Sprachliche Mittel im Unterricht der romanischen Sprachen

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2. Wichtige Aussprachemerkmale der nicht-kastilischen Varietäten des Spanischen

Die Unterschiede zwischen den ‚großen‘ diatopischen Varietäten des Spanischen manifestieren sich im Wesentlichen in drei Bereichen – in Wortschatz, Grammatik und Aussprache.6 Während lexikalische und grammatische Unterschiede für die Sprachrezeption, insbesondere das Hörverstehen, um das es hier gehen soll, keine nennenswerten Schwierigkeiten beinhalten7, stellen Unterschiede in der Aussprache sehr wohl eine Verständnishürde für die Lernenden dar, wenn auch in unterschiedlichem Maß, wie später gezeigt wird (cf. Abs. 3). Da sich der deutsche Spanischunterricht und die dort verwendeten Lehrwerke in der Regel am español castellano orientieren, fallen für die Lernenden vor allem drei Unterschiede zwischen dem kastilischen Spanisch und anderen diatopischen Varietäten ins Gewicht, die alle den Konsonantismus betreffen: (1) Reduktion von Konsonanten im Auslaut, (2) seseo und ceceo sowie (3) yeísmo in unterschiedlichen Realisierungen.

Im Folgenden werden diese Merkmale nach der Häufigkeit ihres Vorkommens aufgeführt (beginnend mit der weiträumigsten Verbreitung).8

2.1 Reduktion von Konsonanten im Auslaut

Im español castellano werden die auslautenden Konsonanten, d.h. Konsonanten am Silben- bzw. Wortende, voll artikuliert, vor allem in formelleren Situationen (cf. Moreno Fernández 2007, 39; 2010, 72). Im andalusischen und im kanarischen Spanisch sowie in zahlreichen diatopischen Varietäten des amerikanischen Spanisch (dort besonders im informellen Sprachgebrauch, cf. Blaser 2011, 91–93) sind diese Konsonanten, insbesondere das auslautende [s], dagegen von einer Reduktion bis hin zum Schwund bedroht. Das bedeutet, dass sie aspiriert oder geschwächt werden bzw. ganz entfallen (cf. Moreno Fernández 2007, 40sq.: aspiración, debilitamiento, pérdida)9; cf. Tab. 1, in der die Reduktion durch das Zeichen [h] wiedergegeben wird.


español castellano: Artikulation von Konsonanten im Auslaut español de América, de Andalucía y de Canarias: Reduktion von Konsonanten im Auslaut
hasta [asta], las mesas [las mesas], verdad [verdad], luz [luθ] hasta [ahta], las mesas [lah mesah], verdad [verdah], luz [luh]

Tab. 1: Artikulation vs. Reduktion von Konsonanten im Auslaut

2.2 Seseo und ceceo

Hierbei geht es um die Aussprache der Grapheme <s>, <z> und <c> (letzeres vor den hellen Vokalen /e/ und /i/). Während im español castellano zwischen [s] und [θ] differenziert wird und sich somit auch einige (wenige) Minimalpaare wie z.B. casa [kasa] ‚Haus‘ vs. caza [kaθa] ‚Jagd‘ ergeben, wird im amerikanischen Spanisch (sowie auf den kanarischen Inseln) diese Unterscheidung nicht vorgenommen; hier wird mehrheitlich seseo (Aussprache [s]) verwendet.10 Im Süden Spaniens finden sich sowohl seseo- als auch ceceo-Gebiete (cf. Blaser 2011, 86), wobei sich seseo auf bestimmte urbane Zentren konzentriert (Sevilla, Córdoba, nördliches Jaén, nördliches Granada) und ansonsten ceceo (Aussprache [θ]) gesprochen wird. Aus Platzgründen wird in Tab. 2 auf Südspanien nicht eingegangen.


