Der Pfalzgraf von Zweibrücken, ein biederer, ungestümer Herr, der es nicht anders wusste, als dass die Protestanten Söhne des Lichts und die Katholiken Söhne der Finsternis wären, und die letzteren bekämpfte, wie und wo er vermochte, misstraute der Jakobe, die erst kürzlich vom Papst durch die Goldene Rose ausgezeichnet worden war; aber als er in das Treiben am Düsseldorfer Hofe mit eigenen Augen hineinsah, gewann es damit eine andere Gestalt. Es wurde deutlich, dass der erzkatholische Schenkern, der es mit Spanien hielt, und Sibylle, die täglich lange Briefe voll Heimlichkeiten an die jesuitischen Wittelsbacher in München schrieb, ihre Feinde waren und sie in allen ihren Rechten kränkten.
Die protestantischen Stände, Graf von Falkenstein, die Herren von Bongart, Orsbeck und Palland, mit denen der Pfalzgraf sich in Verbindung setzte, erzählten, die arme Herzogin sei übel daran; obwohl sie stolz und leidenschaftlich sei, vermöge sie allein nichts wider Schenkern, der keinen Zipfel der Macht aus den Händen lassen wolle. Deshalb bediene sie sich ihrer, der Stände, um ihren Willen durchzusetzen; sowie es sich aber darum handle, ihnen den Preis zu bewilligen, um den sie arbeiteten, nämlich die Duldung ihres Bekenntnisses, so weiche sie aus und zürne wohl gar, dass man ihr, der Herzogin, eine Rechnung mache, anstatt ihr umsonst zu dienen. Schenkern würde sich dem Teufel verschreiben, um die Macht zu behalten, ja hätte es eigentlich schon getan, da er mit den Spaniern im geheimen Bunde sei. Es sei weit und breit keine Hilfe für die Herzogin als bei ihnen, möchte sie es nur einsehen! Sie ihrerseits setzten ihre Hoffnung auf die protestantischen Erbansprecher, denen sie gern den Weg ins Land bahnen wollten.
Wie stürmisch des Pfalzgrafen Sinn auch war, wusste er doch, dass er sich einstweilen noch zurückhalten musste, besonders weil das Erbrecht seiner Frau durch einen Verzicht, den sie bei der Heirat getan hatte, zweifelhaft und sein Land zu klein und unausgiebig war, als dass er vereinzelt etwas hätte ausrichten können. Zunächst riefen die streitenden Parteien die höchste Macht des Kaisers an, und Gesandte und Bevollmächtigte reisten zwischen Prag und Düsseldorf ergebnislos hin und wider. Die Instruktionen Kaiser Rudolfs waren nämlich darauf zugerichtet, dass der Zustand womöglich erhalten bliebe, in dem alle Parteien sich die Waage hielten, und höchstens etwa Schenkern ein wenig geschützt würde, von dem man sich am ehesten Nutzen versprach; denn so blieb der Kaiser Schiedsrichter und konnte nach dem Aussterben der regierenden Familie desto besser die Beute an sich reißen.
