Der Dreißigjährige Krieg

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Den ernst­li­chen Vor­stel­lun­gen Heil­brun­ners, man müs­se sich dem Ver­häng­nis Got­tes auch dann un­ter­wer­fen, wenn man es nach sei­nem schwa­chen mensch­li­chen Ver­stan­de nicht be­grei­fe, füg­te er sich, in­so­fern er nicht laut klag­te; an­statt des­sen be­schäf­tig­te er sich in großer Un­ru­he da­mit, das Un­heil, so viel an ihm war, von sei­nem Lan­de ab­zu­wen­den. Nach­dem er dem Soh­ne in erns­ten Wor­ten sein Un­recht vor­ge­hal­ten hat­te, for­der­te er von ihm ein bün­di­ges Ver­spre­chen, in sei­nem vä­ter­li­chen Er­b­lan­de die Augs­bur­gi­sche Kon­fes­si­on nicht an­tas­ten noch aus­län­di­sche Be­am­te dort ein­füh­ren zu wol­len, wel­ches Wolf­gang Wil­helm nach lan­gem Zö­gern auch gab, da­bei die Un­ver­brüch­lich­keit ei­nes Fürs­ten­wor­tes be­to­nend. Dann band er sei­nem zwei­ten und sei­nem drit­ten Soh­ne, Au­gust und Jo­hann Fried­rich, aufs Herz, dem rei­nen Glau­ben, in dem sie auf­er­zo­gen wä­ren, un­er­schüt­ter­lich an­zu­han­gen, sich durch kei­nen ir­di­schen Vor­teil, Be­dro­hung oder Ver­lo­ckung ab­wen­dig ma­chen zu las­sen, auch stets für ihre Un­ter­ta­nen, wenn die­se etwa trotz al­ler Ver­trä­ge von Wolf­gang Wil­helm be­drängt wer­den soll­ten, vä­ter­lich zu sor­gen und ein­zu­sprin­gen, da Gott die See­len der Un­ter­ta­nen von den Fürs­ten for­dern wer­de. Au­gusts auf­rich­ti­ger Blick und treu­es Wort be­ru­hig­ten ihn über des­sen Zu­kunft, für den schwa­chen und et­was ver­gnü­gungs­süch­ti­gen Jo­hann Fried­rich da­ge­gen muss­te der äl­te­re Bru­der die Verant­wor­tung mit über­neh­men. Heil­brun­ner und die üb­ri­gen Geist­li­chen er­hiel­ten den Auf­trag, an je­dem Sonn­tag die Ge­mein­de auf die be­vor­ste­hen­de Ge­fahr auf­merk­sam zu ma­chen und sie zur Glau­ben­streue zu ver­mah­nen. Es herrsch­te im gan­zen Länd­chen Be­trüb­nis und Sor­ge, und aus frei­en Stücken be­te­ten alle täg­lich, Gott möge ih­ren from­men Fürs­ten er­hal­ten und das Übel von ih­nen ab­wen­den.

Nichts­de­sto­we­ni­ger ging das Le­ben des schon lan­ge gicht­lei­den­den al­ten Fürs­ten schnell zur Nei­ge. Er än­der­te nichts in sei­ner Le­bens­füh­rung, stand in der Mor­gen­frü­he auf, aß zur Mit­tags­zeit sei­nen Brei, ob­wohl er ihm fast zu­wi­der war, ar­bei­te­te mit sei­nen Rä­ten und las zur be­stimm­ten Stun­de in der Bi­bel; aber sei­ne An­ge­hö­ri­gen sa­hen ihn oft mit­ten in der Be­schäf­ti­gung ein­schla­fen oder leer vor sich hin stie­ren, wäh­rend ihm Trä­nen aus den Au­gen schli­chen. In den ers­ten Ta­gen des Au­gust ließ er die Frömms­ten und Red­lichs­ten aus der Bür­ger­schaft, wie die Pre­di­ger sie vor­schlu­gen, zu sich auf das Schloss for­dern, um ih­nen Maß­re­geln für ihr Ver­hal­ten nach sei­nem Tode zu ge­ben. Sie wür­den nun bald, re­de­te er sie an, eine Her­de ohne Hir­ten sein und könn­ten leicht den Wöl­fen, die je­der­zeit um­gin­gen, zur Beu­te fal­len. Zwar wür­den sei­ne Söh­ne ih­nen fürst­lich und ge­treu­lich vor­ste­hen, und Heil­brun­ner wür­de ih­nen nach wie vor Got­tes Wort aus­le­gen und sie zum Gu­ten an­hal­ten, aber sie wüss­ten ja­wohl auch, wie böse die Zeit­läuf­te wä­ren, wel­che Macht der Teu­fel auf Er­den be­sä­ße und wie weit der päpst­li­che An­ti­christ sei­ne Sch­lin­gen wür­fe. Da müss­ten sie denn auch selbst mit Be­stän­dig­keit ge­wapp­net sein, wenn sie die Prü­fung be­ste­hen und der­einst den Him­mel ge­win­nen woll­ten. Da­nach frag­te er vie­le von ih­nen ein­zeln, wie sie sich ver­hal­ten wür­den, wenn sie mit Ge­walt zur Mes­se ge­zwun­gen wer­den soll­ten, ob sie sich fü­gen oder Hab und Gut preis­ge­ben, aus­wan­dern und ihre ir­di­sche Zu­kunft Gott an­heim­ge­ben woll­ten. Ei­ni­ge Män­ner sag­ten, sie hoff­ten das Bes­te, aber lands­frem­de Bett­ler wür­den nir­gends gern ge­se­hen, man müs­se auch für Weib und Kind Sor­ge tra­gen; ei­ni­ge Frau­en, sie wür­den sich nach dem Wil­len ih­rer Män­ner ver­hal­ten; aber ein paar alte Män­ner und alte Wit­wen sag­ten, von Got­tes Wort wür­den sie nicht las­sen, soll­ten sie auch dar­über Leib und Gut ver­lie­ren müs­sen, und sie wür­den dem Her­zog gleich die Hand dar­auf ge­ben.

