Der Dreißigjährige Krieg

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8.

Zu sei­nem Stell­ver­tre­ter bei dem Reichs­ta­ge, den das im­mer drin­gen­der wer­den­de Geld­be­dürf­nis not­wen­dig mach­te, er­nann­te der Kai­ser sei­nen Nef­fen Fer­di­nand von Stei­er­mark, der ihm we­ni­ger an­stö­ßig war als sei­ne Brü­der. Den Pro­tes­tan­ten war das un­lieb, denn die Ge­walt­sam­keit, mit der Fer­di­nand in sei­nem Lan­de das evan­ge­li­sche Be­kennt­nis aus­ge­rot­tet hat­te, ohne Er­bar­men mit dem Jam­mer der Be­trof­fe­nen zu ha­ben und selbst die Verödung sei­nes Rei­ches nicht scheu­end, hat­te Miss­trau­en und Ab­nei­gung ge­gen ihn er­regt. Fer­di­nand war ver­gnügt, eine so be­deu­ten­de Rol­le spie­len und weit­hin wahr­nehm­ba­res Ge­prän­ge ent­fal­ten zu kön­nen; an­de­rer­seits gab er sei­ne häus­li­che Be­quem­lich­keit un­gern auf und dach­te mit Un­lust an die ver­wi­ckel­ten Schwie­rig­kei­ten, die es zu lö­sen galt. Er hat­te vor ei­ni­gen Jah­ren sei­ne Cou­si­ne, die Schwes­ter des Her­zogs Ma­xi­mi­li­an von Bay­ern, ge­hei­ra­tet, nach­dem sei­ne Mut­ter un­ter Auf­bie­tung ih­res An­se­hens und ih­rer Stren­ge ein un­tun­li­ches Lie­bes­ver­hält­nis, das ihn be­herrsch­te, ab­ge­schafft hat­te. Nach ei­ni­ger Zeit ver­lieb­te er sich denn auch in die Base, ob­wohl sie un­an­sehn­lich, schwäch­lich und kränk­lich war, und fühl­te sich in der Ehe voll­kom­men be­frie­digt. Zwar fehl­te es sei­ner Frau nicht an be­schränk­tem Ei­gen­sinn, aber er zeig­te sich fast nur in der Re­li­gi­on, wo es ihm recht war; ihm und sei­ner Mut­ter ge­gen­über war sie ganz Op­fer und Hin­ge­bung. Die­se, de­ren nie ge­schon­ter Kör­per all­mäh­lich mür­be zu wer­den be­gann, ge­wöhn­te sich, den Herr­scher in ih­rem Soh­ne zu se­hen, seit er einen ei­ge­nen Haus­stand hat­te, und so fühl­te er sich zu Hau­se weich ge­bet­tet und ge­bor­gen und wuss­te nichts an­de­res, als dass es ihm über­all und je­der­zeit ge­lin­gen müs­se.

Auf den Stra­ßen nach Re­gens­burg, wo­hin der Reichs­tag aus­ge­schrie­ben war, zo­gen Last­wa­gen die Vor­rä­te für die Ta­fel der an­we­sen­den Fürs­ten und Her­ren; von Gra­dis­ca ka­men Aus­tern, Thun­fisch und Stock­fisch, von Triest al­ler­hand Süd­früch­te, vom Breis­gau Wein, von Linz ge­sal­ze­ner Hecht und Kon­fekt. Die Fuhr­leu­te, die die Frach­ten be­glei­te­ten, wa­ren sorg­lich in Schaf­pel­ze ge­wi­ckelt; denn der Win­ter war käl­ter, als er seit Men­schen­ge­den­ken ge­we­sen war. Der Schnee war hart ge­fro­ren und bog sich wie ei­ser­ne Stan­gen un­ter den Fü­ßen; man er­zähl­te sich, dass ir­gend­wo der Wein im Kel­ler er­fro­ren wäre.

Die pro­tes­tan­ti­schen Fürs­ten er­schie­nen nicht selbst, son­dern wa­ren durch Ge­sand­te ver­tre­ten, die ein­mü­tig dar­auf un­ter­wie­sen wa­ren, nichts zu be­wil­li­gen, bis die Jus­tiz­re­form, wel­che die Evan­ge­li­schen ver­lang­ten, an Hand ge­nom­men sei. Über den Vor­ver­hand­lun­gen, was zu­erst be­ra­ten wer­den sol­le, ob die Tür­ken­steu­er oder die Jus­tiz­re­form, ver­gin­gen Wo­chen, die den Pro­tes­tan­ten man­ches un­lieb­sa­me Er­leb­nis brach­ten. Nach ei­nem Gast­mahl, wel­ches von ka­tho­li­scher Sei­te ver­an­stal­tet war, wur­de ei­ner aus der kur­pfäl­zi­schen Ge­sandt­schaft so krank, dass er mit­ten in der Nacht einen Arzt ru­fen las­sen muss­te. Die­ser, ein Jude, un­ter­such­te den Kran­ken, schüt­tel­te den Kopf und frag­te, was er ge­ges­sen und ge­trun­ken habe, ob er Fein­de habe, die ihm et­was Gif­ti­ges bei­ge­bracht hät­ten? Nach­dem er wie­der­her­ge­stellt war, wur­de er mit dem Arzt und sei­nen ver­trau­ten Freun­den ei­nig, die Sa­che zu ver­schwei­gen, sich aber ins­künf­tig vor­zu­se­hen. An­de­rer­seits war es be­denk­lich, Ein­la­dun­gen von der ka­tho­li­schen Par­tei aus­zu­schla­gen, da das als Miss­trau­en konn­te ge­deu­tet wer­den. Ei­nem an­de­ren wur­de nach ei­ner Pur­ganz, die er aus der Apo­the­ke hat­te ho­len las­sen, so übel, dass er meh­re­re Tage das Bett hü­ten muss­te. Wenn man nun aus der Apo­the­ke für Heil­mit­tel schäd­li­ches Gift er­hiel­te, sag­te man sich, wie soll­te man denn in die­sem Mord­p­fuhl sein Le­ben be­wah­ren?