español castellano: Systematische Differenzierung zwischen [s] und [θ] español de América, español de Canarias: (vorwiegend) seseo
seseo [s]: sol, casa vs. ceceo [θ]: cena, ciudad, zanahoria seseo [s]: sol, casa, cena, ciudad, zanahoria
Minimalpaar casa [s] vs. caza [θ]: Pedro se va de casa [kasa] vs. Pedro se va de caza [kaθa] Identische Aussprache [s] von casa und caza: Pedro se va de casa [kasa] = Pedro se va de caza [kasa]

Tab. 2: Differenzierung von [s] und [θ] vs. seseo

2.3 Yeísmo in unterschiedlichen Realisierungen

Yeísmo bedeutet zunächst, dass zwischen der Aussprache des Graphems <y> (wie z.B. in ayuda) und der des Doppelgraphems <ll> (wie z.B. in paella und parilla) kein Unterschied gemacht wird, die phonologische Opposition zwischen /j/ und /ʎ/ ist aufgehoben (cf. Blaser 2011, 95). Ein ursprüngliches Minimalpaar wie etwa in Pedro se cayó vs. Pedro se calló ist damit verschwunden, die Aussprache der beiden Verbformen ist ein und dieselbe. Yeísmo ist in weiten Teilen Spaniens und Lateinamerikas weit verbreitet und gilt heute als Standard (während er „in Spanien noch bis vor kurzem als substandardlich“ angesehen wurde, Kabatek/Pusch 2011, 290). In Lehrwerken für den Spanischunterricht sowie in Wörterbüchern und Phonetiken (z.B. Blaser 2011) wird jedoch in der Umschrift nach wie vor differenziert: das Graphem <y> wird als [ʝ] transkribiert (ayuda: [aʝuða]), das Doppelgraphem <ll> als [ʎ] (paella: [paeʎa]).

In Spanien hat sich in den Landesteilen, in denen yeísmo als Standard gilt, die Aussprache [ʝ] (palataler Reibelaut/Frikativ) durchgesetzt. Am weitesten entfernt vom europäischen Spanisch haben sich die La-Plata-Staaten, insbesondere die Stadt Buenos Aires; hier hat sich der palatale Frikativ [ʝ] – nicht zuletzt aufgrund des Einflusses des Italienischen – in den präpalatalen Bereich zu [ʒ] bzw. [ʃ] verschoben, wobei der stimmhaften Variante [ʒ] heute weniger Prestige zukommt als der stimmlosen Variante [ʃ] (cf. Blaser 2011, 96; Noll 2009, 31).

In Spanien und in den La-Plata-Staaten wird yeísmo somit in sehr unterschiedlicher Weise realisiert (cf. Kabatek / Pusch 2011, 291 und Tab. 3): im ersten Fall als [ʝ]eísmo, im anderen als [ʒ]eísmo bzw. [ʃ]eísmo. Besonders deutlich wird dies etwa, wenn Sätze wie der folgende geäußert werden, in dem die fraglichen Elemente (hier durch Unterstreichung markiert) gehäuft auftreten: Yolanda, ¿dónde estas? Aglaya y yo necesitamos ayuda para preparar la paella / la parilla.


yeísmo: Aufhebung der phonologischen Opposition zwischen /ʝ/ und /ʎ/ und damit identische Aussprache, jedoch in jeweils unterschiedlicher Realisierung
español castellano: [ʝ]eísmo Aussprache: [ʝ] español de Argentina y de Uruguay: [ʒ]eísmo bzw. [ʃ]eísmo Aussprache: stimmhaft [ʒ] bzw. stimmlos [ʃ]
Pedro se cayó / Pedro se calló: in beiden Fällen [-ʝ-] Pedro se cayó / Pedro se calló: in beiden Fällen [-ʒ-] bzw. [-ʃ-]

Tab. 3: Yeísmo in unterschiedlicher Realisierung

3. Allgemeine und varietätenspezifische Schwierigkeiten des fremdsprachlichen Hörverstehens

Aussprachevarietäten stellen nicht nur aufgrund ihrer systematischen Unterschiede eine Herausforderung dar. Mit Blick auf den Spanischunterricht müssen sie vielmehr auch im Rahmen des gesamten fremdsprachlichen Hörverstehensprozesses betrachtet werden. Dieser stellt per se hohe Anforderungen an die Lernenden (cf. u.a. Pastor Villalba 2008).