Er wis­se wohl, dass die Prü­fung hart sei, sag­te Phil­ipp Au­gust, aber himm­li­scher Lohn har­re des Über­win­ders, und er wol­le auch hier und dort für sie be­ten. Dann präg­te er ih­nen ein, sei­nen Söh­nen Ge­hor­sam zu leis­ten, wenn er bald nicht mehr sein wer­de, und sag­te ih­nen Le­be­wohl, wor­auf alle un­ter herz­zer­bre­chen­dem Schluch­zen aus­ein­an­der­gin­gen.

Ei­ni­ge Tage spä­ter fiel der alte Her­zog beim Auf­ste­hen in Ohn­macht, er­hol­te sich aber wie­der und ließ sich vollends an­klei­den, wenn­schon die Ärz­te Be­den­ken äu­ßer­ten und Fa­mi­lie und Die­ner­schaft sich kopf­schüt­telnd dar­an er­in­ner­ten, dass man den 12. Au­gust schrieb, also ge­ra­de drei Mo­na­te nach dem Über­tritt Wolf­gang Wil­helms in Düs­sel­dorf ver­flos­sen wa­ren. Wie all­täg­lich nahm er dann an ei­ner Sit­zung der Räte teil und ließ sich von Heil­brun­ner ein Ka­pi­tel aus der Bi­bel er­klä­ren, um doch für alle Fäl­le auf das Ende vor­be­rei­tet zu sein. Beim Mit­ta­ges­sen, das bald nach zehn Uhr statt­fand und an dem sei­ne Ge­mah­lin, sei­ne Söh­ne, Heil­brun­ner und ein Arzt teil­nah­men, leg­te er plötz­lich den Löf­fel aus der Hand und schlief ein, um nicht mehr zum Le­ben zu er­wa­chen.

Der To­des­fall rief un­end­li­chen Jam­mer im neu­bur­gi­schen Lan­de her­vor; nun, hieß es im Vol­ke, wür­de man das Schick­sal des be­nach­bar­ten Do­nau­wörth er­lei­den, wo die Schlech­ten, die ih­ren Glau­ben ver­rie­ten, An­stel­lun­gen und Äm­ter er­hiel­ten und straf­los die Bes­se­ren quä­len und un­ter­drücken dürf­ten. Es wa­ren in den letz­ten Jah­ren vie­le Do­nau­wör­ther nach Neu­burg ge­zo­gen, und die­se sa­hen nun kom­men, dass ih­res Blei­bens auch hier nicht wäre, son­dern dass sie wei­ter­wan­dern müss­ten, är­mer und hoff­nungs­lo­ser als zu­vor.

Im Fe­bru­ar des fol­gen­den Jah­res, näm­lich 1615, hielt Wolf­gang Wil­helm sei­nen Ein­zug in Neu­burg und er­klär­te rund­weg, von sei­nem Erbrecht nichts auf­ge­ben zu wol­len, wor­auf sich Au­gust und Jo­hann Fried­rich, um nur et­was zu be­kom­men, zu ei­nem Ver­tra­ge be­quem­ten, der je­den von ih­nen mit ei­nem klei­nen Ge­biet ab­fand, Au­gust mit Sulz­bach und Jo­hann Fried­rich mit Hil­polts­heim, so aber, dass dem Äl­tes­ten, Wolf­gang Wil­helm, auch über die­se Lan­des­tei­le die Ober­ho­heit zu­stand. Trau­rig ver­lie­ßen die ver­wit­we­te Her­zo­gin und ihre Söh­ne das Neu­bur­ger Schloss, de­nen bald auch Ja­kob Heil­brun­ner, von der neu­en Re­gie­rung ver­ab­schie­det, folg­te.

17.

