Vegane Ernährung

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2.3 Vegane Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit

Eine gesunde Lebensführung in Schwangerschaft und Stillzeit ist wichtig für die Mutter und die Entwicklung des Kindes. Das rasche Wachstum und die schnelle Entwicklung des ungeborenen Kindes stellen besondere Anforderungen. In den Phasen der Schwangerschaft und der Stillzeit wird für einige Nährstoffe daher eine erhöhte Zufuhr empfohlen, um die Entwicklung des Kindes optimal zu unterstützen und den Bedarf der Mutter weiterhin zu decken. Wie Abb. 2-5 zeigt, sind die Nährstoffbedarfe während der Schwangerschaft und der Stillzeit erhöht. Eine erhöhte Zufuhr an den Nährstoffen Folat, Jod und Eisen wird schon vor Beginn der Schwangerschaft empfohlen (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018).


Abb. 2-5: Erhöhte Nährstoffbedarfe während der Schwangerschaft und der Stillzeit im Vergleich zu den Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr von weiblichen Erwachsenen im Alter von 25 bis 51 Jahren (Linie) (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018).

Bei vegan lebenden Frauen kann zudem aufgrund der Lebensmittelauswahl die Versorgung mit ω-3-Fettsäuren, Calcium und Vitamin D kritisch sein.

[74] Tab. 2-33: Referenzwerte ausgewählter Nährstoffe für prämenopausale, schwangere und stillende Frauen. 1 ab dem vierten Monat der Schwangerschaft; 2 RÄ: Retinol-Äquivalent; 3 FÄ: Folat Äquivalente; * zusätzlich: ω-3-Fettsäuren, Calcium und Vitamin D (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018).


2.3.1 Nährstoffe

Energie: Ab dem zweiten Trimester haben schwangere Frauen einen erhöhten Energiebedarf von etwa 250 kcal/Tag. Im letzten Schwangerschaftsdrittel und während der Stillzeit steigt dieser auf 500 kcal/Tag an (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018). Eine darüber hinausgehende Energieaufnahme sollte vermieden werden, um das Risiko für die Entwicklung von Übergewicht während der Schwangerschaft nicht zu erhöhen. Dies ist u. a. auch deshalb wichtig, weil Übergewicht der Mutter das durchschnittliche Geburtsgewicht des Kindes ansteigen lässt, und dies wiederum mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht und chronische Erkrankungen des Kindes im Erwachsenenalter verbunden ist (KOLETZKO 2012). Frauen mit Kinderwunsch sollten daher vor Beginn der Schwangerschaft Normalgewicht anstreben.

Wie in Kap. 2.1 beschrieben, ist die Prävalenz von Untergewicht bei Veganern erhöht und eine ausreichende Energieversorgung nicht immer gewährleistet. [75] Eine zu geringe Gewichtszunahme der Mutter während der Schwangerschaft ist mit einem negativen Einfluss auf Wachstum und Entwicklung des Fötus verbunden (vgl. STREULING et al. 2011, S. 123). Ein niedriges Ausgangsgewicht der Frau zu Beginn der Schwangerschaft erhöht das Risiko für eine Frühgeburt und ist verbunden mit einem niedrigen Geburtsgewicht des Kindes (vgl. KÖRNER und RÖSCH 2014, S. 29).

Stillende haben einen erheblich höheren Mehrbedarf von etwa 635 kcal/ Tag. Dieser reduziert sich zwar mit dem Ende des ausschließlichen Stillens und zu Beginn der Beikosteinführung auf ca. 285 kcal/Tag. (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018). Es ist jedoch auch in der ersten Zeit nach dem Stillen wichtig, den Mehrbedarf an Energie zu decken. Das gilt vor allem für Frauen mit einem niedrigen Gewicht vor der Schwangerschaft. Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte sind dabei zu empfehlen, da der Kalorienbedarf in Relation zum erhöhten Bedarf der meisten essenziellen Nährstoffe geringer ist (vgl. LEITZMANN und KELLER, S. 89).

Geburtsgewicht und -risiken

Eine Metaanalyse untersuchte den Einfluss einer veganen Ernährung auf die Schwangerschaft. In keiner der untersuchten Studien zeigte sich ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie oder Fehlbildungen des Säuglings (mit Ausnahme eines höheren Risikos für Hypospadie in einer Studie). Hinsichtlich des Geburtsgewichts waren die Ergebnisse unterschiedlich. In fünf von neun Studien hatten die Säuglinge vegan ernährter Mütter ein geringeres, in zwei Studien ein höheres Geburtsgewicht. Ein weiteres Ergebnis war ein erhöhtes Risiko für einen Mangel an Eisen und Vitamin B12, was eine Empfehlung für eine Supplementation vegan ernährter schwangerer Frauen rechtfertigt (PICCOLI 2015).