In der Weih­nachts­zeit kam ein Je­sui­ten­pa­ter aus Rom, der dem Erz­her­zog Se­gens­wün­sche des Paps­tes über­brach­te und der von den Ka­tho­li­ken als ein Phö­nix der Ge­lehr­sam­keit und der Be­red­sam­keit ge­prie­sen wur­de. Wenn er pre­dig­te, war die Kir­che von den fürst­li­chen und an­de­ren ho­hen Herr­schaf­ten, die in großer Pracht auf­rück­ten, an­ge­füllt. Da­hin zu ge­hen, un­ter­nah­men die Pro­tes­tan­ten zwar nicht, aber es wur­de man­ches von dem, was er ge­sagt hat­te, ge­rücht­wei­se um­ge­tra­gen wie auch ge­druckt, so­dass es je­der­mann le­sen konn­te. Es sei nun die hei­li­ge Zeit, hat­te er in ei­ner Pre­digt ge­sagt, wo das teu­re Got­tessöhn­lein zur Welt ge­bo­ren sei und auf un­be­greif­lich wun­der­ba­re Wei­se je­des Jahr wie­der her­ab­ge­sen­det wer­de. »Ach, wie gut wer­den ihn die from­men Knech­te und de­mü­ti­gen See­len emp­fan­gen! Da ist ja kein He­ro­des mehr, kein Las­ter­kö­nig, den es ge­lüs­tet, sich im Un­schulds­blu­te zu be­sau­fen! Ar­mes Kind­lein, du mei­nest es wohl; aber da ste­hen schon die heuch­le­ri­schen Pha­ri­sä­er, flet­schen die Zäh­ne und stel­len dir Fal­len, um dich se­ra­phi­sches Häs­lein zu fan­gen! Sie schrei­en Mord! und Feu­er!, nen­nen Chris­tum den An­ti­christ und wer­fen Sei­le aus, um die hei­li­ge Kir­che zu er­wür­gen. Und wie steht es un­ter­des­sen mit den christ­li­chen Gläu­bi­gen, die das Kind­lein war­ten und schüt­zen sol­len? Ja, den Glau­ben hät­ten sie wohl, aber am Mut des Glau­bens fehlt es. Wie Pila­tus, der Trot­tel, für den Gott das Fe­ge­feu­er ein­ge­setzt hat, wa­schen sie die Hän­de, hal­ten Maulaf­fen feil und trat­schen, wäh­rend He­ro­des sei­nen Blut­rat über das Kind­lein hält. Drauf! Drauf, ihr Lau­en! Zie­ret euch nicht, brecht den Wöl­fen die Zäh­ne aus, die das Kind­lein zer­rei­ßen sol­len!«

Al­ler­dings woll­ten sich die Ka­tho­li­ken ver­ant­wor­ten, als gin­gen sol­che An­spie­lun­gen auf die un­gläu­bi­gen Hei­den und die Gott­lo­sen im All­ge­mei­nen; aber was da­von zu hal­ten war, lag am Tage. Der Re­gens­bur­ger Rat gab das Ver­spre­chen, der Dru­cker sol­le ver­nom­men und be­straft wer­den, rich­te­te aber trotz vie­ler Wor­te nichts aus, um es mit den mäch­ti­gen ka­tho­li­schen Fürs­ten, die an­we­send wa­ren, nicht zu ver­der­ben.