War die neu­bur­gi­sche Ver­mäh­lung un­heil­voll für die evan­ge­li­sche Sa­che ge­we­sen, so wur­de in dem äl­te­ren Zwei­ge der pfäl­zi­schen Fa­mi­lie im sel­ben Jah­re eine ge­fei­ert, die den Ver­lust rei­cher ein­brin­gen zu sol­len schi­en: der jun­ge, eben mün­dig ge­wor­de­ne Kur­fürst Fried­rich V. näm­lich führ­te die eng­li­sche Prin­zes­sin Eli­sa­beth, Toch­ter Ja­kobs I., heim, de­ren Name an die große Be­schüt­ze­rin der pro­tes­tan­ti­schen Frei­heit er­in­ner­te. Die pfäl­zi­schen Räte rühm­ten und freu­ten sich die­ses Er­fol­ges ih­rer Di­plo­ma­tie nicht we­nig, denn sie glaub­ten da­mit die Un­ter­stüt­zung der­je­ni­gen Macht ge­won­nen zu ha­ben, de­ren herr­li­cher Tri­umph über die spa­ni­sche Ty­ran­nei noch frisch in al­ler Ge­dächt­nis war. Der jun­ge Fried­rich ließ sich gern sa­gen, wie gut er nun­mehr ver­sorgt und für sei­ne hohe Rol­le aus­ge­rüs­tet sei, wie weit er durch die kö­nig­li­che Ver­wandt­schaft an­de­re Fürs­ten über­ra­ge; doch wa­ren ihm die schö­ne Braut, die viel­fa­chen An­nehm­lich­kei­ten des Ehe­le­bens, die Hoch­zeit und der Empfang zu Hau­se, der das Üb­li­che an Pracht über­tref­fen soll­te, zu­nächst wich­ti­ger. Der ver­wöhn­ten Eng­län­de­rin soll­te das neue Reich am Rhei­ne nicht arm­se­lig er­schei­nen, viel­mehr soll­te sie wo­mög­lich durch Über­fluss über­rascht wer­den. Ein mit far­bi­gen Tü­chern aus­staf­fier­tes, von bun­ten Fah­nen um­flat­ter­tes, wie ein schwim­men­des Sch­löss­lein mit Gold- und Sil­ber­zeug ein­ge­rich­te­tes Schiff führ­te sie bis Mainz, wo ihr Ge­mahl, der ihr vor­aus­ge­reist war, sie er­war­te­te. Von al­len pfäl­zi­schen Städ­ten hat­te ihr die Fes­tung Fran­ken­thal, wel­che als eine Ko­lo­nie aus Frank­reich aus­wan­dern­der Hu­ge­not­ten von dem Kur­fürs­ten Fried­rich III. war ge­grün­det wor­den, den schöns­ten Empfang be­rei­tet. Aus ei­nem ro­si­gen Ge­wölk blü­hen­der Apri­ko­sen- und Ap­fel­bäu­me stie­gen die grau­en Mau­ern kan­tig her­vor, hin­ter de­nen das hei­te­re Städt­chen voll zier­lich ge­gie­bel­ter Häu­ser in ge­pfleg­ten Gär­ten sich barg. Wie wenn ein in Ei­sen ge­rüs­te­ter Rit­ter das Vi­sier öff­net und ein freund­li­ches Jüng­lings­ge­sicht zwi­schen den dunklen Plat­ten sicht­bar wird, so über­rasch­te das Bild der ge­schmück­ten Stadt die durch das Tor Ein­zie­hen­den. Fest­li­che Ju­gend über­reich­te der Kö­nigs­toch­ter ein von Fran­kent­hals be­rühm­ten Gold­schmie­den an­ge­fer­tig­tes Klein­od: eine große, von ei­nem aus Sa­phi­ren und Sma­rag­den be­ste­hen­den Stirn­band, wel­ches das Meer ver­sinn­bild­lich­te, her­ab­hän­gen­de Per­le, mit An­spie­lung auf Eli­sa­beths Bein­amen ›die Per­le von Eng­lan­d‹. Die Ehren­bo­gen, die über die Haupt­stra­ße aus­ge­spannt wa­ren, tru­gen Bil­der mit In­schrif­ten, un­ter de­nen das wich­tigs­te eine Dar­stel­lung des See­sie­ges der eng­li­schen Flot­te über die von Phil­ipp II. aus­ge­sand­te furcht­ba­re Ar­ma­da dar­stell­te. Dar­über wa­ren die Wor­te ge­schrie­ben: ›E­li­sa­beth rex‹, das heißt: Eli­sa­beth Kö­nig, und dar­über: ›Deus fla­vit‹, das heißt: Gott blies. An die­ser Pfor­te wur­de der nun­meh­ri­gen Kur­fürs­tin eine An­re­de in deut­scher Spra­che ge­hal­ten, von wel­cher sie, des Deut­schen un­kun­dig, nichts ver­stand; auch hät­te sie oh­ne­hin, von herr­li­chen Ge­füh­len all­zu un­ge­stüm be­wegt, den um­ständ­li­chen Wor­ten nicht fol­gen kön­nen. Auch ihr Name, das fühl­te sie, konn­te ein Zau­ber­wort für die evan­ge­li­schen Völ­ker wer­den, hat­te sie doch Kraft und Be­geis­te­rung ge­nug; es soll­te nur Fein­des­wut sich her­an­wäl­zen, ihr Herz wür­de wie ein Fels ste­hen und wie die Son­ne Se­gen ver­brei­ten, ohne je ver­dun­kelt zu wer­den. Sie lä­chel­te das Volk, das ihr zu­ju­bel­te, ver­hei­ßungs­voll an und wand­te sich nach ih­rem Gat­ten um, des­sen Bli­cke ver­liebt an ihr hin­gen; nein, sie wür­de es nie­mals be­reu­en, dass sie, auf die An­sprü­che ih­rer kö­nig­li­chen Ge­burt ver­zich­tend, eine Kur­fürs­tin im Rei­che ge­wor­den war. Wie an­sehn­lich ih­res Man­nes Stel­lung war, zeig­te sich vollends in Hei­del­berg, als ihr sei­ne Va­sal­len ent­ge­gen­zo­gen, un­ter de­nen ei­ni­ge Fürs­ten und vie­le Gra­fen und Rit­ter wa­ren. Die­se Her­ren, als die Hel­den des Tro­ja­ni­schen Krie­ges aus­staf­fiert, be­grüß­ten Eli­sa­beth als die schö­ne He­le­na und ge­lei­te­ten sie durch die Stadt den Hü­gel hin­auf nach dem Schlos­se, so­dass es von wei­tem aus­sah, als wer­de eine rie­sen­haf­te Blu­men­gir­lan­de den ver­schlun­ge­nen Weg hin­auf ge­wun­den; stau­nend sah das ge­dräng­te Volk die blan­ken Rüs­tun­gen, das prunk­vol­le Ge­schirr der Ros­se, die flat­tern­den Helm­bü­sche und Schär­pen durch das früh­lings­hel­le Grün der Ge­bü­sche blit­zen.

