Sprache, Mathematik und Naturwissenschaften

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3.1 Der Umgang mit Fachsprache als Element des Fachunterrichts

Im Folgenden werden die Ergebnisse einer umfänglichen Studie zusammengefasst, die sich mit den eben genannten Fragen befasste. Die Studie gründete auf einen Unterricht, der in sprachlicher Hinsicht durch folgende Merkmale ausgezeichnet war:

Das Fachwort Kraft wird nicht im Sinne einer lexikalischen Definition eingeführt, sondern im Kontext von Sätzen, von Beschreibungen von Bewegungsabläufen. Die Beschreibungen zeigen, welche Bedeutungen das Fachwort durch seine Verbindung mit anderen Wörtern erhält. Diese Einführung folgt dem wittgensteinschen Gedanken des Sprachspiels: Sprachspiele sind in Wittgensteins Werk »Verhaltensabläufe, in denen Sprechen und anderes Handeln miteinander ›verwoben‹ sind« (Savigny 1998, S. 9). Die Rolle eines Ausdrucks im Sprachspiel legt fest, wie der Ausdruck gebraucht werden kann, und damit ist auch die Bedeutung dieses Ausdrucks umrissen. Wörter haben demnach keine Bedeutung, sie erhalten sie im Gebrauch.

Alltags- und Fachsprache werden im Unterricht wiederholt kontrastiert. Alltagssprachliche Formulierungen und die dahinter liegenden Alltagsvorstellungen werden von fachsprachlichen und den mit ihnen verbundenen fachlichen Konzepten abgegrenzt. Eine unbewusste Vermischung der Ebenen von Alltags- und Fachsprache wird im Unterricht konsequent vermieden, sowohl was die verwendeten Lehrtexte angeht, als auch das sprachliche Vorbild der Lehrkraft betreffend.

Die Schülerinnen und Schüler sprechen nicht nur über die Physik der Bewegungen, sie sprechen auch über ihr Sprechen. Dieser Metadiskurs wird seit langem für den Naturwissenschaftsunterricht empfohlen, der die Pflege der Fachsprache als ein Anliegen des Fachunterrichts anerkennt:

Abb. 1: Ein Beispiel für eine Aufgabe, die die Schülerinnen und Schüler in einen Metadiskurs involviert. Die Schülerinnen und Schüler haben zuvor das Video eines Stabhochsprungs gesehen, haben den Bewegungsablauf alltagssprachlich, dann fachsprachlich beschrieben. Nun erhalten sie die fiktiven Schüleräußerungen in den Sprechblasen, dazu die Aufträge:

a) Teilt die Aussagen ein: Welche verwenden das Wort Kraft eurer Meinung nach fachsprachlich richtig, welche nicht? Gebt jeweils eine kurze Begründung.

b) Die Sprecher/innen, die das Wort Kraft fachsprachlich nicht richtig verwendet haben, stellen sich unter Kraft etwas anderes vor, als wir gelernt haben. Versucht zu beschreiben, was sie sich vorstellen.

c) Die Sätze, die das Wort Kraft fachsprachlich richtig verwenden, passen unterschiedlich gut zu den gezeigten Situationen. Welcher passt am besten, und warum?


Teachers should model scientific language by explaining to students how they themselves are combining terms together in sentences. They should stop to point out special idioms and phrases. […] In present practice teachers tend to leave much of the semantics and grammar of scientific language completely implicit. Students are expected to figure all this out for themselves. That is too much to expect of students who have to deal with topics and thematic content that are so distant from common experience. (Lemke 1990, S. 170).

Abbildung 1 zeigt das Beispiel einer Aufgabe, die die Schülerinnen und Schüler in einem Diskurs über die Sprache und den mit ihr assoziierten Vorstellungen anregt.

