Spielen

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b) „Deus ludens creator“

Werfen wir auch einen systematischen Blick auf den Deus ludens als Schöpfergott: Inwiefern ist das Spiel eine treffende Beschreibung für Gottes Schöpfertätigkeit? Was haben Spielen und göttliches (Er-)Schaffen miteinander zu tun?

Der mit der Weisheit Gottes identifizierte Christus „spielt“ eine zentrale Rolle im Schöpfungsgeschehen, er ist der Schöpfungsmittler und als göttlicher Logos sozusagen der Bauplan der Schöpfung, wie schon Paulus bzw. die paulinische Theologie unterstreichen (vgl. Röm 11,36; Kol 1,16). Alois Hudal schreibt hierzu: „Die Chokma war bei Gott, wie die Idealform dem Künstler das treibende Agens in seiner Tätigkeit ist.“33 Und bereits für Tertullian stand außer Frage, dass diese Weisheit identisch ist mit dem Logos. So schreibt er über Christus, dass er von Ewigkeit her modulans cum ipso,34 d. h. mit dem schaffenden Vater zusammen gestaltend-modellierend tätig sei. Oder noch poetischer: compingens cum ipso35 – wörtlich: mitmalend mit diesem, d. h. dem Vater. Diese Lesart der Schöpfungsmittlerschaft Christi lässt sich durchaus auch mit dem Bild des Tanzens verbinden: Die Weisheit, ob nun spielend oder tanzend, ist der Inbegriff der Fülle der göttlichen Kreativität und des Schöpfungsplans. So schreibt der vielleicht mystischste der kappadozischen Väter, Gregor von Nazianz: „Der erhabene Logos spielt nämlich, indem er den ganzen Kosmos mit buntesten Bildern auf jegliche Weise schmückt, wie es ihm gefällt.“36

Der Schöpfergott als Spieler, Schöpfung als Spiel – was könnte das heißen? Im bildlich-erzählerischen Zeugnis der Hl. Schrift vom Schöpfungsgeschehen, in der Leichtigkeit und Behändigkeit etwa des Sechstagewerks in Gen 1, liegt in der Tat etwas sehr Spielerisches – ganz ähnlich dem mit der Sphaira spielenden Zeuskind in seiner Höhle oder dem jungen Eros. Gott schafft spielerisch, d. h. zunächst einmal, er schafft völlig frei und ungezwungen: Niemand und nichts zwingt den sich selbst ewig genügenden Gott (er ist ja in sich schon Beziehung und vollkommenes Spiel), eine Schöpfung aus sich herauszusetzen, und doch tut er es. Er schafft weiterhin ohne Anstrengung und, wie die Natur dem nicht völlig verschlossenen Menschen allenthalben zeigt, in unendlicher Kreativität und spielerisch-kindlicher Maßlosigkeit: Dort modelliert er allerlei aus Wasser, Luft und Erde, hier hängt er – wörtlich – ein paar „Lampen“ (Gen 1,14: ) an den Himmel, dort gibt er mit spielerischer Geste der unendlich variantenreichen Flora, dort der Fauna und hier schließlich dem Menschen das Leben. Gott freut sich am eigenen Spiel – „Und er sah, dass es gut war“ – und ruht sich am siebten Tage aus; wohl kaum, weil das Werk ihn überanstrengt hätte (vom Gegenteil zeugt der vorherige Bericht), sondern um nochmals gerade die Leichtigkeit des Schaffens (er braucht nicht einmal sieben Tage) und die Muße/Ruhe als Vollzugsweise der „Zustimmung zur Welt“ zum Ausdruck zu bringen. Hier zeigt sich auch die Freude Gottes an seiner Schöpfung, ihr von Gott her völlig harmonischer und guter Charakter sowie ihre Zweckfreiheit.

Der Schöpfungsakt Gottes ist wie das Spiel frei von vordergründigen Zwecken: Man könnte in Abwandlung eines berühmten von Bonaventura überlieferten Wortes sagen, dass es vielleicht gar keines Schöpfungszweckes bedarf, sondern dass absolute Güte und Kreativität sozusagen automatisch überlaufen und schaffen: bonum est diffusivum sui,37 das Gute ist wesentlich das sich Ausbreitende, Verströmende – so sein neuplatonisches Axiom. Übersetzt in den vorliegenden Kontext hieße das: Ein absolutes Spiel läuft vor Kreativität automatisch über und generiert – „kreiert“ – neue Regeln, Schauplätze, Rollen, Spielzeuge. Könnte der Schöpfungsakt aber – wie auch das Spiel – bei aller Zwecklosigkeit doch einen tieferen Sinn, ein Ziel haben? Der Christ darf mit einem anderen großen Franziskaner, Johannes Duns Scotus, ein positives Schöpfungsziel, eine Schöpfungsintention auf Seiten Gottes annehmen: Gott schafft – dem Kölner Gelehrten zufolge –, weil er, der in sich schon ewige Liebesgemeinschaft ist, weitere Mitliebende sucht.38 Hier ließe sich nun übersetzen: Der ewige Spielergott schafft, nicht bloß um Spielzeuge (Platon!), sondern um Mitspieler, um Spielgefährten zu gewinnen, er erschafft also den ganzen Kosmos um des Menschen als seines möglichen (Spiel-)Partners willen. Schöpfung ist somit wesentlich Eröffnung der Möglichkeit eines Beziehungsgeschehens, Einrichtung eines Spielfeldes.