 

Ei­ni­ge Jah­re spä­ter hei­ra­te­te die Schwes­ter Fried­richs V. den jun­gen Kur­prin­zen von Bran­den­burg, Ge­org Wil­helm, wo­durch die­se bei­den re­for­mier­ten Häu­ser nahe mit­ein­an­der ver­bun­den wur­den und ge­mein­sa­me Wirk­sam­keit de­sto na­tür­li­cher schi­en. Noch ein Hoff­nungs­stern ging den unier­ten Fürs­ten um die­se Zeit im Nor­den auf, in­dem nach dem Tode Kö­nig Karls IX. von Schwe­den des­sen Sohn Gu­stav Adolf den Thron be­stieg, dem das Gerücht trotz sei­ner Ju­gend he­ro­i­sche Nei­gun­gen und Tä­tig­kei­ten zu­schrieb.

Nach­dem Karl IX. im Jah­re 1611 ge­stor­ben war, über­nahm sein Sohn Gu­stav Adolf nach Wahl der Stän­de die Re­gie­rung und er­nann­te als­bald sei­nen Er­zie­her und Freund, den um etwa zwölf Jah­re äl­te­ren Gra­fen Axel Oxens­tier­na, zu sei­nem Mi­nis­ter. Als Kna­be hat­te er in­ni­ger ei­nem an­de­ren Leh­rer, dem aus dem Vol­ke stam­men­den Jo­hann Skyt­te an­ge­han­gen, der ihn mit den Sa­gen aus der Ur­zeit der nor­di­schen Völ­ker und mit den Ge­schich­ten sei­ner Vor­fah­ren, der Wasa, das Herz so mäch­tig zu er­schüt­tern wuss­te. Am liebs­ten ließ sich der jun­ge Kö­nigs­sohn von sei­nem un­glück­li­chen Oheim Erich er­zäh­len, der im Wahn­sinn, als Ge­fan­ge­ner sei­nes Bru­ders Jo­hann und wahr­schein­lich durch den­sel­ben er­mor­det, ge­stor­ben war: von der Un­bän­dig­keit sei­nes Wis­sens­dran­ges und sei­ner Erobe­rungs­sucht; denn nicht nur hät­te Schwe­den sei­ner un­er­sätt­li­chen Be­gier kei­ne Ge­nü­ge ge­tan, son­dern, er­zähl­te Skyt­te, wenn die Erde sein ge­we­sen wäre, wür­de er sich über die Ster­ne ha­ben aus­brei­ten wol­len; dann wie zu­wei­len eine ur­al­te heid­nische Wild­heit in ihm auf­ge­kocht sei, in der er nach Blut ge­lechzt habe wie ein Wolf, und wie er ein­mal in ei­ner sol­chen Ra­se­rei die Sture, die ihm trotz­ten, mit ei­ge­nen Hän­den er­schla­gen habe; dann wie er voll Mu­sik ge­we­sen sei und ih­rer so mäch­tig, dass in der Zeit sei­ner Ge­fan­gen­schaft und sei­nes Wahn­sinns Kö­nig Jo­hann ihm die Lau­te habe fort­neh­men las­sen, da­mit die Sü­ßig­keit sei­ner Ge­sän­ge nicht die Ker­ker­meis­ter be­tö­re.

