Vegane Ernährung

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2 Nährstoffversorgung im Lebenszyklus vegan lebender Menschen
Sigrid Siebert in Zusammenarbeit mit Franziska Heine und Julia Mai

[27] Vegane Ernährung schließt die Verwendung tierischer Produkte weitestgehend aus. Im Vergleich zu anderen Kostformen ist die Lebensmittelauswahl daher verhältnismäßig stark eingeschränkt. Aufgrund der pflanzenbasierten Lebensmittelauswahl weisen Veganer ein charakteristisches Bild der Nährstoffversorgung auf (BERKOW und BARNARD 2006; CLARYS et al. 2014; DAVEY et al. 2003). Einige Nährstoffe, wie zum Beispiel Vitamin C und Folsäure, sind durch eine rein pflanzliche Lebensmittelauswahl sehr gut abzudecken, während andere, vor allem Vitamin B12, vor dem Hintergrund eines potenziellen Mangels kritisch diskutiert werden. Hinzu kommt, dass sich der Nährstoffbedarf im Lebenszyklus des Menschen verändert: Jede Lebensphase ist durch eine bestimmte Entwicklung gekennzeichnet, aus der sich spezifische Nährstoffbedarfe ergeben. Besonders die Zeit im Mutterleib und das erste Lebensjahr sowie die Wachstumsphasen in Kindheit und Jugend sind mit einem erhöhten Nährstoffbedarf verbunden. Durch Hormonelle Umstellungsphasen der Pubertät und der Wechseljahre können sich spezielle Bedürfnisse entwickeln. Auch im höheren Alter verändern sich die Bedarfe aufgrund körperlicher Einschränkungen sowie Resorptions- und Verwertungsstörungen. Besondere Anforderungen stellt auch der (Leistungs-)Sport an den menschlichen Körper. Eine optimale Nährstoffversorgung hat entscheidenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob eine vegane Ernährungsweise eine adäquate Nährstoffversorgung in allen Lebensphasen gewährleistet und ob sie den Empfehlungen der Fachgesellschaften für eine gesunde Ernährungs- und Lebensweise entspricht.

2.1 Nährstoffversorgung vegan lebender Erwachsener

[28] Hintergrund: Wie Abb. 2-1 zeigt, erreichen Veganer im Durchschnitt die Empfehlungen zur Nährstoffzusammensetzung der Ernährung. Sowohl Männer als auch Frauen mit veganer Ernährung erreichen die Empfehlungen für die Kohlenhydrataufnahme, während die Anteile für Fett und Protein nur sehr geringfügig von den Empfehlungen abweichen. Das Nährstoffprofil kann daher grundsätzlich als ausreichend bewertet werden. Die in Abb. 2-1 verwendeten Daten entstammen der EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition). Dabei handelt es sich um eine der größten epidemiologischen Studien weltweit, die den Nahrungsmittelverzehr von über 500 000 Teilnehmern aus zehn europäischen Ländern erfasste. Als Referenzwerte werden diesen Daten die Richtwerte der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Ernährung, DGE, ÖGE und SGE, gegenübergestellt.


Abb. 2-1: Prozentuale Zufuhr der Makronährstoffe bei Veganern. Exemplarisch dargestellt sind die Werte der EPIC-Oxford-Studie im Vergleich zur empfohlenen Zufuhr gemäß den D-A-CH-Referenzwerten. E% = Energieprozent der täglichen Energiezufuhr; *Verzehrsempfehlung von über 50 E% Kohlenhydraten (DAVEY et al. 2003; vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018).

[29] Energie: Der Energiebedarf setzt sich aus dem Grundumsatz (GU), dem Energiebedarf für körperliche Aktivität, der Wärmebildung nach Nahrungsaufnahme und, je nach Lebensphase, dem Energiebedarf für Wachstum, Schwangerschaft und Stillzeit zusammen. Die Höhe des GU ist von Alter, Geschlecht, Ethnie, Körperzusammensetzung, Körperoberfläche, Hormon- und Ernährungsstatus, Klima und Höhenlage abhängig. Bei vielen Menschen macht der GU bis zu 75 % des gesamten Energieumsatzes aus (vgl. KOFRANYI 2013, S. 72).

