Der Dreißigjährige Krieg

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Der Pfalz­graf von Zwei­brücken, ein bie­de­rer, un­ge­stü­mer Herr, der es nicht an­ders wuss­te, als dass die Pro­tes­tan­ten Söh­ne des Lichts und die Ka­tho­li­ken Söh­ne der Fins­ter­nis wä­ren, und die letz­te­ren be­kämpf­te, wie und wo er ver­moch­te, miss­trau­te der Ja­ko­be, die erst kürz­lich vom Papst durch die Gol­de­ne Rose aus­ge­zeich­net wor­den war; aber als er in das Trei­ben am Düs­sel­dor­fer Hofe mit ei­ge­nen Au­gen hin­einsah, ge­wann es da­mit eine an­de­re Ge­stalt. Es wur­de deut­lich, dass der erz­ka­tho­li­sche Schen­kern, der es mit Spa­ni­en hielt, und Si­byl­le, die täg­lich lan­ge Brie­fe voll Heim­lich­kei­ten an die je­sui­ti­schen Wit­tels­ba­cher in Mün­chen schrieb, ihre Fein­de wa­ren und sie in al­len ih­ren Rech­ten kränk­ten.

Die pro­tes­tan­ti­schen Stän­de, Graf von Fal­ken­stein, die Her­ren von Bon­gart, Ors­beck und Palland, mit de­nen der Pfalz­graf sich in Ver­bin­dung setz­te, er­zähl­ten, die arme Her­zo­gin sei übel dar­an; ob­wohl sie stolz und lei­den­schaft­lich sei, ver­mö­ge sie al­lein nichts wi­der Schen­kern, der kei­nen Zip­fel der Macht aus den Hän­den las­sen wol­le. Des­halb be­die­ne sie sich ih­rer, der Stän­de, um ih­ren Wil­len durch­zu­set­zen; so­wie es sich aber dar­um hand­le, ih­nen den Preis zu be­wil­li­gen, um den sie ar­bei­te­ten, näm­lich die Dul­dung ih­res Be­kennt­nis­ses, so wei­che sie aus und zür­ne wohl gar, dass man ihr, der Her­zo­gin, eine Rech­nung ma­che, an­statt ihr um­sonst zu die­nen. Schen­kern wür­de sich dem Teu­fel ver­schrei­ben, um die Macht zu be­hal­ten, ja hät­te es ei­gent­lich schon ge­tan, da er mit den Spa­ni­ern im ge­hei­men Bun­de sei. Es sei weit und breit kei­ne Hil­fe für die Her­zo­gin als bei ih­nen, möch­te sie es nur ein­se­hen! Sie ih­rer­seits setz­ten ihre Hoff­nung auf die pro­tes­tan­ti­schen Er­ban­spre­cher, de­nen sie gern den Weg ins Land bah­nen woll­ten.

Wie stür­misch des Pfalz­gra­fen Sinn auch war, wuss­te er doch, dass er sich einst­wei­len noch zu­rück­hal­ten muss­te, be­son­ders weil das Erbrecht sei­ner Frau durch einen Ver­zicht, den sie bei der Hei­rat ge­tan hat­te, zwei­fel­haft und sein Land zu klein und un­aus­gie­big war, als dass er ver­ein­zelt et­was hät­te aus­rich­ten kön­nen. Zu­nächst rie­fen die strei­ten­den Par­tei­en die höchs­te Macht des Kai­sers an, und Ge­sand­te und Be­voll­mäch­tig­te reis­ten zwi­schen Prag und Düs­sel­dorf er­geb­nis­los hin und wi­der. Die In­struk­tio­nen Kai­ser Ru­dolfs wa­ren näm­lich dar­auf zu­ge­rich­tet, dass der Zu­stand wo­mög­lich er­hal­ten blie­be, in dem alle Par­tei­en sich die Waa­ge hiel­ten, und höchs­tens etwa Schen­kern ein we­nig ge­schützt wür­de, von dem man sich am ehe­s­ten Nut­zen ver­sprach; denn so blieb der Kai­ser Schieds­rich­ter und konn­te nach dem Aus­ster­ben der re­gie­ren­den Fa­mi­lie de­sto bes­ser die Beu­te an sich rei­ßen.

Zu­wei­len war Ja­ko­be nie­der­ge­schla­gen und wein­te ver­stoh­len, um nach­her de­sto fröh­li­cher zu sein. Es ge­hör­te zu ih­rem Hof­staat ein Narr, den sie wohl lei­den moch­te, weil er sie je­der­zeit zum La­chen brach­te. Er hat­te ein bart­lo­ses Ge­sicht, dem nicht an­zu­se­hen war, ob er jung oder alt sei, und eine jäm­mer­li­che Mie­ne, ob­wohl er sich ge­wöhnt hat­te, sei­nem Be­ru­fe ge­mäß be­stän­dig Spä­ße zu ma­chen, ja auch das Ernst­haf­te in al­ber­ner Form vor­zu­brin­gen. Ja­ko­be pfleg­te stun­den­lang tol­les Zeug mit ihm zu schwat­zen und lach­te bis zu Trä­nen da­bei, be­son­ders wenn ihre Schwä­ge­rin Si­byl­le da­zu­kam und schee­le Bli­cke auf ihre Aus­ge­las­sen­heit warf. Ein­mal be­riet sie mit dem Nar­ren, was sie an­stel­len könn­ten, um ih­ren schwer­mü­ti­gen Ge­mahl zu er­hei­tern, und nach al­ler­lei Vor­schlä­gen, mit de­nen sie sich ge­gen­sei­tig stei­ger­ten, ka­men sie über­ein, der Narr sol­le Klei­der und Kopf­putz der Her­zo­gin an­le­gen und so zu Jan Wil­helm ge­hen und ihm schön­tun, wie wenn er Ja­ko­be wäre, was sie auch aus­führ­ten. Durch eine Spal­te der Tür sah Ja­ko­be zu, wie der Narr, den sie selbst aus­staf­fiert hat­te, sei­ne wei­ner­li­che Stim­me so süß an­schlug, wie er konn­te, um dem Kran­ken al­ler­lei ge­zier­te und fre­che Zärt­lich­kei­ten vor­zu­tra­gen, und ihn zu­letzt zu ei­nem Tänz­chen be­wog, wo­bei er sich ab­son­der­lich ver­dreh­te und mit der schwe­ren Schlep­pe ih­res Ge­wan­des schar­wen­zel­te. »Gott steh mir bei«, sag­te Ja­ko­be, wäh­rend sie den seuf­zen­den Nar­ren aus sei­ner Ver­mum­mung be­frei­te, »was für ein Scheu­sal bin ich in mei­nes Ge­mahls Au­gen! Mich nimmt wun­der, wie er doch al­le­we­ge so sehr in mich ver­liebt sein mag.«