Die drei Teilaufgaben zielen auf eine Beschäftigung mit der sprachlichen Oberfläche und mit dem assoziierten Inhalt: Zunächst kann allein auf der Basis von Oberflächenmerkmalen entschieden werden, welche der gegebenen Äußerungen fachsprachlich sind und welche nicht. Als fachsprachlich gelten diejenigen, in denen der Ausdruck »Kraft ausüben auf« vorkommt. Es sind die Äußerungen von Martina und Jens (Aufgabenteil a). In den folgenden beiden Teilaufgaben geht es vertiefend um die Vorstellungen, die mit den Äußerungen verbunden werden können. Die Sprecher/innen Thorsten und Andrea bieten Formulierungen an, wie sie auch von Schülerinnen und Schülern kommen können. Sie sind alltagssprachlich und verwenden das Wort Kraft in einem Sinne von Energie, körperlicher Anstrengung oder Schwung. Solche Konzeptualisierungen von Kraft sind im Alltagsverständnis verbreitet. Die Schülerinnen und Schüler haben hier also Gelegenheit, eigene Vorstellungen einzubringen und sich ihres Gegensatzes zum fachlichen Konzept bewusst zu werden. Die fachsprachlich formal korrekten Äußerungen unterscheiden sich in ihrer Qualität: Martinas Äußerung ist der gezeigten Situation nicht angemessen, da das »Rennen« nicht ursächlich mit der Kraftausübung einher geht. Andererseits ordnet die Äußerung der Person, dem Springer, eine aktive Rolle zu und erscheint dadurch attraktiv – im Gegensatz zur Äußerung von Jens. Diese ist formal und inhaltlich korrekt, jedoch weist sie dem Stab die Rolle zu, eine Kraft auf den Springer auszuüben. Es ist der exakte Widerspruch zum schon erklärten Aktivitätsschema, der diese Äußerung trotz ihrer fachlichen Korrektheit in der Perspektive der Schülerinnen und Schüler als fraglich erscheinen lassen wird. Die beiden fachsprachlichen Äußerungen zeigen also eine Ambivalenz, die Aufgabenteil c) komplex und vielschichtig macht.

Die hier skizzierte Anlage der Unterrichtssequenz wurde vor Beginn der Studie mit 55 Schülerinnen und Schülern über einen Zeitraum von gut zwei Monaten erprobt (zwei achte Klassen an Gymnasien, je 20 Unterrichtsstunden). Gut 20 Stunden wurden videografiert, um anhand der anschließend angefertigten Transkripte die Auswertungsinstrumente zu entwickeln. Diese Erprobung mündete in ein Unterrichtskonzept und einen Satz von lernprozess- und -produktbezogenen Erhebungsinstrumenten, die für die Hauptstudie verwandt wurden. Die Hauptstudie erfolgte ebenfalls in zwei Klassen mit gut 50 Jugendlichen, wobei eine Klasse zu einem Gymnasium, die andere zu einer additiven Gesamtschule gehörte. Auch hier wurden alle Stunden videografiert, in denen fachsprachliche Fragen in Zusammenhang mit dem Kraftbegriff thematisiert wurden (19 Stunden insgesamt). Sämtliche Instrumente, Unterrichtsmaterialien und Auszüge aus Transkripten finden sich in Rincke (2007), der vollständige Text ist auch online verfügbar.

3.2 Empirische Daten

Die Transkripte der Unterrichtsvideos ergeben einen umfänglichen Materialkorpus, der einer systematischen Auswertung zugänglich gemacht werden muss. Für die detaillierte Darstellung der einzelnen Schritte muss hier auf Rincke (2007) verwiesen werden. Für das Anliegen dieses Beitrags mag die folgende überblickartige Zusammenfassung des Vorgehens ausreichen:

Der Materialkorpus, der sich aus Transkripten und schriftlichen Zeugnissen der Arbeit (Lerntagbücher, Arbeitsblätter, Tests) zusammensetzte, wurde in vier Teile geteilt, die von vier Paaren von Kodierern bearbeitet wurden. Die Interkoderreliabilitäten der Paare betrugen etwa 0,75 und waren damit zufriedenstellend.