Mit dem Erz­her­zog Matt­hi­as, der sich eine Zeit lang in Re­gens­burg auf­hielt, und sei­nem Ab­ge­sand­ten, dem Herrn von Star­hem­berg, wa­ren die Evan­ge­li­schen in leid­lich gu­tem Ein­ver­neh­men, sehr zum Är­ger Fer­di­n­ands, der mut­maß­te, sein Oheim wol­le mit den Glau­bens­fein­den pak­tie­ren, um sich ih­res Bei­stan­des zu re­bel­li­schen und ge­fähr­li­chen Zwe­cken zu ver­si­chern. Ei­nes Abends hat­te der Erz­her­zog den pfäl­zi­schen Groß­hof­meis­ter, Gra­fen Solms, und den Erz­bi­schof Schweik­hard von Mainz ein­ge­la­den, die etwa um Mit­ter­nacht zu­sam­men auf­bra­chen. Der Erz­bi­schof war ein stäm­mi­ger, auf­rech­ter Herr, zwi­schen fünf­zig und sech­zig Jah­ren, mit run­dem, fröh­li­chem Ge­sicht, der we­der beim Ze­chen noch bei der Jagd oder im Ge­spräch ein Spiel­ver­der­ber war und we­ni­ger An­stoß an ei­nem von dem sei­ni­gen ab­wei­chen­den Glau­bens­be­kennt­nis nahm, als wenn ei­ner sei­nen Lieb­lings­wein ver­schmäh­te oder ein Reb­huhn nicht es­sen moch­te, das er ge­schos­sen hat­te. Sei­ne Rede war, mit ei­nem Bie­der­mann kön­ne man im­mer aus­kom­men, ei­ner­lei ob er ka­tho­lisch oder evan­ge­lisch sei, es sei tö­richt, sich das Le­ben mit Zwist und Ha­der zu ver­bit­tern, das oh­ne­hin voll Un­ge­bühr und Ge­fah­ren sei. Den Evan­ge­li­schen ge­gen­über be­ton­te er gern sei­ne fried­fer­ti­ge, alt­deut­sche Ge­sin­nung und stand in freund­nach­bar­li­chem Ver­kehr mit dem Kur­fürs­ten von der Pfalz wie auch be­son­ders mit dem gleich­ge­sinn­ten, kai­ser­treu­en Land­gra­fen von Hes­sen-Darm­stadt.

In­dem nun der Erz­bi­schof in sei­nen Wa­gen stei­gen woll­te, der an der Tür auf ihn war­te­te, be­merk­te er, dass Graf Solms und sein Beglei­ter Ca­me­ra­ri­us kei­nen hat­ten, und lud sie ein, zu ihm ein­zu­stei­gen, er wol­le sie nach Hau­se fah­ren. Sie wä­ren fremd hier, es gäbe al­ler­hand Ge­sin­del und Rauf­bol­de in ei­ner großen Stadt, sie hät­ten selbst po­ku­liert und wä­ren nicht so fest auf den Fü­ßen wie sonst, sie könn­ten in den en­gen Gas­sen einen Schre­cken da­von­tra­gen. Graf Solms dank­te, sie hät­ten nicht weit zur Her­ber­ge und woll­ten ihn nicht be­läs­ti­gen, noch viel we­ni­ger sei­ne Nachtru­he ver­kür­zen. Ob sie ihn für einen al­ten Mann an­sä­hen? frag­te der Erz­bi­schof la­chend; so wol­le er ih­nen et­was Bes­se­res zei­gen. Woll­ten sie nicht mit ihm fah­ren, so wol­le er mit ih­nen ge­hen, der Wa­gen kön­ne lang­sam hin­ter­drein­fah­ren. Es war weit und breit still, man hör­te nichts als das lei­se Sin­gen des Schnees un­ter den Fü­ßen. Hin­ter den Fens­tern war nir­gends mehr Licht, die Ster­ne glit­zer­ten fern und fros­tig, und die Lich­ter in den La­ter­nen, die die Die­ner tru­gen, hüpf­ten wie die Au­gen ei­ner wil­den Kat­ze über den Bo­den. Wie sie über den Platz bei der Em­mer­ans­kir­che gin­gen, schi­en es ih­nen, als ob sich am Cho­re et­was be­we­ge, und in­dem sie sich um­sa­hen, kam zwi­schen den Bäu­men, die dort stan­den, ein ver­hüll­ter Mann her­vor, trat schnell an des Gra­fen Sei­te und bat drin­gend um ein Al­mo­sen. Wäh­rend der Die­ner, dem der Graf einen Wink gab, mit zit­tern­der Hand in der Ta­sche nach ei­ner Mün­ze such­te, schob der Erz­bi­schof sei­ne Pelz­ka­pu­ze zu­rück, trat dicht vor den Mann und sag­te mit laut schal­len­der Stim­me: »Mit­ter­nacht ist kei­ne Zeit, um Al­mo­sen zu bit­ten; wenn du in Not bist, so mel­de dich mor­gen bei mir, dem Erz­bi­schof von Mainz«, wor­auf der Ver­hüll­te au­gen­blick­lich zu­rück­wich und in ei­li­ger Flucht hin­ter der Kir­che ver­schwand. Schweik­hard tri­um­phier­te, er hät­te es vor­aus­ge­sagt, es sei jetzt ein großer Zu­lauf von aben­teu­ern­dem Ge­sin­del in Re­gens­burg, wäre er nicht zur Stel­le ge­we­sen, hät­te der We­ge­la­ge­rer ih­nen noch ein Stück Geld ab­ge­ängs­tigt. Die Her­ren lie­ßen es da­bei, hiel­ten aber da­für, der Mann sei ein Je­suit oder von Je­sui­ten ge­dun­gen ge­we­sen und hät­te es auf einen Mord ab­ge­se­hen ge­habt. Wür­de ein Bett­ler, dach­ten sie, sich in die­sen kal­ten Näch­ten, wo die Vö­gel er­fro­ren, auf die men­schen­lee­re Gas­se stel­len? Wer konn­te sa­gen, ob der Erz­bi­schof nicht von dem schwar­zen An­schlag Wind be­kom­men und ihn aus löb­li­chem An­trieb sei­nes Her­zens zu­nich­te ge­macht hat­te?