Als Prozess der Bedeutungskonstruktion basiert Hörverstehen bekanntlich auf der Interaktion zweier simultan ablaufender mentaler Prozesse (cf. u.a. Levelt 1998; Wolff 2000). Zum einen werden unterschiedliche Wissensbestände (Welt-, Erfahrungs- und sprachliches Wissen) aktiviert und mit den entsprechenden Informationen aus dem Hörtext abgeglichen (top down-Prozesse); zum anderen erfolgt die Verarbeitung des eingehenden Hörtexts, beginnend mit den kleinsten sprachlichen Einheiten (phonetisch-phonologische Ebene) über das Erkennen und Semantisieren von Morphemen und Wörtern bis hin zur Satz- und Textebene (bottom up-Prozesse).

Schwierigkeiten für Fremdsprachenlernende ergeben sich aufgrund von Wissensdefiziten (top down), insbesondere im Bereich des Sprachwissens und hier vor allem des Wortschatzes; entsprechende Lücken führen wiederum zu Problemen bei den bottom up-Prozessen. Da Hörtexte immer auch gesprochene Texte sind, können weitere, das fremdsprachige Hörverstehen erschwerende Kennzeichen von gesprochener Sprache hinzukommen wie z.B. eine hohe Sprechgeschwindigkeit oder die Überlappung von Redebeiträgen. Wenn ein Hörtext zusätzlich durch konzeptionelle Mündlichkeit gekennzeichnet ist, wie sie in informellen Gesprächssituationen typischerweise auftritt (cf. Koch / Oesterreicher 1985, 17–23, 27–29), so können die typischen Merkmale – Zusammenziehung von Phonemen (Koartikulation), Kürzungen, Auslassungen, Satzabbrüche etc. – das Verstehen ebenfalls beeinträchtigen. Unzulängliches Hörverstehen hat wiederum negative Auswirkungen auf die gesamte Kommunikation, insbesondere auf das interaktive Sprechen, da eine adäquate ‚Sprech-Reaktion‘ erschwert bzw. unmöglich gemacht wird. Dies kann selbst dann auftreten, wenn Lernende grundsätzlich über eine gute Sprechkompetenz in der Fremdsprache verfügen.

 

Die genannten, generell mit dem fremdsprachlichen Hörverstehen verbundenen Schwierigkeiten vergrößern sich noch einmal, wenn in den Hörtexten Varietäten verwendet werden, die von der im Unterricht vermittelten Varietät abweichen. Mit Blick auf die top down-Prozesse fehlt den Lernenden zum einen das notwendige sprachliche Wissen; so kennen sie i.d.R. weder die Aussprachemerkmale noch die typischen Koartikulationsmuster, wie sie z.B. durch den Schwund von auslautendem [s] erzeugt werden. Zum anderen mangelt es den Lernenden an Erfahrungswissen im Umgang mit Hörtexten aus anderen Varietäten. Ähnlich wie beim Hörverstehen im Allgemeinen haben die genannten Defizite wiederum negative Konsequenzen für die Verarbeitung der Hörtexte im Rahmen der bottom up-Prozesse.

