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Wortbildung im Deutschen

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5 Schlussbemerkung und Ausblick

Anhand der Korpusanalyse kann man verschiedene Funktionen der thailändischen Reduplikationen feststellen: Konstruktion einer ganz neuen Bedeutung, Transposition, Pluralisierung und Distribution, Intensivierung und Extra-Intensivierung, Abschwächung und Reduzierung des Bestimmtheitsgrads, Wechsel oder Ausdruck der Aspektualität und Ausdruck der Modalität und Expressivität. Da die deutschen Reduplikationen formal und funktionell ganz anders sind, lassen sich die deutschen Entsprechungen der thailändischen Reduplikationen formal in vier unterschiedlichen Gruppen kategorisieren: verschiedene Wortarten, grammatische Kategorien, reduplikationsähnliche Konstruktionen und Wortbildungsverfahren.

Die Funktionen, die die Reduplikation im Thailändischen einnimmt, werden im Deutschen sowohl morphologisch als auch syntaktisch ausgedrückt. Das sprachliche Mittel dafür scheint die Derivation zu sein. Anhand der vorliegenden Analyse lässt sich feststellen, dass die Ausdrucksweisen der Intensivierung und der Abschwächung zahlreich vorhanden sind, sowohl im Deutschen (v.a. durch Derivation) als auch im Thailändischen (durch Reduplikation). Der Vergleich von sprachlichen Möglichkeiten zum Ausdruck der Intensivierung in den beiden Sprachen könnte noch umfassender sein als der Rahmen der vorliegenden Untersuchung, wenn sprachliche Mittel auf allen Ebenen mitberücksichtigt werden. Ein solches Thema sei hier für weitere Forschungen zu empfehlen.

Der dritten Gruppe der deutschen Entsprechungen der thailändischen Reduplikationen sollte man m.E. ebenfalls viel Beachtung schenken. Solche Syntagma, bei denen bestimmte Präpositionen zwei formgleiche Substantive miteinander verbinden, um die Distribution auszudrücken (Nx für Nx, von Nx zu Nx), lassen sich ebenfalls in anderen Sprachen finden, z.B. im Englischen flower to flower, plate after plate, tile by tile. Solche Konstruktionen, die als syntaktische Reduplikationen bezeichnet werden können, scheinen ebenso produktiv zu sein. Neben den bereits erwähnten Präpositionalphrasen lassen sich im Deutschen noch andere Formen finden, wie z.B. Hand in Hand, Stück um Stück, Ellbogen an Ellbogen, Menschen über Menschen, Jahrhundert auf Jahrhundert. Die Frage, wie groß ihre Anzahl ist und wie produktiv solche Konstruktionen sind, lässt sich im Rahmen der vorliegenden Studie nicht beantworten, ist m.E. aber erforschenswert und sollte mit einem viel größeren deutschsprachigen Korpus überprüft werden.

Während Thailändisch, als eine morphologiearme Sprache, die deutschen grammatischen Kategorien üblicherweise mehrheitlich lexikalisch und syntaktisch zum Ausdruck bringt, scheint sich das Phänomen der Reduplikation anders zu verhalten. Im Thailändischen ist die Reduplikation ein produktiver Wortbildungsprozess, während die deutschen Entsprechungen die ähnlichen Funktionen eher durch zahlreiche Affixe ausdrücken und Reduplikation eher auf der syntaktischen Ebene aufweisen. Schließlich stellt sich die Frage: Sind diese beiden typologisch unterschiedlichen Sprachen nicht doch irgendwie ähnlich? Weitere kontrastive Untersuchungen wären wünschenswert, um diese spannende Frage zu beantworten.

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KonstruktionsmorphologieKonstruktionsmorphologie – echt top?

