der Panitzscher Geschichte

Birgit Horn-Kolditz

Einleitung

Panitzsch, ein altes Straßendorf, liegt im östlichen Vorfeld der Stadt Leipzig in guter Verkehrslage zur Bundesstraße 6 und zur Autobahn Halle-Dresden. Schaut man vom höchsten Punkt des Ortes, dem Wachberg mit Kirche und Friedhof, nach Nordwesten, erblickt man die Tauchaer Kirche und den Weinberg mit seinem Aussichtsturm. Im Norden und Nordosten ziehen sich die Sandhügel der Endmoränenkette hin, die sich von Weißenfels her über Rückmarsdorf gegen Eilenburg erstreckten. Gegen Osten schließt sich der bewaldete Rücken des Tresens an. Im Südosten zeigen sich die Porphyrkuppen, die hinter Brandis und Beucha aufsteigen. Auf der Hochfläche bei Liebertwolkwitz ragt das Völkerschlachtdenkmal empor. Im Westen aber erhebt sich die Silhouette der Großstadt Leipzig.

Die schriftlich nachweisbaren Wurzeln von Panitzsch reichen bis ins Jahr 1267 zurück. Die aus dem Slawischen stammende Bezeichnung des Ortsnamens als „villa Bansc“ oder „Bancz“ lässt sich frei übertragen als Panitzsch, das Dorf im Tal der Parthenaue. Die Schreibung des Ortsnamens wechselte mehrfach, beispielsweise in „Baynsch“ 1335, „Bans“ 1378, „Panczsch“ 1437, „Banczsch“ 1438 oder auch Bantzsch um 1547. Seit 1552 ist die heutige noch gültige Schreibweise überliefert. Auf älteren Karten finden sich allerdings auch danach noch andere Schreibweisen wie „Banitz“ und „Panisch“ (1730) oder „Panitsch“ (1873).

Die ursprünglich slawische Besiedlung setzte um das Jahr 1000 ein. Die Siedlungsweise der Slawen ist zum Teil noch heute im alten Ortskern an der Kirchgasse sichtbar. Durch deutsche Ansiedlungen im Bereich der „Langen Reihe“ (heute Lange Straße) und den Zuzug aus wüst gefallenen Dörfern (Ausbau um die Teichstraße) entstand aus der Auenrandsiedlung an der Parthe ein straßenangerähnliches, dreiflügeliges Zeilendorf mit Gewannfluren, wie auf der Flurkarte von 1840 (siehe S. 27) gut zu erkennen ist.


Die weithin sichtbare Panitzscher Kirche, 1928.

Urkundliche Ersterwähnung und häufiger Besitzwechsel

In einer Besitzteilungsurkunde des Stiftes Merseburg für die Brüder von Friedeburg vom 14. Februar 1267 wurde Panitzsch erstmals urkundlich erwähnt. Die wohl aus dem Mansfeldischen kommenden Edelherrn von Friedeburg waren eines der wenigen Herrengeschlechter der Kolonisationszeit, die im Osten Leipzig namhaft wurden. Hoyer der Jüngere von Friedeburg erhielt außer dem linkssaalischen Besitz den Ort „mit allen Zubehörungen“. Damit gemeint waren wahrscheinlich einige Dörfer zwischen Leipzig und Naunhof, darunter unter anderem Althen, Borsdorf und Zweenfurth. Doch schon am 29. April 1269 verkaufte Hoyer der Jüngere diesen Besitz, die „villa Bansc“, an den Bischof Friedrich von Merseburg. Damit ging Panitzsch in kirchlichen Besitz über, nachdem es bisher der Verwaltung des Markgrafen Dietrich von Landsberg unterstand. Daran änderten die nachfolgenden Einsprüche des Landgrafen mit teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen nichts, denn der Bischof konnte diese Besitzungen in Vergleichen mit dem Markgrafen 1270 und 1272 behaupten.

Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wirkte sich die rasche Besiedlung negativ aus, die Böden waren nicht mehr ertragreich und die Bevölkerungszahlen sanken durch Abwanderungen der Ansiedler stark ab. In der unmittelbaren Umgebung von Panitzsch entstanden Wüstungen wie das nach 1349 verlassene Dorf Wilchwicz (oder Wilwisch) zwischen Panitzsch und Sommerfeld, wovon heute noch die Bezeichnung Wilwischgraben zeugt. Im Osten lag etwa 1350 Conradisdorf oder Conradsdorf, in der Nähe des heutigen Cunnersdorf gelegen, dessen Bewohner nach Panitzsch umsiedelten. 1438 wies Markgraf Friedrich V. von Meißen als Landesherr Panitzsch mit seinen Einkünften der Leipziger Universität zu. 1467 werden als Grundherrn die Brüder Meisenburg genannt, an die 33 Bauern (auch als „Wirte“ bezeichnet) entsprechend der Größe ihres Besitzes Abgaben zahlten.

