Vegane Ernährung

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Vitamin D

[49] Funktion: Aktives Vitamin D ist an der Calciumhomöostase und dem Phosphatstoffwechsel beteiligt. Zudem spielt es eine wichtige Rolle im Immunsystem. Ein Mangel führt u. a. zu Mineralisationsstörungen der Knochen. Im Kindesalter zeigen sich diese im Krankheitsbild einer Rachitis, deren Folgen eine Deformierung des Skeletts, Muskelschwäche und erhöhte Infektanfälligkeit sind (HOLICK 2007; vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018). Zudem wird der Einfluss von Vitamin D auf die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und Krebs diskutiert (HOLICK 2007).

Bedarf: Der tägliche Bedarf an Vitamin D liegt bei 20 µg/Tag. Ist der Körper keiner Sonneneinstrahlung ausgesetzt, kann keine Eigensynthese stattfinden und eine ergänzende Versorgung über die Nahrung bzw. Supplementen ist erforderlich (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018).

Richtwerte für die Vitamin-D-Zufuhr (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018):

2–4 µg/Tag über die Nahrung + Sonnenbestrahlung/Supplement

20 µg/Tag bei fehlender endogener Synthese

Vorkommen und Bioverfügbarkeit: Die Vitamin-D-Gruppe beschreibt die Wirkstoffe der Calciferole. Differenziert wird zwischen dem Ergocalciferol (Vitamin D2) aus pflanzlicher Quelle und dem Cholecalciferol tierischer Herkunft (Vitamin D3). Nur wenige tierische Lebensmittel wie fetter Fisch, Hühnereigelb, Käse oder Leber(-tran) enthalten Vitamin D (vgl. Tab. 2-17). Der Gehalt an Vitamin D in pflanzlichen Quellen wie Champignons, Pfifferlingen oder Steinpilzen ist mit Ausnahme von jenem in der Avocado nur sehr gering (vgl. KOFRANYI 2013, S. 112). Der Einfluss der Ernährung auf den Vitamin-D-Status ist generell als gering einzuschätzen. Wichtiger sind hier die Versorgung über Supplemente und der Grad der Hautpigmentierung (CHAN et al. 2009).

Tab. 2-17: Vorkommen von Vitamin D in ausgewählten Lebensmitteln (BLS 3.01).


Pflanzliche Lebensmittel Tierische Lebensmittel
Avocado Leber(-tran)
Pilze Fettreiche Fischarten
Hühnereigelb
Käse

Der Mensch ist in der Lage, Vitamin D3 mithilfe der UV-B-Strahlen in der Haut zu bilden. Die gebildete Menge ist abhängig von der Expositionsdauer, der Pigmentierung, dem Alter, der Hautdicke und der Verwendung von Sonnenschutzmitteln. [50] Aus dem in der Haut gebildeten Prä-Pro-Hormon entsteht in Leber und Niere durch Hydroxylierung mithilfe von Enzymen das wirksame Vitamin-D-Hormon (25-Hydroxyvitamin-D; 25(OH)D). Berechnungen zufolge genügt für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese pro Woche eine zwei- bis dreimalige Sonnenexposition. Dabei reicht es aus, etwa 18 Prozent der Körperoberfläche (z. B. Hände, Arme und Gesicht) mit der Hälfte der minimalen sonnenbrandwirksamen UV-Dosis dem Licht auszusetzen (0,5 MED) (HOLICK 2007). Dieser Richtwert entspricht der Hälfte der Zeit, in der sonst ungeschützt ein Sonnenbrand entstehen würde. Tab. 2-18 zeigt, dass die Eigensynthese in den Wintermonaten nur durch sehr lange Aufenthalte im Freien ausreichend ist. Daher wird eine Supplementation vor allem für diese Zeit empfohlen. Auch Sonnencremes reduzieren z. B. bei einem Lichtschutzfaktor 15 die Vitamin-D-Bildung bereits um bis zu 100 % (STRÖHLE 2009).

Tab. 2-18: Hinreichende Sonnenexpositionsdauer in Mitteleuropa (42,5° nördliche Breite) je nach Hauttyp, Jahreszeit und Uhrzeit, um 25 μg Vitamin D zu bilden (WEBB und ENGELSEN 2006).


Typ I: Keltischer Typ (sehr helle Hautfarbe; rötliches/hellblondes Haar; blaue Augen; keine Bräunung, Bildung von Sommersprossen; hohe Sonnenbrandgefahr).

