Vegane Ernährung

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Proteine

Funktion: Proteine sind komplexe Moleküle und bestehen aus Aminosäuren. Neben den nicht essenziellen Aminosäuren, die der Körper selbst synthetisieren und ineinander umwandeln kann, sind einige essenziell und müssen mit der Nahrung aufgenommen werden. Aus den Proteinen werden Strukturbestandteile des Körpers (z. B. Kollagen, Hormone, Enzyme, Immunzellen etc.) gebildet. Bei einer negativen Energiebilanz können sie außerdem zur Energieversorgung herangezogen werden.

Bedarf und Bioverfügbarkeit: Um die Proteinqualität für die Ernährung zu beschreiben, kann die biologische Wertigkeit (BW) herangezogen werden. Die biologische Wertigkeit von Proteinen gibt an, wie gut sie vom Körper verwertet, also in körpereigenes Protein eingebaut werden können. Hierbei spielen essenzielle Aminosäuren eine besondere Rolle. Die essenzielle Aminosäure, die im Protein in geringster Menge vorkommt, wird als limitierende Aminosäure bezeichnet. Das bedeutet, dass sie die Wertigkeit des Eiweißlieferanten begrenzt. Grundsätzlich gilt: Je mehr essenzielle Aminosäuren ein Protein enthält, desto hochwertiger ist es (vgl. HORN 2012, S. 67). Durch sinnvolle Kombination verschiedener Eiweißträger kann die Limitierung durch eine essenzielle Aminosäure aufgehoben werden. So kann z. B. der geringe Gehalt an Lysin in Getreide durch Verzehr von Sojaprodukten, Hülsenfrüchten und Ölsamen wie Sesam und Sonnenblumenkernen ausgeglichen werden.

Die biologische Wertigkeit von Vollei wurde definitionsgemäß auf 100 festgelegt und dient als Referenz. Grundsätzlich haben tierische Proteinquellen eine höhere BW als pflanzliche. Durch sinnvolle Kombinationen können auch pflanzliche Proteinquellen eine Wertigkeit von mehr als 100 Referenzpunkten [41] erreichen. So kann z. B. die Kombination von Bohnen und Mais die Wertigkeit der einzelnen Proteinquellen erhöhen (vgl. Tab. 2-10). Um den Kombinationseffekt nutzen zu können, kann die Aufnahme der essenziellen Aminosäuren durch verschiedene Lebensmittel über den Tag verteilt stattfinden und muss nicht innerhalb einer Mahlzeit erfolgen (YOUNG und PELLETT 1994).

Tab. 2-10: Biologische Wertigkeit (BW) von reinen Proteinen und Proteingemischen (modifiziert nach KRAUT & KOFRANYI 1981).


BW von Nahrungsmitteln
Vollei 100
Kartoffeln 98–100
Sojaprotein 84–86
Grünalgen 81
Reis 81
Roggenmehl (82 % Ausmahlung) 76–83
Bohnen 72
Mais 71–72
Weizenmehl (82 % Ausmahlung) 56–59
Trockenhefe 48
BW der günstigsten Mischung zweier Nahrungsmittel, prozentuales Mengenverhältnis
52 % Bohnen + 48 % Mais 99

Eine weitere Methode zur Bestimmung der Proteinqualität ist der Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score (PDCAAS). Der PDCAAS berücksichtigt neben den enthaltenen Aminosäuren auch die Proteinverdaulichkeit. Das Sojaprotein stellt die einzige pflanzliche Proteinquelle dar, die der Qualität tierischer Eiweiße nahekommt (vgl. Tab. 2-11). Ältere Untersuchungen zum Süßlupinenprotein lassen vermuten, dass deren biologische Wertigkeit jener von Soja ähnlich ist. Aktuelle Untersuchungen liegen dazu allerdings nicht vor.

Tab. 2-11: Werte für die Verdaulichkeit von Proteinen und Protein Digestibility Corrected Amino Acid-Score (modifiziert nach ELMADFA und LEITZMANN 2015).