Zuweilen war Jakobe niedergeschlagen und weinte verstohlen, um nachher desto fröhlicher zu sein. Es gehörte zu ihrem Hofstaat ein Narr, den sie wohl leiden mochte, weil er sie jederzeit zum Lachen brachte. Er hatte ein bartloses Gesicht, dem nicht anzusehen war, ob er jung oder alt sei, und eine jämmerliche Miene, obwohl er sich gewöhnt hatte, seinem Berufe gemäß beständig Späße zu machen, ja auch das Ernsthafte in alberner Form vorzubringen. Jakobe pflegte stundenlang tolles Zeug mit ihm zu schwatzen und lachte bis zu Tränen dabei, besonders wenn ihre Schwägerin Sibylle dazukam und scheele Blicke auf ihre Ausgelassenheit warf. Einmal beriet sie mit dem Narren, was sie anstellen könnten, um ihren schwermütigen Gemahl zu erheitern, und nach allerlei Vorschlägen, mit denen sie sich gegenseitig steigerten, kamen sie überein, der Narr solle Kleider und Kopfputz der Herzogin anlegen und so zu Jan Wilhelm gehen und ihm schöntun, wie wenn er Jakobe wäre, was sie auch ausführten. Durch eine Spalte der Tür sah Jakobe zu, wie der Narr, den sie selbst ausstaffiert hatte, seine weinerliche Stimme so süß anschlug, wie er konnte, um dem Kranken allerlei gezierte und freche Zärtlichkeiten vorzutragen, und ihn zuletzt zu einem Tänzchen bewog, wobei er sich absonderlich verdrehte und mit der schweren Schleppe ihres Gewandes scharwenzelte. »Gott steh mir bei«, sagte Jakobe, während sie den seufzenden Narren aus seiner Vermummung befreite, »was für ein Scheusal bin ich in meines Gemahls Augen! Mich nimmt wunder, wie er doch allewege so sehr in mich verliebt sein mag.«
Indessen musste Jakobe wahrnehmen, dass die Anhänglichkeit ihres Mannes, der sie sich nach fast zehnjähriger Ehe und nach so vielen Proben sicher wähnte, abnahm, ja zuweilen sich in das Gegenteil verkehrte. Meinte sie anfänglich, dass es sich nur um eine der sinnlosen Launen handle, wie seine Krankheit sie mit sich brachte, so überzeugte sie sich allmählich, dass etwas anderes dahintersteckte, und richtete ihren Verdacht auf Schenkern, der nebst seinen Anhängern den Herzog häufig besuchte und auf ihn einredete. Als sie nun den Dienern Befehl gab, niemanden mehr ohne ihr Wissen zu ihrem Gemahl zu lassen, kam eines Tages Herr von Ossenbruch, in allen Dingen Schenkerns Helfer und Geselle, das Kammerfräulein beiseite schiebend in ihr Gemach und beklagte sich, dass sie den Herzog absperre.
Wie er sich erdreisten könne, so gröblich zu ihr hereinzufahren, herrschte sie ihn an. Sie solle ihn doch nicht für ihren Feind ansehen, sagte nun Ossenbruch, sie sei ein viel zu schönes Weibchen, als dass ein Mann sie hassen könne. Sie stehe ja auch so verlassen da, und wenn sie des Trostes bedürfe, möchte sie sich doch an ihn halten, er sei ein Mann für zehn Männer, er sei ein Fels, sie solle es nur mit ihm versuchen, und so weiter. Wie er ihr dabei zudringlich näher kam und sein dunstiger Atem sie streifte, rief sie, er sei betrunken und solle sie auf der Stelle verlassen, was er aber nicht für Ernst nahm; so schlug sie ihn mit der Hand in das gedunsene Gesicht und gebot den Dienern, die inzwischen herbeigeeilt waren, ihn fortzuschaffen.
Hierüber kam es zu einem Streit mit Schenkern, der Genugtuung für den seinem Freunde zugefügten Schimpf forderte, während Jakobe verlangte, dass Ossenbruch bestraft und dass sie inskünftig vor ähnlicher Ungebühr gesichert würde. Es wundere ihn, sagte Schenkern, was für überspannte Prätentionen sie stelle, da sie doch ihre Pflichten als Gemahlin des Herzogs nicht erfülle, vielmehr ihren Mann einschließe, um allein zu herrschen, ihm auch nicht einmal einen Erben geboren habe, was ihn füglich veranlassen könnte, das unfruchtbare Bündnis aufzulösen, wofür es an Beispielen aus der alten und neuen Geschichte nicht fehle. Mit spöttischem Lächeln entgegnete Jakobe, er habe wohl vergessen, dass sie und ihr Gemahl der heiligen katholischen Kirche angehörten, welche die Ehescheidung nicht zulasse; solange sie am Leben sei, könne der Herzog nur Bastarde zeugen, wenn er überhaupt dazu fähig sei.
Schenkern antwortete darauf nicht; denn es traf ihn, dass sie recht haben könnte: solange sie am Leben sei, würde er nichts Durchgreifendes ausrichten können. Es war in der Tat unwahrscheinlich, dass der Papst sich zur Scheidung der Ehe bereitfinden lassen würde; wollte er, Schenkern, den Herzog anderweitig vermählen, so müsste Jakobe sterben. Nachdem er sich dies eine kurze Zeit hatte durch den Kopf gehen lassen, schrieb er an den Doktor Solenander, der mit Giften wie mit Heilmitteln Bescheid wusste, weil es zum gemeinen Nutzen notwendig sei, solle er die Herzogin Jakobe, die den Tod vielfach aus diesen und jenen Gründen verdient habe, ganz heimlich mit einem geeigneten Gifte, das etwa einer Arznei oder den Speisen beigemischt werden könne, vergeben; zugleich ihn mit nicht ausbleibender schrecklicher Strafe bedrohend, falls er von dem heiklen Geschäft etwas ruchbar werden ließe.