Typ II: Nordischer Typ (helle Hautfarbe; blonde/hellbraune Haare; blaue, graue/grüne Augen; Sommersprossen; langsame, geringfügige Bräunung; häufig Sonnenbrand).

Typ III: Mischtyp (mittlere Hautfarbe; dunkelbraunes, hellbraunes, blondes/schwarzes Haar; braune, grüne/graue Augen; kaum Sommersprossen; langsame, aber fortschreitende Bräunung; manchmal Sonnenbrand)

Typ IV: Mediterraner Typ (bräunliche/olivfarbene Haut; braune Augen; braunes/schwarzes Haar; keine Sommersprossen; schnelle Bräunung; selten Sonnenbrand).

Typ V: Dunkler Hauttyp (dunkle Haut; dunkle Augen; schwarzes Haar; keine Sommersprossen; schnelle Bräunung; kaum Sonnenbrand).

Typ VI: Schwarzer Hauttyp (dunkelbraune bis schwarze Haut; schwarze Augen; schwarzes Haar; keine Sommersprossen; praktisch nie Sonnenbrand).

Versorgung bei Veganern: Bei einer veganen Ernährung ist Vitamin D ein kritischer Nährstoff. Veganer haben aufgrund des Ausschlusses tierischer Vitamin-D-Quellen ein hohes Risiko, unzureichend mit dem Vitamin versorgt zu sein [51] (CROWE et al. 2011). Ergebnisse von Studien aus England und Deutschland zeigen, dass Veganer weniger als 1 µg Vitamin D/Tag mit der Nahrung aufnehmen (CROWE et al. 2011; DAVEY et al. 2003; WALDMANN et al. 2003). Es ist daher sinnvoll, neben der alimentären Zufuhr die Konzentration an Vitamin D im Serum zu messen, um den Versorgungsstatus zu bestimmen. Ernährungserhebungen können die tatsächliche Versorgung mit Vitamin D nur unzureichend wiedergeben, da die Eigensynthese in der Haut bei der Auswertung nicht erfasst wird. Diese stellt jedoch insbesondere bei Veganern eine bedeutsame Vitamin-D-Quelle dar: Gesundheitlich motivierte Veganer halten sich vergleichsweise häufig und lange im Freien auf. Die intensivere Sonnenexposition führt bei ihnen daher zu einer höheren Vitamin-D-Produktion (FONTANA et al. 2005). Kritisch zu betrachten sind allerdings die Wintermonate. Im Vergleich zu Mischköstlern weisen Veganer in diesem Fall schlechtere Werte auf (SMITH 2006; AMERICAN DIETETIC ASSOCIATION 2009). Ergebnisse der EPIC-Oxford-Studie zeigen, dass nur 20 % der Veganer im Winter und Frühling, bzw. 45 % im Sommer und Herbst den 25(OH)D-Zielwert von ≥75 nmol/l erreichten (CROWE et al. 2011). Als ausreichende Versorgung der Knochen gilt eine Serumkonzentration von mindestens 50 nmol 25(OH)D/l (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018). Entsprechend kann eine Supplementierung sinnvoll sein (BISCHOFF-FERRARI 2008). Pro 1 µg ergänztem Vitamin D steigt das 25(OH) D im Blutserum zwischen 0,7 nmol/l und 2 nmol/l an (HEANEY et al. 2003; CASHMAN et al. 2008).

Schlussfolgerung: Die dargestellten Studien zeigen, dass Veganer nicht die empfohlene Menge von 20 µg Vitamin D/Tag aufnehmen. Der Vitamin-D-Status sollte entsprechend regelmäßig kontrolliert und das Vitamin bei einer unzureichenden Versorgung durch angereicherte Lebensmittel und/oder Supplemente ergänzt werden. Vitamin D zählt zu den allgemein kritischen Nährstoffen und ist kein spezifisches Problem vegan lebender Menschen.

Vitamin A

Funktion: Vitamin A ist für das Wachstum, das Immunsystem und die Entwicklung von Zellen und Geweben von Bedeutung. Darüber hinaus regt es das Wachstum und den Aufbau von Haut und Schleimhäuten an und spielt eine zentrale Rolle beim Sehvorgang. ß-Carotin und alle anderen Carotinoide wirken, anders als Vitamin A, antioxidativ. Ein schwerer Vitamin-A-Mangel äußert sich durch Nachtblindheit, Störungen des Immunsystems, der Schleimhäute und führt zu Funktionseinbußen der Augen bis hin zur Erblindung.