Proteinquelle PDCAAS %
Sojamehl 100
Eier 100
Fleisch und Fisch 100
Bohnen 68
Erdnussbutter 52
Weizen, Vollkorn 40

[42] Richtwerte für die Proteinzufuhr: 0,8 g/kg Körpergewicht pro Tag (bzw. 47– 57g) resp. 9–11 Energieprozent gemäß DGE, ÖGE, SGE 2018 bzw. 1,0 g/kg Körpergewicht pro Tag gemäß KNISKERN und JOHNSTON, 2011. Bei der Berechnung des Richtwerts für die Proteinzufuhr wurden neben individuellen Schwankungen auch die reduzierte Verfügbarkeit des Proteins von 90–95 % aus üblicher Mischkost berücksichtigt (vgl. ELMADFA und LEITZMANN 2015, S. 200). Da pflanzliche Proteinträger in ihren Zellwänden größere Mengen unverdaulicher Substanzen mit Ballaststoffcharakter enthalten und dadurch eine noch geringere Verdaulichkeit aufweisen, legen Studienergebnisse eine Aufnahme von 1,0 g Protein/kg Körpergewicht bei einer auf pflanzlichen Lebensmitteln basierenden Kost nahe (KNISKERN und JOHNSTON 2011). Versorgung bei Veganern: Veganer nehmen im Durchschnitt 11–15 % ihrer Energie über Protein auf (vgl. Tab. 2-12). Sie kommen somit den Zufuhrempfehlungen von 9–11 % der Energiezufuhr und einem Richtwert von 15 Energieprozent nahe. Dieser Richtwert ergibt sich aus den durchschnittlich hohen Verzehrsmengen von Protein bei Mischköstlern (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018).

Tab. 2-12: Proteinzufuhr bei Veganern; * nach (vgl. LEITZMANN und KELLER 2013, S. 273), μ DGE, ÖGE und SGE 2018.


Zwar liegt die relative Proteinaufnahme im Verhältnis zur Gesamtenergie im Rahmen der Empfehlungen. Aufgrund der geringeren Gesamtenergieaufnahme bedeutet dies jedoch auch, dass Veganer eine niedrigere absolute Eiweißaufnahme haben (KNISKERN und JOHNSTON 2011). Eine etwas ältere US-amerikanische Studie zeigte, dass 40 % der teilnehmenden Veganerinnen [43] die Empfehlungen zur Proteinaufnahme nicht erfüllten (HADDAD et al. 1999). Auch in der Deutschen Vegan-Studie blieben 41 % der Frauen und 31 % der Männer hinter den Empfehlungen zurück (WALDMANN et al. 2003).

Für eine ausreichende Proteinversorgung sind die geringere biologische Wertigkeit und Verdaulichkeit von pflanzlichem Protein – mit Ausnahme des Sojaproteins – zu berücksichtigen. Entsprechend ist im Rahmen der veganen Ernährung besonders auf die Proteinqualität und eine sinnvolle Kombination der Eiweißquellen zu achten, um eine ausreichende Versorgung mit essenziellen Aminosäuren zu gewährleisten.

Auf der anderen Seite geht der Verzehr tierischer Proteinquellen wie Milch, Milchprodukte und Fleisch oft mit einer hohen Aufnahme gesättigter Fettsäuren und Cholesterin einher. Veganer können durch den Verzehr pflanzlicher Proteinquellen also auch ernährungsphysiologische und gesundheitliche Vorteile haben (vgl. Kap. 3). Naturbelassene pflanzliche Proteinquellen enthalten kaum gesättigte Fettsäuren, sind frei von Trans-Fettsäuren und Nahrungs-Cholesterin. Zudem sind proteinreiche pflanzliche Lebensmittel eine wichtige Quelle für Eisen, Zink, Ballaststoffe, resistente Stärke, Antioxidantien und sekundäre Pflanzenstoffe (z. B. Isoflavone und Saponine) (SAUNDERS 2014). Im Austausch von Milchprodukten nutzen Veganer häufig Alternativen wie Sojaund Mandel«milch». Ob Veganer durch eine ergänzende Aufnahme solcher Produkte mit essenziellen Aminosäuren ausreichend versorgt sind, ist unklar. Alternativprodukte bzw. angereicherte Produkte (vgl. Kap. 5) werden bei Verzehrserhebungen häufig nicht berücksichtigt (CLARYS et al. 2014). Schlussfolgerung: Veganer kommen den DGE-, ÖGE- und SGE-Empfehlung für die Proteinzufuhr nahe. Da Veganer insgesamt energieärmer essen, liegt die absolute Proteinaufnahme jedoch unter den Empfehlungen. Erschwerend für eine ausreichende Proteinversorgung kommt hinzu, dass die Bioverfügbarkeit aus pflanzlichen Quellen geringer als aus tierischen Quellen ist. Auf Basis dieser Ergebnisse ist es bei einer veganen Ernährungsweise von besonderer Bedeutung auf eine hohe Proteinqualität und sinnvolle Kombination der Eiweißquellen zu achten.