Essenzielle Fettsäuren: Die Blutfettwerte von Schwangeren sind durch hormonelle Einflüsse erhöht, um Fettreserven für die letzten Schwangerschaftswochen und die Stillzeit aufzubauen. Die ω-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA) ist von besonderer Bedeutung für den Fötus. DHA ist wichtig für eine gesunde Entwicklung des Gehirns, des Nervensystems und des Sehvermögens (vgl. KÖRNER und RÖSCH 2014, S. 19). Durch eine vegane Ernährung wird keine DHA zugeführt, da die Hauptquellen wie Fisch und Meeresfrüchte tierischen Ursprungs sind. DHA kann jedoch bis zu einem gewissen Grad durch körpereigene Synthese aus Alpha-Linolensäure (ALA) hergestellt werden. Die Umwandlungsrate von ALA zu EPA beträgt bei Erwachsenen und einer Mischkost [76] etwa 5 %, die von EPA weiter zu DHA < 0,5 %. Beim Fötus und bei neugeborenen Kindern ist die Fähigkeit der Umwandlung deutlich reduziert. Schwangere dagegen haben eine um etwa 9 % höhere Umwandlungsrate von EPA zu DHA, um den zusätzlichen Bedarf des Kindes zu decken (WILLIAMS und BURDGE 2006). Mehrere Studien zeigen übereinstimmend, dass die DHA-Konzentration in der Milch von Veganerinnen niedriger liegt als bei Frauen mit anderen Kostformen, während Linolsäure (LA) einen höheren Anteil ausmacht (SANDERS 2009b). Bei schwangeren und stillenden Veganerinnen kann die Eigensynthese von DHA durch eine vermehrte Zufuhr an ALA bei zugleich verringerter Zufuhr an LA gesteigert werden (vgl. Kap. 2.1). Empfohlen wird die Aufnahme von 2–4 g ALA/Tag bei gleichzeitiger Verringerung der Aufnahme an LA. Geeignet ist die Zufuhr von pflanzlichen Ölen wie z. B. aus Raps, Hanf, Leinsamen, Walnüssen und Sojabohnen mit einem günstigen ALA/LA-Verhältnis. Studien zufolge hat jedoch die Supplementation von ALA während der Schwangerschaft bei Mischköstlerinnen keinen Einfluss auf den DHA-Status der Mutter und des neugeborenen Kindes (De GROOT et al. 2004). Studienergebnisse zeigen, dass schwangere Veganerinnen deutlich höhere Serumkonzentrationen an LA aufweisen (SANDERS 2009b). Eine Supplementation von täglich mind. 200 mg DHA durch Mikroalgenöl oder der Verzehr von Lebensmitteln mit Mikroalgenöl stellen daher einen sichereren Weg dar, den Versorgungsstatus von Mutter und Kind zu verbessern (ADA 2009a, KOLETZKO et al. 2008).

Proteine: Während Schwangerschaft und Stillzeit erhöht sich der Proteinbedarf aufgrund der Gewebeneubildung sowie des Wachstums und der Entwicklung des Kindes um etwa 10–15 g/Tag. Besonders schwangere und stillende Veganerinnen sollten neben einer ausreichenden Protein- auch auf eine ausreichende Energiezufuhr achten, um einem Abbau von Körperprotein (Muskeln) zur Energiegewinnung vorzubeugen und ein optimales Wachstum des Fötus zu gewährleisten. Zur Versorgungssituation von schwangeren Veganerinnen liegen bisher keine Daten vor. Um eine adäquate Zufuhr sicherzustellen, sollten schwangere und stillende Veganerinnen ausreichend hochwertige pflanzliche Proteinquellen wie Sojaerzeugnisse, Hülsenfrüchte, Produkte aus Vollgetreide, Samen und Nüsse in Kombination miteinander verzehren (z. B. Getreide und Soja).