Das verwendete Kodierschema unterscheidet zwei Kontexte und bietet dafür jeweils eigene Kategorien an:

Kontext A: Die Schülerinnen und Schüler sind explizit aufgefordert, fachsprachliche Sätze zu produzieren: Die Kategorien unterscheiden, inwieweit die Art, in der der Kraftbegriff verwendet wird, eine Wechselwirkung zwischen verschiedenen Objekten ausdrückt bzw. inwieweit sie mit den aus der Literatur bekannten Alltagsvorstellungen übereinstimmt.

Kontext B: Die Schülerinnen und Schüler befinden sich in einem Metadiskurs über die Sprache: Die Kategorien unterschieden zwei Begründungsmuster, nach denen die Zugehörigkeit einer gegebenen Formulierung zur Ebene der Alltags- oder der Fachsprache entschieden wird: Die Zugehörigkeit kann auf der Oberflächenstruktur eines gegebenen Satzes erfolgen, also etwa danach, ob ein Schlüsselwort wie »ausüben« vorhanden ist und dann wahrgenommen und für die Begründung herangezogen wird (formgebundene Argumentation). Die Entscheidung, ob ein gegebener Satz der Alltags- oder Fachsprache angehört, kann aber auch auf der Basis des vermittelten Inhalts erfolgen, also danach, ob der gegebene Satz im Verständnis eines Schülers eine Wechselwirkung ausdrückt oder nicht (anschauungsgebundene Argumentation).

Die Kategorisierung des Materials zeigt den Sprachgebrauch der Schülerinnen und Schüler und die Art, in der sie im Metadiskurs agieren. Um zu einer möglichst kondensierten Form eines Überblicks zu gelangen, wurde die Gesamtheit der Jugendlichen nachträglich in Gruppen eingeteilt, und zwar abhängig von den Ergebnissen der Kategorisierungen. Diese Gruppeneinteilung wurde für jede Unterrichtsstunde vorgenommen, wobei für die betreffenden Unterrichtsstunden stets entweder Kontext A oder Kontext B bestimmend war. Da sich nicht alle Schülerinnen und Schüler in gleicher Weise am Diskurs beteiligt hatten, wurde diese Analyse auf einen Teil der Klassen beschränkt. Es wurden die Personen einbezogen, die – bezogen auf die Gesamtzahl der von den Jugendlichen gesprochenen Wörter – mindestens so viel gesprochen hatten, wie es sich bei einer hypothetisch gleichmäßigen Beteiligung aller Jugendlicher ergeben würde: So befanden sich in einer der beiden Klassen beispielsweise 20 Personen. Hier würde eine gleichmäßige Beteiligung einem Anteil von 1/20 = 5 Prozent aller Wörter pro Person entsprechen. In dieser Klasse wurden daher alle Schülerinnen und Schüler in die detaillierte Analyse einbezogen, die mindestens 5 Prozent der insgesamt in dieser Klasse gesprochenen Wörter beigetragen hatten. Auf diesem Weg ergibt sich für das vorliegende Datenmaterial eine Gruppe von insgesamt 20 Personen für die Detailanalyse, die gemeinsam gut 80 Prozent aller im Verlauf der Unterrichtseinheit gesprochenen Wörter beigetragen hatten. Die Detailanalyse erfolgt für sechs Unterrichtsstunden im Kontext A, für drei im Kontext B. Diese Angaben bilden den Ausgangspunkt für die Darstellung der Ergebnisse, die in den Tabellen 1 und 2 wiedergegeben sind.

 