Solenander beantwortete dies Schreiben mit einem Briefe des Inhalts: Einem Arzte, der im Namen Gottes die Kunst, zu heilen und die Menschen an Leib und Leben zu fördern, ausübe, sei es desto schändlicher, seine Wissenschaft zum Zwecke des Mordes zu benützen, und weder die Furcht vor Rache noch die Gier nach Belohnung würde ihn je dazu bewegen, sich an irgendjemandem, geschweige an der Herzogin zu vergreifen. Habe dieselbe eine Schuld auf sich geladen, so sollten Richter, denen es zustehe, darüber erkennen; er sei aber der Meinung, wenn er auch den Staatsgeschäften fernstehe, dass sie sich kein so barbarisches Urteil mit Recht zugezogen habe, da vielmehr, selbst wenn sie aus Jugend und Unbedacht sich einmal verfehlt hätte, die traurige und höchst schwierige Lage, in die sie unvorbereitet geraten sei, sie von jedem Vorwurf freisprechen müsse.
Nicht ohne Besorgnis betrachtete Solenander seitdem die Herzogin, die er von dem Mordwillen eines fast allmächtigen Mannes umkreist wusste, und er sann vergeblich, wie sie aus dem Feuergürtel, der sie umzüngelte, zu retten sei. Das gefährliche Geheimnis jemandem anzuvertrauen, wagte er nicht; es hätte wohl auch nicht einmal ein Fürst den Gewalthaber, der den Kaiser und sogar den König von Spanien hinter sich hatte, auf das bloße Zeugnis eines an einen Arzt gerichteten Briefes zu stürzen unternehmen dürfen. Gelegentlich ließ er ein warnendes Wort gegen Jakobe fallen, sie solle doch Nachgiebigkeit und Vorsicht üben, da sie bei der traurigen und leider unheilbaren Krankheit des Herzogs einer Witwe gleichzustellen und schutzlos den grausamen Unbilden des Lebens preisgegeben sei; aber sie lachte ihn aus in der Meinung, Gott sei ihres Rechtes und ihrer guten Absicht bewusst und werde sie so oder so am Ende zum Triumphe führen.
Indessen hatte Schenkern beschlossen, da Solenander versagte, die Herzogin durch die Anklage auf ein Kapitalverbrechen zu stürzen, und war eifrig bemüht, den Stoff dazu zusammenzubringen. Deshalb näherte er sich allmählich der Sibylle, die kümmerlich und sorgenvoll als eine freiwillig Gefangene im Schlosse lebte und sich gegen jedermann beklagte, dass die Schwägerin sie nicht zu ihrem Bruder lasse und dass sie seit dem Tode ihres Vaters verachtet und verstoßen in steten Ängsten leben müsse. Er hinterbrachte ihr, wie das Unkraut der Ketzerei im Lande fortwuchere, da es nicht ausgereutet werde, sondern unter dem Schutze der Herzogin sich frech ausspreizen könne; wie die protestantischen Fürsten sich schon als Herren gebärdeten und wie man ihr, der Sibylle, zu guter Letzt auch noch einen ketzerischen Gemahl aufzwingen werde.
Das solle niemals geschehen, sagte Sibylle, lieber wolle sie unter ausgesuchten Martern sterben; sie habe es aber auch schon bemerkt, dass man sie herumzukriegen hoffe.
Wenn sie nur eine Stütze an ihrem Bruder hätte, sagte Schenkern. Es sei doch wunderlich, wie Jan Wilhelm vor der Hochzeit ein so gesunder, frommer und trefflicher Herr gewesen sei und wie mit dem Einzuge der Jakobe das Unwesen seinen Anfang genommen habe.