Vitamin B6: Da der Bedarf an Pyridoxin vom Proteinbedarf abhängig ist, erhöht er sich mit dem gesteigerten Proteinbedarf während Schwangerschaft und Stillzeit entsprechend um etwa 60 % (vgl. Tab. 2-34). Veganerinnen weisen [77] grundsätzlich eine gute Vitamin B6-Zufuhr auf. Dennoch kommt es bei vielen zu einem schlechten Pyridoxinstatus, da das Vitamin aus pflanzlichen Quellen eine schlechtere Bioverfügbarkeit aufweist als jenes, welches aus tierischen Quellen stammt. Schwangere und stillende Veganerinnen sollten entsprechend besonders auf die Aufnahme pyridoxinreicher Lebensmittel mit guter Bioverfügbarkeit achten.

Folat: Folat ist durch seine essenzielle Rolle bei der Zellteilung und Zellneubildung bereits in der frühen Schwangerschaft von zentraler Bedeutung. Daher wird Frauen mit Kinderwunsch und schwangeren Frauen unabhängig von der Ernährungsweise eine zusätzliche Einnahme von 400 μg synthetischer Folsäure zur Primärprävention empfohlen (KOLETZKO und PIETRZIK 2004). Eine ausreichende Versorgung mit Folat in den ersten Schwangerschaftswochen beugt einem Mangel und damit einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines Neuralrohrdefekts des Kindes sowie Fehl- oder Frühgeburten vor (vgl. KÖRNER und RÖSCH 2014, S. 50). Während der Schwangerschaft steigt der Folatbedarf von 300 auf 550 μg/Tag an und bleibt auch während der Stillzeit mit 450 μg/Tag erhöht. Veganerinnen weisen meist eine sehr gute Folatversorgung auf (DAVEY et al. 2003; MAJCHRZAK et al. 2006). Bei Folat handelt es sich um ein sehr licht- und hitzeempfindliches Vitamin. Daher sollte die Aufnahme durch Lebensmittel in frischer Form bzw. nach nährstoffschonender Zubereitung erfolgen.

Vitamin B12: Vitamin B12 stellt bei veganer Ernährung einen potenziellen Mangelnährstoff dar. Der Bedarf steigt während Schwangerschaft und Stillzeit auf 4,5 μg bzw. 5,5 μg/Tag an. Da die Vitamin B12-Speicher im Laufe der Schwangerschaft abnehmen, sind optimal gefüllte Speicher bereits vor Beginn der Schwangerschaft wichtig (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018). Ein schlechter Versorgungsstatus während der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Neuralrohrdefekte und Schwangerschaftskomplikationen. Die durch einen guten Folatstatus mögliche Maskierung eines Mangels kann mit unbemerkt fortschreitenden und irreversiblen neurologischen Schäden des Kindes einhergehen. Die durch einen Vitamin-B12-Mangel erhöhten Homocysteinwerte haben außerdem einen negativen Einfluss auf das Geburtsgewicht. Auch Spontanaborte und Herzfehler können Folgen eines Vitamin-B12-Mangels sein (vgl. LEITZMANN und KELLER 2013, S. 282). Der Vitamin-B12-Status der Mutter ist außerdem für die pränatale Programmierung relevant: Vorgeburtliche Einflüsse und Ereignisse wirken sich über epigenetische Prozesse (vgl. Kap. 3) auf die Gesundheit des [78] Fötus aus (vgl. KÖRNER und RÖSCH 2014, S. 30). So hat der mütterliche Vitamin-B12-Status Auswirkungen auf die intrauterine Entwicklung, er beeinflusst auch das Geburtsgewicht, und bei Untergewicht kann dies zu einer kompensatorischen Gewichtszunahme im Kindesalter führen. Zudem steigt für das Kind das Risiko für die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2. Gehirnentwicklung und kognitive Funktionen können ebenfalls beeinträchtigt werden (VARVARIGOU 2010; YAJNIK et al. 2008). Da in der Stillzeit Vitamin B12 ungenügend aus der Muttermilch aufgenommen wird, muss der Fötus mit ausreichend Vitamin B12 gefüllten Speichern geboren werden (ALLEN 1994). Das Risiko für einen Säugling, einen Vitamin-B12-Mangel zu entwickeln, ist zwischen dem zweiten und 12. Lebensmonat, unabhängig vom Versorgungsstatus der stillenden Mutter, erhöht (VAN WINCKEL et al. 2011). Fallstudien berichten, dass gestillte Säuglinge von Veganerinnen mit schlechtem Vitamin-B12-Status ausgeprägte Mangelsymptome aufwiesen. Es wurden schwere Störungen des körperlichen Wachstums und der Entwicklung sowie Blutbildungsstörungen und irreversible neurologische Symptome beobachtet (DROR und ALLEN 2008). Eine Beobachtungsstudie aus den USA zeigt, dass die Milch makrobiotisch ernährter Mütter signifikant weniger Vitamin B12 enthält als die von Mischköstlerinnern (231 vs. 378 pmol/L). Der Gehalt an Vitamin B12 korrelierte hier mit der mütterlichen Serum-Konzentration und der Dauer der makrobiotischen Ernährung (SPECKER et al. 1990). Schwangeren und stillenden Veganerinnen wird aus diesen Gründen empfohlen, Vitamin B12 zu supplementieren, um Entwicklungs- und Wachstumsstörungen zu vermeiden (vgl. BÜHRER et al. 2014a, S. 536; ADA 2009a; AGOSTONI 2009). Durch regelmäßige Kontrollen des Vitamin-B12-Status können Defizite erkannt und Schäden vermieden werden.