Richtwerte für die Energiezufuhr (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018): Der Energiebedarf für Erwachsene (25 bis 51 Jahre) bei geringer körperlicher Aktivität (PAL-Wert 1,4*)

Männer: 2300 kcal/Tag

Frauen 1800 kcal/Tag

*PAL-Wert = Physical Activity Level, Kennwert für die körperliche Aktivität

Versorgung bei Veganern: Je mehr tierische Lebensmittel aus der Ernährung ausgeschlossen werden, desto weniger Energie wird im Durchschnitt aufgenommen. Das belegen viele Kohortenstudien, die zeigen, dass vegane Ernährung im Vergleich zu Ernährungsweisen mit tierischen Produkten zu einer geringeren Energieaufnahme führt (BERKOW und BARNARD 2006; CLARYS et al. 2014). Die durchschnittliche Energieaufnahme von Veganern liegt für einige Nährstoffe über, für andere unter den Richtwerten für die Energiezufuhr (s. Tab. 2-1). Grundsätzlich ist eine ausreichende Energiezufuhr durch vegane Ernährung jedoch durchaus zu erreichen. Die Ergebnisse der Deutschen Vegan-Studie zeigen jedoch, dass 78 % der Männer und 84 % der Frauen die empfohlene Kalorienaufnahme nicht erreichten (WALDMANN et al. 2003). Dieses Ergebnis spiegelt sich auch im Body Mass Index (BMI) der Probanden wider: Ein Viertel der an der Untersuchung teilnehmenden Veganer/innen war untergewichtig (= BMI ≤ 20 kg/m² bei den Männern und 19 kg/m2 bei den Frauen). Im Durchschnitt betrug der BMI 21,3 kg/m² (vgl. Kap. 3) (WALDMANN et al. 2003).

[30] Tab. 2-1 Durchschnittliche Energieaufnahme von Veganern im Vergleich zur empfohlenen Zufuhr; * = Referenzwert hier 2000 kcal/Tag; = über der Empfehlung; = unter der Empfehlung; α = rein pflanzliche Ernährung; β = weniger als 5 % der Gesamtenergie aus Milchprodukten und Eiern; γ = kein oder weniger als 1x/Monat Verzehr tierischer Produkte.


Durch den Verzehr größerer Mengen Gemüse und Obst wird aufgrund der geringeren Energiedichte dieser Lebensmittel weniger Energie aufgenommen. Veganer nehmen zudem durchschnittlich große Mengen Ballaststoffe auf. Ballaststoffreiche Lebensmittel zeichnen sich durch eine geringere Energiedichte aus. Zudem scheint die Bioverfügbarkeit der in pflanzlichen Lebensmitteln enthaltenen Energie aufgrund verschiedener Mechanismen beeinträchtigt zu sein (vgl. Kap. 3). Eine Studie, die verschiedene Kostformen (Mischkost, vegane und vegetarische Diäten) miteinander verglich, kommt zu dem Fazit, dass eine vegane Kost, verglichen mit vegetarischen Kostformen, am effektivsten Gewicht zu reduzieren hilft (CHAVARRO et al. 2015).

2.1.1 Nährstoffe
Unkritische Mikronährstoffe

Funktion und Vorkommen: Pflanzliche Lebensmittel enthalten eine Vielzahl an Nährstoffen, die diverse unterschiedlichste Funktionen im menschlichen Stoffwechsel einnehmen. Eine Versorgung mit einigen dieser Nährstoffe ist in einer veganen Ernährung als unkritisch anzusehen. Eine Übersicht über deren Funktionen und ihr Vorkommen in Lebensmitteln gibt Tab. 2-2.

[31] Tab. 2-2: Mikronährstoffe, die mit pflanzlicher Kost in größeren Mengen aufgenommen werden, ihre biologischen Funktion und Vorkommen in pflanzlichen Lebensmitteln (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018; BLS 3.01).