In­des­sen muss­te Ja­ko­be wahr­neh­men, dass die An­häng­lich­keit ih­res Man­nes, der sie sich nach fast zehn­jäh­ri­ger Ehe und nach so vie­len Pro­ben si­cher wähn­te, ab­nahm, ja zu­wei­len sich in das Ge­gen­teil ver­kehr­te. Mein­te sie an­fäng­lich, dass es sich nur um eine der sinn­lo­sen Lau­nen hand­le, wie sei­ne Krank­heit sie mit sich brach­te, so über­zeug­te sie sich all­mäh­lich, dass et­was an­de­res da­hin­ter­steck­te, und rich­te­te ih­ren Ver­dacht auf Schen­kern, der nebst sei­nen An­hän­gern den Her­zog häu­fig be­such­te und auf ihn ein­re­de­te. Als sie nun den Die­nern Be­fehl gab, nie­man­den mehr ohne ihr Wis­sen zu ih­rem Ge­mahl zu las­sen, kam ei­nes Ta­ges Herr von Os­sen­bruch, in al­len Din­gen Schen­kerns Hel­fer und Ge­sel­le, das Kam­mer­fräu­lein bei­sei­te schie­bend in ihr Ge­mach und be­klag­te sich, dass sie den Her­zog ab­sper­re.

Wie er sich er­dreis­ten kön­ne, so gröb­lich zu ihr her­ein­zu­fah­ren, herrsch­te sie ihn an. Sie sol­le ihn doch nicht für ih­ren Feind an­se­hen, sag­te nun Os­sen­bruch, sie sei ein viel zu schö­nes Weib­chen, als dass ein Mann sie has­sen kön­ne. Sie ste­he ja auch so ver­las­sen da, und wenn sie des Tros­tes be­dür­fe, möch­te sie sich doch an ihn hal­ten, er sei ein Mann für zehn Män­ner, er sei ein Fels, sie sol­le es nur mit ihm ver­su­chen, und so wei­ter. Wie er ihr da­bei zu­dring­lich nä­her kam und sein duns­ti­ger Atem sie streif­te, rief sie, er sei be­trun­ken und sol­le sie auf der Stel­le ver­las­sen, was er aber nicht für Ernst nahm; so schlug sie ihn mit der Hand in das ge­dun­se­ne Ge­sicht und ge­bot den Die­nern, die in­zwi­schen her­bei­ge­eilt wa­ren, ihn fort­zu­schaf­fen.

Hier­über kam es zu ei­nem Streit mit Schen­kern, der Ge­nug­tu­ung für den sei­nem Freun­de zu­ge­füg­ten Schimpf for­der­te, wäh­rend Ja­ko­be ver­lang­te, dass Os­sen­bruch be­straft und dass sie ins­künf­tig vor ähn­li­cher Un­ge­bühr ge­si­chert wür­de. Es wun­de­re ihn, sag­te Schen­kern, was für über­spann­te Prä­ten­tio­nen sie stel­le, da sie doch ihre Pf­lich­ten als Ge­mah­lin des Her­zogs nicht er­fül­le, viel­mehr ih­ren Mann ein­schlie­ße, um al­lein zu herr­schen, ihm auch nicht ein­mal einen Er­ben ge­bo­ren habe, was ihn füg­lich ver­an­las­sen könn­te, das un­frucht­ba­re Bünd­nis auf­zu­lö­sen, wo­für es an Bei­spie­len aus der al­ten und neu­en Ge­schich­te nicht feh­le. Mit spöt­ti­schem Lä­cheln ent­geg­ne­te Ja­ko­be, er habe wohl ver­ges­sen, dass sie und ihr Ge­mahl der hei­li­gen ka­tho­li­schen Kir­che an­ge­hör­ten, wel­che die Ehe­schei­dung nicht zu­las­se; so­lan­ge sie am Le­ben sei, kön­ne der Her­zog nur Ba­star­de zeu­gen, wenn er über­haupt dazu fä­hig sei.