 

Vitamin D: Ein optimaler Vitamin-D-Status in der Schwangerschaft beugt Störungen im Calciumstoffwechsel von Mutter und Kind vor. Vor allem die Konzentration von 25-Hydroxy-Vitamin D im Serum der Mutter hat unmittelbaren Einfluss auf den fötalen Status (vgl. KÖRNER und RÖSCH 2014, S. 59). Die Versorgung von Veganerinnen ist, wie bei einem Großteil der Gesamtbevölkerung, vor allem in den Wintermonaten bzw. im Frühling unzureichend. Der mütterliche Vitamin-D-Status sollte regelmäßig überprüft werden. Schwangere und stillende Veganerinnen können, um ihren Status vor allem in den Wintermonaten zu verbessern, auf Supplemente und angereicherte Lebensmittel zurückgreifen. Der mütterliche Vitamin D-Status korreliert mit dem Vitamin-D-Gehalt in der Muttermilch. Dennoch ist dieser üblicherweise auch bei gutem Versorgungsstatus der Mutter für die Bedarfsdeckung des Kindes unzureichend. Daher wird [79] Vitamin D üblicherweise während der ersten beiden Winter, die das Kleinkind erlebt, supplementiert (vgl. BIESALSKI und ADOLPH 2010, S. 741).

Eisen: In der Schwangerschaft wird zusätzlich Eisen für die vermehrte Blutbildung, den Einbau von Eisen in die Plazenta und die Abgabe an den Fötus benötigt. Dadurch entsteht ein erhöhter Bedarf von 30 mg/Tag (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018). Ein Eisenmangel kann zu einer Anämie führen und erhöht das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen wie Spontanaborte und Frühgeburten sowie Fehlentwicklungen und ein geringes Geburtsgewicht (vgl. KÖRNER und RÖSCH 2014, S. 34). Veganerinnen weisen generell eine hohe Eisenzufuhr auf. Aufgrund der schlechteren Bioverfügbarkeit pflanzlichen Eisens ist jedoch insbesondere auf eine ausreichende Zufuhr und die Aufnahme absorptionsfördernder Stoffe (organischer Säuren) sowie die Vermeidung von absorptionshemmenden Substanzen wie Phytinsäure und Polyphenolen zu achten. Der Eisenstatus sollte regelmäßig kontrolliert werden und eine Supplementierung nur bei einem Mangel erfolgen (vgl. KÖRNER und RÖSCH 2014, S. 34). Der Säugling erhält im Laufe der Schwangerschaft genügend Speichereisen, das bis zum 4. Lebensmonat ausreicht. Die Muttermilch enthält kaum Eisen. Dennoch ist der Bedarf mit 20 μg/Tag erhöht. Stillende sollten auch deshalb auf eine gute Versorgung achten, damit die entleerten Speicher nach der Schwangerschaft wieder aufgefüllt werden können (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018).