Es mach­te Skyt­te schwe­ren Kum­mer, dass sein Zög­ling sich in den Jüng­lings­jah­ren mehr dem Oxens­tier­na an­schloss, dem er als ei­nem von Adel miss­trau­te und des­sen Ein­fluss er für ge­fähr­lich hielt, weil er glaub­te, dass er Gu­stav Adolf in sei­ner Nei­gung zu ei­ner krie­ge­ri­schen, weit aus­grei­fen­den Po­li­tik be­stär­ke. Nach sei­ner Mei­nung war es die Auf­ga­be ei­nes schwe­di­schen Kö­nigs, Frie­den und Ord­nung im In­nern des Rei­ches her­zu­stel­len, wo der Adel eben­bür­tig und auf die kö­nig­li­che Vor­herr­schaft ei­fer­süch­tig, wo die Städ­te arm und das Ge­wer­be un­ent­wi­ckelt sei, nicht aber, das so viel­fach be­dürf­ti­ge Reich zu ver­grö­ßern. Gu­stav Adolf ließ es sich an­ge­le­gen sein, Skyt­tes Emp­find­lich­keit zu be­schwich­ti­gen, und hat­te dar­über eine Un­ter­re­dung mit ihm im Schloss, wo er sich etwa ein Jahr nach sei­ner Thron­be­stei­gung wäh­rend der Frie­dens­ver­hand­lun­gen mit Dä­ne­mark auf­hielt.

Er habe un­recht, be­gann er ge­gen Skyt­te, Oxens­tier­na zu miss­trau­en, der ihn lie­be und es treu mit ihm mei­ne. Ja, sag­te Skyt­te, in­dem er sich be­däch­tig sei­nen schwar­zen ge­ga­bel­ten Bart strich, des­sen En­den ge­floch­ten und von ei­ner ro­ten Schnur durch­zo­gen wa­ren, ja, so treu es ein Ad­li­ger mit sei­nem Kö­nig mei­nen kön­ne, dem er sich im Grun­de über­le­gen füh­le.

Gu­stav Adolf zö­ger­te einen Au­gen­blick, dann lach­te er und sag­te, am letz­ten Ende sei es doch das Volk, das den Kö­nig am we­nigs­ten lie­ben kön­ne; es hal­te nur zu ihm, so­lan­ge der Adel es drücke.

Wenn das wahr sei, sag­te Skyt­te, sei es ein schlech­tes Zei­chen für die Kö­ni­ge. »Was willst du?« sag­te Gu­stav Adolf, »sie sind nun ein­mal da, so wie Gott da ist. Möch­test du auch aus dem Him­mel eine Re­pu­blik ma­chen? Ei­ner muss die Zü­gel füh­ren, und das wer­de ich tun trotz Oxens­tier­na.«

Er wol­le es glau­ben, er­wi­der­te Skyt­te; aber der Mensch fol­ge auch un­be­wusst dem Rat, der ihm be­stän­dig ins Ohr fal­le. Er wis­se wohl, was Oxens­tier­na im Sin­ne habe: er wol­le den Kö­nig durch Krieg be­schäf­ti­gen, da­mit sich der Adel da­heim des Steu­ers wie­der be­mäch­ti­gen kön­ne. Da­rum we­cke er in Gu­stav Adolf die Erin­ne­rung an das alte skan­di­na­vi­sche Drei­kö­nig­reich und rei­ze ihn ge­gen Dä­ne­mark, mit dem er es doch nicht auf­neh­men kön­ne.

Nein, rief der jun­ge Kö­nig rasch und hef­tig auf­sprin­gend, wenn er es wis­sen wol­le, so sei es um­ge­kehrt. Er, ja er, hät­te sich blind auf den Kö­nig von Dä­ne­mark stür­zen und ihn am liebs­ten mit den Hän­den er­wür­gen mö­gen, den auf­ge­bla­se­nen Prah­ler, der sich er­dreis­tet hät­te, ihn mit sei­ner Flot­te bis in das Schloss von Stock­holm zu be­un­ru­hi­gen! Oxens­tier­na sei es, der ihm zu­re­de und vor­stel­le, er müs­se jetzt an sich hal­ten, bis er sei­ne Flot­te ver­stärkt und ein tüch­ti­ges Heer for­miert und es im Kamp­fe mit schwä­che­ren Fein­den ge­übt habe. Er sei we­der eine Pup­pe in Oxens­tier­nas Hän­den noch ein Schwäch­ling, der sich vor dem Kö­nig von Dä­ne­mark ver­krie­che, das wol­le er sei­ner­zeit be­wei­sen!