 

Dem Stell­ver­tre­ter des Kai­sers, Fer­di­nand, wur­de sei­ne Bür­de de­sto läs­ti­ger, je we­ni­ger ein Ende ab­zu­se­hen war. Kam er ver­gnügt von ei­ner Jagd oder Pro­zes­si­on zu­rück, so konn­te er si­cher sein, dass ihn eine un­be­que­me Nach­richt von den Ge­schäf­ten er­war­te­te. Die Ket­zer sei­en nun ein­mal hals­star­ri­ge Esel, sag­te er, ver­geb­lich trak­tie­re man sie mit Hü und Hott, gu­ten und bö­sen Wor­ten, die Bes­tie sei nicht von der Stel­le zu brin­gen. In­zwi­schen wur­de ihm die Mut­ter krank, sorg­te sich die Frau um ihn und um die Kran­ke, ver­lang­te der Bube nach sei­nem Va­ter; er hät­te den gan­zen Kram zu­sam­men­schmei­ßen mö­gen. Da er­eig­ne­te sich ein Zwi­schen­fall, der ihn von ganz an­de­rer Sei­te in die größ­te Be­stür­zung und Drang­sal ver­setz­te. Zu­fäl­li­ger­wei­se näm­lich ge­riet die Kor­re­spon­denz, wel­che von dem im Jah­re 1606 zwi­schen den Glie­dern der habs­bur­gi­schen Fa­mi­lie ab­ge­schlos­se­nen Ver­tra­ge han­del­te, in die Hän­de ei­nes kai­ser­li­chen Be­am­ten, und die sorg­fäl­tig ge­heim­ge­hal­te­ne Ab­ma­chung, ja gleich­sam Ver­schwö­rung wur­de da­durch dem Kai­ser be­kannt. Der Zorn des­sel­ben, der sein Miss­trau­en ge­recht­fer­tigt sah, stieg aufs höchs­te und wen­de­te sich haupt­säch­lich ge­gen Fer­di­nand, den er für an­häng­lich und we­ni­ger ge­fähr­lich als sei­ne Brü­der ge­hal­ten hat­te. Das Herz sank dem Erz­her­zo­ge, als das Miss­ge­schick of­fen­bar wur­de und kei­ne Mög­lich­keit blieb, das Ge­sche­he­ne ab­zu­leug­nen. Zwar wur­den so­fort Brie­fe an den Kai­ser ab­ge­schickt mit Ver­si­che­run­gen, der Ver­trag sei kei­nes­wegs ge­gen sei­ne Ho­heit ge­meint, son­dern hät­te nur für den et­wai­gen, hoch­zu­be­kla­gen­den Fall sei­nes To­des Vor­sor­ge tref­fen sol­len; al­lein sie ver­fin­gen nicht, und es galt nun, einen ent­schie­de­nen Stand­punkt ein­zu­neh­men. Am liebs­ten hät­te Fer­di­nand sich der Gna­de des Kai­sers an­ver­traut und Matt­hi­as ver­leug­net, da der Kai­ser nun ein­mal das recht­mä­ßi­ge Ober­haupt war und zu­nächst den si­chers­ten Schutz bot; in­zwi­schen hat­te Matt­hi­as aber Fort­schrit­te in Un­garn ge­macht, und man muss­te dar­auf ge­fasst sein, dass er den re­bel­li­schen Pro­tes­tan­ten in Böh­men die Hand bot und mit dem Kai­ser ab­fuhr: wo blie­ben dann die­je­ni­gen, die es mit dem Ab­ge­dank­ten ge­hal­ten hat­ten? Im ver­trau­ten Krei­se schimpf­te Fer­di­nand auf Matt­hi­as, der an al­lem schuld sei; hät­te er vor­aus­se­hen kön­nen, dass der de­spe­ra­te Mensch in sol­cher Fu­rie ge­gen den ei­ge­nen Bru­der los­zie­hen wür­de? Die Sup­pe hät­te ih­nen der Khlesl ein­ge­brockt, der mehr als der Gott­sei­bei­uns zu fürch­ten sei; der hät­te dem Matt­hi­as, der ein gu­ter, from­mer Mensch ge­we­sen sei, so lan­ge den Wolfs­pelz um­ge­hängt, bis er ein Wolf ge­wor­den sei. Sei­ne Mut­ter, die Erz­her­zo­gin Ma­ria, die sich in den ver­schie­de­nen Klös­tern, de­nen sie an­ge­hör­te, mit An­dachts­übun­gen auf den Tod vor­be­rei­te­te, stimm­te eif­rig ein und riet zu vor­sich­ti­ger Zu­rück­hal­tung, um es we­der mit Ru­dolf noch mit Matt­hi­as zu ver­der­ben; auch ihr Bru­der, der alte Her­zog von Bay­ern, Fer­di­n­ands Schwie­ger­va­ter, sei der Mei­nung, da Fer­di­nand nun ein­mal in die­ser Klem­me ste­cke, müs­se er ein we­nig dis­si­mu­lie­ren, um Zeit zu ge­win­nen, in­zwi­schen kön­ne dies oder das ge­sche­hen und die Lage sich än­dern.