Schen­kern ant­wor­te­te dar­auf nicht; denn es traf ihn, dass sie recht ha­ben könn­te: so­lan­ge sie am Le­ben sei, wür­de er nichts Durch­grei­fen­des aus­rich­ten kön­nen. Es war in der Tat un­wahr­schein­lich, dass der Papst sich zur Schei­dung der Ehe be­reit­fin­den las­sen wür­de; woll­te er, Schen­kern, den Her­zog an­der­wei­tig ver­mäh­len, so müss­te Ja­ko­be ster­ben. Nach­dem er sich dies eine kur­ze Zeit hat­te durch den Kopf ge­hen las­sen, schrieb er an den Dok­tor So­len­an­der, der mit Gif­ten wie mit Heil­mit­teln Be­scheid wuss­te, weil es zum ge­mei­nen Nut­zen not­wen­dig sei, sol­le er die Her­zo­gin Ja­ko­be, die den Tod viel­fach aus die­sen und je­nen Grün­den ver­dient habe, ganz heim­lich mit ei­nem ge­eig­ne­ten Gif­te, das etwa ei­ner Arz­nei oder den Spei­sen bei­ge­mischt wer­den kön­ne, ver­ge­ben; zu­gleich ihn mit nicht aus­blei­ben­der schreck­li­cher Stra­fe be­dro­hend, falls er von dem hei­klen Ge­schäft et­was ruch­bar wer­den lie­ße.

So­len­an­der be­ant­wor­te­te dies Schrei­ben mit ei­nem Brie­fe des In­halts: Ei­nem Arz­te, der im Na­men Got­tes die Kunst, zu hei­len und die Men­schen an Leib und Le­ben zu för­dern, aus­übe, sei es de­sto schänd­li­cher, sei­ne Wis­sen­schaft zum Zwe­cke des Mor­des zu be­nüt­zen, und we­der die Furcht vor Ra­che noch die Gier nach Be­loh­nung wür­de ihn je dazu be­we­gen, sich an ir­gend­je­man­dem, ge­schwei­ge an der Her­zo­gin zu ver­grei­fen. Habe die­sel­be eine Schuld auf sich ge­la­den, so soll­ten Rich­ter, de­nen es zu­ste­he, dar­über er­ken­nen; er sei aber der Mei­nung, wenn er auch den Staats­ge­schäf­ten fern­ste­he, dass sie sich kein so bar­ba­ri­sches Ur­teil mit Recht zu­ge­zo­gen habe, da viel­mehr, selbst wenn sie aus Ju­gend und Un­be­dacht sich ein­mal ver­fehlt hät­te, die trau­ri­ge und höchst schwie­ri­ge Lage, in die sie un­vor­be­rei­tet ge­ra­ten sei, sie von je­dem Vor­wurf frei­spre­chen müs­se.

Nicht ohne Be­sorg­nis be­trach­te­te So­len­an­der seit­dem die Her­zo­gin, die er von dem Mord­wil­len ei­nes fast all­mäch­ti­gen Man­nes um­kreist wuss­te, und er sann ver­geb­lich, wie sie aus dem Feu­er­gür­tel, der sie um­zün­gel­te, zu ret­ten sei. Das ge­fähr­li­che Ge­heim­nis je­man­dem an­zu­ver­trau­en, wag­te er nicht; es hät­te wohl auch nicht ein­mal ein Fürst den Ge­walt­ha­ber, der den Kai­ser und so­gar den Kö­nig von Spa­ni­en hin­ter sich hat­te, auf das blo­ße Zeug­nis ei­nes an einen Arzt ge­rich­te­ten Brie­fes zu stür­zen un­ter­neh­men dür­fen. Ge­le­gent­lich ließ er ein war­nen­des Wort ge­gen Ja­ko­be fal­len, sie sol­le doch Nach­gie­big­keit und Vor­sicht üben, da sie bei der trau­ri­gen und lei­der un­heil­ba­ren Krank­heit des Her­zogs ei­ner Wit­we gleich­zu­stel­len und schutz­los den grau­sa­men Un­bil­den des Le­bens preis­ge­ge­ben sei; aber sie lach­te ihn aus in der Mei­nung, Gott sei ih­res Rech­tes und ih­rer gu­ten Ab­sicht be­wusst und wer­de sie so oder so am Ende zum Tri­um­phe füh­ren.

 

In­des­sen hat­te Schen­kern be­schlos­sen, da So­len­an­der ver­sag­te, die Her­zo­gin durch die An­kla­ge auf ein Ka­pi­tal­ver­bre­chen zu stür­zen, und war eif­rig be­müht, den Stoff dazu zu­sam­men­zu­brin­gen. Des­halb nä­her­te er sich all­mäh­lich der Si­byl­le, die küm­mer­lich und sor­gen­voll als eine frei­wil­lig Ge­fan­ge­ne im Schlos­se leb­te und sich ge­gen je­der­mann be­klag­te, dass die Schwä­ge­rin sie nicht zu ih­rem Bru­der las­se und dass sie seit dem Tode ih­res Va­ters ver­ach­tet und ver­sto­ßen in ste­ten Ängs­ten le­ben müs­se. Er hin­ter­brach­te ihr, wie das Un­kraut der Ket­ze­rei im Lan­de fort­wu­che­re, da es nicht aus­ge­reu­tet wer­de, son­dern un­ter dem Schut­ze der Her­zo­gin sich frech aus­sprei­zen kön­ne; wie die pro­tes­tan­ti­schen Fürs­ten sich schon als Her­ren ge­bär­de­ten und wie man ihr, der Si­byl­le, zu gu­ter Letzt auch noch einen ket­ze­ri­schen Ge­mahl auf­zwin­gen wer­de.

Das sol­le nie­mals ge­sche­hen, sag­te Si­byl­le, lie­ber wol­le sie un­ter aus­ge­such­ten Mar­tern ster­ben; sie habe es aber auch schon be­merkt, dass man sie her­um­zu­krie­gen hof­fe.