Panitzsch wird Leipziger Ratsdorf


Kurfürst Johann Georg und das Domkapitel zu Merseburg genehmigen den Kauf des Dorfes Panitzsch seitens des Rates zu Leipzig von Oswald aus dem Winkel, 3. Februar 1612.

1534 lag die Grundherrschaft über Panitzsch beim Rittergut Taucha, von dem es die Herren von Bünau auf Brandis kauften und in ihr bereits 1516 erworbenes Rittergut Cunnersdorf eingliederten. Aufgrund der hohen Verschuldung war diese Adelsfamilie jedoch bald zum Verkauf des Rittergutes gezwungen. Starkes Interesse bekundete der Leipziger Rat, dem schon andere ländliche Güter und verschiedene Ortschaften außerhalb seiner Stadtgrenzen gehörten. Schon 1601 ließ Leipzig einen „Anschlag“ (Schätzung) über das stark belastete Cunnersdorf anfertigen. Nach längeren Verhandlungen über den Kaufpreis und die Ablösung der bestehenden Schulden kaufte der Leipziger Rat im August 1607 das Rittergut Cunnersdorf mit dem Ort Panitzsch „mit Zinsen und allen Gerichten“ vom vormaligen Besitzer Oswald aus dem Winkel auf Brandis. Als Kaufsumme verzeichnen die Leipziger Stadtkassenrechnungen rund 18.500 Gulden Nürnberger Währung (= 14.095 Meißnische Gulden). Den Kauf der Merseburgischen Güter schloss der Rat ab, ohne sich an die früher übernommene Verpflichtung zur Einholung der Zustimmung des Domkapitels zu halten, zu dessen Lehnsgebiet auch Cunnersdorf gehörte. Und so führte die unberechtigte Belehnung des Leipziger Rates mit dem gesamten neu erworbenen Besitz durch den Landesherrn zu rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Domkapitel in Merseburg. Ob es allein an der Versicherung des Leipziger Bevollmächtigten lag, „daß man nur aus Unwissenheit versäumt habe, die Erlaubnis einzuholen“ und um „nachträgliche Genehmigung“ bat, ist fraglich. Die Quellen halten nur die tatsächliche Belehnung mit „dem Gut Cunnersdorf samt den Gerichten oberst und niederst über Hals und Hand in Cunnersdorf und Panitzscher Mark sowohl im Dorf Panitzsch auch das Kirchenlehen daselbst...“ urkundlich fest. Zum neuerworbenen Gut gehörten „etwa 170 Acker Feld, stattliche Teiche und Triftrechte auf beiden Fluren“. Panitzsch mit seinen 36 Nachbarn (davon sechs Pferdner) das größte Dorf im Umkreise, trieb den Ratsbesitz weiter nach Osten. Die meisten Dörfer an der Parthe gehörten jetzt mit voller Gerichtsbarkeit der Stadt Leipzig“, stellte Werner Emmerich in seinem Buch zum ländlichen Besitz des Leipziger Rates 1936 fest.

Die Erwerbung von Panitzsch und Cunnersdorf fiel in eine Zeit der umfassenden Rittergutsankäufe durch den Rat der Stadt Leipzig, beginnend mit dem Erwerb der Lehnsherrschaft über das Rittergut Taucha im Jahr 1569. Mit der Ratslandstube entstand eine einzigartige städtische Verwaltungsstelle für die eigenen „Land- und Rittergüter“. In den für die Stadt Leipzig ausgestellten Besitzurkunden, den Stadtkassenrechnungen bzw. den Unterlagen der Landstube bzw. des Ratslandgerichtes finden sich zahlreiche Belege zu den Bewohnern des Ortes Panitzsch, zu Besitz- und Abgabeverhältnissen sowie zu juristischen Auseinandersetzungen der Bewohner untereinander oder mit Nachbargemeinden wegen Grundstücksgrenzen oder des Wegerechts.