Wie vollzieht sich nun aber diese Beziehung zwischen Gott und Schöpfung, nachdem diese einmal geschaffen ist?

c) „Deus ludens redemptor“

Nach der Betrachtung des spielenden Gottes in seiner ewigen Beziehungshaftigkeit und als Schöpfer fehlt nun noch der systematische Blick auf das Verhältnis von Gott und Schöpfung, vor allem aber von Gott und Mensch, das sich ebenfalls als Spiel beschreiben lässt. Dies zeigt sich biblisch ja bereits in Gestalt der bei den Menschen wohnenden und sich freuenden Weisheit YHWHs und in der antwortenden, tanzenden Freude des Menschen.39 Die Überschrift lautet hier Deus ludens redemptor – der spielende Gott als Erlösergott. Es hätte auch heißen können Deus ludens concursus oder gratiae: Der spielende Gott der Mitwirkung bzw. der Gnade.

Die heilsgeschichtliche Deutung des Bildes vom Spiel wurde bereits angedeutet in der Vorstellung des Menschen als zum Spielgefährten Gottes geschaffenes Wesen. Das Bild des Spiels lässt sich auf die gesamte Heilsgeschichte übertragen, die nicht von ungefähr schon von den Vätern als gottmenschliches Drama, als ernst-heiteres Spiel der Beziehungspartner Gott und Mensch aufgefasst wurde. Schillers Wort aus „An die Freunde“ von den „Brettern, die die Welt bedeuteten“ – gemeint ist der Boden der Theaterbühne – erhält hier seinen ganzen Ernst und kann nun auch umgekehrt gelesen werden: Die Welt ist eine Bühne, ein Theaterstück, ein dramatisches Spiel.

Hans Urs von Balthasar wird dieses Bild – ausgehend vom Welttheater Calderóns, Goethes, Claudels und vieler anderer – in seiner vierbändigen „Theodramatik“ ausfalten:40

„Aber das Aufscheinen Gottes (Theophania) ist nur der Auftakt zum Zentralen: der in Schöpfung und Geschichte sich ereignenden Auseinandersetzung zwischen der göttlichen unendlichen und der menschlichen endlichen Freiheit. Von dieser Mitte handelt die Theodramatik[…]. Gott will ja von uns nicht nur angesehen und wahrgenommen werden wie ein einsamer Schauspieler von seinem Publikum, sondern er hat es von vorneherein auf das Zusammenspiel abgesehen.“41

Die Heilsgeschichte ist das entscheidende Spiel um das Heil der Menschen, mit offenem, aber erhofft positivem Ausgang: Die Menschen sind die Darsteller dieses Dramas, denen in Gottes Heilsplan eine je spezifische Rolle (theologisch gesprochen: Sendung)42 zukommt, die sie in Freiheit anzunehmen oder abzulehnen vermögen. Gott selbst aber – wie Balthasar in seiner „Trias der Produktion (Autor, Schauspieler, Regisseur)“ beschreibt43 – ist nicht, wie in der antiken Vorstellung, der alleinbestimmende Autor des Stücks: Er ist als Vater durch den Schöpfungsakt und seinen Heilsplan sehr wohl Autor, allerdings hebt diese Autorenschaft – ähnlich wie im Improvisationstheater – nicht die Freiheit der Schauspieler auf. Und: Gott selbst schaltet sich durch die beiden heilsgeschichtlichen Sendungen von Sohn und Geist selbst in das Drama ein:

„Der Vater, der als der Sender des Sohnes und des Geistes scheinbar oberhalb des Spieles verharrt, könnte sich nicht tiefer engagieren als durch diese Sendungen: ,So sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seines einzigen Sohnes nicht schonte, sondern ihn preisgab‘ (Joh 3,16 und Röm 8,32) […]. Der Geist aber, der als der unbestechliche ,Zeuge‘ objektiv registriert, ist zugleich die durch das ganze Spiel hindurch ,ausgegossene Liebe Gottes‘ (Röm 5,5).“44