Calcium: Während der Schwangerschaft werden insgesamt 30 g Calcium von der Mutter auf den Fötus übertragen. Auch während der Stillzeit findet die Calciumversorgung des Säuglings unabhängig vom Status der Mutter in ausreichender Menge über die Muttermilch statt. Dazu wird auch bei ausreichender alimentärer Zufuhr Calcium aus den Knochen der Mutter mobilisiert. Beim dadurch verursachten Knochenabbau während der Schwangerschaft handelt es sich um eine Anpassungsreaktion des Körpers. Die Knochendichte nimmt durch die hormonelle Umstellung während der Stillzeit weiter ab, was auch durch eine erhöhte Calciumzufuhr nicht gänzlich ausgeglichen werden kann (DGE, ÖGE und SGE 2018). Um das Osteoporoserisiko für die Mutter in späteren Lebensabschnitten zu verringern, sollte ein anhaltender Mangelzustand vermieden werden (vgl. KÖRNER und RÖSCH 2014, S. 36). Calciumverluste können nach dem Abstillen durch Veränderungen im Hormonhaushalt und mit einer adäquaten Zufuhr in der Höhe des Referenzwerts ausgeglichen werden (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018). Die durchschnittliche Calcium-Aufnahmemengen von Veganerinnen liegen unter den Empfehlungen. Für eine langfristige [80] Knochengesundheit sollten sie daher während Schwangerschaft und Stillzeit auf eine bedarfsdeckende Zufuhr über calciumreiche Lebensmittel wie grüne Gemüse, Sojaprodukte, Nüsse, Samen und Mineralwässer sowie eine gute Vitamin-D-Versorgung achten.

Jod: Ein Jodmangel kann gravierende Folgen für den Fötus nach sich ziehen. Darunter fallen eine gestörte Gehirnreifung, Fehlbildungen, Fehl- und Totgeburten. Daher sollte bereits bei Kinderwunsch ein guter Versorgungsstatus bestehen. Für den Fötus ist mit dem Einsetzen der Hormonbildung in der Schilddrüse Jod ab der 12. Schwangerschaftswoche essentiell (vgl. KÖRNER und RÖSCH 2014, S. 34f). Ein Jodmangel ist bei Veganerinnen häufig. Infolge eines Jodmangels während der Schwangerschaft wurden bei sich vegan ernährenden Müttern und deren Neugeborenen Jodmangelstruma und Störungen der Schilddrüsenfunktion beobachtet (SHAIKH et al. 2003). Der Jodgehalt der Muttermilch ist abhängig von der Versorgung der Mutter (vgl. DGE, ÖGE und SGE 2018). Schwangeren und stillenden Frauen wird eine Zufuhr von 230 bzw. 260 µg Jod pro Tag empfohlen. In Deutschland, der Schweiz und Österreich ist jodiertes Salz eine gute Quelle für Jod. Schwangeren und Stillenden wird darüber hinaus eine ergänzende Supplementation empfohlen (vgl. KÖRNER und RÖSCH 2014, S. 35). Der Arbeitskreis Jodmangel empfiehlt Schwangeren, bereits vor und dann auch während der Schwangerschaft zusätzlich zu einer jodreichen Ernährung 150 µg Jodid pro Tag zu supplementieren. Dies gilt auch für die Stillzeit, da der Säugling von der Jodversorgung über die Muttermilch abhängig ist (Arbeitskreis Jodmangel 2015). Hierbei müssen laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) insbesondere Schwangere und Stillende darauf achten, eine Überdosierung zu vermeiden. Eine Supplementation sollte demnach unter Beobachtung eines Arztes erfolgen, besonders wenn zusätzlich Algenpräparate eingenommen werden (vgl. BFR 2014).

2.4 Vegane Ernährung im ersten Lebensjahr

Hintergrund: Als «Säugling» werden Kinder von ihrer Geburt an bis zum 12. Lebensmonat bezeichnet. Sie haben durch ihr schnelles Wachstum einen hohen Nährstoffbedarf. Um eine normale und gesunde Entwicklung zu gewährleisten, ist es wichtig, diesen Bedarf zu decken. Bei einer veganen Ernährung des Säuglings kommt einigen Nährstoffen eine besondere Bedeutung zu. Mit [81] Einführung von Beikost und dem Übergang in die Familienkost sollten sie in ausreichender Menge zugeführt werden.