Wenn sie nur eine Stüt­ze an ih­rem Bru­der hät­te, sag­te Schen­kern. Es sei doch wun­der­lich, wie Jan Wil­helm vor der Hoch­zeit ein so ge­sun­der, from­mer und treff­li­cher Herr ge­we­sen sei und wie mit dem Ein­zu­ge der Ja­ko­be das Un­we­sen sei­nen An­fang ge­nom­men habe.

Nie­mals habe sie ihr trau­en mö­gen, sag­te Si­byl­le; schau­rig sei es ihr über die Haut ge­lau­fen, als sie sie zu­erst er­blickt habe, und auch ihr ar­mer Bru­der habe oft wun­der­li­che Re­den über sie ge­führt, wenn er sich auch nicht of­fen her­aus­ge­traut hät­te, da er of­fen­bar von ihr ver­strickt und ver­zau­bert ge­we­sen sei. Dass sie ihm nie­mals mit rech­ter ehe­li­cher Lie­be zu­ge­tan ge­we­sen sei, kön­ne sie, Si­byl­le, ge­nug­sam be­wei­sen; was für Teu­fe­lei­en sie mit ihm und ih­nen al­len vor­ha­be, wis­se kei­ner ge­nau, und es sei wohl an­ge­zeigt, sich recht­zei­tig in De­fen­si­on zu set­zen. Es hielt nicht schwer, die Prin­zes­sin in der Über­zeu­gung zu be­stär­ken, es wer­de nicht eher gut, als bis Ja­ko­be mit ih­ren Teu­fels­küns­ten fort­ge­räumt sei; dann erst wer­de es mit der Re­li­gi­on, dem Her­zog und dem gan­zen Lan­de wie­der in den al­ten Flor kom­men. Als eine flei­ßi­ge Schrei­be­rin setz­te Si­byl­le die Punk­te auf, durch wel­che ihre Schwä­ge­rin sich von An­fang an ver­däch­tig ge­macht habe, ging sie mit Schen­kern durch, der noch dies und je­nes hin­zu­setz­te, und gab das Ver­spre­chen, vor Ge­richt al­les münd­lich zu wie­der­ho­len und zu be­kräf­ti­gen, wenn der Pro­zess nur stracks an­ge­zet­telt und eif­rig ge­för­dert wür­de.

Bald da­nach kam Herr von Bon­gart in großer Er­re­gung zu Ja­ko­be: Schen­kern habe al­len Stän­den, Be­am­ten und her­zog­li­chen Die­nern an­ge­zeigt, der Her­zog wer­de un­ter dem Vor­ge­ben, dass er krank sei, von sei­ner Ge­mah­lin in ge­fäng­nis­haf­ter Ein­sper­rung ge­hal­ten; nie­mand sol­le ihr bei Stra­fe Lei­bes und Le­bens mehr die­nen, er wol­le den Her­zog be­frei­en, da­mit die Un­ter­ta­nen ih­res recht­mä­ßi­gen Herrn wie­der ge­nie­ßen könn­ten. Ja­ko­be sol­le nicht mei­nen, dass dies nur lee­re Dro­hun­gen wä­ren; man munkle schon, dass auf ein ge­ge­be­nes Zei­chen die Spa­nier ein­fal­len und eine neue Bar­tho­lo­mäus­nacht ver­an­stal­ten wür­den, wel­cher kei­ner ent­rin­nen soll­te, der re­for­mier­ten Glau­bens sei oder sich Schen­kern wi­der­set­zen wür­de. Die Her­zo­gin müs­se sich nun ent­schei­den, ob sie es mit ih­nen hal­ten wol­le, so woll­ten sie auch Gut und Blut an ihre Ret­tung wa­gen. Sie sol­le ih­rem Glau­ben in Frie­den an­hän­gen und ihn im Schlos­se aus­üben, eben­so soll­ten ihre Glau­bens­ge­nos­sen, so­fern sie sich be­schei­den hiel­ten, vor ge­walt­sa­mer Be­drän­gung si­cher sein; doch müs­se sie ih­rer­seits den Re­for­mier­ten ih­ren Glau­ben und sons­ti­ge Rech­te ver­bür­gen und ih­nen Si­cher­heit ge­gen die Spa­nier und Je­sui­ten ge­ben. Sie woll­ten sich jetzt mit ih­rem fürst­li­chen Wort zu­frie­den­stel­len, weil Ge­fahr im Ver­zu­ge sei, spä­ter, wenn sie erst freie Hand vor den Ty­ran­nen hät­ten, kön­ne der Ver­trag im ein­zel­nen aus­ge­macht wer­den.

Nein, rief Ja­ko­be auf­flam­mend, sie kenn­ten sie schlecht, wenn sie glaub­ten, dass sie et­was zur Ver­klei­ne­rung ih­rer Re­li­gi­on un­ter­neh­men wür­de. Dann wür­de Gott frei­lich die Hand von ihr ab­zie­hen, wenn sie Land und Leu­te den Ket­zern aus­lie­fer­te. Sie wol­le mit Hil­fe Got­tes und auf sei­ne Ge­rech­tig­keit bau­end al­ler ih­rer Fein­de Herr wer­den. Da­von war sie nicht ab­zu­brin­gen, so­dass Bon­gart nach lan­ger ver­geb­li­cher Un­ter­re­dung mit düs­te­rer Mie­ne das Schloss ver­ließ.