Gott ist also zugleich auch Regisseur des Heilsdramas, eine Rolle, die Balthasar dem Hl. Geist zumisst. Die Heilsgeschichte als Spiel kulminiert dann freilich in der Inkarnation: Der ewige Gott wird zugleich Schauspieler, er übernimmt in Jesus Christus selbst die Hauptrolle des Stücks – mit allen dramatischen Konsequenzen. Im Menschen Jesus tritt Gott selbst an die Stelle des Menschen, gar als Mensch in die Geschichte ein, liefert sich kenotisch als „Spielball“ der Macht menschlicher Sünde aus und vollzieht dabei zugleich als vollkommenes die völlige Hingabe an den Vater. Und trotz seines scheinbaren Scheiterns führt dieser Hauptdarsteller das Spiel zum guten, ja zum bestmöglichen Ende. Durch seine Sendung und sein Engagement im Heilsdrama weitet Christus den Spielraum und eröffnet erst die Möglichkeit eines positiven Ausgangs des Dramas:

„Die Inklusion der dramatischen Personen in Christus besagt zunächst nicht mehr als dies: daß in Christus jener personale Freiheitsraum von Gott her eröffnet ist, innerhalb dessen die einzelnen (individuellen oder kollektiven) Personen ihr letztes menschliches Gesicht, ihre Sendung oder ,Rolle‘ erhalten, die gemäß oder ungemäß zu spielen ihnen überlassen bleibt.“45

 

Hierdurch kommt es laut Balthasar zu einer Verschmelzung der „Trias der Realisation […] (Darbietung, Publikum, Horizont)“,46 die Grenzen zwischen Bühne, Darbietung und Publikum werden aufgehoben, so dass Paulus zu Recht von sich behaupten kann, er sei „ein Schauspiel []“ (1 Kor 4,9) für die Welt geworden.

Auch Karl Rahner beschreibt die Gesamtgeschichte, die aufgrund des Christusereignisses Heilsgeschichte sei, als gottmenschliches Drama, betont aber stärker als Balthasar, dass der Ausgang dieses Dramas durch die eschatologisch siegreiche, heilsgeschichtliche Sendung des Sohnes bereits endgültig entschieden sei,47 was ihm von Seiten Balthasars und anderer den Vorwurf einer triumphalistischen Theologie bzw. einer Vernachlässigung der theologia crucis eingebracht hat.48

Natürlich birgt die Beschreibung der Welt, der Geschichte, des Diesseits als Spiel auch Gefahren, wie etwa eine mögliche dualistische Ablehnung der materiellen Wirklichkeit, eine blinde Weltflucht oder die zynische Entwertung alles menschlichen Entscheidens, Tuns und vor allem auch Leidens. Hier ist aber auf das antike Spielverständnis zu verweisen, das dem Spiel durchaus ernsten Charakter zuerkennt. So ließe sich im Aufgriff des obigen Platonzitats formulieren: Der spielende Mensch hat verstanden, dass allein Gott allen Ernstes würdig ist und dass es die Aufgabe des Menschen ist, sich spielend und bereitwillig dareinzufügen, Spielzeug bzw. -partner Gottes zu sein. Und Aristoteles spricht in seiner „Nikomachischen Ethik“ von der Tugend der , des Spielenkönnens: Der Spielenkönner () ist der ausgewogene, der lebenstaugliche Mensch, der Mensch der Mitte () zwischen dem albernen Possenreißer () und dem verbitterten Griesgram (),49 der ideale Mensch ist den alten Griechen daher auch der „ernstheitere Mensch“ ( ).50

Dem Spiel eignet eine fundamentale Zwecklosigkeit, die einen tieferen Sinn bzw. ein Ziel implizieren kann; und so haben auch Welt und Kosmos keinen Zweck, sondern ein eigentliches, tieferes Ziel, das jenseits ihrer selbst und all ihrer Vorstellungshorizonte in Gott liegt. Ganz in diesem Sinne schreibt Maximus Confessor:

„Wenn aber auch wir selbst, nach der gegenwärtig herrschenden Abfolge unserer Natur zuerst nach Ähnlichkeit mit den übrigen irdischen Lebewesen gezeugt werdend, dann Kinder werdend, dann, nachdem unsere Jugend nach Art einer kurzlebigen Blüte zur Runzligkeit des Alters geeilt ist, tot sein werdend und in ein anderes Leben versetzt, von diesem gottbegeisterten Lehrer ,Spiel(zeug) des Gottes‘ genannt wurden, [so ist das] nicht außerhalb des Angemessenen. Denn im Vergleich zu dem künftigen Urbild des göttlichen und wahren Lebens ist das gegenwärtige Leben ein Spiel(zeug), und alles, wenn es noch etwas anderes gibt, was weniger seinshaft ist als dieses.“51