Nährstoff Überblick zu den Funktionen relevante Lebensmittelquellen
Vitamin B1 (Thiamin) Kohlenhydratstoffwechsel Weizenkeime, Erbsen, Hafer
Vitamin B6 (Pyridoxin) Aminosäurestoffwechsel, Immunsystem, Hämoglobinsynthese Weizenkeime, Hafer, Avocado, Bohnen, Linsen, Bananen
Folat Zellteilung und Zellneubildung Weißkohl, grüne Blattgemüse wie z. B. Spinat, Nüsse
Vitamin C (Ascorbinsäure) Antioxidans, Eisenresorption, Enzymaktivität Hagebutten, Johannisbeeren (schwarz), Rosenkohl
Vitamin E (Tocopherole) Antioxidans, Immunsystem, Zellmembran Weizenkeimöl, Sonnenblumenöl
Niacin (Nicotinamid, Nicotinsäure) Kohlenhydrat-, Fett- und Proteinstoffwechsel, Zellteilung, Zellreparatur, Calciumhaushalt Hefeflocken, Erdnüsse, Erbsen
Magnesium Enzymaktivität, Energiestoffwechsel, DNA-Bildung, Knochenstoffwechsel, Reizübertragung, Muskelkontraktion Kürbiskerne, Sojabohnen, Naturreis

Versorgung bei Veganern: Die Ergebnisse von Studien aus Deutschland, Großbritannien und den USA/Kanada zeigen, dass die durchschnittliche Aufnahme von Vitamin B1, B6, Folat, Vitamin C und E sowie Niacin und Magnesium die Empfehlungen der Fachgesellschaften bei einer veganen Ernährung z. T. weit überschreiten (DAVEY et al. 2003; WALDMANN et al. 2003). Insbesondere fallen die hohen Durchschnittswerte der nordamerikanischen Adventisten in der Adventist-Health-Study-2 (AHS-2), auf. Sie verzehrten als «strikte Vegetarier» einen kleinen Anteil tierischer Produkte (RIZZO et al. 2013).

 

Tab. 2-3 ist zu entnehmen, dass die Vitamin B6-Aufnahme bei allen untersuchten Veganern ausreichend war. Die Autoren der Deutschen Vegan-Studie stellten aber auch fest, dass trotz dieser guten Versorgung der Studienteilnehmer keine zufriedenstellende Vitamin B6-Versorgung im Plasma nachgewiesen werden konnte (WALDMANN et al. 2006). Strikte Veganer waren hiervon häufiger betroffen als moderate Veganer. Ein schlechter Vitamin B6-Status im Plasma ist jedoch mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Pankreaskrebs in Verbindung gebracht worden (MAJCHRZAK et al. 2006). Veganer sollten vor diesem Hintergrund also darauf achten, pyridoxinreiche Lebensmittel mit einer hohen Bioverfügbarkeit zu essen; geeignet sind z. B. Bohnen, Linsen und Bananen (WALDMANN et al. 2006).

[32] Tab. 2-3: Durchschnittliche Aufnahme unkritischer Nährstoffe bei veganer Ernährung. Die dargestellten Werte stellen die jeweils niedrigste und höchste ermittelte Aufnahmemenge der wichtigsten Kohortenstudien dar; die durchschnittliche Zufuhr bei Veganern liegt über den Empfehlungen (DAVEY et al. 2003; RIZZO et al. 2013; WALDMANN et al. 2003).


Tab. 2-3 zeigt auch, dass die Folatversorgung bei Veganern sehr gut ist und die empfohlene Aufnahmemenge übersteigt. Dennoch empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) Frauen, die schwanger werden wollen, zusätzlich die Aufnahme von 400 µg synthetischer Folsäure pro Tag als Nahrungssupplement zur Vorbeugung von Neuralrohrdefekten (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018).