Ja­ko­be mein­te im Schlos­se si­cher wie in ei­ner Fes­tung zu sein; als aber die Dun­kel­heit des Abends her­ein­brach und sie vom Rhein her ein Plät­schern und Rau­schen zu hö­ren glaub­te, wur­de ihr ban­ge, und es fiel ihr ein, selbst an den Fluss zu ge­hen und den Fähr­leu­ten zu be­feh­len, dass sie wäh­rend der Nacht nie­man­den, wer es auch sei, über­setz­ten. Sie leg­te ih­ren Pelz an, denn es war Win­ter, und ging, nur von ei­ner ih­rer Kam­mer­frau­en be­glei­tet, zu den Hüt­ten der Fähr­leu­te, die ihr be­reit­wil­lig Ge­hor­sam zu­si­cher­ten. Über dem schwarz­blan­ken Stro­me wog­te kal­ter Dunst, und am Him­mel glit­zer­ten die Ster­ne mit Eis­glanz. Es könn­te leicht die käl­tes­te Nacht des Win­ters wer­den, sag­te ein Fähr­mann, in­dem er dem Rauch sei­nes Atems nach­blick­te. Sie wol­le ih­nen einen gu­ten Schlaf­trunk hin­un­ter­schi­cken, sag­te Ja­ko­be mun­ter; dann soll­ten sie sich aufs Ohr le­gen und aus­ru­hen, denn in die­ser Nacht sei ihr Dienst, kei­ne Diens­te zu leis­ten.

Wie ehr­lich die Fähr­leu­te es auch im Au­gen­blick mein­ten, stimm­ten sie doch die Ver­spre­chun­gen Schen­kerns und noch mehr sei­ne Dro­hun­gen rasch um; denn wer, dach­ten sie, wür­de sie her­nach vor sei­nem Zor­ne be­schir­men? und so setz­ten sie die Ver­schwo­re­nen mit ih­ren Knech­ten und Waf­fen nach­ein­an­der über den Strom. Auch im Schlos­se fan­den die­se nur ge­rin­gen Wi­der­stand, be­setz­ten es, quar­tier­ten Jan Wil­helm in die Ge­mä­cher sei­ner Ge­mah­lin ein und führ­ten Ja­ko­be un­ter höh­ni­schen Dro­hun­gen und an­züg­li­chen Spä­ßen in das Zim­mer, das er seit drei Jah­ren nie ver­las­sen hat­te. Sie sei die Zau­be­rin Cir­ce und habe ih­ren ei­ge­nen Ge­mahl als ein ver­ächt­li­ches Schwein in einen Ko­ben ge­sperrt; aber wie der rühm­li­che Held Odys­seus die Lis­ti­ge über­lis­tet habe, so müs­se sie nun selbst in den un­flä­ti­gen Kä­fig wan­dern, wo sie zu­vor das Op­fer ih­rer Teu­fels­küns­te ge­hal­ten hät­te.

Wie dann die förm­li­che An­kla­ge ans Licht trat, in wel­cher Ja­ko­be als eine Ehe­bre­che­rin und Zau­be­rin ab­ge­schil­dert war, die den Schei­ter­hau­fen ver­dient habe, ent­setz­te und ent­rüs­te­te sie sich zwar an­fäng­lich; aber sie trös­te­te sich ih­res Man­nes, der sie, wie sie mein­te, doch nicht ganz ver­ges­sen und ver­sto­ßen ha­ben könn­te, fer­ner des Kur­fürs­ten Ernst, des al­ten Her­zogs von Bay­ern, ih­res Pfle­ge­va­ters, und an­de­rer Freun­de, schließ­lich der Stell­ver­tre­ter Got­tes auf Er­den, des Paps­tes und des Kai­sers, wel­che bei­de oft­mals ihr vä­ter­li­ches Wohl­wol­len für sie um­ständ­lich an­ge­zo­gen hat­ten.

Was Jan Wil­helm an­be­langt, so be­kam er krampf­haf­te Zu­fäl­le, wenn man nur den Na­men sei­ner Frau nann­te, und schimpf­te sie Be­trü­ge­rin, Zau­be­rin und Hexe, die ihm zu­erst mit gott­lo­sen Rän­ken den Kopf krank ge­macht und ihn dann für toll aus­ge­ge­ben habe, um die Her­rin zu spie­len und sei­ner zu spot­ten. Als es ihr ver­mit­telst ein paar treu­er Die­ner ge­lang, ihm einen Brief zu­zu­spie­len, in dem sie ihn an die ehe­li­che Lie­be und Treue mahn­te und an­fleh­te, sie im Un­glück nicht zu ver­las­sen, ant­wor­te­te er ihr, er lie­be sie zwar im­mer noch zärt­lich, kön­ne ihr aber we­gen ih­rer Un­treue und Bos­heit nicht mehr ver­trau­en und stel­le al­les der Zu­kunft an­heim; und her­nach noch ein­mal, er wer­de nun eine neue, hüb­sche und jun­ge Ge­mah­lin neh­men, bei der er es gut ha­ben wer­de; mit ihr, Ja­ko­ben, habe er nichts mehr zu schaf­fen, und sie sol­le sich nicht un­ter­ste­hen, wie­der an ihn zu ge­lan­gen.