Ei­nen Trost ge­währ­te das Aner­bie­ten Schweik­hards von Mainz, er wol­le nach Prag rei­sen und Frie­den stif­ten. Die kai­ser­li­che Ma­je­stät sei zwar ein we­nig spa­nisch und be­son­ders, im Grun­de aber gut und fromm, man müs­se ihn nur zu neh­men wis­sen. In den jet­zi­gen ge­fähr­li­chen Läuf­ten dür­fe nicht noch ein Fa­mi­li­en­streit zu den vie­len im Rei­che ob­schwe­ben­den Zwis­tig­kei­ten kom­men; auch Matt­hi­as mei­ne es ja nicht böse, bei all­sei­ti­gem gu­tem Wil­len wer­de sich die Sa­che wohl wie­der ein­ren­ken las­sen.

Der Reichs­tag hat­te in­zwi­schen kei­ne gu­ten Früch­te ge­zei­tigt. Im Fe­bru­ar wur­den die würt­tem­ber­gi­schen Ge­sand­ten we­gen des durch einen Schlag­fluss her­bei­ge­führ­ten jä­hen To­des des Her­zogs Fried­rich zu­rück­ge­ru­fen, wor­auf auch die üb­ri­gen Evan­ge­li­schen ei­ner nach dem an­de­ren ab­reis­ten.

9.

Der Kai­ser hat­te in ohn­mäch­ti­ger Wut zu­se­hen müs­sen, wie Matt­hi­as sich zum Herrn von Un­garn mach­te, und er­fuhr nun auch von sei­nen ge­hei­men Ver­hand­lun­gen mit den un­zu­frie­de­nen böh­mi­schen Stän­den, so­dass er sich nicht mehr ver­heh­len konn­te, wie nahe er dar­an war, auch die böh­mi­sche Kro­ne zu ver­lie­ren. Der zu­ver­läs­sigs­te un­ter sei­nen Rä­ten, Han­ne­wald, wie auch der ihm un­be­dingt er­ge­be­ne ka­tho­li­sche Kanz­ler, Po­pel von Lob­ko­witz, rie­ten ihm bei­de, einen Land­tag ein­zu­be­ru­fen, auf wel­chem die Stän­de ihre For­de­run­gen vor­tra­gen könn­ten; dies sei das ein­zi­ge Mit­tel, das Ver­trau­en wie­der her­zu­stel­len. Han­ne­wald war ein klu­ger, ar­beits­kräf­ti­ger Mann, der ein­zig den Vor­teil des Kai­sers im Auge hat­te, alle Men­schen au­ßer sich selbst ver­ach­te­te und durch nichts aus dem Ge­lei­se zu brin­gen war. Zu­wei­len be­trank er sich so, dass er für ei­ni­ge Tage aus­set­zen muss­te; aber das ein­mal ge­steck­te Ziel be­hielt er trotz­dem im Auge. Er be­re­de­te den Kai­ser so­gar dazu, den Land­tag in Per­son zu er­öff­nen, denn im Volk sei das Ge­re­de im Schwan­ge, der ech­te Kai­ser Ru­dolf sei lan­ge tot, man hal­te einen im Schloss ver­bor­gen, der ihm ähn­lich sehe, dar­um müs­se er sich ein­mal öf­fent­lich zei­gen.

Die dem au­ßer­or­dent­li­chen Er­eig­nis vor­aus­ge­hen­den Tage war Ru­dolf un­ru­hig mit den Vor­be­rei­tun­gen zu sei­nem Auf­putz be­schäf­tigt; er woll­te einen schö­nen und ma­je­stä­ti­schen Ein­druck her­vor­brin­gen. Als er mit nie­der­ge­schla­ge­nen Au­gen, von dem Kanz­ler und ei­ni­gen Rä­ten ge­lei­tet, in den ho­hen und wei­ten Ver­samm­lungs­saal trat, zit­ter­ten sei­ne Knie vor ängst­li­cher Er­re­gung; er hat­te das Ge­fühl, als starr­ten ihm die Bli­cke der an­we­sen­den Stän­de wie Lan­zen­spit­zen ent­ge­gen. Dem war je­doch nicht so: die schwarz­ge­klei­de­te, ein we­nig ge­beug­te Ge­stalt des Kai­sers, der fei­ne Sil­ber­schim­mer, der über sei­nen Haa­ren lag, der Aus­druck des Lei­dens auf sei­nem blei­chen Ge­sicht er­reg­te Mit­leid und Rüh­rung in den Ge­mü­tern und schlug für den Au­gen­blick die feind­li­che Lei­den­schaft nie­der. Die­se ge­sänf­tig­te Stim­mung, die er mit ei­nem ver­stoh­len auf die Ver­sam­mel­ten ge­wor­fe­nen Blick er­hasch­te, er­leich­ter­te es ihm, die we­ni­gen Wor­te, die er zu spre­chen hat­te, in wür­de­vol­ler Hal­tung und mit dem Schein ed­ler Ge­las­sen­heit vor­zu­tra­gen.