Skyt­te trat einen Schritt zu­rück und be­trach­te­te nicht ohne Wohl­ge­fal­len die hohe und brei­te Ge­stalt des blon­den Kö­nigs­kna­ben, der auf ihn zu­ge­sprun­gen war und mit blit­zen­den Au­gen dro­hend vor ihm stand. »Es scheint zu­wei­len«, sag­te er sin­nend, »als hät­te ein Ge­schlecht nur einen ein­zi­gen durch die Zeit sich stre­cken­den Rie­sen­leib; denn so, wie du jetzt vor mir stehst, den­ke ich mir dei­nen Oheim, den un­glück­se­li­gen Erich Wasa.«

»Und warum nicht?« sag­te Gu­stav Adolf, »habe ich doch sein Blut in mei­nen Adern.«

»Das Blut der Wasa«, sag­te Skyt­te, die Stirn zu­sam­men­zie­hend, »fließt nicht wie ein brei­ter, be­fah­re­ner Strom, son­dern wie die Ka­ta­rak­te des Nor­dens, die don­nern und schäu­men und hoch auf­sprit­zen.«

»Das ist rech­tes Kö­nigs­blut!« fiel Gu­stav Adolf rasch ein, des­sen blaue Au­gen leuch­te­ten.

Skyt­tes Ge­sicht ver­düs­ter­te sich im­mer mehr. »Wie könn­te ein Kö­nig wohl­tä­tig herr­schen«, sag­te er, »der sein ei­ge­nes Herz nicht bän­di­gen kann!« Nun, sag­te Gu­stav Adolf, es sei­en jetzt an­de­re Zei­ten als die sei­nes Groß­va­ters und sei­ner Ohei­me, und er habe wohl ihr Blut, aber einen an­de­ren Geist. Dass er sein Herz be­meis­tern kön­ne, be­wei­se er jetzt in der dä­ni­schen An­ge­le­gen­heit und wer­de es fer­ner tun; aber es blei­be doch wahr, dass ei­nes Kö­nigs Brust hei­ßer und be­gie­ri­ger sein müs­se als die an­de­rer Men­schen; denn in ihm schla­ge das Herz des gan­zen Vol­kes.

Wenn das wahr wäre, sag­te Skyt­te ei­gen­sin­nig, wür­de er, Gu­stav Adolf, die Schol­le lie­ben, die das Volk pflü­ge, nicht aber nach dem Mee­re trach­ten. Was frü­ge das Volk, das sein Le­ben auf den Schlacht­fel­dern ver­blu­ten las­sen müs­se, nach frem­den Län­dern, de­ren Schät­ze den Kö­nig zum Ty­ran­nen mach­ten?

Von plötz­li­cher Un­ge­duld über­wäl­tigt, schlug Gu­stav Adolf mehr­mals mit der ge­ball­ten Faust auf den Tisch und rief, was denn al­les dies hei­ßen sol­le? Er, Skyt­te, sei es ge­we­sen, der ihm als Kna­ben, wäh­rend er ihn an der Hand durch die stil­len ver­schnei­ten Wäl­der führ­te, von den Strö­men des Nor­dens er­zählt habe und wie man durch den Don­ner ih­rer Was­ser­fäl­le zu­wei­len die schmel­zen­de Har­fe kön­ne sin­gen hö­ren, die der Neck spie­le. Er, Skyt­te, sei es ge­we­sen, der ihm zu­erst von sei­nem Groß­va­ter Gu­stav Wasa und von sei­nen Ohei­men er­zählt und sei­ne Brust mit Träu­men sei­nes un­ge­heu­ren Ge­schlechts er­füllt habe. Wa­rum er das ge­tan hät­te? Wa­rum er sei­nen Groß­va­ter den Hort Schwe­dens und die Son­ne des Nor­dens ge­nannt hät­te? Nun schel­te er ihn, weil er Wolfs­blut habe und Kö­nig sei.

Skyt­te sah den er­zürn­ten Jüng­ling er­staunt an und be­dach­te sich eine lan­ge Wei­le. »Je­ner war ein Bau­ern­kö­nig«, sag­te er, »dar­um lieb­te ich ihn.«

Ob er das etwa nicht sei, sag­te Gu­stav Adolf eif­rig. Ob ihm die Bau­ern nicht zu­ju­bel­ten und an­hin­gen? Aus sei­nen Bau­ern wol­le er ein un­be­sieg­ba­res Heer ma­chen und un­s­terb­li­che Ta­ten mit ih­nen tun. Er ver­ach­te die Tu­gen­den der Bau­ern nicht, ihre Ge­nüg­sam­keit und Rau­heit sei ihm mehr wert als weich­li­che Bil­dung. Was er zu tun vor­ha­be, wer­de er zum Woh­le des schwe­di­schen Vol­kes tun und zum Heil und Ruhm des rei­nen Chris­ten­glau­bens, des­sen Be­ken­ner er sei.