Bedarf: Das fettlösliche Vitamin A steht für die Bezeichnung einer Gruppe [52] verschiedener Substanzen mit Vitamin-A-Aktivität. Das eigentliche Vitamin A (Retinol) kommt nur in tierischen Lebensmitteln vor, während die Provitamine A (Carotinoide) aus pflanzlichen Quellen stammen. Carotinoide können im Körper zu Vitamin A umgewandelt werden. Für den Menschen ist das Carotinoid-β-Carotin am besten verwertbar. Mit einer durchschnittlichen Rate von maximal 15 % wird jedoch lediglich ein kleiner Teil des resorbierten β-Carotins zu Vitamin A umgewandelt (vgl. DUNKELBERG et al. 2012, S. 9). Die Umwandlung erfolgt in Abhängigkeit zur Bedarfssituation, wobei die Umwandlungsrate mit steigender Zufuhrmenge sinkt. Die Vitamin-A- und Provitamin-A-Aktivität sowie alle Substanzen mit Vitamin-A-Aktivität werden als «Retinol-Äquivalent» (RÄ) zusammengefasst. Z. B. entspricht 1 mg RÄ = 6 mg β-Carotin (vgl. ELMADFA und LEITZMANN 2015, S. 365, 376ff).

Richtwerte für die Vitamin-A-Zufuhr (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018): 0,8– 1,0 mg Retinol-Äquivalent/Tag.

Vorkommen und Bioverfügbarkeit: Die Bioverfügbarkeit von ß-Carotin unterliegt sehr großen Schwankungen. Durch die gleichzeitige Anwesenheit von Fett in der Nahrung (z. B. ölhaltigen Salatdressings) kann die Aufnahme der Carotinoide im Dünndarm gesteigert werden (TYSSANDIER et al. 2003). Die Gießener Rohkost-Studie zeigte, dass die gleichzeitige Aufnahme von Fett oder Öl die Carotin-Konzentration im Blutserum maßgeblich beeinflusst (GARCIA et al. 2008). Hier führte eine geringere Zufuhr an Fett bzw. Öl zu einem geringeren Plasmaspiegel an β-Carotin und anderen Carotinoiden (GARCIA et al. 2008). Zudem hat die Zubereitungsart eines Lebensmittels Einfluss auf die Verfügbarkeit von β-Carotin. Durch den mechanischen Aufschluss der Pflanzenzellen beim Zerkleinern und Kochen ist es besser verfügbar als beim Rohverzehr (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018). Gemüse hat im Allgemeinen einen höheren Carotinoidgehalt als Obst (vgl. DUNKELBERG et al. 2012, S. 5).

 

Tab. 2-19: Vorkommen von Vitamin A in ausgewählten Lebensmitteln (BLS 3.01).


Pflanzliche Lebensmittel (ß-Carotin) Tierische Lebensmittel (Vitamin A)
Karotten Lebertran
Paprika Innereien
Aprikosen Aal
Spinat Butter
Sauerkirschen Camembert

Versorgung bei Veganern: Unter anderem zeigt die Deutsche Vegan-Studie, dass Veganer eine sehr gute Versorgung mit RÄ aufweisen (WALDMANN et [53] al. 2003). Anhand der AHS-2, in der sowohl die Aufnahme des ß-Carotins als auch der Retinoläquivalente bestimmt wurden (vgl. Tab. 2-20), lässt sich nachvollziehen, dass die gute Versorgung durch die hohe Zufuhr an ß-Carotin zu erklären ist (RIZZO et al. 2013).

Tab. 2-20: Zufuhrmengen von Retinol, ß-Carotin und Retinol-Äquivalent (RÄ).


Schlussfolgerung: Obwohl die Hauptquellen für Vitamin A tierischen Ursprungs sind, stellt dieses Vitamin keinen kritischen Nährstoff für Veganer dar. Durch die hohe Aufnahme pflanzlicher Lebensmittel kann der Bedarf durch Pro-Vitamine (ß-Carotin) gedeckt werden.