Abschließend soll eine Stufung der in Abs. 2 aufgeführten Aussprachemerkmale nach ihrem Schwierigkeitsgrad für das fremdsprachliche Hörverstehen vorgenommen werden, wobei wiederum davon ausgegangen wird, dass den Lernenden im Unterricht die kastilische Aussprachenorm vermittelt wird. Als relativ unproblematisch für das Hörverstehen (und damit für die mündliche Kommunikation11) kann Merkmal (2) – reiner seseo (und reiner ceceo, cf. Anm. 10) – angesehen werden (cf. Blaser 2011, 94), wobei ceceo aufgrund des charakteristischen ‚Lispelns‘ als undeutliche, das Verstehen möglicherweise beeinträchtigende Artikulation empfunden werden kann. Einen mittleren bis hohen Schwierigkeitsgrad weist Merkmal (3) – yeísmo in der Form des [ʒ]eísmo bzw. [ʃ]eísmo – auf. Zwar ist yeísmo auf ein einziges Phonem und auch nur auf wenige diatopische Varietäten wie etwa das La-Plata-Spanisch beschränkt; andererseits ist das betroffene Phonem hochfrequent und tritt in zahlreichen Wörtern des Alltagswortschatzes auf (yo, ya, calle, llegar, etc.), und der Ausspracheunterschied zum español castellano ist groß. Als besonders schwierig für das Hörverstehen ist Merkmal (1) – die Reduktion bzw. der Schwund von Konsonanten wie etwa des auslautenden [s] – anzusehen, da das Erkennen von Morphem- und Wortgrenzen, aber auch von grammatischen Markierungen (insbesondere Endungen) und deren Bedeutung sehr erschwert wird. Süß et al. (2008, 220) weisen in der Lerngrammatik Spanisch zu Recht darauf hin, dass in einem Satz wie Las señoras clientas no necesitan esperar der Schwund des auslautenden [s] bei Artikel und Nomina dazu führt, dass nur noch an der Verbform (necesitan) erkennbar ist, dass von mehreren Personen die Rede ist.

4. Aussprachevarietäten in aktuellen Spanischlehrwerken

Da das Verstehen von Hörtexten aus anderen Varietäten als dem español castellano die soeben genannten Probleme aufwirft, die Lernenden aber andererseits an die Realität der Hispanophonie mit ihren diatopischen Varietäten herangeführt und hier zumindest eine gewisse rezeptive Kompetenz erwerben sollten, stellt sich als nächstes die Frage, welche Berücksichtigung diese Varietäten im Lehrwerk als dem zentralen Unterrichtsmedium erfahren. Dazu wurden vier Lehrwerke für Spanisch als dritte Fremdsprache untersucht, die sich alle am español castellano orientieren: Línea verde Bd. 1–3 (2006–2008), Encuentros Edición 3000 Bd. 1–3 (2010–2012), ¡Adelante! Bd. 1–3 (2010–2012) und Puente al Español Bd. 1–3 (2012, 2014–15). Die Lehrwerke werden im Folgenden mit Kürzeln bezeichnet (LIN, ENC, ADE und PUE).12

Zunächst ist positiv festzustellen, dass in allen vier Lehrwerken auch andere diatopische Varietäten als español castellano angesprochen werden; als thematischer ‚Aufhänger‘ fungiert meist das in der jeweiligen Unidad behandelte lateinamerikanische Land (bzw. im Fall des andalusischen Spanisch die Region, LIN 2). Am stärksten präsent – nämlich in jedem der drei Bände – sind die nicht-kastilischen Varietäten im Lehrwerk PUE (PUE 1 und 2: amerikanisches Spanisch generell sowie Spanisch in Chile, Kolumbien, Mexiko; PUE 2: Spanisch in Peru; PUE 3: Spanisch in Chile). Bei ADE und ENC sind es immerhin noch zwei Bände, in denen sich andere Varietäten finden (ADE 1: argentinisches Spanisch; ADE 2: Spanisch in Peru und in Kolumbien; ENC 1: Spanisch in Kolumbien, ENC 3: argentinisches Spanisch), im Falle von LIN ist es nur ein einziger Band, und zwar der zweite (LIN 2: andalusisches Spanisch; Spanisch in Peru bzw. Lateinamerika generell). Die Auswahl der Varietäten macht deutlich, dass das amerikanische Spanisch (mit Fokus auf Argentinien, Chile, Kolumbien, Peru, Mexiko) dominiert; nur LIN 2 greift mit dem andalusischen Spanisch auch eine europäische Varietät auf.