Schlussfolgerung: Die Aufnahme der Vitamine B1, B6, Folat, C, E und Niacin sowie von Magnesium übersteigt die empfohlene Zufuhrmenge teilweise deutlich. Anhand des Pyridoxins (Vitamin B6) zeigt sich, dass eine hohe alimentäre Aufnahmemenge nicht immer mit einem guten Versorgungsstatus einhergeht.

Kohlenhydrate

Funktion und Bedarf: Die wichtigste ernährungsphysiologische Aufgabe der Kohlenhydrate ist die Energieversorgung der Körperzellen. Kohlenhydrate sollten mengenmäßig die wichtigste Energiequelle darstellen.

Neben der Höhe der Kohlenhydratzufuhr kommt vor allem der Qualität eine entscheidende Bedeutung zu. Kohlenhydrate liegen in der Nahrung als Einfach-, Zweifach- oder Mehrfachzucker (Mono-, Di- und Polysaccharide) in verschiedener Komplexität vor. Empfohlen wird, komplexe Polysaccharide, Ballaststoffe und Lebensmittel mit einem geringeren glykämischen Index (GI) bzw. einer niedrigen glykämischen Last (GL) zu bevorzugen. Ballaststoffe können von menschlichen Verdauungsenzymen nicht abgebaut werden. Daher gelangen [33] sie unverdaut ins Colon, in dem sie von den Darmbakterien verstoffwechselt werden. Die dabei entstehenden Metabolite beeinflussen wiederum die Aufnahme anderer Nährstoff (z. B. Glukose und Cholesterin). Sie wirken über unterschiedliche Mechanismen auf Verdauungsprozesse und das Immunsystem und damit auf Gesunderhaltung und Krankheit. So erhöhen sie z. B. das Stuhlvolumen, verringern die Transitzeit des Stuhls und binden Gallensäuren. Weitere gesundheitliche Einflüsse werden in Kap. 3 beschrieben. Bedarf: Richtwerte für die Kohlenhydratzufuhr (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018): Über 50 % der aufgenommenen Energie aus Kohlenhydraten; mindestens 30 g Ballaststoffe/Tag.

Glykämischer Index (GI) und glykämische Last

Der GI gibt an, wie sich die Kurve des Blutzuckeranstiegs eines Lebensmittels im Vergleich zu einem Referenzlebensmittel verhält. Als Referenz dienen üblicherweise 50 g Kohlenhydrate in Form von Glukose oder Weißbrot (JENKINS et al., 2002). Je komplexer die aufgenommenen Kohlenhydrate sind, desto niedriger ist der glykämische Index. Der GI kann neben einzelnen Lebensmitteln auch für ganze Mahlzeiten oder die gesamte Ernährung angegeben werden (WILLETT et al. 2002). Die glykämische Last (GL) ist das Produkt aus dem GI und der Menge an Kohlenhydraten pro Portion oder pro 100 g und spiegelt letztendlich die gesamte glykämische Belastung einer Mahlzeit wider. Es fällt auf, dass auch Lebensmittel mit einem hohen glykämischen Index, wie zum Beispiel Karotten oder Wassermelonen, bei realistischen Verzehrmengen eine nur geringe glykämische Last aufweisen.

Tab. 2-4: Glykämischer Index und glykämische Last ausgewählter Nahrungsmittel (HAHN, STRÖHLE und WOLTERS 2006).


[34] Vorkommen: Ballaststoffe kommen nur in pflanzlichen Lebensmitteln vor und lassen sich in wasserlösliche und wasserunlösliche differenzieren.

Tab. 2-5: Nicht lösliche und lösliche Ballaststoffe und ihre Vorkommen in pflanzlichen Lebensmitteln (modifiziert nach ELMADFA und LEITZMANN 2015, S. 205; LEITZMANN et al. 2009, S. 40).