Eisen

Funktion: Eine besondere Rolle spielt Eisen als Bestandteil des Hämoglobins für den Sauerstofftransport im Blut. Zudem hat es eine wichtige Funktion bei der Genexpression, der Synthese von Enzymen und der Zellbildung. Durch Eisenmangel kann es zu Organstörungen und Anämie kommen. Eisenmangelanämie äußert sich häufig durch abnehmende Leistungsfähigkeit und erhöhte Infektanfälligkeit (vgl. EKMEKCIOGLU und MARKTL 2006, S. 1f). Überversorgung mit Häm- und Speichereisen wurde auch mit chronischen Erkrankungen wie koronaren Herzerkrankungen, Diabetes und Krebs in Verbindung gebracht (vgl. Kap. 3). Bedarf: Die Richtwerte basieren auf der Absorptionsrate aus Mischkost. Da pflanzliches Eisen weniger gut verfügbar ist (siehe unten), wird in den USA die 1,8-fache Aufnahmemenge empfohlen (FOOD AND NUTRITION BOARD 2002).

Richtwerte für die Eisenzufuhr für Jugendliche und Erwachsene (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018): 10–15 mg/Tag.

Vorkommen und Bioverfügbarkeit: Während das aus tierischen Lebensmitteln stammende zweiwertige Häm-Eisen zu 15–35 % resorbiert werden kann, [54] weist das dreiwertige Nicht-Häm-Eisen eine schlechtere Bioverfügbarkeit auf. Es wird selten mehr als 5 % resorbiert (NIESTROJ 1999). Die Absorptionsrate wird außerdem vom individuellen Eisenstatus beeinflusst. Im Falle eines Eisenmangels kann sie auf das Zwei- bis Dreifache ansteigen (HOODA et al. 2014; vgl. EKMEKCIOGLU und MARKTL 2006, S. 3f.).

Faktoren, die die Verfügbarkeit von Eisen fördern (LÖFFLER und PETRIDES 2002, S. 702ff; LEITZMANN et al. 2009, S. 78ff; KASPER 2014, S. 60; SCHMIDT und SCHMIDT 2004, S. 266; HAHN 2001, S. 170; NISTROIJ 2000, S. 412): Vitamin C oder andere organische Säuren, wie Zitronensäure in Obst und Gemüse oder Milchsäure in Sauerkraut fördern die Absorption von Nicht-Häm-Eisen, indem sie durch die Reduktion von schlecht löslichem dreiwertigem Eisen die Bildung zu zweiwertigem Eisen steigern. Die Aufnahme von bereits 25 mg Vitamin C führt zu einer signifikanten Absorptionssteigerung.

Faktoren, die die Verfügbarkeit von Eisen hemmen, indem sie unlösliche und nicht resorbierbare Komplexe bilden, sind: Phytinsäure (Phytate) in Vollkorn- und Sojaprodukten, Ballaststoffe (nicht Zellulose), Oxalate im Gemüse (vor allem Spinat, Rhabarber und Kakao), Polyphenole (unter anderem Tannine, z. B. in Kaffee, schwarzem Tee, Hirse, Spinat und Rotwein), exzessive Zufuhr anderer Metallionen (z. B. Mangan (Mn2+), Kobalt (Co2+), Kupfer (Cu2+), Zink (Zn2+), Blei (Pb2+) und Soja-, Milch- und Eiprotein.

Tab. 2-21: Vorkommen von Eisen in ausgewählten Lebensmitteln (BLS 3.01).


Pflanzliche Lebensmittel Tierische Lebensmittel
Hirse Innereien
Kichererbsen Fleisch
Sojabohnen
Pfifferlinge
Haselnüsse
Aprikosen, getrocknet
Spinat
Vollkorngetreide

Versorgung bei Veganern: Wissenschaftliche Ergebnisse zeigen, dass Veganer insgesamt eine ausreichende Eisenzufuhr aufweisen (vgl. Tab 2-22). Trotz ausreichender Zufuhr im Durchschnitt wiesen jedoch einige der in der Deutschen Vegan-Studie untersuchten Frauen einen Eisenmangel (gemessen am Ferritinwert) auf (WALDMANN et al. 2004a). Das Ferritin gibt den Status des im Körper gespeicherten Eisens an. In der Gruppe der jüngeren Veganerinnen (< 50 [55] Jahren) hatten 40 %, in der älteren Gruppe (ab 50 Jahren) 12 % einen Ferritinmangel (< 12 ng/ml). Entsprechend sollten vor allem Risikogruppen ihren Serum-Ferritinwert regelmäßig überprüfen lassen und gegebenenfalls auf Supplemente zurückgreifen.