Als die Sit­zung vor­über war und er sich von der un­ge­wohn­ten An­stren­gung er­holt hat­te, ließ er auf­ti­schen und nahm mit Frau­en und Zech­ge­nos­sen eine Mahl­zeit ein. In hei­te­rer Lau­ne mach­te er sich über die trot­zi­gen Stän­de lus­tig, die er am Nar­ren­seil sprin­gen lie­ße; nichts, nichts wür­de er von ih­ren For­de­run­gen be­wil­li­gen, sie möch­ten sit­zen und be­ra­ten und Pa­ra­gra­fen schrei­ben, so­lan­ge es sie ge­lüs­te­te, zu­letzt schick­te er sie mit lan­ger Nase heim. Es trug zu sei­nem Wohl­be­fin­den bei, dass Lang auf ei­ner Rei­se ab­we­send war; denn des­sen Fall war, seit die Sa­che mit Matt­hi­as zum Aus­bruch ge­kom­men war, be­schlos­sen. Bei sei­ner Rück­kehr wur­de er ver­haf­tet, vor ein Ge­richt ge­stellt, und auf sein Ver­mö­gen wur­de Be­schlag ge­legt. Ei­nen Teil da­von er­hiel­ten die vie­len Her­ren, die nun Kla­gen ein­reich­ten, sie hät­ten Lang große Sum­men aus­ge­zahlt, da­mit er ihre An­lie­gen, Be­för­de­run­gen und an­de­re Gna­den­ak­te beim Kai­ser be­trei­be, aber kei­nen Er­folg ge­se­hen; das üb­ri­ge fiel dem Kai­ser zu. Vie­le wünsch­ten, den hoch­mü­ti­gen und hab­gie­ri­gen Mann am Gal­gen oder auf dem Schei­ter­hau­fen en­den zu se­hen; al­lein das Ge­richt fand eine sol­che Schär­fe dem ehe­ma­li­gen Lieb­ling des Kai­sers ge­gen­über nicht an­ge­zeigt, zu­mal da ihm we­der in hoch­ver­rä­te­rischen Hand­lun­gen noch in Zau­be­rei et­was Ei­gent­li­ches nach­zu­wei­sen war, und ließ es bei Ver­lust des Ver­mö­gens und der Frei­heit auf Le­bens­zeit be­wen­den.

Matt­hi­as hat­te sich die künf­ti­ge Grö­ße mehr Mühe und Ar­beit kos­ten las­sen, als von sei­ner Na­tur zu er­war­ten war, nur in ei­nem wich­ti­gen Punk­te blieb er hart­nä­ckig, näm­lich in dem ei­ner stan­des­ge­mä­ßen Hei­rat. Hät­te er einen ehe­li­chen Nach­fol­ger ge­habt, so hät­te er weit mehr Aus­sicht auf all­ge­mei­ne Aner­ken­nung ge­habt, als jetzt der Fall war, und er selbst wie die Ver­fech­ter sei­ner Sa­che hät­ten viel ru­hi­ger in die Zu­kunft bli­cken kön­nen. Die Schwie­rig­keit be­stand aber dar­in, dass er seit Jah­ren mit ei­ner Frau na­mens Su­san­na Wach­ter zu­frie­den und be­quem leb­te, von der er sich durch­aus nicht tren­nen woll­te. Die­se hat­te einen feu­ri­gen und herrsch­süch­ti­gen Cha­rak­ter, wes­we­gen die Men­schen im All­ge­mei­nen nicht mit ihr an­zu­bin­den lieb­ten; ihn je­doch, der ihr voll­kom­men er­ge­ben war, ver­sorg­te sie müt­ter­lich, und ihre ge­naue Be­kannt­schaft mit sei­nen Ge­wohn­hei­ten und Be­dürf­nis­sen er­mög­lich­te es ihr, ihm das täg­li­che Le­ben glatt ein­ge­hen zu las­sen.

Die ers­ten Ver­su­che Khlesls, die­sen hei­klen Ge­gen­stand an­zu­rüh­ren, ließ Matt­hi­as ab­glei­ten, als ob er ihn nicht ver­ste­he; dann wehr­te er sich, in­dem er die Hei­rat auf die Zeit ver­schie­ben woll­te, wo er sein Ziel er­reicht hät­te. Das gehe nicht an, sag­te Khlesl, man müs­se ein­mal zu­ge­ben, dass sei­ne Ju­gend oh­ne­hin ver­rauscht sei, wol­le er noch Nach­kom­men­schaft er­zie­len, so müs­se er sich da­zu­hal­ten. Sei­nem frü­he­ren Stan­de hät­te es hin­ge­hen mö­gen, dass er sich eine Beischlä­fe­rin ge­nom­men habe, jetzt müs­se er als ein Mann und Christ den Pf­lich­ten sei­nes ho­hen Am­tes nach­kom­men. In sei­ner Ver­blen­dung bil­de er sich ein, dass von der Su­san­na Wach­ter sei­ne Se­lig­keit ab­hän­ge; wenn er aber ein­mal eine an­de­re kos­te, wer­de er mer­ken, dass der eine Teig ge­wälzt und ge­ba­cken sei wie der an­de­re und dass die­sel­be Ware auf je­dem Mark­te feil sei. Um ihn da­von zu über­zeu­gen, führ­te ihm Khlesl bei Ge­le­gen­heit ei­nes Reichs­ta­ges eine hüb­sche Per­son zu, die sich be­reit er­klär­te, wenn es so der Wil­le Got­tes sei, dem Erz­her­zog ent­ge­gen­zu­kom­men; aber schon nach kur­z­er Zeit wur­de Matt­hi­as ih­rer über­drüs­sig und ver­lang­te mit ver­dop­pel­ter Sehn­sucht Su­san­na Wach­ter zu­rück. Die­ser Um­stand leg­te die Ver­mu­tung nahe, dass Matt­hi­as von der Wach­ter be­hext und un­fä­hig ge­macht sei, Kin­der zu er­zeu­gen oder über­haupt sich mit an­de­ren Frau­en ein­zu­las­sen. Mit Vor­stel­lun­gen, wel­che Ge­fahr er an der Sei­te die­ses Wei­bes lau­fe, brach­te Khlesl es all­mäh­lich da­hin, Matt­hi­as ein we­nig ängst­lich und miss­trau­isch zu ma­chen und ihn we­nigs­tens zum An­hö­ren sei­ner Vor­schlä­ge zu be­we­gen.