 

Aus dem ländlichen Besitz standen dem Rat der Stadt Leipzig als Grund- und Gerichtsherr eine Reihe von „Erträgnissen“ in Form von Geld- und Naturalleistungen, darunter Getreide, Hühner, Lämmer oder Brotlieferungen, zu. Für Panitzsch ist beispielsweise überliefert, dass ein „Nachbar“ zwei Gulden und fünf Groschen zahlen musste sowie ein Huhn abzuliefern hatte. Allerdings waren die Dorfbewohner nicht allein gegenüber dem Grundherrn abgabenpflichtig, sondern ebenso gegenüber dem Pfarrer („Pfarrlehn“) sowie dem Schullehrer (Schullehn). Von persönlichen Frondiensten waren die Bewohner der Leipziger Ratsdörfer allerdings befreit.

Die Landerwerbungen brachten dem Leipziger Rat nicht immer den erhofften wirtschaftlichen Gewinn. Schon 1610, also kurz nach dem Kauf von Cunnersdorf und Panitzsch, zeichneten sich finanzielle Schwierigkeiten ab, die schließlich während des Dreißigjährigen Krieges aufgrund der hohen Kriegskontributionen 1625 ihren Höhepunkt erreichten. In Panitzsch selbst entstanden durch die Truppendurchzüge, Einquartierungen und Plünderungen große Schäden. Als Ausweg blieb dem Leipziger Rat schließlich nur die Wiederveräußerung von Besitzungen möglichst gegen Barzahlung. Als dies nicht gelang, verpfändete der Rat 1627 fast alle Rittergüter und acht Ortschaften, darunter nicht zuletzt Taucha und Cunnersdorf mit Panitzsch an den vom Landesherrn eingesetzten Finanzkommissar David von Döring. Der Leipziger Rat verlor damit fast vollständig die Kontrolle über die verpfändeten Güter.


Aufnahme aus dem alten Ortskern von Panitzsch mit einem typischen Dreiseitenhof.

Als der Finanzkommissar von Döring 1638 verstarb, nahm der Rat der Stadt Verhandlungen mit seinen Erben auf, die schließlich 1650 zum Erfolg führten. Da die Schuldsummen mit den Einnahmen fast ausgeglichen waren, stimmten die Erben der Rückgabe von Taucha mit Plösitz und Pröttitz sowie von Cunnersdorf mit Panitzsch an die Stadt Leipzig zu. Allerdings waren zwischenzeitlich Cunnersdorf und Panitzsch ohne Rechtsgrundlage durch die Döringschen Erben an Hans Ulrich von Grünroth gegeben worden. Erst nachdem der Rat 1666 die ausstehenden Schulden an Grünroth bezahlte, gehörten Cunnersdorf und Panitzsch wieder uneingeschränkt der Stadt Leipzig.

Die Gerichtsbarkeit im Rittergut Cunnersdorf sowie im Dorf und in der Flur Panitzsch für Angelegenheiten der Obergerichte (Strafgerichtsbarkeit über Kopf und Hand) und der Niedergerichte für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung lagen beim Leipziger Rat. Als Guts- und Gerichtsherr wurde der Leipziger Rat durch Beamte des Ratslandgerichts vertreten, die in Panitzsch Gerichtstage abhielten. Als Richter ernannte der Rat auf Lebenszeit Panitzscher Nachbarn, die zum Kreis der „Ansässigen“ (Landeigentümer, als Hufner oder Gutsbesitzer bezeichnete Bauern) gehörten, denen bis zu vier Beisitzer (Gerichtsschöppen) zur Seite standen. Richter und Schöppen bildeten das Ortsgericht. Die Gerichtstage fanden in der Regel in den Spätherbst- oder Wintermonaten in der Wohnstube des Ortsrichters, in der Pfarrwohnung oder in einer Schankstube statt.

Die Verhältnisse, Rechte und Pflichten der Altgemeinde waren in der vom Grundherren bestätigten Dorfordnung festgehalten. Diese wurden ursprünglich mündlich überliefert und erst seit dem 15. Jahrhundert schriftlich festgehalten. Die Dorfordnung wurde auf den jährlichen Gerichtstagen, zu denen nach festgelegtem Ritual zusammengerufen wurde, öffentlich vorgelesen und bis ins 19. Jahrhundert immer wieder den veränderten Bedingungen angepasst. Für einzelne Angelegenheiten bestand außerdem die Zuständigkeit des Königlichen Kreisamtes Leipzig als landesherrliche Unterbehörde. Nach der Umsetzung der sächsischen Justizreform von 1856 übernahm das Königliche Gerichtsamt in Taucha alle Justizangelegenheiten.