So hatte schon Clemens Alexandrinus geschrieben: Das Leben ist ein „göttliches Kinderspiel“.52 Dieses tiefere Ziel von Welt und Geschichte zeigt sich dem religiösen Menschen, der sich in zweiter, rational verantworteter Naivität als Spielzeug und Spielpartner Gottes in dessen Hände legen und dem großen heilsgeschichtlichen Spielplan Gottes von Herzen zustimmen kann. Könnte dies nicht in der Tat das sein, was Jesus meinte, als er vom Wie-die-Kinder-Werden und vom bergeversetzenden Glauben sprach? Spielend Spielzeug Gottes sein? Der wesentliche Ausdruck dieser Grundeinstellung ist das „Spiel“ der Liturgie, jenes zweckfreie Tun des Menschen, in dem er sich so sehr Gott überantwortet und diesen walten bzw. „spielen“ lässt, dass sich ihm anfanghaft die himmlische Liturgie, das ewige Spiel Gottes und der Heiligen, eröffnet.53

So steht am Ende der Überlegungen nun wiederum der homo ludens, der aristotelische . Das ist in christlicher Deutung jener Mensch, der um den tieferen Sinn der Wirklichkeit in Gott weiß, diesem Wissen spielend und feiernd Ausdruck verleiht, seiner Rolle, d. h. seiner Sendung, im göttlichen Heilsdrama gerecht zu werden sucht und glaubend darauf hofft, einst in die ewige Freude des göttlichen Spieles eintreten zu dürfen. In einer dem hl. Hippolyt zugeschriebenen Osterpredigt beschreibt der Verfasser die Vollendung des „Spieles“ Heilsgeschichte deswegen hymnisch als den ultimativen letzten Tanz des Kosmos, angeführt von Christus. In Christus, der spielenden und tanzenden Weisheit Gottes, erkennt Hippolyt den „Vortänzer im mystischen Reigen, wenn der tanzende Chor der Erde zu Gott heimkehrt“.54 Die Menschen sind die liebsten, zur ewigen Gottesgemeinschaft bestimmten , und gerade hierin liegt ihre unüberbietbare und unverlierbare Würde: , spielend leben sollen sie! Oder mit dem Appell Hugo Rahners: „Ite et ludite“!55

1 Als klassische Referenztexte sind hier zu nennen Johan HUIZINGA: Homo ludens: Vom Ursprung der Kultur im Spiel / Hans NACHOD (Übers.). Reinbek: Rowohlt, 222011 (Rowohlts Enzyklopädie; 55435); Frederik Jacobus BUYTENDIJK: Wesen und Sinn des Spieles: Das Spielen des Menschen und der Tiere als Erscheinungsform der Lebenstriebe. Berlin: Wolff, 1933; Gerhard VON KUJAWA: Ursprung und Sinn des Spiels: eine kleine Flugschrift versehen mit Randbemerkungen eines Schildbürgers. Leipzig: Seemann, 1940 (Kleine Bücherei zur Geistesgeschichte; 4). Vgl. auch Frederik Jacobus BUYTENDIJK: Das menschliche Spielen. In: Hans-Georg GADAMER; Paul VOGLER (Hrsg.): Kulturanthropologie. Stuttgart: Georg Thieme, 1973 (Neue Anthropologie; 4), S. 88–122; Roger CAILLOIS: Die Spiele und die Menschen: Maske u. Rausch / Sigrid VON MASSENBACH (Übers.). Frankfurt a. M.: Ullstein, 1982; Harvey COX: Das Fest der Narren: Das Gelächter ist der Hoffnung letzte Waffe. Stuttgart: Kreuz-Verlag, 41972; Gunter GEBAUER; Christoph WULF: Spiel – Ritual – Geste: mimetisches Handeln in der sozialen Welt. Reinbek: Rowohlt, 1998 (Rowohlts Enzyklopädie; 55591); Gerd GRÜNEISL (Hrsg.): Mensch und Spiel: Der mobile „homo ludens“ im digitalen Zeitalter. Unna: LKD-Verlag, 2001; Ursula Pia JAUCH: Homo ludens – der Mensch, ein Spieler. Zürich: Vontobel-Stiftung, 2001; Stefan KIECHLE: Spielend leben. Würzburg: Echter, 2008 (Ignatianische Impulse; 34); Franz MAHR; Albert SCHLERETH (Hrsg.): homo faber, homo ludens. München: Kösel, 1971 (Alternativen; 9); Jürgen MOLTMANN: Die ersten Freigelassenen der Schöpfung: Versuche über die Freude an der Freiheit und das Wohlgefallen am Spiel. München: Kaiser, 61981; Jörg SPLETT: Spiel-Sinn. In: Peter REIFENBERG (Hrsg.): Sehnsucht nach Sinn: Hoffnung – Orientierung – Glauben. Frankfurt a. M.: Josef Knecht, 2003, S. 95–101.