Neue Perspektiven auf den kategorialen Status einer entlehnten Wortbildungseinheit

Malte Battefeld, Torsten Leuschner & Gudrun Rawoens

Abstract

In German, the non-native lexical item Top(-)/top(-) is widely attested in both bound (Top-Sportler ‘top athlete‘, Topwetter ‘great weather‘) and free uses (top Veranstaltung ‘fantastic event‘, Das Essen war echt top! ‘The food was excellent!‘). To account for these different yet related uses, of which is the latter is a recent innovation, we suggest a construction-morphological analysis and argue for the concept of a “hierarchical lexicon” with different levels of abstraction. Bound Top- is found to have diverged into several closely linked word-formation schemata over time; its use as an evaluative item expressing a (subjective) quality is paradigmatically related to free adjectival top ‘great‘. This evaluative use bears striking distributional and semantic similarities to numerous items that usually qualify as ”affixoids“, such as Bomben-, Hammer-, Spitzen-, and is paralleled by similar developments in other Germanic languages, e.g. of Dutch top(-) and Swedish toppen(-).

 

1 Einführung

Topmanager leisten im heutigen DeutschDeutsch mitunter Toparbeit, Topattraktionen können in Topzustand sein, ein Topprodukt wird mit Topqualität! angepriesen, eine topfitte Topathletin ist vielleicht Topfavoritin eines Wettkampfs, ihre Platzierung hoffentlich ebenso top. Die große Varianz im Schriftbild deutet auf kategoriale Unsicherheit hin: Schreibt man Topalternative, Top-Alternative oder gar top Alternative? Wenn die Alternative wirklich top ist, müsste man dann nicht auch von einer toppen Alternative sprechen können? Für eine derartige toppe Alternative, bei der wir top als flektiertes Adjektiv in attributiver Stellung analysieren müssten, gibt es im Internet tatsächlich Belege,1 auch wenn sie auf viele Sprecher/innen des Deutschen wohl nicht ganz regelkonform oder zumindest stilistisch stark markiert wirken dürften. Auf ähnliche Ablehnung stößt bei vielen sicher die Schreibweise Top Alternative, aber auch dieser Typus begegnet durchaus,2 besonders in Texten, in denen das Hauptaugenmerk weniger der normgerechten Rechtschreibung gilt.

Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen ist die Annahme, dass die kategoriale Zuordnung von dt. Top(-)/top(-) Probleme bereitet, und zwar nicht nur Sprachnutzern im Alltag, insbesondere Schreibern, sondern auch Linguisten. So heißt es bei Altmann (2011: 24) explizit: „Nichtnative Stämme v.a. in neologistischen Bildungen sind oft nicht eindeutig kategorial bestimmt, z.B. top, super, ultra. Sie kommen sowohl als selbstständige Lexeme wie auch gebunden in Wortbildungskonstruktionen vor (…).“ Bei dt. Top(-)/top(-) handelt es sich um eine entlehnte lexikalische Einheit, die in substantivischen (z.B. top manager) und adjektivischen (z.B. top-secret) KompositaKompositum aus dem Englischen ins Deutsche importiert und als WortbildungselementWortbildungselement für heimische Bildungen nutzbar gemacht wurde; Schmidt (1990:205) spricht deshalb noch von einem „produktiven LehnpräfixLehnpräfix“, wenngleich er auch das „adjektivisch selbstständig gebrauchte top“ erwähnt, das einer Einordnung von Top(-)/top(-) als bloßes PräfixPräfix entgegensteht. Andere Autoren (Lohde 2006: 78–79; Fleischer/Barz 2012: 173) klassifizieren Top- in Zusammensetzungen als KonfixKonfix, d.h. als gebundenes, aber basisfähiges Wortbildungselement, relativieren den Konfixcharakter zugleich jedoch mit Hinweis auf den Gebrauch außerhalb von Komposita. Aufgrund des adjektivischen Gebrauchs von top erwägen Fleischer/Barz (ibd.) für nominale Komposita mit dem Erstglied Top- ausdrücklich eine Einordnung als Adjektiv-Substantiv- bzw. AN-KompositumZusammensetzung (siehe auch Kompositum). Aus funktionaler Sicht hingegen ließe sich Top- auch mit den sogenannten Affixoiden bzw. Präfixoiden in Zusammenhang bringen, genauer mit jenem Typ, der der AugmentationAugmentation dient (vgl. Elsen 2009). Ohne gravierende Bedeutungsveränderung mit Top- austauschbar wären beispielsweise die potenziellen PräfixoidePräfixoid Spitzen-, Bomben-, Hammer-, z.B. in Kombination mit -stimmung, -wetter, -film, -lehrerin, usw. Gegen eine Aufnahme von Top- in die Liste der Affixoidkandidaten des Gegenwartsdeutschen spricht jedoch das Fehlen eines wichtigen Kriteriums: der Existenz eines entsprechenden freien Lexems, das neben dem AffixoidAffixoid existiert, von dem es sich semantisch aber mehr oder weniger weit entfernt hat (cf. die Spitze; Elsen 2009: 318).