Tab. 2-22: Zufuhrmengen von Eisen (mg/Tag).


Schlussfolgerung: Eine ausreichende Eisenversorgung ist mit einer veganen Ernährung möglich. Hierbei ist neben einer ausreichend hohen Zufuhr vor allem auf die Kombination mit resorptionsfördernden Substanzen wie organischen Säuren und die Vermeidung der gleichzeitigen Aufnahme hemmender Substanzen wie Phytinsäure zu achten. Ein Eisenstatus im unteren Normbereich kann von Vorteil sein, da bei hohen Eisenvorräten durch Bildung freier Radikale Oxidationsvorgänge beschleunigt werden.

Calcium

Funktion: Calcium dient als Bausubstanz für Knochen und Zähne, ist ein wichtiger Faktor bei der Blutgerinnung und hat eine bedeutende Funktion als Neurotransmitter im Nervensystem.

Bedarf: Richtwerte für die Calciumzufuhr für Jugendliche und Erwachsene (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018) 1000 mg/Tag.

Vorkommen und Bioverfügbarkeit: Calcium ist ein bedeutender Mineralstoff, dessen Hauptlieferanten in der westlichen Ernährung tierischen Ursprungs sind. Die Absorptionsrate von Calcium ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig und schwankt zwischen 15–60 % (HAHN, STRÖHLE und WOLTERS 2006). So nimmt sie z. B. bei erhöhtem Bedarf, etwa während der Schwangerschaft, zu. Im Säuglingsalter und in der Pubertät wird Calcium am effektivsten resorbiert (≈ 60 %), um danach auf 15–20 % im Erwachsenenalter abzusinken (ABRAMS et al. 1997; MATCOVIC 1991). Milch- und Milchprodukte [56] sind reich an Calcium. Zu den pflanzlichen Quellen zählen Gemüsesorten wie Broccoli, Grünkohl sowie Hülsenfrüchte, Samen und Nüsse. Weitere relevante Quellen für Calcium sind Getränke. In Deutschland werden etwa 25 % des aufgenommenen Calciums über alkoholfreie Getränke aufgenommen (MRI 2008). Die Bioverfügbarkeit verschiedener Calciumquellen variiert (vgl. Tab. 2-24). Besonders geeignet sind Mineralwässer mit einem Calciumgehalt von mehr als 150 mg Calcium/l. (HEANEY 2006).

Tab. 2-23: Vorkommen von Calcium in ausgewählten Lebensmitteln (BLS 3.01).


Pflanzliche Lebensmittel Tierische Lebensmittel
Grünkohl Käse
Brennnessel Milch
Sesam Joghurt
Broccoli Barsch (Fisch)

Tab. 2-24: Bioverfügbarkeit ausgewählter veganer Calciumquellen (WEAVER und HEANEY 2006, S. 137).


Lebensmittel Resorption (%)
Pak Choi 54
Grünkohl 50
Broccoli 61
Brot (angereichert) 43
Chinakohl 40
Sojamilch (angereichert) 24
Orangensaft (angereichert) 36
Tofu (angereichert) 31
Kidneybohnen/rote Bohnen 24
Süßkartoffeln 22
weiße Bohnen 22
Rhabarber 9
Spinat 5
Vergleich: Kuhmilch 32

Einige Substanzen in pflanzlichen Lebensmitteln fördern oder hemmen die Calciumabsorption (AMERICAN DIETETIC ASSOCIATION 2009). Der wichtigste Hemmstoff ist hier die Oxalsäure. In Tab. 2-25 sind Oxalsäuregehalte verschiedener Lebensmittel aufgeführt. Auch Phytate können die Calciumverfügbarkeit hemmen. Es bilden sich schwer lösliche Verbindungen wie Calcium-Oxalate und Calcium-Phytate, die nicht resorbiert werden können (vgl. [57] ELMADFA und LEITZMANN 2015, S. 279f). Ähnliches gilt für Ballaststoffe wie Pektin und Zellulose.

 

Tab. 2-25: Oxalsäuregehalt verschiedener Lebensmittel (MASSEY 2007).