Prunkwappen der Stadt Leipzig am Altar der Panitzscher Kirche.

An das Patronatsrecht des Leipziger Rates erinnert noch heute das Leipziger Stadtwappen, das sich an der 1705 geschaffenen Altaranlage in der Kirche befindet und ebenso auf der kleinsten der drei Kirchenglocken aus dem Jahr 1756 zu sehen ist. Erwähnt werden soll an dieser Stelle noch, dass vom 20. März 1697 bis zu seinem Tode am 16. Juli 1729 Magister Johann Jacob Vogel aus Leipzig als Pfarrer in Panitzsch wirkte. Bis heute ist Vogel durch sein „Leipzigisches Geschicht-Buch Oder Annales“ für den Zeitraum vom Jahr 661 bis 1714 bekannt, einem Werk, das für die Geschichte der Stadt Leipzig und deren Umgebung nach wie vor unentbehrlich ist.

Einwohnerzahlen und sozialer Status

Zunächst veränderte sich die Zahl der in Panitzsch lebenden Einwohner kaum. 1552 nennen die Quellen für Panitzsch 34 „besessene“ Mann (auch als Hufner bezeichnet), fünf Häusler (ohne Grundbesitz; sie verdienten ihren Unterhalt als Tagelöhner für die Guts- und Grundherrn, die Gemeinde oder die Pfarrei) sowie fünf „Inwohner“.

Seit dem 11. Jahrhundert entstand die Dorfflur in Hufeneinteilung. Ein Hufner war ein Bauer, der als Grundbesitz eine, mehrere oder einen Teil einer Hufe Land bewirtschaftete. Die Gesamtheit der bald alteingesessenen landbesitzenden Hufner bildete die sogenannte Altgemeinde des Dorfes. Ein Hufner war Vollmitglied der Gemeinde der Bauern, besaß Mitspracherecht in der Gemeinde und ihm stand die Nutzung des „Allgemeingutes“ (der Allmende) wie an Wegen, Wiesen oder Gewässern außerhalb der parzellierten, in Fluren aufgeteilten Flächen zu. In der sozialen Hierarchie der dörflichen Gemeinschaft standen die Hufner als Vollbauern und Besitzer eines Hofes mit Land von einer Fläche zwischen 30 bis zu 100 Morgen vor den Häuslern, die niemals Mitglied der Altgemeinde werden konnten. Die ursprünglich freien Dorfgemeinschaften waren im Laufe der Zeit jedoch immer stärker unter die Verwaltung der Grundherrschaften gekommen, so dass ihnen in ihrer eigenen Zuständigkeit nur noch die Regelung der kleinen alltäglichen Dinge verblieben war.

Das Erbregister von 1684 verzeichnete fünf Pferdner, 30 Hintersassen (Hufner) und fünf Drescher, letztere im Ostteil des Dorfes wohnend. Die Pferdner waren wie die Hufner Besitzer eines Gutes und betrieben die Landwirtschaft mit Pferden. 1764 sind 35 „besessene“ (besitzende) Mann und zwölf Häusler aufgeführt. Diese Zahlen geben keinen Anhaltspunkt über die jeweiligen Familiengrößen, zu denen in der Regel neben der Ehefrau eine unterschiedliche Zahl von Kindern gehörte.

Die in den Quellen in der jeweiligen Zeit unterschiedlich bezeichneten Eigentümer an Grund und Boden werden später als „Gutsbesitzer“ geführt. Sie waren jedoch keine Großgrundbesitzer in unserem heutigen Verständnis dieses Begriffes, sondern besaßen ein Bauerngut mit einer Grundfläche von bis zu 30 Ackern. Der größte Teil der Fläche war Feld. Außerdem gehörten zu den Bauerngütern meist ein Acker Wiese sowie verschieden große Waldflächen. Die Nutzfläche für einen Hufner lag damit bei knapp 10 bis 20 Hektar Bodenfläche. In Panitzsch gab es aber nicht nur „Vollhufner“, sondern auch Halb- oder sogar nur Viertelhufengüter mit einer entsprechend geringeren Anbau- und Nutzungsfläche. Keine landwirtschaftlichen Nutzflächen gehörten dagegen zu den gemeindlich verwalteten Gebäuden wie dem Armenhaus oder den im Ort liegenden Wohngebäuden ohne Feld und Wiese.