Was die Art und Weise der Realisierung der nicht-kastilischen Varietäten betrifft, so erscheinen sie in den vier Lehrwerken nicht isoliert, sondern in Form von Übungs- oder sogar Lektionstexten. In Bezug auf den methodischen Umgang lassen sich zwei Grundmuster erkennen: Zum einen wird Basiswissen zu ausgewählten sprachlichen Merkmalen vermittelt, i.d.R. in Form von Info-Kästen, zum anderen werden Fragen zur eigenständigen Erarbeitung dieser Merkmale gestellt. Inhaltlich wird dabei fast doppelt so häufig auf den Wortschatz Bezug genommen (12x) wie auf Grammatik (7x) und Aussprache (7x). Im lexikalischen Bereich wird typischerweise eine kleine Zahl von Alltagswörtern in der jeweiligen Varietät genannt; in der Grammatik wird der Ersatz von vosotros durch ustedes im amerikanischen Spanisch thematisiert (ADE 1, ENC 1, PUE 1) sowie der voseo (ADE 1 für Argentinien, ADE 2 für bestimmte Regionen in Kolumbien, ENC 3 für Argentinien).

Für die Zielsetzung des vorliegenden Beitrags besonders wichtig ist die Frage, wie die Lehrwerke mit der Aussprache der nicht-kastilischen Varietäten umgehen und wie sich die beiden erwähnten methodischen Grundmuster widerspiegeln. Muster 1 – Vermittlung von Basiswissen zu Aussprachephänomenen – findet sich nur in zwei Lehrwerken (cf. Tab. 4): PUE 2 enthält einen deutschsprachigen Info-Kasten zur Wirkungsweise des (hier nicht explizit genannten) seseo in Lateinamerika, LIN 2 einen spanischsprachigen Info-Kasten, der auf Unterschiede in der Intonation sowie in der Aussprache einiger Laute im andalusischen Spanisch aufmerksam macht, allerdings ohne diese zu nennen.


Info-Kasten zur Aussprache (seseo) (PUE 2, 2013, 94) Info-Kasten zu Aussprache und Intonation im andalusischen Spanisch (LIN 2, 2007, 20)
Die spanische Sprache unterscheidet sich in den verschiedenen spanischsprachigen Ländern in einigen Details, z.B. wird im lateinamerikanischen Spanisch das c vor e und i wie ein scharfes s ausgesprochen. Auch einige Dinge werden anders benannt […] En Andalucia se habla andaluz („andalú“, como dice Braulio). El andaluz es un dialecto del castellano, es decir, es casí igual que el castellano, pero se diferencia en la entonación, en cómo se pronuncian algunos sonidos y en algunas palabras.

Tab. 4: Info-Kästen zu Aussprache und Intonation in zwei Lehrwerken

Muster 2 – Fragen zur Erarbeitung von Aussprachemerkmalen – findet sich in allen vier Lehrwerken, wobei PUE mit zwei Beispielen (PUE 1 und PUE 3) den anderen Lehrwerken mit jeweils nur einem Beispiel quantitativ vorangeht. Die Hörtexte, auf die sich die Fragen beziehen, sind auf den Schüler-CDs verfügbar; es handelt sich um nicht-authentische, für Lehrbuchzwecke verfasste Texte, die von Muttersprachlern gesprochen werden.13 Allerdings hat nur ein einziger Text den in einem Lehrwerk besonders prominenten Status eines Lektionstexts (LIN 2, monologischer Text im andalusischen Spanisch); die restlichen vier Texte sind lediglich Bestandteil des Übungsangebots im Schülerbuch. Vier der fünf Texte beinhalten kommunikative Situationen (Dialoge in PUE 1, PUE 3 und ENC 3 sowie der Monolog in LIN 2); nur ein Hörtext kontrastiert lediglich zwei kontextlose Äußerungen im peruanischen bzw. kastilischen Spanisch (ADE 2). In den Fragen zu den Texten werden die Lernenden aufgefordert, Aussprachebesonderheiten zu erkennen und diese entweder ohne steuernde Hinweise zu beschreiben (PUE 1, ENC 3) oder gezielt auf bestimmte Aspekte zu achten (Rhythmus und Akzent in PUE 3, Unterschiede zum español castellano in LIN 2, Aussprache der Buchstaben <c>, <z> und <s> in ADE 2).