4. Zwischen Alltags- und Fachsprache: Interlanguage

Das Bild, das sich in Tabelle 1 zeigt, überrascht: Die Schülerinnen und Schüler werden mehrere Wochen lang mit einem erprobten Unterrichtskonzept in die Mechanik und das Kraftkonzept eingeführt. Die Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Fachsprache, ihre Unterschiede zur Alltagssprache im Hinblick auf Form und Bedeutung werden viele Male thematisiert. Dennoch zeigt sich bei keinem einzigen Jugendlichen das, was man vielleicht erwarten würde – ein Sprachgebrauch, der sich in die vom Unterricht intendierte Richtung entwickelte und stabilisierte. Die Überraschung wiegt umso stärker, wenn man sich bewusst macht, dass die Daten für Tabelle 1 nicht etwa aus beliebigen Unterrichtsphasen stammen. Es sind nicht die Einstiegsphasen der Stunden, in denen man sich behutsam einem Gegenstand nähert, die für die Kategorisierungen herangezogen wurden. Es sind ausschließlich solche Phasen, in denen ein Gegenstand bereits umfänglich beschrieben wurde und nun der Auftrag durch die Lehrkraft formuliert wird, das Gesagte und vermeintlich Verstandene mit fachsprachlichen Formulierungen zu wiederholen. An der Vielsprachigkeit der Schülerbeiträge scheint dies zunächst nichts zu ändern. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass es in Stunde 4 überdurchschnittlich gut gelingt, den Kraftbegriff fachsprachlich angemessen zu nutzen – ganz im Gegenteil etwa zur Stunde 6. Wenn man die Themen dieser beiden Stunden untereinander vergleicht, legt sich eine Vermutung nahe: In Stunde 4 wird der Bewegungsablauf bei einem Stabhochsprung behandelt. Die Schülerinnen und Schüler sehen die Zeitlupenaufnahme eines solchen Sprungs, schließlich wird eine bestimmte Phase des Absprungs näher betrachtet. In Stunde 6 ist das methodische Vorgehen gleich, jedoch bilden hier ein Crashtest und das Risiko einer Halswirbelsäulenverletzung bei einem Frontalzusammenstoß im Straßenverkehr den Kontext für die Auseinandersetzung. Die Unterrichtsvideos vermitteln sehr deutlich den Eindruck, dass die Jugendlichen sich durch den Kontext Halswirbelsäulenverletzung sehr viel stärker persönlich involviert sehen. Sie wollen in erster Linie etwas mitteilen, nicht »richtig« sprechen. Entsprechend gerät das Thema Fachsprache aus dem Blick, auch wenn die Lehrkraft viele Male daran erinnert und deutliche Hilfen anbietet. Wäre die Studie mit Stunde 4 beendet gewesen, so wäre man nur allzu geneigt gewesen, das erfolgreiche Erlernen der Fachsprache und des damit verbundenen Konzepts zu bejubeln. In Stunde 6 erlebt die Lehrkraft dann aber das, was Fremdsprachenlehrkräfte nur all zu gut kennen: Sprachliche Fehler, die als beseitigt galten, treten mit Selbstverständlichkeit wieder auf. Selinker (1972) argumentiert, dass genau dieses Phänomen das Kennzeichen eines Sprachlernprozesses sei. Er vermutet, dass die korrigiert geglaubten Fehler dann zurück kehren, wenn der Lerner seine Konzentration vor allem auf den Inhalt des Gesagten richte. Für das sich ergebende Gesamtbild einer Lernersprache, die von der Herkunfts- wie von der Zielsprache beeinflusst ist, führt er den Terminus der Interlanguage ein (Selinker 1969), in anderen, ähnlichen Konzeptionen auch als Interimsprache bezeichnet.

Tab. 1: Überblick über den schriftlichen und mündlichen Sprachgebrauch der 20 Schülerinnen und Schüler, wenn sie aufgefordert sind, den Kraftbegriff fachsprachlich zu nutzen (Kontext A). Obwohl der Sprachgebrauch explizit thematisiert wird und die Lehrkraft als sprachliches Vorbild dient, zeigt sich ein sehr heterogenes Bild.


Auf das vorliegende Beispiel übertragen tritt die Alltagssprache in die Rolle der Herkunftssprache, die Fachsprache in die der Zielsprache. Das Bild, das Tabelle 1 vermittelt, deutet die im Unterricht beobachteten Interlanguages der einzelnen Schülerinnen und Schüler an.