Neben einer gemeinsamen „Badstube“, ohne Trennung nach Männern und Frauen, gab es in Panitzsch einst sogar ein Brauhaus, das sich vermutlich in einem der sechs Häuser gegenüber dem Gutshaus befand. Im sogenannten Spießhaus wurden „Übeltäter“ eingeschlossen und von den Dorfbewohnern gemeinsam bewacht. Bereits im 16. Jahrhundert besaß Panitzsch eine Windmühle im Dorf sowie einen Dorfschmied. Für sonstige Handwerksleistungen mussten Handwerker aus dem Umland beauftragt werden.

Im „Vollständigen Staats-Post- und Zeitungs-Lexikon von Sachsen“ zeichnet der Autor August Schumann 1821 folgendes zeitgenössisches Bild von Panitzsch: „Panitzsch, ein bedeutendes Pfarrkirchdorf im Königr. Sachsen, Leipziger Kreisamtes, gehört zu dem, 3/8 Stunde davon östlich gelegenen schriftsässigen Rittergute Cunnersdorf, folglich dem Leipziger Stadtrath. Es liegt am Rande der Pardenaue, auf einem Hügel über dem linken Ufer des Flusses, 2 ½ Stunden östlich von Leipzig, 3/4 Stunden südöstlich von Taucha, 5/43 Stunden nordwestlich von Brandis, gegen 450 Pariser Fuß über dem Meere, in einer fruchtbaren Gegend, die jedoch außerhalb der Aue wenig Annehmlichkeit besitzt; durch das Dorf geht auch die, fast durchaus (aber jetzt schlecht genug) gepflasterte Straße, an deren Statt jetzt die Chaussee (nämlich nach Dresden) über Borsdorf geführt ist, und welche nächst Gerichshayn wieder auf die neue Straße trifft. Panitzsch hat in 70 Häusern gegen 306 Bewohner, viel starke Güter mit 26 Hufen, einen sehr geringen Gasthof, eine Windmühle in West und eine Wassermühle in Ost; eine Brücke über den Fluß, die geistlichen Gebäude u.s.w. Die Parochie begreift noch die Filiale Althen und Sommerfeld (weshalb der Pfarrer an manchen Festtagen 4mal zu predigen hat) und gehört zum Tauchaer Kreis der Ephorie, die Collaturen übt der Leipziger Rath... Bei Panitzsch findet man gute Feuersteine... In den Fluren grenzt es mit Borsdorf, Ritterg. Cunnersdorf, Sehlis, Plösitz, Sommerfeld und Althen“.

Bis 1834 stieg die Einwohnerzahl auf 403 Bewohner, von denen 21 in Cunnersdorf und 381 in Panitzsch lebten.

Ablösung der Altgemeinde/Übernahme der Verwaltung durch den Gemeinderat (um 1840)

Im Zuge der revolutionären Umwälzungen 1830 in Sachsen, der Errichtung der konstitutionellen Monarchie und der bürgerlich-liberalen Reformen wurde bereits 1832 die Sächsische Städteordnung erlassen. Die Verwaltung und Verfassung der Dörfer in Sachsen war ebenso reformbedürftig wie jene der Städte. Nach 1830 zerfielen die feudalen Strukturen in Sachsen immer mehr und die Erb-, Lehns- und Gerichtsherrschaften wurden in ihren Befugnissen mit der Zeit weiter eingeschränkt. Die sächsischen Gemeinden erhielten mit der Sächsischen Landgemeindeordnung vom 7. November 1838 ab 1. Mai 1839 formell das Selbstverwaltungsrecht. Die Bauern und Dorfbewohner wurden jedoch als unmündige Untertanen angesehen und unterstanden weitaus stärker als die Städter der „obrigkeitlichen“ Aufsicht durch die sächsische Staatsverwaltung bzw. deren Lokal- und Regionalbehörden (Ämter bzw. Gerichtsämter, Amtshauptmannschaft und Kreisdirektion). Die traditionell gebräuchliche Bezeichnung „Dorf“ wurde nicht übernommen, sondern das Gesetz verwendet den Begriff „Landgemeinde“.