Statt nochmals für die eine oder die andere kategoriale Einordnung des Morphems {top} zu plädieren, gehen wir im Folgenden einen anderen Weg, nämlich den der KonstruktionsmorphologieKonstruktionsmorphologie nach Booij (2010). Die Konstruktionsmorphologie (CxM) ist eine junge Weiterentwicklung der Konstruktionsgrammatik (CxG; vgl. u.a. Croft 2001; Goldberg 1995, 2006), die Wortbildungsprodukte als systematische Form-Bedeutungs-Paare konzeptualisiert, d.h. als Konstruktionen. Wie zu zeigen ist, bietet dieser Ansatz interessante neue Perspektiven in Bezug auf traditionelle theoretische Probleme der Morphologie, u.a. indem er kategoriale Zuordnungsprobleme in der WortbildungWortbildung als sekundär erscheinen lässt. Entscheidend dafür ist der Umstand, dass Konstruktionsmorphologie wort- und nicht morphembasiert, ihre minimale Konstruktionseinheit also das Wort ist, womit sich letztlich auch die Frage nach der Kategorie einzelner WortbildungselementeWortbildungselement stark relativiert. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Bedeutung bzw. Funktion von Top(-)/top(-) stark kontextabhängig ist, d.h. an das Auftreten innerhalb eines spezifischen Wortbildungsschemas – einer „Konstruktion“ – oder einer syntaktischen Struktur gebunden ist. Dabei kann es zur Herausbildung kohärenter Unterschemata kommen, die ein gewisses Eigenleben führen und unterschiedliche Produktivitätsgrade aufweisen.

Auch wenn mit diesem Beitrag keine kontrastive Studie im engeren Sinne (vgl. König 2012) geleistet wird, ist ein Blick auf weitere germanische, also eng verwandte Sprachen doch lohnenswert. Neben dem Englischen als Gebersprache der Lehneinheit soll dies hier zum einen das nordgermanische SchwedischSchwedisch sein, zum anderen die Nachbarsprache NiederländischNiederländisch. Zu dem – dort wohlgemerkt nativen – nl. top liegen bereits zwei Untersuchungen vor (Van Goethem 2014; Van Goethem/Hüning im Erscheinen), wobei auch auf dt. Top(-)/top(-) sowie vergleichend auf dt. Spitzen-/spitze Bezug genommen wird. Dass sich dabei bemerkenswerte Parallelen zum DeutschenDeutsch ergeben, ist einer der Stärken des konstruktionsmorphologischen Ansatzes zu verdanken, der neben einzelsprachlichen Unterschieden auch übereinzelsprachliche Gemeinsamkeiten in den Blickpunkt rückt und einen willkommenen Mehrwert für den SprachvergleichSprachvergleich darstellt.