Als Skyt­te ihn ver­las­sen hat­te, hing Gu­stav Adolf noch lan­ge den mäch­tig durch­ein­an­der­flu­ten­den Ge­dan­ken nach, die das Ge­spräch in ihm er­regt hat­te. Das leicht aus Holz ge­bau­te Schloss, in dem er sich be­fand, beb­te zu­wei­len von den Stö­ßen des von ei­nem star­ken Wind an die Küs­te ge­schleu­der­ten Mee­res, ohne dass es dem Träu­men­den zum Be­wusst­sein kam. Er dach­te an das, was er dem dä­ni­schen Kö­nig ge­gen­über be­reits durch­ge­setzt hat­te, dass er näm­lich wie je­ner Wap­pen und Ti­tel der drei skan­di­na­vi­schen Kö­nig­rei­che füh­ren durf­te und dass er ihm die große Sum­me, die er ihm zu zah­len sich ver­pflich­te­te, nicht als Schul­dig­keit oder Tri­but, son­dern als frei­wil­li­ges Ge­schenk leis­te­te. Vie­le Ge­sandt­schaf­ten wa­ren dar­über hin und her ge­gan­gen und vie­le Ver­hand­lun­gen ge­pflo­gen, und auf kei­ne der an­züg­li­chen Prah­le­rei­en Kö­nig Chris­tians war er ihm die Ant­wort schul­dig ge­blie­ben. Das moch­te der Welt we­nig schei­nen, und es kos­te­te ihn vie­le Mühe, sich mit so ver­steck­ten, ei­ner Nie­der­la­ge ab­ge­run­ge­nen Er­fol­gen zu be­gnü­gen; aber einst wür­den sie sei­ne Mä­ßig­keit und Weis­heit be­wun­dern und be­grei­fen, um welch he­ro­i­scher Zie­le wil­len er sei­ne An­sprü­che und sei­nen Mut ge­zü­gelt hat­te. Die Zeit wür­de kom­men, wo Chris­ti­an IV., der ver­meint­li­che Rie­se des Nor­dens, klein­ge­beugt vor ihm wei­chen wür­de, wo sei­ne An­ge­le­gen­hei­ten die des gan­zen Erd­krei­ses sein wür­den. Er fürch­te­te we­der ihn noch die an­ma­ßen­den Han­se­städ­te, noch die rei­chen hol­län­di­schen Staa­ten, die Grie­chen der neu­en Zeit, noch Eng­land, noch sei­nen Vet­ter, den pol­ni­schen Kö­nig Si­gis­mund, der ihm die Kro­ne strei­tig mach­te, und am we­nigs­ten den gicht­brü­chi­gen Je­sui­ten­kai­ser mit­samt sei­ner spa­ni­schen Ver­wandt­schaft, die je­nen of­fen und heim­lich un­ter­stütz­ten; es war eine un­aus­sprech­li­che Ge­wiss­heit in ihm, dass er, wenn er ein­mal sei­ne gan­ze Kraft aus­strö­men lie­ße, über sie alle hin­aus­gin­ge. Er war nur der arme Schwe­den­kö­nig; aber sein war das sal­zi­ge Meer, das einen Ring um die Erde schloss. Wäh­rend in grau­er Vor­zeit die Völ­ker des Fest­lan­des mit­ein­an­der um die Erde strit­ten, hat­ten die Nord­män­ner das Meer un­ter­jocht, das Ur­ele­ment, das Län­der ge­biert und ver­schlingt. Über das Meer hin rausch­ten sie auf ge­flü­gel­ten Dra­chen und grün­de­ten stol­ze Staa­ten mit­ten in der Won­ne des Sü­dens. Auch er woll­te nun rei­sen und die Welt se­hen. So­wohl Skyt­te wie Oxens­tier­na hat­ten Deutsch­land be­reist und ihm von sei­nen Wun­dern viel er­zählt; seit­dem lieb­te er es, sich das ur­al­te Reich vor­zu­stel­len, schwer von Ruhm und Weis­heit, ge­heim­nis­voll star­rend und glü­hend von den Ju­we­len sei­ner Städ­te, die wie köst­li­che Schrei­ne den hei­li­gen Staub von Jahr­hun­der­ten ver­wahr­ten. Da wa­ren die han­dels­mäch­ti­gen Han­se­städ­te Bre­men, Lü­beck, Stral­sund, Braun­schweig, Mag­de­burg, mit dem stren­gen Prunk und der kampf­ge­krön­ten Ehre ih­rer Rat­häu­ser, mit ih­ren Do­men, die Bur­gen Got­tes gli­chen, mit der ge­bie­te­ri­schen Wucht ih­rer Mau­ern und Tür­me. Dann öff­ne­ten sich die rei­zen­den Ge­fil­de des Sü­dens, durch wel­che Rhein, Main und Neckar, Do­nau und vie­le an­de­re Strö­me, trau­be­num­rankt und se­gen­trie­fend, sich er­gos­sen, wi­der­spie­gelnd die him­mel­ho­hen Tür­me des gol­de­nen Mainz, die rei­chen Märk­te Frank­furts, die strot­zen­den Kauf­häu­ser Ulms, das bil­der­pran­gen­de Augs­burg und das kö­nig­li­che Prag. Es schi­en ihm un­be­greif­lich, dass die Kai­ser, in de­ren Hän­de noch dazu die neu­en Reich­tü­mer Spa­ni­ens flos­sen, dass die vie­len, von ge­lehr­ten Rä­ten um­ge­be­nen Fürs­ten, die Her­ren al­ler die­ser Macht und Pracht, so rat­los und hilf­los nach aus­län­di­schem Bei­stand such­ten, un­fä­hig, sich aus der Ver­wir­rung, in die sie sich selbst ge­bracht hat­ten, zu lö­sen oder ge­walt­sam zu rei­ßen. Wa­ren sie ent­ar­tet oder ver­weich­licht, oder war es viel­leicht Got­tes Rat­schluss, der sie ver­blen­de­te, um eine neue Herr­lich­keit zu sei­ner Ehre über den Trüm­mern zu er­rich­ten? Woll­te er sich aus den ge­stürz­ten Säu­len der al­ten ver­rot­te­ten Kaiser­herr­lich­keit ein Je­ru­sa­lem bau­en, an des­sen Al­tä­ren dem wah­ren Glau­ben ge­dient wur­de? Und wies sein all­mäch­ti­ger Fin­ger auf ihn als den Bau­meis­ter, der das himm­li­sche Werk grün­den soll­te? Er hat­te Au­gen­bli­cke, wo er sich fühl­te, als sei er aus­er­wählt, et­was Gro­ßes zu voll­brin­gen, und wo er sei­ne Brust von dem Got­tes­wil­len ge­schwellt glaub­te, der in ihm wirk­te.