Die Landgemeindeordnung erweiterte die volle Gemeindemitgliedschaft über den Kreis der in der alten Dorfgemeinde zusammengeschlossenen Bauern hinaus, indem sie alle Personen, die in der Gemeinde Grundbesitz oder ihren ständigen Wohnsitz (ohne Grundbesitz) hatten, einbezog. Über die Aufnahme von „Fremden ohne Grundstücke“ in eine Gemeinde entschied nicht diese selbst, sondern die Obrigkeit. Stimmberechtigt in allen Gemeindeangelegenheiten waren jedoch nur die im Gemeindebezirk ansässigen Gemeindeglieder, d. h. die Besitzer von Grund und Boden, wobei pro ungeteiltem Grundstück nur ein Mitglied das Stimmrecht besaß. Nicht stimmberechtigt war, wer mit Abgaben länger als zwei Jahre in Verzug geriet, wer der Armenkasse „anheim fiel“ (kein eigenes Einkommen hatte), als „Verschwender oder Geisteskranker“ galt, wer verschuldet war, als Straftäter oder „Verbrecher“ von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen oder „durch unsittliche Aufführung der öffentlichen Achtung sich verlustig gemacht“ hatte. Das Stimmrecht war persönlich auszuüben; bei verheirateten Frauen durften nur die Ehemänner an den Gemeindeversammlungen teilnehmen. Damit wurden die bisher von der Dorfgemeinde ausgeschlossenen Gärtner und Häusler zwar mit einbezogen, aber die sonstigen Angehörigen der grundbesitzlosen dörflichen Unterschicht blieben weiterhin ohne Mitwirkungsrechte in der Gemeinde.

Die Inhaber der Grundherrschaft beaufsichtigten nach wie vor das gesamte Gemeindewesen sowie die Wahl des Gemeindevorstandes, genehmigten Ortsstatuten, verwalteten die Ortspolizei, entschieden Streitigkeiten und berichteten in Polizei- und Gemeindeangelegenheiten an die unmittelbar vorgesetzte Landesbehörde. Ortsobrigkeit war die Behörde, der die Erbgerichtsbarkeit zustand. Für Panitzsch lag damit bis zur Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit 1856 die Zuständigkeit bei der Landstube bzw. beim Ratslandgericht des Rates der Stadt Leipzig.

 

Vermutlich wurde in Panitzsch erstmals nach 1840 ein Gemeinderat gewählt. Allerdings liegen darüber keinerlei Unterlagen mehr vor. Das früheste überlieferte Protokollbuch für die Gemeinde Panitzsch beginnt mit Einträgen ab dem 1. Januar 1870. Erhalten geblieben ist allerdings das erste, am 28. Oktober 1848 verfasste und Mitte November 1848 vom Amt Leipzig genehmigte Ortsstatut für Panitzsch, das folgende Angaben enthielt: Das Gemeindegebiet umfasste alle Grundstücke, die im Flurbuch vom 30. September 1840 erfasst waren, außer einer in der Ortsflur Sehlis liegenden Wiesenparzelle des Rittergutes Cunnersdorf. Jeder neu Zuziehende hatte sich bei der Gemeinde anzumelden und eine „Aufnahmegebühr“ von 2 Talern zu entrichten, die für Ausgaben der Ortsarmenkasse dienten. Bei jeder Eigentumsübertragung war eine Gebühr zu entrichten, unabhängig davon, ob es sich um Verkauf, Tausch, Schenkung oder Erbschaft handelte.

Die Verwaltung des Ortes lag nun nicht mehr in der Hand der Stadt Leipzig als Gerichtsherr, sondern wurde von einem gewählten Gemeinderat übernommen. Der Gemeinderat bestand aus dem Gemeindevorstand (vergleichbar mit einem ehrenamtlichen Bürgermeister), drei bzw. später zwei Gemeindeältesten und zwölf Gemeindeausschussmitgliedern. Diese Personen wurden über Wahlmänner gewählt. Für die Wahlen wurden die stimmberechtigten Gemeindemitglieder in drei Wahlklassen gegliedert: Gutsbesitzer, Hausbesitzer und Unangesessene (Gemeindemitglieder ohne Grundbesitz). Aufgrund der Besitzverhältnisse in Panitzsch waren beispielsweise 1848 acht Gemeinderatsmitglieder Gutsbesitzer, zwei waren Hausbesitzer und zwei Unangessene. Der Gemeinderat wurde auf sechs Jahre gewählt. Jährlich sollte ein Drittel der Mitglieder ausscheiden, wobei eine Neuwahl der bisherigen Mitglieder möglich war.