Ballaststoffe Vorkommen
nicht lösliche Ballaststoffe Zellulose, Hemizellulose, Lignin pflanzliche Zellwand
lösliche Ballaststoffe Pektin, β-Glucan pflanzliche Zellwand z. B. in Apfel, Möhre, Quitte, Zitronenschale
Carubin Johannisbrotkernmehl (Carob)
Leinsamenschleim Leinsamen
Flosine-Schleimpolysaccharide Flohsamen
Guar (Guarkernmehl) Guarbohne
Gummi arabicum Akazien
Carrageen, Furcelleran, Agar Rotalgen
Inulin/Oligofruktose Zichorien, Topinambur, Chicorée, Löwenzahn
Alginate Braunalgen

Versorgung bei Veganern: Mit einer veganen Ernährungsweise werden durchschnittlich mehr als 50 % der aufgenommenen Energie über Kohlenhydrate zugeführt. In großen europäischen Kohortenstudien wurden Werte zwischen 51 und 58 Energieprozent ermittelt (APPLEBY et al. 1999; CLARYS et al. 2014; DAVEY et al. 2003; WALDMANN et al. 2003), während die Adventisten aus den USA und Kanada mit 62 % auch bei den Kohlenhydraten einen höheren Wert erreichten (RIZZO et al. 2013). Neben dem Kohlenhydratanteil ist insbesondere auch die Qualität der Kohlenhydrate von ernährungsphysiologischer Bedeutung. Eine wünschenswerte Ballaststoffzufuhr von mindestens 30 g/Tag wird durch eine vegane Ernährung üblicherweise deutlich überschritten. Ballaststoffe wirken protektiv gegen diverse Erkrankungen und haben einen positiven Einfluss auf das Lipidprofil (vgl. Kap. 3). Je mehr Ballaststoffe aufgenommen werden, desto geringer ist z. B. das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dieser Zusammenhang wurde auch noch für Mengen > 60 g/Tag nachgewiesen (THREAPLETON et al. 2013).

Tab. 2-6: Durchschnittliche Ballaststoffaufnahme von Veganern.


[35] Schlussfolgerung: Der Kohlenhydratanteil einer veganen Ernährung entspricht typischerweise mit mehr als 50 Energieprozent der Empfehlung. Die Ballaststoffaufnahme liegt deutlich über der Empfehlung von mindestens 30g/Tag.

Fette und essenzielle Fettsäuren

Funktion: Nahrungsfette nehmen mit durchschnittlich 9,3 kcal/g eine wichtige Funktion bei der Energieversorgung ein. Darüber hinaus wirken Lipide als strukturelle Bausteine der Zellmembranen, als Metabolite und Mediatoren. Je nach chemischer Struktur lassen sie sich in gesättigte (Saturated Fatty Acids, SAFA), einfach ungesättigte (Mono Unsaturated Fatty Acids, MUFA) und mehrfach ungesättigte Fettsäuren (Poly Unsaturated Fatty Acids, PUFA) einteilen. Diese unterscheiden sich wiederum nach Anzahl und Lage ihrer Doppelbindungen.


Abb. 2-2: Gruppierungen verschiedener Fettsäuren.


[36] Abb. 2-3: Stoffwechselwege der Fettsäuren.

Während die meisten Fettsäuren durch Enzyme im menschlichen Körper synthetisiert werden können, sind die beiden Fettsäuren Linolsäure (LA) und α-Linolensäure (ALA) essenziell und müssen mit der Nahrung aufgenommen werden. Wie die Abb. 2-3 und 2-4 zeigen, dienen sie als Ausgangssubstanzen für die langkettigen Fettsäuren Arachidonsäure (AA; 20:4 ω-6), Docosahexaensäure (DHA; 22:6 ω-3) und Eicosapentaensäure (EPA; 20:5 ω-3). Da ihre Synthese von der Anwesenheit essenzieller Fettsäuren (ALA und LA) abhängig ist, werden sie als semi-essenzielle Fettsäuren bezeichnet. Die Umwandlungsrate von ALA zu EPA beträgt bei Erwachsenen mit einer Mischkost etwa 5 %, die von EPA weiter zu DHA < 0,5 % (WILLIAMS und BURDGE 2006).


Abb. 2-4: Konkurrenz der Fettsäurefamilien.