 

Vitamin B2 (Riboflavin)

Funktion: Riboflavin (Vitamin B2) ist als Baustein von Coenzymen wesentlich am oxidativen Stoffwechsel beteiligt. Hier wirkt es beim Fettsäureabbau, in der Atmungskette und dem Citratzyklus mit und spielt somit eine Rolle bei der Energiegewinnung. Außerdem ist Riboflavin essenziell für das embryonale Wachstum, den Abbau der Purinbasen der DNA und den Erhalt der Myelinscheiden, [44] die als Schutz der Nervenzellen dienen. Als Bestandteil des Coenzyms Flavin-Adenin-Dinukleotids (FAD) unterstützt es die Wirkung der Glutathion-Reduktase und wirkt damit antioxidativ. Ein Mangel führt zu Wachstumsstörungen sowie zu Haut- und Schleimhautveränderungen, wodurch es z. B. zu Mundwinkelrhagaden und Entzündungen im Mundraum kommen kann. Ein schwerer Mangel kann zudem den Stoffwechsel anderer Vitamine (Pyridoxin und Niacin) stören. Als schlecht wasserlösliches und hitzestabiles Vitamin ist Riboflavin lichtempfindlich (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018).

Bedarf: Richtwerte für die Riboflavinzufuhr (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018): 1,0–1,4 mg/Tag.

Tab. 2-13: Vorkommen von Vitamin B2 in ausgewählten Lebensmitteln; * während der Keimung des Getreides steigt der Vitamin B2-Gehalt (BLS 3.01).


Pflanzliche Lebensmittel Tierische Lebensmittel
Weizen(keime)* Innereien
Champignons Fleisch
Grünkohl Fisch
Spinat Milch und Milchprodukte
Sojabohnen
Nüsse

Versorgung bei Veganern: Die durchschnittliche Riboflavinaufnahme von Veganern liegt im Bereich der Empfehlungen (vgl. Tab. 2-14). In einer etwas älteren US-amerikanischen Studie übertrafen die vegan lebenden Männer die Empfehlungen deutlich (HADDAD et al. 1999) Gleichzeitig zeigen andere Studien aber auch, dass der Riboflavinstatus, welcher über die Aktivität des Enzyms Glutathion-Reduktase gemessen wird, bei 30–48 % der Veganer unzureichend ist (MAJCHRZAK et al. 2006; WALDMANN et al. 2003).

Tab. 2-14: Durchschnittliche Riboflavinaufnahme.


[45] Schlussfolgerung: Es gibt Hinweise darauf, dass die Riboflavinzufuhr durchschnittlich ausreichend ist, jedoch zeigen Untersuchungen einen eher unzureichenden Riboflavin-Status. Vitamin-B2-reiche Lebensmittel sollten bewusst im veganen Speiseplan berücksichtigt werden.

Vitamin B12 (Cobalamin)

Funktion: Aufgrund seiner chemischen Struktur wird das Vitamin B12 auch Cobalamin genannt, denn das Molekül besteht aus einem Kobalt-Atom und mehreren Aminogruppen. Neben seiner Rolle im Abbau von Fettsäuren ist das Vitamin durch seine Funktion bei der Synthese der DNA-Basen für Zellwachstum und -teilung sowie die geistige Entwicklung essenziell (vgl. Kap. 3). Bei mangelhafter Versorgung mit Cobalamin liegen unzureichende Mengen metabolisch aktiven Folats vor, sodass ein Mangel zu einer megaloblastischen Anämie und zur Schädigung des Nervensystems führt. Aufgrund dieses Zusammenhangs ähneln sich die Symptome des Vitamin B12- und des Folatmangels. Infolgedessen wird versucht, die Symptome durch die alleinige Supplementation von Folat zu beheben. Dadurch besteht aber das Risiko, dass ein eigentlicher Mangel an Vitamin B12 maskiert wird, unbemerkt bleibt und es infolgedessen zu irreparablen Schädigungen am Nervensystem kommt. Bei unzureichendem Cobalaminstatus kommt es außerdem zu einer Anreicherung der Aminosäure Homocystein, da diese ohne Vitamin B12 nicht abgebaut werden kann. Erhöhte Homocysteinwerte stehen wiederum mit einem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung (vgl. Kap. 3). Da Vitamin B12 während 3–5 Jahren gespeichert werden kann, treten bei unzureichender Aufnahme Mangelerscheinungen erst spät auf. Weltweit besteht eine hohe Prävalenz des Cobalaminmangels (GREEN 2009). In Mitteleuropa werden durch Mischkost allerdings Cobalamin-Mengen zugeführt, die über dem täglichen Bedarf liegen (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018). Für Veganer besteht aufgrund fehlender pflanzlicher Vitamin-B12-Quellen eine besondere Gefahr eines klinischen Mangels, wenn keine Supplemente zugeführt werden.