Vorgegangen wird wie folgt: Ausgehend von einer knappen Darstellung der sprachhistorischen Gegebenheiten im Zusammenhang mit {top} unter (2) sollen die Verwendungsweisen dieser lexikalischen Einheit im heutigen DeutschDeutsch skizziert werden, gestützt auf lexikographische Daten sowie Korpusabfragen (3). Nachfolgend steht die Diskussion um den kategorialen Status des Wortbildungselements im Mittelpunkt, zunächst laut herkömmlichen Darstellungen, wobei insbesondere die Begriffe „KonfixKonfix“ und „AffixoidAffixoid“ erläutert werden müssen (4); anschließend wird der konstruktionsmorphologische Ansatz präsentiert und auf Top(-)/top(-) angewandt (5), bevor ein Blick auf die verwandten Sprachen NiederländischNiederländisch und SchwedischSchwedisch das Bild komplettiert und zusätzliche Evidenzen für die hier gezogenen Schlüsse bietet (6).

2 Zur Etymologie von dt. Top(-)/top(-)

Dasjenige Top(-)/top(-), das hier von Interesse sein soll, wurde entlehnt aus jenem engl. top (als Substantiv: ‚Spitze, höchster Punkt, oberes/oberstes Teil, usw.‘; als Adjektiv: ‚hoch/höchst, oberst, best, usw.‘; Duden Oxford 1999: 1621; Kluge 2002: 920), das in Zusammensetzungen wie top award ‚hohe/höchste Auszeichnung‘, top scientists/actors ‚hochkarätige Wissenschaftler/Schauspieler‘, top sportsman/job/politician ‚Spitzensportler/-position/-politiker‘, top score/nation/pop star ‚höchste Punktzahl/führende Nation/größter Popstar‘, top manager/management ‚Topmanager/-management‘, top speed ‚Höchst-/Spitzengeschwindigkeit‘ u.v.a.m. vorkommt (vgl. Duden Oxford 1999: 1621). Neben Lexemen, die Schmidt (1990: 205) als LehnwörterLehnwort auffasst (topfit, Topform, Top-Manager, top secret, Topstar), „finden sich (…) auch Kombination, die aller Wahrscheinlichkeit nach im DeutschenDeutsch gebildet worden sind, z.B. Top-Angebot, Top-Knüller, Top-Lage, Top-Preis, Top-Qualität, topmodisch, topschick“. Zunächst handelte es sich bei diesem Top-/top- im Deutschen tatsächlich um ein „LehnpräfixLehnpräfix“ (Schmidt ibd.). Dann kam es jedoch (um mit Barz 2008: 48 zu sprechen) zu einer „Reaktivierung“: Das nichtnative WortbildungselementWortbildungselement top wurde in komplexen Lehnwörtern als lexikalische Einheit identifiziert und für heimische Bildungen nutzbar gemacht wie auch z.B. bei Nonstop-, Allround-, Fulltime- usw.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass es ein gleichlautendes Lexem nicht schon zuvor im DeutschenDeutsch gegeben hätte: Ein dem englischen top nahezu identisches Kognat begegnet im NiederdeutschenNiederdeutsch, gewöhnlich in der Schreibung Topp (vgl. nl. top), und ist die niederdeutsche EntsprechungEntsprechung von hd. Zopf. Dieses maskuline nd. Topp1Niederdeutsch ist über die Seemannssprache auch ins Standarddeutsche übernommen worden, und zwar in der Bedeutung ‚Spitze eines Mastes‘ sowie als scherzhaftes ‚oberster Rang im Theater‘ (Duden-Universalwörterbuch (DUW) 2007: 1689). Genuin deutsche KompositaKompositum mit jenem Topp existieren zwar (z.B. Toppflagge, topplastig, Toppsegel, Großtopp), sind aber wenig frequente fachsprachliche Ausdrücke und vom zuvor besprochenen Top(-)/top(-) selbstverständlich getrennt zu betrachten. Ebenfalls niederdeutscher Herkunft ist topp als ‚Ausruf der Bekräftigung nach einer vorausgegangenen Abmachung‘ (ibd.) – etwa im bekannten topp, die Wette gilt! Die Interjektion topp ist schon länger für das Nhd. belegt2Deutsch und ist vom VerbVerb toppen abgeleitet; die Verwandtschaft mit dem Substantiv Topp ist offensichtlich, außerdem gehört tippen zu dieser Gruppe (vgl. tipptopp, ebenso engl./nl. tiptop, schw. tipptopp). Das Verb toppen hat im heutigen Deutsch wiederum zwei Ursprünge: das nd. toppen, das als fachsprachliches ‚(eine Rah oder einen Baum) zur Mastspitze ziehen, hochziehen‘ ins Standarddeutsche gekommen ist, sowie das jüngere toppen ‚übertreffen‘ < engl. to top. Hinzu kommen zwei weitere aus dem Englischen stammende fachsprachliche Verwendungsweisen, die im DUW erwähnt werden: ‚(bei der Destillation von Erdöl) die niedrig siedenden Bestandteile abdestillieren‘ (Chemie) und ‚den Ball beim Schlagen oberhalb des Zentrums treffen‘ (Golf, vgl. Topspin im Tennis).