[37] Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren AA und EPA dienen als Vorstufen für Prostaglandine und Leukotriene (vgl. Abb. 2-3). Hierbei handelt es sich um Mediatoren, die an Entzündungsprozessen beteiligt sind. Während aus AA die proinflammatorischen Botenstoffe gebildet werden, entstehen aus EPA antiinflammatorische Eicosanoide, die unter anderem antithrombotisch wirken und den Blutfluss verbessern. Eine geringe Aufnahme und niedrige Plasmakonzentrationen an EPA und DHA sind verbunden mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf- und entzündliche Erkrankungen sowie neurologische Störungen und psychische Erkrankungen (MUSKIET et al. 2004).

Bedarf: Aufgrund der beschriebenen gesundheitlichen Vorteile von EPA und DHA sind erhöhte Plasmakonzentrationen wünschenswert. Die ohnehin schon limitierte Umwandlung der essenziellen ALA zu EPA und DHA wird durch erhöhte Konzentrationen von LA und Trans-Fettsäuren weiter reduziert, da die Fettsäuren um die zuständigen Enzymsysteme konkurrieren (BRENNA 2002). Daraus ergibt sich die Empfehlung, ω-6-Fettsäuren und ω-3-Fettsäuren in einem Verhältnis von maximal 5:1 aufzunehmen. Es gilt, dass eine geringere Aufnahme an LA mit einer erhöhten endogenen Bildung von EPA verbunden ist und eine höhere Zufuhr an ALA die Synthese von DHA begünstigt (SANDERS 2009a).

Richtwerte für die Fettzufuhr (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018):

 

Gesamtfettzufuhr: 30 Energieprozent. Personen (15 bis unter 51 Jahre) mit erhöhtem Energiebedarf (PAL > 1,7) können höhere Prozentsätze benötigen.

SAFA ≤ 10 Energieprozent

MUFA 7 – 10 Energieprozent

PUFA ≈ 10 Energieprozent

LA: 2,5 Energieprozent (etwa 6,5 g/Tag)

ALA: 0,5 Energieprozent (etwa 1 g/Tag)

EPA und DHA: 250 mg/Tag

Trans-Fettsäuren ≤ 1 Energieprozent

Cholesterin ≤ 300 mg/Tag

Zufuhr bei Veganern: Drei große Kohortenstudien zeigen, dass Veganer den Empfehlungen der Fachgesellschaften für die Fettzufuhr genügen: Im Durchschnitt machte Fett 28–31 % der aufgenommenen Energie aus (DAVEY et al. 2003; RIZZO et al. 2013; WALDMANN et al. 2003). Die Oxford Vegetarian Study kommt mit 34 Energieprozent bei den Männern und 36 Energieprozent bei den [38] Frauen sogar zu höheren Werten, während eine belgische Kohorte mit nur 25 Energieprozent deutlich darunter liegt (APPLEBY et al. 1999; CLARYS et al. 2014).

Besonders interessant ist das Fettsäuremuster der veganen Ernährung. Durch den Ausschluss tierischer Produkte beinhaltet diese Ernährungsform kein Cholesterin und fast keine Quelle für Arachidonsäure. Auch die Zufuhr von gesättigten Fettsäuren überschreitet den empfohlenen Anteil von 10 Energieprozent typischerweise nicht (APPLEBY et al. 1999; CLARYS et al. 2014; DAVEY et al. 2003; ELORINNE et al. 2016). Damit unterscheidet sich die Aufnahme an SAFA von jener der Durchschnittsbevölkerung in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die mit z. B. 16 Energieprozent bei den deutschen Männern (Median) (vgl. MRI 2008, S. 53) deutlich darüber liegt (vgl. BAG 2012, S. 65; ELMADFA 2012, S. 131). Wie Tab. 2-9. zeigt, sind die Fettsäuren EPA und DHA vor allem in tierischen Lebensmitteln enthalten, welche Veganer bekanntlich nicht zu sich nehmen. Entsprechend wurde bei Veganern eine verringerte Aufnahme an ω-3 Fettsäuren beobachtet.