 

Er nahm sei­ne Lau­te von der Wand und griff träu­mend ein paar Ak­kor­de; es ging ihm plötz­lich durch den Sinn, dass er alle die­se Herr­lich­keit, ja die Welt hin­ge­ben wür­de um den Be­sitz ei­nes Mäd­chens, das er lieb­te und auf die er, so sag­ten Oxens­tier­na so­wohl wie sei­ne Mut­ter, ver­zich­ten müs­se, weil sie zwar ad­li­gen, aber nicht fürst­li­chen Stan­des war. Wenn die Leu­te erst ein­mal merk­ten, sag­te Oxens­tier­na, dass die Grä­ben zwi­schen den Stän­den sich über­sprin­gen lie­ßen, wür­de kei­ner mehr Un­ter­tan sein wol­len. Das Hei­ra­ten sei ein Ge­schäft, und je­der wol­le doch ein gu­tes Ge­schäft ma­chen, bei dem er sich ver­bes­se­re. Hei­ra­te er eine vom Adel, das wür­de Ein­mi­schun­gen, Ein­re­den und Über­grif­fe der Ver­wandt­schaft, Ei­fer­sucht der an­de­ren ge­ben; an­statt des­sen kön­ne ein fürst­li­cher Schwie­ger­va­ter ihm im Not­fall Ver­stär­kung ge­ben und sein An­se­hen er­hö­hen. Zu sei­ner Mut­ter sag­te er, dass die Ge­lieb­te klü­ger und fei­ner sei als alle Kö­nigs­töch­ter der Welt und dass er, in­dem er sie hei­ra­te, sie zur Kö­ni­gin ma­che; wor­auf sei­ne Mut­ter ent­geg­ne­te: was Herz und Geist ei­nes Men­schen tau­ge, gehe Gott an, die Men­schen müss­ten nun ein­mal nach Ti­tel und Stand un­ter­schei­den. Wer in der Welt fort­kom­men wol­le, müs­se das Welt­li­che und Gött­li­che aus­ein­an­der­hal­ten, denn das bei­des ver­mi­sche sich nicht. Wol­le man sich das Ge­bäu­de ir­di­schen Wohl­er­ge­hens er­rich­ten, müss­te man Stein und Mör­tel, Holz und Bal­ken dazu neh­men. Lie­be, Groß­mut, Mit­leid und Fröm­mig­keit, das sei al­les gut an sei­nem Ort, nur dür­fe es kei­ne Fol­gen im Welt­li­chen ha­ben. Es ste­he des­halb auch ge­schrie­ben, der Mensch kön­ne nicht Gott die­nen und dem Mam­mon. Ach und die Lie­be! Er wer­de doch ein paar war­me Näch­te nicht mit sei­nem Le­ben be­zah­len? Sei­ner Mut­ter kön­ne er ver­trau­en: an die Lie­be glau­be nur, wer nie ein Ge­lieb­tes be­ses­sen habe.

Dies al­les leuch­te­te Gu­stav Adolf nicht ein; denn gab es über­haupt Vor­schrif­ten für einen Wil­len? Mach­te ein Wil­le nicht alle Er­fah­run­gen und Ge­set­ze schmel­zen wie die Son­ne den Schnee? Er, er soll­te nicht zu­gleich in der Welt herr­schen und Gott die­nen kön­nen? Den­noch brach­te er die Vor­stel­lung nicht wie­der aus dem Sinn, wie die ver­schwä­ger­te Adels­sip­pe ihn be­ein­träch­ti­gen und be­läs­ti­gen wür­de, wäh­rend ver­wand­te Fürs­ten, etwa im Reich, sein An­se­hen he­ben und sei­ne Macht ver­stär­ken könn­ten. Gera­de eine sol­che Hei­rat wür­de ihn in den Stand set­zen, Gott zu die­nen, in­dem er sei­ne An­hän­ger um sich schar­te und, von ih­nen un­ter­stützt, sei­ne Wi­der­sa­cher be­kämpf­te.