Die Geschäfte des Gemeinderates regelten sich nach § 38 der Landgemeindeordnung. Der erste Gemeindeälteste hatte das gesamte Abgabenwesen zu verwalten, der zweite die Aufsicht über die Instandhaltung der Wege zu führen; der dritte vertrat den Vorstand bzw. die beiden ersten Gemeindeältesten im Verhinderungsfall. Für ihre ehrenamtliche Tätigkeit erhielten der Gemeindevorstand jährlich 15 Taler, die drei bzw. zwei Gemeindeältesten lediglich drei Taler als Aufwandsentschädigung aus der Gemeindekasse. Zur Schlichtung einfacher Streitfälle wurde von der Stadt Leipzig als Oberbehörde zusätzlich ein Lokalrichter eingesetzt, der mit 15 Talern pro Jahr zu entschädigen war. Diese Sätze wurden im Laufe der Zeit durch verschiedene Nachträge zum Ortsgesetz angepasst und erhöht. So erhielt der Gemeindevorstand 1886 für seine Tätigkeit ein Gehalt von 400 Mark jährlich. Die Entschädigung für den immer noch ehrenamtlich tätigen Gemeindevorstand betrug im Januar 1918 bereits 2.000 Mark und stieg im Januar 1919 auf jährlich 2.400 Mark. Den übrigen ehrenamtlichen Gemeinderatsmitgliedern wurden lediglich anfallende Auslagen erstattet. Alle für die Gemeindeverwaltung aufzuwendenden Beträge (Ausgaben) mussten aus der Gemeindekasse beglichen werden. Reichten die aus Gebühren, Geldstrafen, Ablösesummen und sonstigen Beträgen erzielten Einnahmen nicht aus, konnte der Gemeinderat eine „Anlagenerhebung“ von den Gemeindemitgliedern beschließen. Die Planung der Ausgaben erfolgte ebenso wie die jährliche Abrechnung durch Beschlüsse im Gemeinderat. Allgemeine Bekanntmachungen wurden durch Aushänge im späteren Gemeindebüro und zeitweise im Gasthaus „Zum Hirsch“ oder durch besondere Umläufe veröffentlicht.

1840 wohnten in Panitzsch annähernd 400 Einwohner, die sich auf 20 Häuser und 40 Nachbarstellen verteilten. Nach den Besitzverhältnissen sind für dieses Jahr angegeben: sechs Pferdnergüter, siebzehn Hufengüter, elf Halbhufengüter, ein Viertelhufengut, sechs Dreschergüter, zwei Häusler und sechs „Brauhäuserchen“. Außerdem gab es eine Windmühle, die Krämerei und einen Erbschmied. Die Fläche der Gemeinde umfasste rund 770 Hektar.

Die 40 Nachbarberechtigten finden sich ebenfalls im Anhang zum Ortsstatut von 1848 als Besitzer von Grundstücken, die mit den Nummern des Brandkatasters bezeichnet sind. Ihnen wurden die Nutzung und das gemeinsame Eigentum an 32 Grundstücken übertragen, die mit den Nummern des Panitzscher Flurbuches einzeln aufgeführt wurden. Genannt werden der Dorfanger und die Dorfstraßen sowie die „Communicationswege“ (öffentliche Wege von Panitzsch in die umliegenden Orte), eine alte Sandgrube (als Kirchloch bezeichnet) sowie zwei Wasserbrunnen. Zu den Pflichten der Grundstückseigentümer gehörten neben der Besoldung des Richters der Bau bzw. die Instandhaltung aller Wege, der Brücken, Schleusen, Stege im Gemeindebezirk einschließlich der Lieferung des Baumaterials, die Räumung des Schnees, das „Botschaftsgehen“ in Kriegs- und Friedenszeiten, das Weiterleiten von gerichtlichen Patenten sowie die Beförderung von Briefen in Gemeindeangelegenheiten „ohne Zutun der Häusler und Unangesessenen“. Außerdem mussten Wachdienste beim Auffinden von Toten und bei Gefangenentransporten von sämtlichen Gemeindemitgliedern geleistet werden, wenn dazu nicht ausdrücklich bestimmte Personen benannt worden waren. Die Häusler und Unangesessenen durften aus den Teichen der Grundbesitzer Wasser holen, aber nicht darin baden. Verboten war ihnen das Wäschewaschen sowie das Tränken des Viehs in den Teichen.