5. Richtig sprechen oder bedeutungshaltig kommunizieren: ein Dilemma

Für die Schülerinnen und Schüler stellt sich die Situation in Stunde 6 in gewisser Weise so dar, wie wir sie beim Gebrauch einer nur eingeschränkt beherrschten Fremdsprache kennen: Entweder konzentrieren wir uns auf die sprachliche Richtigkeit, dann wird unser kommunikatives Interesse zurückstehen müssen. Oder wir lassen Fragen der Korrektheit zu einem guten Teil unbeachtet, folgen dafür aber einem bestimmten Mitteilungsbedürfnis. Dieser Zwiespalt ist gut bekannt und auch für den Fremdsprachenunterricht bestimmend (Edmondson 2002, S. 62). Dabei stellen sich Spracherwerb und Kommunikation nicht als gleichberechtigte Alternativen dar, sondern die Lerner geben dem Inhalt Vorrang vor der formalen Richtigkeit (Van Patten 1996). Tabelle 1 zeigt, dass der Physikunterricht einer ähnlichen Spannung unterliegt.

Man könnte einwenden, dass dieses Spannungsverhältnis im Unterricht, der hier untersucht wurde, in besonderer Weise erzeugt wurde, indem die Sprache und damit Aspekte des Sprachlernens bewusst zum Gegenstand gemacht wurden. Man könnte also annehmen, dass ein solches Spannungsverhältnis in einem anderen, geeigneteren Arrangement vermeidbar sein sollte. Ein solches Arrangement haben zum Beispiel Brown/Ryoo (2008) für den Biologieunterricht untersucht. Sie zielten in der Anlage des Unterrichts darauf ab, zuerst Inhalte (möglichst in der Alltagssprache) zu klären, und erst anschließend Bestandteile der Fachsprache zu thematisieren. Ihre Ergebnisse sind vielversprechend. Im Fall der hier diskutierten Einführung in den Kraftbegriff zeigt sich allerdings eine Besonderheit, die in der Untersuchung Browns und Ryoos nicht aufgetreten zu sein scheint: Den Schülerinnen und Schülern gelingt es praktisch nie, in ihrer Alltagssprache die Wechselwirkung zwischen mehreren Körpern in angemessener Weise abzubilden. Etwas apodiktisch ausgedrückt bedeutet das, dass sie immer dann, wenn sie in die Ebene der Alltagssprache wechseln, gleichzeitig auch in die alltäglichen Denkmuster verfallen, die mit dieser Sprache für sie verbunden sind, und die im Widerspruch zum fachlichen Konzept stehen. Eine Desaggregation von fachlichem Denken und fachlichem Sprechen kann im Falle des Kraftbegriffs in aller Regel nicht beobachtet werden. Gelingt das fachliche Sprechen von Zeit zu Zeit, dann, so stellt man fest, gehen die Äußerungen oft am inhaltlichen Schwerpunkt der Auseinandersetzung vorbei. Offenbar konzentrieren sich diese Sprecher oder Sprecherinnen auf die sprachliche Richtigkeit ihrer Äußerung und widmen dem Inhalt der Auseinandersetzung weniger Aufmerksamkeit. Da aber weder die alltagssprachlichen Beschreibungen mit ihren an der Alltagserfahrung orientierten Denkmustern noch fachsprachliche Beschreibungen, die am Kern der Auseinandersetzung vorbei gehen, einen Diskurs wirksam voran bringen, ist es für die Schülerinnen und Schüler nicht leicht, sich als erfolgreich zu erleben. Die Ergebnisse, die bisher diskutiert wurden, legen eine Antwort auf die im Titel dieses Beitrags gestellte Frage nahe: Für die Schülerinnen und Schüler stellt sich der Übergang von der Alltags- in die Fachsprache vermutlich eher als Bruch dar denn als schrittweiser Übergang, zumindest den Kraftbegriff betreffend. Sie lassen nicht erst – schrittweise – das alltägliche Denkmuster und später die Alltagssprache hinter sich, wie es der oben zitierten Untersuchung Browns und Ryoos entspräche. Sie nähern sich auch nicht kontinuierlich an das an, was der Unterricht intendiert. Ihre Sprache ist eher einem Taumeln zwischen zwei Welten vergleichbar, für das der Unterricht vermutlich lange Zeit und viel Raum geben muss, bis sich diese Welten auch im Denken der Schülerinnen und Schüler scheiden und sie einer bewussten Wahl der Sprache und des gedanklichen Konzepts fähig werden.