Bei dem aus dem Englischen entlehnten Erstglied Top-/top- handelt es sich um eine rezentere Erscheinung. Laut dem DeutschenDeutsch Fremdwörterbuch (DFW; Schulz et al. 1981: 287–289) ist Top-/top- „in neuester Zeit aufgekommen als Bestimmungswort in aus dem Engl./Amerikan. entlehnten, teillehnübersetzten oder im Deutschen neu gebildeten, vor allem im Bereich von Mode, Wirtschaft und Werbung verwendeten adj. Zss. mit der Bed. ‚hoch(-), höchst(-), äußerst‘, in subst. Zss., auf Sachen bezogen, für ‚erstklassig; Spitzen-, Super-‘ und, auf Personen bezogen, für ‚(beruflich) hochqualifiziert, sehr gut bezahlt; auf höchster Ebene eingesetzt, zur Spitzenklasse gehörend‘ (…)“. Zusätzlich erwähnt wird das ungebundene top: „selten als prädikativ gebrauchtes Adj. (…) ‚(hoch-)modern, in sein; Mode, Spitze, Klasse sein‘“ (ibid.).

Ältere Belege für Zusammensetzungen mit dem ursprünglich engl. Top-/top- lassen sich eindeutig als EntlehnungenEntlehnung identifizieren. Sie sind oft als fremdsprachliche Elemente gekennzeichnet und treten bisweilen gemeinsam mit ihrer Übersetzung auf:

 

(1)

Weitere frühe Belege aus dem DeutschenDeutsch Textarchiv des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache (DWDS), die in deutschsprachigen Texten auftauchen, sind beispielsweise top working gear (1897), top-heavy (1899) und top boil (1903). Auch weitaus später werden solche Zusammensetzungen von Schreibern häufig noch explizit als LehnwörterLehnwort ausgewiesen:


(2)(…) es sind dies die Hoheitsträger und die Mitglieder der politischen Stäbe, die von der Anklagebehörde als „top-leaders“ oder „main-leaders“ bezeichnet werden. (1947; Kernkorpus 20, DWDS)

Leopold (1967: 54) nahm noch in den Sechzigerjahren fälschlicherweise an, Top-/top- würde sich nur mit englischen Wörtern verbinden. Erste – noch nicht klar von LehnübersetzungenLehnübersetzung zu trennende – im DeutschenDeutsch gebildete Zusammensetzungen tauchen vereinzelt bereits um die Mitte des 20. Jahrhunderts auf wie z.B. Top-Kommunisten (Die Zeit, 07.07.1949), Top-Besatzung (Die Zeit, 05.12.1957), Top-Erzeugnisse (Spiegel, 09.05.1962). Geht man der Beleglage einzelner Bildungen nach, selbst so geläufiger wie beispielsweise Topmodel, stößt man allerdings bis in die 1980er-Jahre hinein noch auf verhältnismäßig wenige Zusammensetzungen mit dem LehnpräfixLehnpräfix Top-/top-; ab den Neunzigerjahren nimmt die Produktivität des Erstglieds Top- dann jedoch enorm zu, insbesondere in substantivischen Zusammensetzungen.