Insgesamt betrachtet stellt das Angebot der Lehrwerke einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Förderung einer rezeptiven Varietätenkompetenz dar. Die beiden komplementären methodischen Grundmuster (Wissensvermittlung durch das Lehrwerk vs. selbständiges Erarbeiten) sind sinnvoll verteilt; so dominiert z.B. in den jeweils dritten Bänden das zweite Muster, wie die in Tab. 5 dargestellten Beispiele aus PUE 3 und ENC 3 zum chilenischen bzw. argentinischen Spanisch zeigen.


Hörtexte und Fragen zur Aussprache in PUE 3 (2015, 93) Hörtexte und Fragen zur Aussprache in ENC 3 (2012, 13)
Titel des Hörtexts und Textsorte Vacaciones con las estrellas (nicht-authentischer Dialog) El español de Argentina (nicht-authentischer Dialog)
Varietät chilenisches Spanisch argentinisches Spanisch
Fragen zu Aussprache und Intonation (sowie zu Wortschatz, Grammatik, Register) [Fragen zum Textverstehen] Escuchad de nuevo el diálogo y fijaos en cómo hablan Diego y Marta. Prestad atención al ritmo, al acento, a las expresiones y a la gramática. ¿Qué os llama la atención? Apuntadlo y después hablad de ello en clase. Escucha el diálogo. ¿Quién es el argentino/la argentina? ¿Cómo lo sabes? ¿Qué te llama la atención en su forma de hablar? ¿Qué dirían los españoles en lugar de: tareas / bárbaro / acá / vos / mis viejos? ¿Qué estilo de lengua están usando las personas que hablan? Decide si es formal o familiar y da ejemplos.

Tab. 5: Selbstständige Erarbeitung von Aussprachemerkmalen in Lehrwerken für das dritte Lernjahr

Weniger überzeugend sind hingegen die Auswahl der Varietäten und ihre Verteilung auf die Jahrgangsbände. Die Auswahl orientiert sich ausschließlich an den Themen der Unidades; andere Kriterien sind nicht erkennbar. So ist auch nicht nachvollziehbar, warum von den europäischen Varietäten (andalusisches bzw. kanarisches Spanisch), denen Lernende in der Realität vermutlich eher begegnen als dem Spanischen in Peru oder Kolumbien, nur das Andalusische vertreten ist, und dies auch nur in einem einzigen Lehrwerk (LIN 2), oder warum das argentinische Spanisch mit der Besonderheit des voseo in ADE 1 bereits im ersten Lernjahr thematisiert wird. Was die Verteilung auf die Jahrgangsbände betrifft, so ist mit Ausnahme von PUE (Bd. 1, 2 und 3) ebenfalls keine klare Linie zu erkennen (ADE: Bd. 1 und 2 ohne Bd. 3, ENC: Bd. 1 und 3 ohne Bd. 2, LIN: nur Bd. 2).

In den Bereichen Aussprache und Hörverstehen ist in Bezug auf die Auswahl der Hörtexte zu bemängeln, dass es sich durchwegs – selbst im jeweils dritten Band, der sich an Lernende am Ende der Spracherwerbsphase richtet – um nicht-authentische Texte handelt (cf. Tab. 5), in denen die vom español castellano abweichenden sprachlichen Merkmale noch dazu bewusst gering gehalten werden. Eine Vorbereitung der Lernenden auf den hispanophonen Sprachraum wird damit nur ansatzweise erreicht.

 

Viele der hier angesprochenen Kritikpunkte ließen sich – auch im (notwendigerweise begrenzten) Rahmen eines Lehrwerks – ausräumen, wenn eine konsequentere Orientierung an bestimmten Kriterien oder Anforderungen vorgenommen werden würde. Wie dies aussehen könnte, soll nachstehend erläutert werden.