Lebensmittel (100g/ml) Menge an Oxalat (mg)
Spinat 400–900
Rhabarber 260–1235
Sternfrucht 80–730
Rote Bete 76–675
Schwarztee 48–92
Grüner Tee 6–26
Kräutertee 0–8
Mandeln 431–490
Cashewkerne 231–262
Haselnuss 167–222
Walnuss 74
Pecannüsse 64
Pistazien 49–57
Macadamianüsse 42
Weizen 457
Bohnen 8–91
Erdnüsse 96–705
Sojabohnen (getrocknet) 82–214
Tofu 3–280

Faktoren, die die Calciumaufnahme fördern (BIESALSKI 2010; HAHN, STRÖHLE und WOLTERS 2006; SCHMIDT und SCHMIDT 2004; WEAVER 2001; KASPER 2014; BUSHINSKY 2001):

Verteilung auf mehrere Einzeldosen am Tag (z. B. 250–500 mg)

Vitamin D

leicht resorbierbare Zucker wie Laktose (Milchzucker)

Milchsäure (Laktat)

Zitronensäure (Citrat)

Aminosäuren wie Lysin und Arginin

Caseinphosphopeptide in Milch

nicht resorbierbare Kohlenhydrate wie Inulin, Fructooligosaccharide und Lactulose

[58] Faktoren die die Calciumaufnahme hemmen:

Oxalsäure

Phytinsäure (Phytat) in Getreide und Kleie

Langkettige gesättigte Fettsäuren, z. B. Stearinsäure in Pflanzenfett

Phosphorsäure, z. B. in Softdrinks

Gerbsäure, z. B. in Kaffee, schwarzem Tee und einigen Kräutertees

Ballaststoffe wie Pektin und Zellulose, z. B. in Vollkornprodukten, Gemüse und Obst

Faktoren, die die renale Calciumausscheidung fördern:

Natrium: pro 2 g Natrium gehen 30–40 mg Calcium mit dem Urin verloren

erhöhte Proteinzufuhr (sowohl tierisches als auch pflanzliches Protein): 1 g Protein steigert die renale Calciumausscheidung um 0,5–1,5 mg

erhöhte Phosphatzufuhr (Calcium-Phosphat-Verhältnis 1:1–1:1,2 optimal)

Versorgung bei Veganern: Calcium kann bei Veganern ein kritischer Nährstoff sein (vgl. BAG 2012, S. 27). Einige große Kohortenstudien zeigen, dass die Calciumaufnahme bei einer veganen Ernährung im Durchschnitt unter den Empfehlungen liegt (vgl. Tab. 2-26)

Tab. 2-26: Durchschnittliche Aufnahme an Calcium (mg/Tag).


In Bezug auf die Calciumversorgung und die Knochenmineralisation konnte gezeigt werden, dass Veganer im Durchschnitt und verglichen mit Mischköstlern ein etwa 30 % höheres Frakturrisiko haben (APPLEBY et al. 2007). Dies betraf allerdings nur Veganer mit einer Calciumaufnahme von weniger als 525 mg/Tag (vgl. Kap. 3). Andere Studien zeigten hingegen keinen Zusammenhang zwischen einer vergleichbar deutlich verringerten Calciumaufnahme und der Knochenmineralisationsdichte sowie der Frakturhäufigkeit bzw. dem Knochenumsatz [59] (HO-PHAM et al. 2012; FONTANA et al. 2005). Dabei spielt auch eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D eine große Rolle, da dieses für die Calciumaufnahme unerlässlich ist. Für die Knochengesundheit sind außerdem weitere Ernährungsfaktoren von Bedeutung.

Schlussfolgerung: Veganer nehmen durchschnittlich weniger Calcium als 1000 mg/Tag zu sich und bleiben damit unter der Empfehlung der Fachgesellschaften. Eine eingeschränkte Knochenmineralisation sowie ein erhöhtes Frakturrisiko scheinen jedoch erst bei Zufuhrmengen von unter 525 mg/Tag aufzutreten. Beim Verzicht auf tierische Calciumquellen sollte insbesondere auf eine hohe Bioverfügbarkeit der pflanzlichen Quellen geachtet und die gleichzeitige Aufnahme absorptionshemmender Substanzen, wie Oxalat, Phytat und Gerbstoffe, vermieden werden. Eine Sicherstellung der Versorgung kann durch die Vielfalt an angereicherten veganen Produkten erleichtert werden.