Säuglingsnahrung als Alternativen zum Stillen: Das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE), die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin sowie internationale Organisationen wie die European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) empfehlen industriell hergestellte Säuglingsnahrung auf Basis von Kuhmilcheiweiß. Vegane Varianten einer Säuglingsnahrung auf Basis von Sojaeiweiß werden als nicht empfehlenswerte Alternativen für Kuhmilchprodukte eingestuft, und nur in Ausnahmefällen, z. B. bei einer bestehenden Stoffwechselstörung (z. B. angeborene Laktoseintoleranz und Galaktosämie) des Säuglings empfohlen (KOLETZKO 2006; AGOSTONI et al. 2006). Grund dafür sind die in Sojaprodukten enthaltenen Isoflavone, welche in ihrer chemischen Struktur dem weiblichen Hormon Östrogen ähneln und damit Einfluss auf verschiedene Stoffwechselwege haben könnten. Wie sich eine langfristig erhöhte Zufuhr an Isoflavonen bei Säuglingen auswirkt, ist nicht abschließend geklärt (vgl. BfR 2007; AGOSTONI et al. 2006; KOLETZKO 2006). Entgegen bestehenden Vermutungen weist Säuglingsanfangsnahrung auf Sojabasis keinen präventiven Effekt auf Allergien und Unverträglichkeiten und keinen Nährstoffmehrwert auf. Sie kann jedoch größere Konzentrationen an Phytinsäure und Aluminium enthalten (AGOSTONI et al. 2006). Eine Übersichtsarbeit von Vandenplas et al. (2014) vergleicht anthropometrische und biochemische Parameter von Säuglingen, die mit Muttermilchersatz auf Kuhmilchbasis ernährt wurden, mit denen, die Muttermilchersatz auf Sojabasis erhielten. Der Hb-Wert, das Serumprotein sowie die Zink- und Calcium-Konzentrationen beider Gruppen waren miteinander vergleichbar. Zwar wurden bei den Säuglingen mit der sojabasierten Milch höhere Konzentrationen der Phytoöstrogene Genistein und Daidzein nachgewiesen. Für diese wurde jedoch keine Beeinträchtigung der reproduktiven und endokrinen Aktivität festgestellt. Auch Immunmarker und neurokognitive Parameter glichen sich in den beiden Versuchsgruppen. Zudem wurden keine Nachteile im Wachstum und der Knochengesundheit festgestellt. Die Autoren kommen daher zum Ergebnis, dass Säuglinge, die aufgrund einer Intoleranz darauf angewiesen sind, sojabasierte Ersatznahrung erhalten zu können, dies auch ohne Probleme erhalten sollen (VANDENPLAS et al. 2014).

Eine Säuglingsanfangsnahrung auf Basis von Sojaeiweiß ist die einzige vegane Alternative zur herkömmlichen Säuglingsanfangsnahrung. Die European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) und die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) sehen [82] diese vegane Nahrung mangels Alternativen dann als akzeptabel an, wenn die Eltern vorab über mögliche Risiken aufgeklärt werden.

Es gibt Hinweise auf ein erhöhtes Risiko einer Hypothyreose sowie einen Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen, dem Risiko für eine Erdnussallergie, längere Dauer der Monatsblutung im Erwachsenenalter und stärkere Menstruationsbeschwerden (KOLETZKO 2006; AGOSTONI et al. 2006). Diese Befunde beruhen jedoch auf einer unsicheren Datenlage, weshalb sich eine abschließende Beurteilung nicht treffen lässt. Selbst hergestellte Ersatzmilch aus pflanzlichen Rohstoffen (z. B. Mandeln) werden hingegen klar als ungeeignete Alternativen zur Muttermilch eingestuft. Unzureichende Hygiene der selbst zubereiteten Milch sowie unausgewogene Nährstoffgehalte stellen hier ein Risiko dar. Proteine, Mikronährstoffe und Energie sind bei diesen Alternativen nicht dem Bedarf des Säuglings angepasst und können Entwicklungsrückstände durch eine Mangelversorgung verursachen (BÜHRER et al. 2014a).

Beikost: Beikost sollte frühestens mit Beginn des fünften und spätestens mit Beginn des siebten Monats eingeführt werden, da der erhöhte Bedarf dann durch die Muttermilch nicht mehr ausreichend gedeckt werden kann (DGE, ÖGE und SGE 2018). Auch nach Einführung der Beikost sollte aber weitergestillt werden. Das Forschungsinstitut für Kinderernährung empfiehlt, die Beikost mit einem eisenreichen Brei einzuführen. Als vegane Variante zur Einführung der Beikost empfiehlt das FKE einen Gemüse-Kartoffel-Getreide-Brei. Eine Empfehlung für eine vegane Variante des standardmäßig empfohlenen Milch-Getreide-Breis spricht das FKE jedoch nicht aus, da das Institut eine vegane Ernährungsweise im Säuglings- und Kindesalter generell als ungeeignet einstuft (FKE 2013; FKE 2012).