2 HERAKLIT: Fragment 52. In: Hermann DIELS; Walter KRANZ (Hrsg.): Die Fragmente der Vorsokratiker: Griechisch und Deutsch. Bd. 1. Berlin: Weidmann, 61951, S. 162: „ “. Dies kommentierend schreibt der große Neuplatoniker Proklos: „Und so sagen denn andere, daß der Weltbildner in seiner Gestaltung des Kosmos ein Spiel aufführe, wie es schon Herakleitos gesagt hat“ (Eis ton Timaion Platonos II, 101; zitiert nach Hugo RAHNER: Der spielende Mensch. Einsiedeln: Johannesverlag, 51960, S. 19).

3 Carl Gustav JUNG; Karl KERÉNYI: Das göttliche Kind: Eine Einführung in das Wesen der Mythologie. Düsseldorf: Patmos, 2006. Das Werk, das 1941 erstmals erschienen ist, weist eine recht komplexe Redaktionsgeschichte mit teils unterschiedlich betitelten und zusammengestellten Auflagen auf. Erste Überblicke über die Fülle des Gotteskindmythos liefern etwa auch Paul SCHWARZENAU: Der Mythos vom Neubeginn. Stuttgart: Kreuz Verlag, 1984, und Renate GÜNTHER: Der Mythos vom göttlichen Kind: Jesus – Krishna – Buddha. Düsseldorf: Patmos, 1997, die sich keineswegs auf die drei im Untertitel genannten „Kindgötter“ beschränkt. Vgl. auch das Themenheft „Kindsgötter und Gotteskind“ der Zeitschrift Welt und Umwelt der Bibel 4 (2010).

4 RAHNER: Der spielende Mensch (wie Anm. 2).

5 PLATON: Nomoi Z, 803 b-c (Platon: Werke in acht Bänden / Gunter EIGLER [Hrsg.]. Bd. 8,2: Gesetze, Buch VII–XII. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 42005, S. 46–49): „ .“

6 Die Perikope dient allerdings in der Tat nur als Ausgangspunkt der vorliegenden systematischen Erwägungen. Für die exegetische Untersuchung kann und muss hier auf den Beitrag von Matthias Helmer im vorliegenden Band verwiesen werden.

7 Friedrich SCHILLER: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. In: DERS.: Sämtliche Werke in 5 Bänden / Peter-André ALT; Albert MEIER; Wolfgang RIEDEL (Hrsg.). Bd. 5. München: Carl Hanser, 2004, S. 570–669, 618 (15. Brief). Dazu Näheres im Beitrag von Anja Solbach im vorliegenden Band.

8 THOMAS VON AQUIN: Expositio libri Boetii de ebdomadibus, prooem. – http://www.corpusthomisticum.org (18. 11. 2011): „Ubi considerandum est, quod sapientiae contemplatio convenienter ludo comparatur, propter duo quae est in ludo invenire. Primo quidem, quia ludus delectabilis est, et contemplatio sapientiae maximam delectationem habet […]. Secundo, quia operationes ludi non ordinantur ad aliud, sed propter se quaeruntur. Et hoc idem competit in delectationibus sapientiae“ („Hier ist zu bedenken, dass die Betrachtung der Weisheit in angemessener Weise dem Spiel verglichen wird aufgrund zweier [Charakteristika], die im Spiel zu finden sind. Erstens nämlich, weil das Spiel erfreulich ist, und die Betrachtung der Weisheit hat die größte Freude bei sich […]. Zweitens, weil die Handlungen des Spiels nicht auf etwas hingeordnet sind, sondern um ihrer selbst willen gesucht werden. Und dieses Selbe kommt den Freuden der Weisheit zu“).

 

9 Hier kann etwa auf die sogenannte Selbstzweckformel des kantschen kategorischen Imperativs verwiesen werden, vgl. Immanuel KANT: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. In: DERS.: Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie / Wilhelm WEISCHEDEL (Hrsg.). Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 62005, S. 61 (BA 66–67); vgl. ebd. S. 66 (BA 74–75).