In einer Kohorte, die in der EPIC-Norfolk-Studie gesondert ausgewertet wurde, wurde die Versorgung der Veganer mit ω-3 PUFA untersucht (WELCH et al. 2010):

Tab. 2-7: Aufnahme von ω-3 Fettsäuren bei Veganern (WELCH et al. 2010).


Die EPIC-Norfolk-Studie zeigt deutliche Unterschiede bei der Zufuhr von mehrfach ungesättigten ω-3-Fettsäuren in Abhängigkeit zur Kostform. Gleichzeitig werden jedoch nur geringe Unterschiede der Plasmakonzentration gemessen. Teilweise waren diese bei den Veganern sogar höher als bei den Fischessern (vgl. Tab. 2-8).

[39] Tab. 2-8: Plasmakonzentration ungesättigter Fettsäuren bei Veganern und Fischessern (WELCH et al. 2010).


Möglicherweise führt eine geringe Aufnahme der Fettsäuren EPA und DHA zu einer kompensatorischen Steigerung der Umwandlungsrate, sodass die physiologischen Wirkungen auch bei einer geringeren Zufuhr gewährleistet sind (WELCH et al. 2010). Ob die gebildete Menge an EPA und DHA darüber hinaus für die Prävention von Krankheiten ausreicht, ist jedoch fraglich (WILLIAMS und BURDGE 2006). Veganer, die in der EPIC-Norfolk-Studie sowie in der AHS-2 untersucht wurden, überschritten mit 11,9–19,5 g/Tag die Zufuhrempfehlung für die ω-6-Fettsäure LA von 6,5/Tag deutlich (RIZZO et al. 2013; WELCH et al. 2010). Entsprechend lag das ω-6:ω-3-Vehältnis mit 14–20:1 ebenfalls über dem empfohlenen Wert (WELCH et al. 2010).

Tab. 2-9: Vorkommen gesättigter und ungesättigter Fettsäuren in ausgewählten Lebensmitteln.


Name Vorkommen
SAFA
Palmitinsäure, Stearinsäure u. a. Butter, Fleisch, Wurst, Sahne, Käse, Palmöl
MUFA
Ölsäure Olivenöl, Rapsöl, Haselnüsse, Avocado, Schmalz
PUFA
LA (ω-6) Distelöl, Sonnenblumenöl, Weizenkeimöl, Maiskeimöl, Kürbiskernöl, Sojaöl, Walnussöl
AA (ω-6) Schmalz, Eigelb, Leberwurst, Schweinefleisch, Käse, Lachs, Makrele, Innereien, Sahne
ALA (ω-3) Leinöl, Hanföl, Walnussöl, Walnüsse, Sojaöl, Chiasamenöl, Rapsöl
EPA (ω-3) Hering, Lachs, Makrele, Thunfisch
DPA (ω-3) Thunfisch, Lachs, Hering, Makrele, Mikroalgen (Schizochytrium sp. und Ulkenia sp.)

[40] Schlussfolgerung: Der Fettanteil der Ernährung entspricht bei vielen Veganern den Empfehlung von DGE, ÖGE und SGE. Insbesondere die Versorgung mit den essenziellen Fettsäuren LA und ALA ist bei einer veganen Ernährung hoch. Darüber hinaus ist positiv zu bewerten, dass weniger gesättigte Fettsäuren und nahezu kein Cholesterin aufgenommen werden. Da die wichtigsten Quellen für DHA und EPA – Fisch(-öle) und Meeresfrüchte – bei einer rein pflanzlichen Ernährung ausgeschlossen werden, ist die Zufuhr entsprechend gering. Eine kompensatorisch erhöhte Umwandlungsrate aus ALA scheint jedoch für eine ausreichende Plasmakonzentration zu sorgen. Dennoch kann es sinnvoll sein, dass Veganer ihre Versorgung mit ω-3-Fettsäuren durch eine erhöhte Aufnahme an ALA und Mikroalgenöl bei gleichzeitiger Verringerung der Aufnahme an LA optimieren.