Bedarf: Nach sorgfältiger Bewertung aktueller Daten kann der Bedarf an Vitamin B12 nicht mit wünschenswerter Genauigkeit bestimmt werden. Daher wird die Vitamin-B12-Zufuhr als Schätzwert für eine angemessene Zufuhr angegeben.

Der Schätzwert für Erwachsene wurde auf Basis von Studien abgeleitet, in denen eine angemessene Vitamin-B12-Zufuhr anhand der Konzentrationen im Serum der Statusparameter Gesamt-Vitamin-B12 und Holo-Transcobalamin ( Holo-TC) sowie der Funktionsparameter Methylmalonsäure (MMA) und Homocystein ermittelt wurde.

[46] Die Schätzwerte liegen dabei höher als die bisher gültigen Angaben zur empfohlenen Zufuhr, z. B. galt für Erwachsene bisher eine empfohlene Zufuhr von 3,0 µg proTag, der nun abgeleitete Schätzwert liegt bei 4,0 µg pro Tag (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018). Um Vitamin B12 optimal aufnehmen zu können, wird die Einwirkung von Magensäure, von proteinspaltenden Enzymen und des in der Magenwand gebildeten Intrinsic Factor benötigt. So kann neben einer unzureichenden Zufuhr auch eine eingeschränkte Absorption des Vitamins zu einer schlechten Versorgung führen. Die Aufnahme des Cobalamins erfolgt im Dünndarm (BAIK und RUSSELL 1999).

Richtwerte für die Cobalaminzufuhr (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018): 4 µg/ Tag.

Vorkommen und Bioverfügbarkeit: Vitamin B12 wird ausschließlich von Mikroorganismen gebildet. Während verschiedene Tierarten in der Lage sind, das von ihren Darmbakterien gebildete Cobalamin zu nutzen, ist der Mensch auf eine alimentäre Zufuhr angewiesen (PIETZRIK, GOLLY und LOEW 2008; WATANABE 2007). Hauptlieferanten für das Vitamin sind tierische Lebensmittel wie Fleisch, Innereien und Fisch. Pflanzliche Lebensmittel können Spuren des Vitamins enthalten, wenn sie durch Bakterien kontaminiert bzw. durch Fermentation hergestellt wurden; dazu zählen z. B. Sauerkraut und fermentierte Bohnen (z. B. Sojabohnen). Der Gehalt an Vitamin B12 variiert dabei von vernachlässigbaren Mengen weit unter 0,1 µg/100g in Kimchi (fermentiertes Gemüse aus Korea) bis zu 12,5 µg/100 ml im Saft aus fermentierten Blättern des Bockshornklees (WATANABE et al. 2013). Aufgrund der starken Schwankungen können diese Lebensmittel nicht als zuverlässige Vitamin-B12-Quellen angesehen werden. Möglicherweise können Rotalgen wie Porphyra, die auch als «Nori» bekannt sind, und die Grünalge Chlorella zur Versorgung mit Cobalamin beitragen (WATANABE et al. 2013; CROFT et al. 2005). Zwar liegt das Vitamin hier offenbar in bioverfügbarer Form vor, bislang wurde die Nutzbarkeit für den Menschen jedoch nicht nachgewiesen. Zudem enthalten einige Algen teilweise große Mengen an Jod, welches bei Überdosierung toxisch wirkt. Aufgrund dieser Umstände ist auch die Nutzung von Algen als Cobalaminquelle umstritten (WATANABE et al. 2002; AMERICAN DIETETIC ASSOCIATION 2009). Neben echten Cobalaminen kommen in manchen Lebensmitteln strukturverwandte Analoga vor, die keine Vitaminwirksamkeit besitzen (vgl. LEITZMANN und KELLER 2013, S. 251f.). Möglicherweise trägt auch die Kontamination von Lebensmitteln mit Mikroorganismen zur Vitamin-B12-Versorgung bei. Studien zu diesem Zusammenhang liegen jedoch bislang nicht vor.

[47] Tab. 2-15: Vorkommen von Vitamin B12 in ausgewählten Lebensmitteln (BLS 3.01); 1in pflanzlichen Lebensmitteln nur in Spuren enthalten.