Es war die jüngs­te Schwes­ter des Her­zogs von Bay­ern, Mag­da­le­na, die Khlesl ins Auge ge­fasst hat­te, um da­mit sei­nem Schütz­ling den Bei­stand die­ses tat­kräf­ti­gen und glau­bens­stren­gen Her­zogs zu si­chern, und Matt­hi­as ließ es end­lich zu, dass der Bi­schof nach Mün­chen reis­te und ins­ge­heim an­klopf­te, wie die Wer­bung des Erz­her­zogs am dor­ti­gen Hofe auf­ge­nom­men wer­den wür­de. Da Mag­da­le­na bis­her noch kei­ne Be­wer­ber ge­habt hat­te, die ernst­lich in Be­tracht ge­kom­men wä­ren, be­gann die Fra­ge ih­rer Ver­sor­gung dem al­ten Her­zog, ih­rem Va­ter, erns­te Ge­dan­ken zu ma­chen, und die Aus­sicht auf die­se Hei­rat ver­setz­te ihn in nicht ge­rin­ge Auf­re­gung. Al­ler­lei Be­den­ken stan­den frei­lich ent­ge­gen: ers­tens das Al­ter des Matt­hi­as, der da­mals fünf­zig Jah­re alt war, fer­ner sein wun­der­li­ches Ver­hält­nis zu Ru­dolf und sein ver­we­ge­nes Schar­mut­zie­ren in Un­garn und Böh­men, wo­mit er noch al­les ver­spie­len kön­ne. Hier­ge­gen führ­te Khlesl an, wie läs­ter­lich und schänd­lich es in Prag zu­ge­he, dass Got­tes Bei­stand dem Matt­hi­as nicht feh­len kön­ne und dass er ja auch nichts Un­brü­der­li­ches ge­gen Ru­dolf vor­ha­be, son­dern auf dem Wege der Bil­lig­keit blei­ben wol­le. An­ders ließ sich die Erz­her­zo­gin Ma­ria, Wil­helms Schwes­ter, ver­neh­men: er sol­le sich doch den stin­ken­den Matt­hi­as vom Lei­be hal­ten, schrieb sie ih­rem Bru­der; nach au­ßen schei­ne er viel­leicht noch ein we­nig, aber in­nen sei al­les ver­fault, und der Teu­fel wer­de über kurz oder lang da­mit da­von­fah­ren. Ob Wil­helm nicht wis­se, dass sei­ne Hure, die Wäch­ter, ihm die Man­nes­kraft ab­ge­hext habe? Das wäre ein gott­lo­ser Han­del, wenn er sei­ne Toch­ter ei­nem sol­chen Man­ne gäbe, von dem sie kei­ne Kin­der ge­win­nen und auch sonst we­nig Ehre da­von­tra­gen könn­te.

 

Die­se War­nun­gen mach­ten nur ge­rin­gen Ein­druck auf den al­ten Her­zog und noch we­ni­ger auf Mag­da­le­na selbst; ihre Tan­te sei nei­disch, sag­te sie, und fürch­te, dass Matt­hi­as von ihr Kin­der be­kom­me und da­durch für ih­ren Fer­di­nand die Aus­sicht, Kai­ser zu wer­den, da­hin­schwin­de. Ma­xi­mi­li­an er­in­ner­te sie ne­ckend dar­an, wie sie, als ihre Schwes­ter Ma­ria Anna den Fer­di­nand ge­nom­men habe, spöt­tisch ge­sagt habe, sie möch­te kei­nen von den bu­cke­li­gen Ös­ter­rei­chern zum Man­ne; wor­auf Mag­da­le­na er­rö­tend ent­geg­ne­te, der Fer­di­nand sei al­ler­dings ein al­ber­ner Löf­fel und wa­cke­lig in den Ge­len­ken wie ein Ham­pel­mann, mit Matt­hi­as sei es et­was an­de­res, er sei bei Jah­ren, habe Ver­nunft und Er­fah­rung, sol­le gar nicht so übel sein. Üb­ri­gens, sag­te sie, müs­se ein je­der sein Glück ver­su­chen, sie wol­le es auch, die Su­san­na Wach­ter wol­le sie ihm schon aus­trei­ben, und das un­ehe­li­che Klos­ter­le­ben sage ihr vollends nicht zu, so sei doch et­was bei der Hei­rat ge­won­nen.