Auch das dem DFW zufolge seltene, prädikativ gebrauchte Adjektiv top kann in den letzten Jahren eine außerordentliche Gebrauchszunahme verzeichnen. Anfänglich, d.h. Mitte der 1960er Jahre, wurde es oft noch als Fremdwort gekennzeichnet, etwa in (3):


(3)Die meisten Photomodelle, die „top“ sind und in Frage kommen, kennt sie. (29.04.1966; Die Zeit, DWDS)

Der erste Beleg im DFW stammt von 1969 und ist nicht mehr in dieser Weise markiert:


(4)Auf Fremdsprachen habe ich bewußt verzichtet, damit mein DeutschDeutsch top bleibt (18.07.1969, Der Volkswirt).

Da das Englische nicht über ein identisch verwendetes Adjektiv verfügt, spricht einiges dafür, dass das als ungebundenes Adjektiv gebrauchte dt. top nicht an sich entlehnt wurde, sondern seinen Ursprung in Zusammensetzungen im DeutschenDeutsch hat. Ein derartiger Prozess, bei dem es gleichsam zur Loslösung einer Wortbildungseinheit und zur Entstehung eines neuen freien Lexems kommt, kann mit Norde (2009: 186) als „debondingDebonding“ bezeichnet werden. Das Szenario scheint jedoch ein wenig komplexer zu sein. Zum einen existiert ein adjektivisches, teils aus dem Englischen entlehntes, wohl aber auch mit dem NiederdeutschenNiederdeutsch in Zusammenhang stehendes tipptopp bereits länger im Nhd.3, das sich durch große semantische Nähe zum heutigen top auszeichnet:


(5)Das Mittagessen war einfach tipp topp. (1918; Kernkorpus 20, DWDS)

Zum anderen gibt es frühere Belege eines gleichlautenden prädikativ verwendeten Elements, das ziemlich sicher niederdeutscher Herkunft und von jenem ‚Ausruf der Bekräftigung nach einer vorausgegangenen Abmachung‘ unabhängig ist:


(6)(…) und die Schiffe, auf denen der Mann gefahren hat, sind topp. (1926; Kernkorpus 20, DWDS)

Die seltenen frühen Okkurrenzen von top(p) bzw. tipptopp/tiptop sollten nicht überwertet werden, zumal auch für letztere Einheit eine deutliche Frequenzzunahme innerhalb der letzten Jahrzehnte zu konstatieren ist. Immerhin legen diese Beobachtungen nahe, dass Top(-)/top(-), zumindest im regionalen Sprachgebrauch und durch niederdeutsche Interferenz, der Standardsprache nie gänzlich fremd war. Wie es später noch ausführlicher zu erläutern gilt, hängt das heute populäre freie top relativ gesichert mit der Verwendung von Top-/top- als Erstglied in KompositaKompositum zusammen, verläuft doch nicht zuletzt die Gebrauchszunahme in beiden Fällen in den letzten Jahrzehnten erstaunlich parallel. Dass auch ein – sowohl vom Englischen als auch vom NiederdeutschenNiederdeutsch gestütztes – tipptopp mit ähnlicher Gebrauchsweise sowie ein sehr seltenes niederdeutsches topp in prädikativer Verwendung wie in (6) vorhanden gewesen sind, kann der späteren erweiterten Verwendung durchaus förderlich gewesen sein; dass sie deren Ursache waren, ist jedoch unwahrscheinlich.