Trotz Schen­kerns und Si­byl­lens Ei­fer schlepp­te der Pro­zess sich lang­sam hin; denn die kai­ser­li­chen Ab­ge­ord­ne­ten wa­ren be­auf­tragt, nichts End­gül­ti­ges von sich zu ge­ben, viel­mehr die Sa­che hin­zu­spin­nen, umso mehr, als Ja­ko­ben nichts nach­zu­wei­sen war, was ein Ma­le­fi­z­ur­teil be­grün­det hät­te. An­de­rer­seits hät­te ein Frei­spruch die Ge­gen­par­tei bloß­ge­stellt und neue schwie­ri­ge Kno­ten ge­schürzt. In al­len Punk­ten ver­moch­te sich Ja­ko­be gut oder ge­nug­sam zu ver­tei­di­gen. Sie gab zu, al­ler­lei Mit­tel zur Hei­lung des Her­zogs ver­sucht zu ha­ben, so habe sie Zet­tel mit Sprü­chen in sein Wams ein­ge­näht, um Zau­ber und schäd­li­chen Ein­fluss von ihm fern­zu­hal­ten; aber die Ge­gen­par­tei, na­ment­lich Si­byl­le, hät­te der­glei­chen als et­was Üb­li­ches auch vor­ge­nom­men. Dok­tor So­len­an­der gab das Ur­teil ab, sol­che Mit­tel sei­en zwar aber­gläu­bisch und könn­ten Krank­hei­ten nicht über­win­den, eben­so­we­nig je­doch sie her­vor­ru­fen oder stei­gern. Dass sie Ehe­bruch be­gan­gen habe, be­stritt sie, wenn sie auch zu­ge­stand, dass ein ge­wis­ser jun­ger Edel­mann ihr gern und häu­fig auf­ge­war­tet habe. Der freund­li­che Um­gang mit ihm, sag­te sie, kön­ne ihr nicht als Sün­de an­ge­rech­net wer­den, da sie so ein­sam und freund­los, ei­ner Wit­we gleich, ge­lebt habe. Am we­nigs­ten ließ sich mit dem Ver­dacht der Ket­ze­rei aus­rich­ten, da sie die An­for­de­run­gen der pro­tes­tan­ti­schen Stän­de nie­mals wirk­lich be­wil­ligt hat­te und vie­le Zeu­gen aus­sag­ten, wie flei­ßig sie nicht nur stets die Mes­se be­sucht, son­dern auch die An­dacht in ih­rem Ge­mach ver­rich­tet hat­te. Als man ihr vor­warf, dass in dem fürst­li­chen Trau­er­hau­se, wo Gott, sei es zur Stra­fe oder zur War­nung, die Lich­ter aus­ge­bla­sen habe, so­dass die Be­woh­ner, vor­an Si­byl­le, in ei­nem La­by­rinth von Trüb­sal, Furcht und Grau­en um­her­ge­irrt wä­ren, man sie al­lein, Ja­ko­ben, al­le­zeit gu­ter Din­ge und zu Spä­ßen auf­ge­legt ge­se­hen habe, reck­te sie sich ein we­nig und sag­te, man habe sie in ih­rer Kind­heit ge­lehrt, es sei fürst­li­che Pf­licht und Tu­gend, den Kum­mer in sich zu ver­zeh­ren und den Un­ter­ta­nen ein hel­les Ant­litz zu zei­gen, wie die Son­ne von Gott be­stellt sei, der Erde Licht und Wär­me zu ge­ben, de­ren sie be­dür­fe und von sich aus nicht mäch­tig sei.

An hilfs­be­rei­ten Freun­den blie­ben Ja­ko­be in­des­sen doch nur zwei: der Kur­fürst Ernst von Köln, ihr Oheim,1 und der Land­graf von Leuch­ten­berg, ih­rer jün­ge­ren Schwes­ter Mann. Zwi­schen dem Kur­fürs­ten und den Jü­lich-Cle­ve­schen Rä­ten, näm­lich Schen­kern und sei­nem An­hang, schweb­te schon lan­ge eine Streit­sa­che, in­dem sie meh­re­re Äm­ter, die der Kur­fürst als ihm zu­ste­hend in An­spruch nahm, dem pro­tes­tan­ti­schen Gra­fen Bentheim ver­kauft hat­ten, was ihn dar­in be­stärk­te, sie für ei­gen­mäch­ti­ge, fre­vel­haf­te und nur den ei­ge­nen Nut­zen bezwe­cken­de Leu­te zu hal­ten. Sie ih­rer­seits sag­ten, man sehe wohl, warum er in Ja­ko­bens An­ge­le­gen­heit ihr Wi­der­sa­cher sei; sie hät­ten ihn ver­hin­dert, sich auf Kos­ten von Jü­lich-Cle­ve zu be­rei­chern, wo­bei ihm die Her­zo­gin wohl gern be­hilf­lich ge­we­sen wäre.