10 Vgl. SPLETT: Spiel-Sinn (wie Anm. 1), S. 97: „Eine Welt für sich. Darin liegt der Grund, warum das Spiel zweckfrei (bei allem möglichen Nutzen für den Menschen), überfunktional und selbstgesetzlich ist“.

11 Analog Foucaults Ausführungen zur „Heterotopie Fest“, vgl. Michel FOUCAULT: Andere Räume. In: Karlheinz BARCK u. a. (Hrsg.): Aisthesis: Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Leipzig: Reclam, 1992 (Reclams Universal-Bibliothek; 1352), S. 34–46, hier S. 44.

12 Wegen der Erholungsfunktion hat das Spiel teils selbst für den großen „Spielverderber“ der Theologiegeschichte, Augustinus, einen gewissen Wert (vgl. De musica II,14: PL 32,116a); seine ansonsten eher vernichtende Einschätzung des Spiels als Inbegriff von Müßiggang, Unordnung und Ungehorsam ist etwa in den Kapiteln 9 und 10 des Ersten Buchs der „Confessiones“ dokumentiert, vgl. etwa Confessiones I,10 (AUGUSTINUS: Confessiones: Bekenntnisse: Lateinisch und Deutsch / Joseph BERNHARDT [Hrsg.]. München: Kösel, 41980, S. 36): „Non enim meliora eligens inoboediens eram, sed amore ludendi“ („Denn nicht Besseres wählend [als die Gebote der Eltern und Lehrer] war ich ungehorsam, sondern aus Liebe zum Spiel“). Vgl. auch Confessiones I,9 (ebd., S. 34): „… sed delectabat ludere et vindicabatur in nos ab eis qui talia utique agebant“ („… aber es gefiel [uns] besser zu spielen und es wurde an uns bestraft von denen, die selbst auch solches trieben“).

13 Vgl. SPLETT: Spiel-Sinn (wie Anm. 1), S. 97–98: „Ganz wird der Mensch, wenn er spielt, weil er ganz hingegeben und gesammelt bei der Sache ist, solange er in Wahrheit spielt, statt daß er abgelenkt, ,zer-streut‘, also geteilten Bewußtseins wäre.“

14 Vgl. SPLETT: Spiel-Sinn (wie Anm. 1), S. 98: „Und in diesem Gesammelt-, ja ,Gefesseltsein‘ ist er ganz Mensch, weil er sich nicht nur frei hat fesseln lassen, sondern auch – obzwar es paradox klingt – frei gefesselt bleibt […]. Ganz Mensch also ist der Mensch im Spiel, weil er sich darin als Freiheitswesen ,realisiert‘ (d. h. erfährt wie verwirklicht) und sich als solches bezeugt“.

15 Einen guten Überblick über das Konzept einer „zweiten Naivität“ bei Wust und Ricœur sowie dem jüdischen Reformpädagogen Ernst Simon vermittelt etwa Joachim NEGEL: Vermittelte Unmittelbarkeit zu Gott: Erwägungen zur „Zweiten Naivität“ als der Glaubenshaltung des erwachsenen Menschen. – http://www.uni-marburg.de/hosting/ks/personal/negel/negel11.pdf (9. 5. 2012); der Aufsatz erscheint demnächst in: Joachim NEGEL: Welt als Gabe: Hermeneutische Grenzgänge zwischen Theologie und Phänomenologie. Münster: Aschendorff, 2012 (JThF; 26).

16 Vgl. hierzu Josef PIEPER: Zustimmung zur Welt: Eine Theorie des Festes. München: Kösel, 21963; dort zeigt sich Pieper allerdings eher kritisch gegenüber dem Spiel (vgl. ebd., S. 25–27). In einer anderen Schrift bringt er die Weltzustimmung und das Fest auch in Verbindung mit der Muße, vgl. Josef PIEPER: Muße und Kult. München: Hegner, 61948; hier äußert er sich mit Thomas von Aquin positiver zum Spiel (vgl. ebd., S. 34–35).

17 Dieser Gedanke liefert einen Anknüpfungspunkt für die christliche Sakramententheologie, die nicht allein ihren genuinen Gegenstand (die sieben Sakramente) als Spielgeschehen deutet, sondern darüber hinaus auch auf eine Vielzahl analoger allgemeinmenschlicher Vollzüge verweisen kann, ob diese nun als „Schöpfungssakramente“ (Joseph Ratzinger mit Bonaventura und der scholastischen Tradition), als „Alltagssakramente“ (Rudolf Englert, ähnlich Leonardo Boff) oder anders bezeichnet werden.