Tab. 2: Überblick über den Sprachgebrauch der 20 Schülerinnen und Schüler, wenn sie über die Sprache sprechen oder schreiben. Auch wenn leider wegen fehlender Schüler einige Daten fehlen, zeigt sich, dass eine ausschließliche Orientierung an rein sprachlichen Oberflächenmerkmalen ebenso selten ist wie eine solche, die die äußere Gestalt der Sätze vollkommen vernachlässigt. In den Überlegungen der Schülerinnen und Schüler kommen typischerweise Elemente aus beiden Bereichen zum Zuge.


6. Der Metadiskurs als Steigbügel

Wenn sich wie im Falle des Kraftbegriffs der Übergang von der Alltags- in die Fachsprache eher wie ein Bruch vollzieht, ist nach Möglichkeiten gefragt, wie Schülerinnen und Schüler darin unterstützt werden können, die damit verbundene Hürde zu nehmen. In Tabelle 2 ist gezeigt, wie die Schülerinnen und Schüler angesichts von Aufgaben agieren, die zum Metadiskurs anregen, siehe das Aufgabenbeispiel in Abbildung 1.

Die Tabelle zeigt, dass auch hier kein einheitliches Verhalten vorliegt. Auffällig ist aber, dass die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler in ihren Überlegungen sowohl inhaltsbezogene wie formbezogene Argumente kombinieren. Während in dem Fall, in dem die Schülerinnen und Schüler den Kraftbegriff selbst verwenden sollen, Aspekte der sprachlichen Oberfläche als nachrangig betrachtet werden, gelingt im Rahmen des Metadiskurses ein gewisser Ausgleich: Die Schülerinnen und Schüler beachten Merkmale, die an der sprachlichen Oberfläche liegen, und ebenso den Inhalt des Gesagten. Das ist bedeutsam, weil sprachliche Oberflächenmerkmale wie das Auftreten des Verbs ausüben mit der Präposition auf sehr deutlich auf den relationalen Aspekt des Kraftbegriffs und damit das intendierte fachliche Konzept verweist. Wenn Schülerinnen und Schüler sich im Rahmen des Metadiskurses mit gegebenen fachsprachlichen Beschreibungen auseinandersetzen und sowohl Elemente der sprachlichen Form wie des Inhalts wahrnehmen, darf daher davon ausgegangen werden, dass dies die erfolgreiche Auseinandersetzung mit dem fachlichen Konzepts begünstigt. Aufgaben, die die Auseinandersetzung mit der Sprache anregen, bieten sich daher als eine Steighilfe an, um die mit dem Wechsel in die fachsprachliche Ebene verbundenen Hürden zu überwinden.

»Muss ich jetzt auch noch Sprache unterrichten?« titelt Leisen (2005) und drückt aus, was angesichts der Lernschwierigkeiten, mit denen der Fachunterricht belastet ist, naheliegend ist. Soll noch mehr unterrichtet werden? Ich denke, dass es nicht um die Kategorien des Mehr oder Weniger geht. Ein Unterricht, der die Problematik der (Fach)sprache anerkennt, bietet nicht mehr, sondern besondere Lerngelegenheiten. Die Frage, was eine Äußerung zu einer alltags- oder fachsprachlichen macht, bleibt nie auf der sprachlichen Oberfläche stehen. Der oben erklärte Vorrang des Inhalts vor der Form, der sich in Manchem als hinderlich erweist, zeigt sich hier als Vorteil: Die Schülerinnen und Schüler heben stets sofort auf das ab, was ein Satz ihrer Meinung nach ausdrückt oder was ihm fehlt. Damit ist der Metadiskurs, der an Fragen der Sprache orientiert beginnt, schon im nächsten Moment auch ein fachlicher Diskurs, der explizit macht, was all zu oft implizit bleibt.