Dem Land­gra­fen von Leuch­ten­berg hät­te in frü­he­rer Zeit Ja­ko­be bes­ser an­ge­stan­den als ihre we­ni­ger schö­ne Schwes­ter, und er hat­te ihr eine ge­wis­se An­häng­lich­keit be­wahrt, ob­wohl sie nun bald vier­zig Jah­re alt war und die Zau­be­rei der Ju­gend nicht mehr aus­strahl­te. Da­ne­ben war es ihm ban­ge, die ge­walt­tä­ti­gen und räu­be­ri­schen Räte möch­ten sich des Ju­we­len­schat­zes der Ja­ko­be be­mäch­ti­gen, der nicht un­be­trächt­lich war und der, da sie kei­ne Kin­der hat­te, nach sei­ner Mei­nung ihm zu­fal­len muss­te, wenn sie etwa stür­be. In An­be­tracht ih­rer be­denk­li­chen, un­frei­en Lage hät­te er es an­ge­zeigt ge­fun­den, dass sie ihm die Kost­bar­kei­ten gleich jetzt in Ver­wah­rung gäbe, und such­te eine Ge­le­gen­heit, die Über­ga­be heim­lich zu be­werk­stel­li­gen. Der Land­graf konn­te die­sen Zu­schuss gut ge­brau­chen, denn er wa­te­te bis zum Hal­se in Schul­den und war oft nahe am Er­trin­ken. In­des­sen da er von Na­tur mun­ter und um­gäng­lich und dazu meis­tens be­trun­ken war, er­drück­te ihn die Sor­ge nicht, wenn er nur so viel auf­trieb, um das Le­ben in sei­ner Art wei­ter­zu­fris­ten. Sein ge­müt­li­ches We­sen mach­te ihn ge­eig­net, zwi­schen den strei­ten­den Par­tei­en im Rei­che zu ver­mit­teln, und so reis­te er im Auf­tra­ge des Kai­sers an den Hö­fen um­her und er­füll­te fröh­lich sei­ne Pf­licht, in­dem er bei vol­lem Hum­pen den ha­dern­den Fürs­ten güt­lich zu­re­de­te.

 

Es war Mai, als der Land­graf mit sei­ner Frau in Düs­sel­dorf an­kam und zu sei­ner Schwä­ge­rin in das Schloss ge­las­sen zu wer­den be­gehr­te. Die Wa­chen je­doch ga­ben ihm zu ver­ste­hen, dass das nicht an­ge­he, und trotz sei­ner Pro­tes­te muss­te er am Ende zu­frie­den sein, in ei­nem Wirts­hau­se vor der Stadt Quar­tier zu neh­men. Un­ter der Hand be­nach­rich­tig­te er die ge­fan­ge­ne Her­zo­gin, dass er da sei und nachts in ei­nem Boo­te vor ihr Fens­ter fah­ren und ver­su­chen wol­le, sich von dort­her mit ihr zu be­spre­chen. Ja­ko­be, wel­che we­nig Un­ter­hal­tung hat­te, harr­te wil­lig vom Ein­bruch der Dun­kel­heit an im Fens­ter und ver­trieb sich die Zeit mit bun­ten Erin­ne­run­gen aus ih­rer schö­nen Ju­gend. End­lich weck­te sie ein Gluck­sen und Rie­seln des Was­sers aus ih­ren Träu­men, wor­auf sie bald die Um­ris­se ei­nes nä­her glei­ten­den Na­chens wahr­nahm und das Zei­chen ei­nes we­hen­den Tüch­leins, das ihre Schwes­ter be­weg­te, eben­so er­wi­der­te. Freu­dig er­kann­te sie den di­cken Land­gra­fen und ihre zier­li­che Schwes­ter, brei­te­te die Arme aus, lä­chel­te, dank­te und er­zähl­te flüs­ternd, sie sei wohl­auf, es feh­le ihr so­weit an nichts, sie habe eine be­schei­de­ne Frau zur Be­die­nung, er­hal­te gut und reich­lich zu es­sen, auch Wein zu trin­ken, frei­lich sei sie der Ge­fan­gen­schaft müde, der Land­graf sol­le doch auf eine Zu­sam­men­kunft drin­gen; wenn sie sei­nen Ernst sä­hen, wür­den sie nicht wa­gen, ihm dau­ernd zu­wi­der zu sein.

Sie sol­le nur ge­trost sein und ihm ver­trau­en, er­wi­der­te der Land­graf, je­der­mann wis­se, dass er ein be­son­ders Ver­trau­ter des Kai­sers sei; wenn es nicht an­ders gehe, wer­de er stracks nach Prag rei­sen und sich stren­ge Be­feh­le vom Kai­ser selbst ho­len, die ihm schon den Weg zu ihr bah­nen wür­den. In­zwi­schen sol­le sie auf der Hut sein und sich de­mü­tig und füg­sam an­stel­len; denn wenn ein Lamm von ei­nem grim­mi­gen Hun­de be­wacht wer­de, dür­fe es ihm kei­nen Vor­wand oder An­lass ge­ben, es zu zer­rei­ßen. Ja­ko­be schüt­tel­te la­chend den Kopf und sag­te, sie sei nicht als ein Lamm, son­dern als eine Fürs­tin ge­bo­ren.

Lan­ge wag­ten sie die Un­ter­re­dung nicht fort­zu­füh­ren, und mit nas­sen Au­gen sah Ja­ko­be das win­zi­ge Fahr­zeug ver­schwin­den, um das her­um der brei­te Fluss roll­te und der hohe Him­mel flu­te­te und dem der Mond als eine Fa­ckel vor­an­schweb­te.