So war die An­ge­le­gen­heit schon auf einen Punkt ge­gen­sei­ti­ger Ver­stän­di­gung ge­kom­men, als sie durch et­was Un­vor­her­ge­se­he­nes durch­kreuzt wur­de, näm­lich durch die Wer­bung des Kai­sers um Mag­da­le­na. Als das Gerücht von der ge­plan­ten Hei­rat des Matt­hi­as nach Prag kam, wur­den in der Um­ge­bung des Kai­sers höh­ni­sche Be­mer­kun­gen ge­macht, wie sie sei­nen Bei­fall ha­ben muss­ten. Wenn die Mag­da­le­na ein Kind be­käme, hieß es, hät­te sie es wohl eher vom Teu­fel als von Matt­hi­as. Auf­zie­hen möch­te er die Braut schon, wenn es aber dann zum Tanz käme, wie er be­ste­hen soll­te? Wenn die Hoch­zeit auch voll­zo­gen wür­de, sag­te Rhuts­ky, wür­de die Wach­ter doch nicht lei­den, dass er den Fuß auf das Ehe­bett setz­te; es sei ja be­kannt, dass sie in ei­nem ge­wis­sen Klos­ter ein Lämp­lein bren­nen habe, wo­mit sie ihm das Le­bens­licht aus­bla­sen kön­ne.

Der Kai­ser hör­te wohl­ge­fäl­lig zu, war ei­ni­ge Tage nach­denk­lich und kam dann da­mit her­aus, dass er die Mag­da­le­na selbst hei­ra­ten wol­le. Er wol­le dem Matt­hi­as sei­ne falschen Kar­ten ver­schla­gen, oh­ne­hin sei es jetzt Zeit für ihn, sich zu ver­mäh­len. Zwar ge­fal­le ihm auch eine flo­ren­ti­ni­sche Prin­zes­sin gut, de­ren Bild er kürz­lich ge­se­hen habe, aber er wol­le es nun zu­erst auf die bay­ri­sche ab­stel­len. Er müs­se la­chen, sag­te er, wenn er sich den Schre­cken und die Ent­täu­schung un­ter sei­nen hab­gie­ri­gen Brü­dern aus­ma­le.

Ru­dolfs Räte schüt­tel­ten den Kopf, hiel­ten es aber für klü­ger, ihr Er­stau­nen nicht zu äu­ßern, und so ging denn eine ver­trau­li­che Ge­sandt­schaft nach Mün­chen ab, um un­vor­greif­lich über die Sa­che zu re­den. Der alte Her­zog ver­lor ei­ni­ger­ma­ßen die Fas­sung, denn die­sen Be­wer­ber aus­zu­schla­gen schi­en ganz und gar un­mög­lich, und doch wäre ihm Matt­hi­as, als der künf­ti­ge Kai­ser, bei Wei­tem lie­ber ge­we­sen. Auch Mag­da­le­na woll­te von Ru­dolf nichts wis­sen; vor Matt­hi­as grau­se ihr we­ni­ger, weil er nicht gar so alt und auch sonst nicht so un­flä­tig sei wie der Kai­ser.

In ih­rem Wi­der­stan­de wur­de Mag­da­le­na durch die Be­kannt­schaft mit ih­rem Vet­ter Leo­pold be­stärkt, Fer­di­n­ands jün­ge­rem Bru­der, der sich in sie ver­lieb­te und eine hef­ti­ge Zu­nei­gung in ihr er­weck­te. Der nun zwan­zig­jäh­ri­ge Bi­schof von Passau ging mit dem Ge­dan­ken um, sich nach dem Tode der Mut­ter des geist­lie­hen We­sens, zu dem er nie­mals Lust ge­habt hat­te, zu ent­äu­ßern und ein fröh­li­ches Fürs­ten­le­ben an­zu­fan­gen, wie es an­de­re sei­nes­glei­chen führ­ten. Er fühl­te sich fä­hig, ein Held zu sein, so­wohl im Krieg wie im Re­gi­ment und in der Lie­be, und wo­mög­lich den Dä­mel, sei­nen Bru­der Fer­di­nand, den er für einen Duck­mäu­ser an­sah, aus dem Sat­tel zu he­ben. Da er an je­nem ge­häs­si­gen Fa­mi­li­en­ver­tra­ge vom Jah­re 1606 nicht be­tei­ligt ge­we­sen war, hat­te der Kai­ser eine Vor­lie­be für ihn ge­fasst und ihm Hoff­nung ge­macht, er wer­de ihn etwa noch zu sei­nem Sohn und Nach­fol­ger er­he­ben. Die Er­laub­nis, das geist­li­che Kleid ab­zu­le­gen, wür­de ihm der Her­zog von Bay­ern, glaub­te er, leicht in Rom er­wir­ken kön­nen.

Von die­ser Lei­den­schaft er­grif­fen, sträub­te sich Mag­da­le­na nun­mehr eben­so­wohl ge­gen Matt­hi­as wie ge­gen Ru­dolf und er­klär­te, sie wol­le als Non­ne in ein Klos­ter ge­hen, wenn man sie zwin­gen wol­le, einen an­de­ren Mann als Leo­pold zu hei­ra­ten. Die­sen lie­be sie und wer­de nie einen an­de­ren lie­ben, und eben­so un­ge­stüm ge­bär­de­te sich Leo­pold zur großen Ver­le­gen­heit des al­ten Her­zogs.