18 Als Standardwerk zur Rezeption der Stelle in der Patristik, vor allem in den arianischen Auseinandersetzungen, ist zu betrachten: Manlio SIMONETTI: Sull’interpretazione patristica di Proverbi 8,22. In: DERS.: Studi sull Arianesimo. Rom: Editrice Studium, 1965, S. 9–87. Vgl. auch Mark DELCOGLIANO: Basil of Caesarea on Proverbs 8:22 and the sources of pro-nicene theology. In: Journal of Theological Studies N. S. 59 (2008), S. 183–190; Maurice DOWLING: Proverbs 8:22–31 in the Christology of the Early Fathers. In: Irish Biblical Studies 24 (2002), S. 99–117; Antony MEREDITH: Proverbes, VIII, 22 chez Origène, Athanase, Basile et Grégoire de Nysse. In: Charles KANNENGIESSER (Hrsg.): Politique et theólogie chez Athanase d’Alexandrie: Actes du colloque de Chantilly, 23–25 sept. 1973. Paris: Beauchesne, 1973 (Théologie et histoire; 27), S. 349–357; Michel van PARYS: Exégèse et théologie trinitaire: Prov. 8,22 chez les Pères Cappadociens. In: Irénikon 43 (1970), S. 363–379.

19 Einige wenige Väter freilich assoziieren die alttestamentliche Weisheit stattdessen mit dem Heiligen Geist, so etwa Irenäus von Lyon und z. T. auch Theophilus, vgl. mit Belegen DOWLING: Proverbs (wie Anm. 18), S. 99. Eine Schwierigkeit der christologischen Deutung bildete sicherlich das grammatikalische Geschlecht von bzw. sapientia: Beide sind feminin.

20 „O Sapientia, quae ex ore Altissimi prodiisti, attingens a fine usque ad finem, fortiter suaviterque disponens omnia: veni ad docendum nos viam prudentiae“ („O Weisheit, die Du aus dem Mund des Höchsten hervorgegangen bist, umspannend das All, ordnend alles mit Stärke und Milde, komm, uns den Weg der Klugheit zu lehren“); vgl. Weish 8,1.

21 Hier seien nur exemplarisch genannt: Justin, Athenagoras, Tertullian, Dionysius von Rom, Origenes, Marcell von Ancyra, Eusebius von Caesarea, Athanasius, Basilius, Gregor von Nazianz, Eustachius von Antiochien, Evagrius Ponticus; Belege etwa bei DOWLING: Proverbs (wie Anm. 18); MEREDITH: Proverbes (wie Anm. 18); SIMONETTI: Sull’interpretazione (wie Anm. 18).

22 Vgl. Edward LIPIŃSKI: Art. . In: ThWAT 7, S. 63–71. Zu und der schwierigen Interpretation der Stelle vgl. auch den Beitrag von Matthias Helmer in diesem Band. Schon Basilius weist – wohl in Abhängigkeit von Eusebius von Caesarea (vgl. EUSEBIUS: De ecclesiastica theologia, III, 2, 152–153 [GCS 68.141–142]; vgl. hierzu DELCOGLIANO: Basil of Caesarea [wie Anm. 18], vor allem S. 187–188) – auf die Mehrdeutigkeit des Verbs als einer möglichen philologischen Lösung des durch die Stelle aufgeworfenen christologischen Problems hin (Contra Eunomium II, 20: SC 305.82–84). Justin Martyr hatte das Verb bereits in seinem Dialog mit Tryphon mit „zeugen“ () übersetzt (JUSTIN MARTYR: Dialogus cum Tryphone / Miroslav MARCOVICH [Hrsg.]. Berlin: de Gruyter, 1997 [Patristische Texte und Studien; 47], 129, 3 [S. 294]). Vgl. zum Ganzen auch MEREDITH: Proverbes (wie Anm. 18), S. 349.353. Vulgata und Nova Vulgata übersetzen hier bezeichnenderweise mit „possedit me“, analog liest die Lutherbibel (auch in der revidierten Fassung) „mich gehabt“.

23 ARIUS: Glaubensbekenntnis an Alexander von Alexandrien 4. In: Hans-Georg OPITZ: Urkunden zur Geschichte des arianischen Streites 318–328: 1. Lieferung. Berlin: de Gruyter, 1934 (Athanasius Werke; III-1), S. 12–13, hier S. 13: „ “. Vgl. die berühmte arianische Parole „“ („Es gab eine Zeit/ein Wann, als er nicht war“), die das Nizänum explizit verurteilt (vgl. DH 126).