Ausschnitt aus dem „Situationsplan von dem Orte Panitzsch, Aufgenommen und gez(eichnet) im Monat Mai 1853. Friedrich August Kästner, Brand. Versicher(ungs) Assistent“.

Nach Abschnitt 13 des Ortsstatuts verpflichteten sich die 40 Nachbarschaftsberechtigten, die Gemeinderatsversammlungen in dem ihnen gehörenden Gemeindehaus unentgeltlich stattfinden zu lassen sowie dieses Gebäude instand zu halten. Das Gemeindebuch sowie sämtliche Papiere zur Gemeindeverwaltung mussten in einer „Gemeindelade“ bzw. in einem „Gemeindeschrank“ verwahrt werden. Bei den Vermögenswerten der Gemeinde wurden 1848 neben den Geräten zur Feuerbekämpfung (einer Spritze, vier Sturmfässern, drei Leitern und drei Haken), das Gemeindesiegel, Gegenstände zur Leichenbestattung (Leichenbahre, Totentuch) das Gemeindearmenhaus im Grundstück Nr. 59 B aufgeführt sowie der Bestand der Armenkasse mit 503 Talern angegeben. In späteren Verzeichnissen wurden außerdem drei Dorfteiche und eine alte Sandgrube als Gemeindevermögen aufgeführt.

Das Ortsstatut von 1848 unterzeichneten Friedrich August Klas als Gemeindevorstand sowie ein Beamter des Ratslandgerichts Leipzig. Im Jahr 1886 wurde das Ortsstatut neu erarbeitet, trägt die Unterschriften des Gemeindevorstands Ernst Heinrich Hanke sowie aller Gemeinderatsmitglieder und enthält erstmals Fristen für die Wahl des Gemeindevorstandes durch die Gemeindeältesten. Anhand des maschinenschriftlich abgefassten Ortsstatuts für die Gemeinde Panitzsch vom 2. Oktober 1911 ist ersichtlich, dass zu dieser Zeit Erst Otto Carl Weiland Gemeindevorstand war.


Die Panitzscher konnten auch im Gasthaus zum Hirsch die Aushänge des Gemeinderates zur Kenntnis nehmen.

Die Zusammensetzung und die Anzahl der Gemeindevorstandsmitglieder wechselten immer wieder. Für 1886 sowie für 1911 ist beispielsweise überliefert, dass dem Gemeindeverstand nur acht Ausschussmitglieder angehörten. Davon waren vier Gutsbesitzer. Gleichzeit gab es vier Ersatzmänner, deren Wahl ebenfalls nach Besitzklassen erfolgte.

In enger Verbindung auf dem Weg zur Durchsetzung bürgerlich-liberaler Verhältnisse auf dem Land sind neben dem Inkrafttreten der Landgemeindeordnung die Ablösungen der bisherigen feudalen Abgaben zu sehen. 1841 wurde in Panitzsch die Altgemeinde aufgelöst und es kam in einem langwierigen Prozess zur Ablösung der Lasten, die jeder Einwohner in bisher unterschiedlicher Höhe zu leisten hatte. In der Regel handelte es sich dabei um Geld- und Naturalleistungen. So mussten die Panitzscher zum Beispiel Beiträge für das „Schullehen“, aus dem die Schule unterhalten und der Lehrer finanziert wurde, leisten. Dies konnten je nach Besitz- und Vermögensstand die Lieferung von Broten, Eiern, Korngarben oder ersatzweise die Zahlung von „Hafer“- oder „Häuslergroschen“ sein. Ebensolche Lehen gab es für die Kirche und den Pfarrer. Im Zuge der staatlich geforderten Ablösungen fertigte der Gemeindevorstand Verzeichnisse über die Belastungen pro Grundstück an. Gegen Leistung eines entsprechenden Geldwertes erloschen diese Abgaben künftig. Allerdings mussten die meisten Einwohner dafür Kreditbeträge bei der neugeschaffenen Sächsischen Landrentenbank aufnehmen. Die Ablösung für das Pfarrlehn betrug allein über 3.800 Taler. Verschiedene Zahlungen der Panitzscher an das Rentamt der Stadt Leipzig wie Kalbgeld, Heuwaagegeld und Weinwaagegeld wurden 1846 ebenfalls gegen die Zahlung eines Mehrfachen des bisherigen jährlichen Geldwertes erlassen. 1852 folgte die Ablösung der Handdienste und der Druschfronen der Panitzscher Drescher.