Pflanzliche Lebensmittel/100 g Tierische Lebensmittel/100 g
< 0,1 μg1: Sauerkraut > 20 μg: Innereien
> 5 μg: Makrele
< 5 μg: Camembert

Versorgung bei Veganern: Da tierische Lebensmittel die Hauptquelle für Vitamin B12 sind, besteht für Veganer ein erhöhtes Risiko für eine ungenügende Versorgung. Entsprechend weisen sie oft eine unzureichende Aufnahme an B12 auf (GILSING et al. 2010; WOO et al. 2014). Ohne eine zusätzliche Supplementation wiesen Veganer mit durchschnittlich 0,25 bis 0,78 μg/Tag eine unzureichende Vitamin-B12-Zufuhr auf (DAVEY et al. 2003; WALDMANN et al. 2003). Die AHS-2-Studie ermittelte zwar Durchschnittswerte von 23,3 μg/Tag bzw. eine mediane Aufnahmemenge von 6,3 μg/Tag, jedoch nahmen auch hier 5 % der untersuchten Veganer weniger als 0,4 μg/Tag auf. Die extrem hohen Durchschnittswerte in dieser Kohorte sind auf angereicherte Lebensmittel zurückzuführen (RIZZO et al. 2013). Veganer weisen zudem oftmals eine marginale Cobalamin-Versorgung bei gleichzeitig hohen Serumfolat-Werten auf (LARSSON und JOHANSSON 2002). Wie oben beschrieben, kann dieser Zustand zu einer Maskierung des Vitamin-B12-Mangels führen, was für Veganer von besonderer Bedeutung ist (AMERICAN DIETETIC ASSOCIATION 2009). Eine Bestimmung des Vitamin-B12-Status im Blut kann daher sinnvoll sein (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018). Verschiedene Blutparameter geben Aufschluss über den Versorgungsstand an Cobalamin. Der Gesamt-Vitamin-B12-Gehalt im Serum zeigt erst spät und wenig sensitiv einen Vitamin-B12-Mangel an. Der wichtigste Marker ist daher das Holo-Transcobalamin (Holo-TC), welches die aktive Form des Vitamins B12 darstellt und als zuverlässiger Marker auch einen leichten Mangel früh erkennen lässt (NEXO und HOFFMANN-LÜCKE 2011). Darüber hinaus sind erhöhte Spiegel an Methylmalonsäure (MMA) und Homocystein wichtige Parameter für einen Cobalaminmangel (AMERICAN DIETETIC ASSOCIATION 2009). Daten aus Deutschland und den Niederlanden zeigen einen klinischen Vitamin-B12-Mangel bei einem Großteil der Veganer (vgl. Tab. 2-16). Die dargestellten Parameter können auch zur Überprüfung des Versorgungsstatus in der Praxis angewandt werden. Risikogruppen wird empfohlen, diesen alle zwei bis drei Jahre bestimmen zu lassen (HERRMANN und OBEID 2008). Der Test für den Holo-TC wird allerdings aufgrund des hohen Preises nicht standardmäßig in der klinischen Praxis angewandt (NEXO und HOFFMANN-LÜCKE 2011).

[48] Tab. 2-16: Versorgungsstatus mit Vitamin B12 bei Veganern (HERRMANN et al. 2003; HERRMANN und OBEID 2008; WALDMANN et al. 2004b).


Nur 43 % Veganer nehmen mit Vitamin B12 angereicherte Lebensmittel und/ oder Supplemente zu sich (GILSING et al. 2010) (vgl. Kap. 5). Diese können zu einer ausreichenden Versorgung beitragen (vgl. BAG 2012, S. 27). So wiesen Veganer, die in der EPIC-Oxford-Studie untersucht wurden und welche Supplemente einnahmen, eine Zufuhr von 3,17 µg auf und konnten ihren Versorgungsstatus damit verbessern (GILSING et al. 2010). Zur Anreicherung von Lebensmitteln und für die Herstellung von Vitamin-B12-Präparaten wird meist Cyanocobalamin, die synthetische Form des Vitamin-B12, verwendet. Zur Supplementierung eignen sich eine mit Vitamin-B12 angereicherte Zahncreme, Nahrungsergänzungsmittel als Kapseln, Tropfen oder (Lutsch-)Tabletten oder mit Vitamin B12 angereicherte Lebensmittel wie z. B. Soja-Drinks, Fleischalternativen oder Nährhefeprodukte. Zu beachten ist, dass eine Anreicherung mit Vitamin B12 bei der Herstellung von Bio-Lebensmitteln gesetzlich untersagt ist (EU KOMMISSION 2008).

 

Schlussfolgerung: Vitamin B12 ist fast ausschließlich in tierischen Produkten enthalten, sodass bei einer veganen Ernährung ein besonderes Risiko für einen Mangel besteht. Dieser kann zudem durch die bei Veganern oftmals durch eine gute Folatversorgung maskiert sein. Eine zusätzliche Aufnahme von Cobalamin über Supplemente und angereicherte Lebensmittel wird neben einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle ausdrücklich empfohlen.