24 BASILIUS: Contra Eunomium II, 20 (SC 305.82): „

25 SALONIUS: In Parabolas Salomonis expositio mystica (PL 53.974A): „… quod dicit, ludens, intelligendum est, gaudens. Ludebat enim per singulos dies, id est, gaudebat se esse unum; id est, unius substantiae cum Patre, a principio, ex diebus aeternitatis. [Veranus:] Quomodo ludebat omni tempore in orbe terrarum? [Salonius:] Quia cum tempora orbis et creaturae esse cœpissent, ipse Filius gaudebat, quia ipse quod erat, semper in Patre manebat.“

26 Vgl. BEDA VENERABILIS: Super parabolas Salomonis allegorica expositio (PL 91,966B); HRABANUS MAURUS: Expositio in Proverbia Salomonis (PL 111,710A); WALAFRIED STRABO: Liber proverbiorum (PL 113, 1091D); vgl. zum Ganzen auch RAHNER: Der spielende Mensch (wie Anm. 2), S. 24.

27 Vgl. etwa den Artikel Manfred FUHRMANN; Brigitte KIBLE; Georg SCHERER; Hans-Peter SCHÜTT; Wolfgang SCHILD; Maximilian SCHERNER: Art. Person. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 7. Basel: Schwabe, 1989, S. 269–338.

28 Diese Problematik des ambigen Personbegriffs begegnet bereits in der alten Kirche in Gestalt seiner unterschiedlichen Verwendung in Christologie und Trinitätslehre, wird er doch in den christologischen Auseinandersetzungen in seiner henotischen, eher auf Individualität und Eigenstand abzielenden Lesart verwendet, während er in der Trinitätstheologie vielmehr umgekehrt aufgrund seiner diakritischen, die unterschiedlichen Relationen zum Ausdruck bringenden Funktion zum Einsatz kommt.

29 DH 1330 (Florentinum, „Cantate Domino“ [Bulle an Kopten und Äthiopier]): „Hae tres personae sunt unus Deus, et non tres dii: quia trium est una substantia, una essentia, una natura, una divinitas, una immensitas una aeternitas, omniaque sunt unum, ubi non obviat relationis oppositio“ („Diese drei Personen sind ein Gott und nicht drei Götter: denn den Dreien gemeinsam ist eine Substanz, ein Wesen, eine Natur, eine Gottheit, eine Erhabenheit, eine Ewigkeit und alles ist eins, wo dem nicht die Opposition der Relationen entgegensteht“).

30 THOMAS VON AQUIN: De potentia, 9, 4 c. – http://www.corpusthomisticum.org (25. 11. 2011).

31 Hinsichtlich des Vaters ergänzt die klassische Schultheologie hier freilich die quattuor relationes um eine fünfte göttliche Proprietät oder „Notion“, nämlich die nichtrelationale „Ursprunglosigkeit“, die aber als Negation einer Ursprungsrelation ebenfalls – wenngleich in negierter Weise – eine Beziehung zum Ausdruck bringt.

32 Hier kann auch auf entsprechende Überlegungen Klaus Hemmerles in seiner von Heinrich Rombachs „Strukturontologie“ inspirierten „trinitarischen Ontologie“ verwiesen werden: Klaus HEMMERLE: Thesen zu einer trinitarischen Ontologie. Einsiedeln: Johannesverlag, 21992 (Kriterien; 40). Vgl. hierzu Michael BÖHNKE:Einheit in Mehrursprünglichkeit: eine kritische Analyse des trinitarischen Ansatzes im Werk von Klaus Hemmerle . Würzburg: Echter, 2000 (Bonner dogmatische Studien; 33), vor allem 128–132; Kai G. SANDER: Sinn und Glaube: eine religionsphilosophische Analyse der Inversion des Denkens. Berlin: Lit, 2012 (Forum Religionsphilosophie; 25), S. 157–186.

33 Alois HUDAL: Die religiösen und sittlichen Ideen des Spruchbuches. Rom: Päpstliches Bibel-Institut, 1914, S. 150.

34 TERTULLIAN: Liber adversus Hermogenem, c. XVIII (PL 2.212C/237A).

35 TERTULLIAN: Liber adversus Hermogenem, c. XXXII (PL 2.227B/252A).

36 GREGOR VON NAZIANZ: Carmina, lib.I sect.II vv. 589 f. (PG 37.624 f.): „ “.

37 Zur Geschichte des Axioms, das wohl im Letzten auf Plotin zurückgeht, und dessen christliche Verwendung vielleicht bereits bei Gregor von Nazianz (und nicht erst bei Pseudo-Dionysius) einsetzt, vgl. Klaus KREMER: Dionysius Pseudo-Areopagita oder Gregor von Nazianz?: Zur Herkunft der Formel: „Bonum est diffusivum sui“. In: Theologie und Philosophie 63 (1988), S. 579–585.

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