Der Land­graf mach­te sein Wort wahr und fuhr schleu­nig nach Prag, wo er zu­nächst durch­setz­te, dass das End­ur­teil des Pro­zes­ses bis auf wei­te­res ver­scho­ben wur­de. Wie er dies nun aber dem Kur­fürs­ten von Köln mit­teil­te, mein­te die­ser, be­denk­lich sei­ne große höcke­ri­ge Nase rei­bend, da­mit sei mehr ge­scha­det als ge­won­nen; denn nun wür­de Schen­kern dar­an ver­zwei­feln, mit dem Pro­zess sein Ziel zu er­rei­chen, und wür­de auf an­de­re Mit­tel den­ken, de­nen nie­mand be­geg­nen kön­ne. Er habe kürz­lich ver­nom­men, füg­te er hin­zu, dass Schen­kern einen be­rühm­ten Arzt aus Eng­land habe kom­men las­sen, um den Her­zog zu hei­len, der so schwach im Kop­fe sei wie je, mit dem er aber si­cher­lich et­was vor­ha­be, sei es, dass er ihn ver­hei­ra­ten oder dass er nur be­wei­sen wol­le, wie ge­sund er sei, seit ihn Ja­ko­be nicht mehr ver­zau­bern kön­ne. Es sei zu fürch­ten, dass die Her­zo­gin in den Hän­den der Räte nicht mehr si­cher sei, und es hand­le sich dar­um, ih­nen das Op­fer zu ent­rei­ßen. Sie durch Ge­walt oder List selbst zu be­frei­en, sei ein zwei­fel­haf­tes und hoch­ge­fähr­li­ches Werk, des­sen sie sich nicht un­ter­fan­gen dürf­ten; da­hin­ge­gen kön­ne man den Kai­ser viel­leicht da­hin brin­gen, dass er an­ord­ne, die Her­zo­gin sol­le bis zum end­li­chen Aus­tra­ge des Pro­zes­ses ei­nem Un­par­tei­ischen, etwa dem Land­gra­fen von Leuch­ten­berg, zur Be­wa­chung über­ge­ben wer­den.

Das, sag­te der er­schro­cke­ne Land­graf, ge­traue er sich wohl aus­zu­rich­ten, und mach­te sich wie­der auf die Rei­se, nach­dem er Ja­ko­be Nach­richt hat­te zu­kom­men las­sen, sie sol­le ge­trost sein, in Bäl­de wer­de sie aus dem Elend und der Un­wür­dig­keit hin­aus­ge­führt wer­den.

Wäh­rend die­ser Zeit hat­te Schen­kern viel Ar­beit und Mühe mit Jan Wil­helm, der, da er sich vor Frem­den fürch­te­te, in der Mei­nung, sie könn­ten ihm et­was an­tun, von dem eng­li­schen Arzt durch­aus nichts wis­sen woll­te. Auch Si­byl­le und ei­ni­ge von den Rä­ten mein­ten, dass es eine ver­fäng­li­che An­ge­le­gen­heit sei, bei der man schritt­wei­se und mit wohl­über­leg­ten Kau­te­len vor­ge­hen müs­se, umso mehr, als der ver­schrie­be­ne Eng­län­der ein Ket­zer sei. So wur­de ver­fügt, er müs­se sei­ne Kunst zu­nächst an ei­nem an­de­ren er­wei­sen, wozu der Sohn ei­ner Bür­gers­frau aus­er­se­hen wur­de, der nach ei­nem schwe­ren Fall blöd­sin­nig ge­wor­den war und al­len Be­spre­chun­gen, Be­schwö­run­gen und Arz­nei­en bis­her ge­trotzt hat­te. Es zeig­te sich, dass das dem Bur­schen ver­ab­reich­te Mit­tel ihm gut an­schlug; ja sei­ne Mut­ter und an­de­re Zeu­gen fan­den ihn auf­ge­weck­ter, als er je­mals ge­we­sen sei. So hin­der­te denn nichts mehr, es mit dem Her­zog gleich­falls zu ver­su­chen, des­sen angst­vol­len Wi­der­stand Schen­kern da­durch über­wand, dass er ihm die längst ver­spro­che­ne schö­ne Frau in Aus­sicht stell­te, wenn er sich der Kur un­ter­zö­ge, die ihn voll­stän­dig wie­der­her­stel­len wür­de. Doch ver­lang­te sei­ne Furcht noch al­ler­lei Si­cher­heits­maß­re­geln, worin ihn Si­byl­le schwes­ter­lich un­ter­stütz­te, dass näm­lich der Arzt selbst, Schen­kern und meh­re­re an­de­re Räte zu­erst von der Arz­nei tran­ken, die Jan Wil­helm ein­neh­men soll­te. Nach­dem sie sich durch Ge­bet und das hei­li­ge Abend­mahl dar­auf vor­be­rei­tet hat­ten, würg­te ein je­der sei­nen An­teil an dem Schleim, der wi­der­lich schmeck­te, hin­un­ter, wor­auf Jan Wil­helm nach Ver­ord­nung des Arz­tes vier­und­zwan­zig Stun­den lang, so­weit mög­lich ohne Ru­he­pau­se, im Zim­mer auf und ab ge­hen muss­te. Auch hier­bei muss­ten meh­re­re Rats­per­so­nen ge­gen­wär­tig sein, teils um die rich­ti­ge Aus­füh­rung des Ge­schäf­tes zu über­wa­chen, teils um den Kran­ken durch Ge­spräch zu zer­streu­en und durch ihr Bei­spiel zu er­mun­tern.

In die­ser Ar­beit war Schen­kern be­grif­fen, als das Gerücht zu ihm ge­lang­te, der Kai­ser habe be­foh­len, dass die Her­zo­gin dem Land­gra­fen von Leuch­ten­berg über­ge­ben wer­de, und der­sel­be sei schon un­ter­wegs, um die sei­nem Schutz Emp­foh­le­ne ab­zu­ho­len. Dass er dies nicht ge­sche­hen las­sen dür­fe, stand Schen­kern so­gleich fest. Um Ja­ko­be wür­den sich alle scha­ren, die An­spruch mach­ten, ihm die Herr­schaft zu ent­rei­ßen, und viel­leicht wür­de die Rach­süch­ti­ge ihm nun ih­rer­seits die Sch­lin­ge ei­nes Pro­zes­ses dre­hen und um den Hals wer­fen. Da­ge­gen muss­te er eine ei­li­ge An­stalt tref­fen.