Niemals habe sie ihr trauen mögen, sagte Sibylle; schaurig sei es ihr über die Haut gelaufen, als sie sie zuerst erblickt habe, und auch ihr armer Bruder habe oft wunderliche Reden über sie geführt, wenn er sich auch nicht offen herausgetraut hätte, da er offenbar von ihr verstrickt und verzaubert gewesen sei. Dass sie ihm niemals mit rechter ehelicher Liebe zugetan gewesen sei, könne sie, Sibylle, genugsam beweisen; was für Teufeleien sie mit ihm und ihnen allen vorhabe, wisse keiner genau, und es sei wohl angezeigt, sich rechtzeitig in Defension zu setzen. Es hielt nicht schwer, die Prinzessin in der Überzeugung zu bestärken, es werde nicht eher gut, als bis Jakobe mit ihren Teufelskünsten fortgeräumt sei; dann erst werde es mit der Religion, dem Herzog und dem ganzen Lande wieder in den alten Flor kommen. Als eine fleißige Schreiberin setzte Sibylle die Punkte auf, durch welche ihre Schwägerin sich von Anfang an verdächtig gemacht habe, ging sie mit Schenkern durch, der noch dies und jenes hinzusetzte, und gab das Versprechen, vor Gericht alles mündlich zu wiederholen und zu bekräftigen, wenn der Prozess nur stracks angezettelt und eifrig gefördert würde.
Bald danach kam Herr von Bongart in großer Erregung zu Jakobe: Schenkern habe allen Ständen, Beamten und herzoglichen Dienern angezeigt, der Herzog werde unter dem Vorgeben, dass er krank sei, von seiner Gemahlin in gefängnishafter Einsperrung gehalten; niemand solle ihr bei Strafe Leibes und Lebens mehr dienen, er wolle den Herzog befreien, damit die Untertanen ihres rechtmäßigen Herrn wieder genießen könnten. Jakobe solle nicht meinen, dass dies nur leere Drohungen wären; man munkle schon, dass auf ein gegebenes Zeichen die Spanier einfallen und eine neue Bartholomäusnacht veranstalten würden, welcher keiner entrinnen sollte, der reformierten Glaubens sei oder sich Schenkern widersetzen würde. Die Herzogin müsse sich nun entscheiden, ob sie es mit ihnen halten wolle, so wollten sie auch Gut und Blut an ihre Rettung wagen. Sie solle ihrem Glauben in Frieden anhängen und ihn im Schlosse ausüben, ebenso sollten ihre Glaubensgenossen, sofern sie sich bescheiden hielten, vor gewaltsamer Bedrängung sicher sein; doch müsse sie ihrerseits den Reformierten ihren Glauben und sonstige Rechte verbürgen und ihnen Sicherheit gegen die Spanier und Jesuiten geben. Sie wollten sich jetzt mit ihrem fürstlichen Wort zufriedenstellen, weil Gefahr im Verzuge sei, später, wenn sie erst freie Hand vor den Tyrannen hätten, könne der Vertrag im einzelnen ausgemacht werden.
Nein, rief Jakobe aufflammend, sie kennten sie schlecht, wenn sie glaubten, dass sie etwas zur Verkleinerung ihrer Religion unternehmen würde. Dann würde Gott freilich die Hand von ihr abziehen, wenn sie Land und Leute den Ketzern auslieferte. Sie wolle mit Hilfe Gottes und auf seine Gerechtigkeit bauend aller ihrer Feinde Herr werden. Davon war sie nicht abzubringen, sodass Bongart nach langer vergeblicher Unterredung mit düsterer Miene das Schloss verließ.
Jakobe meinte im Schlosse sicher wie in einer Festung zu sein; als aber die Dunkelheit des Abends hereinbrach und sie vom Rhein her ein Plätschern und Rauschen zu hören glaubte, wurde ihr bange, und es fiel ihr ein, selbst an den Fluss zu gehen und den Fährleuten zu befehlen, dass sie während der Nacht niemanden, wer es auch sei, übersetzten. Sie legte ihren Pelz an, denn es war Winter, und ging, nur von einer ihrer Kammerfrauen begleitet, zu den Hütten der Fährleute, die ihr bereitwillig Gehorsam zusicherten. Über dem schwarzblanken Strome wogte kalter Dunst, und am Himmel glitzerten die Sterne mit Eisglanz. Es könnte leicht die kälteste Nacht des Winters werden, sagte ein Fährmann, indem er dem Rauch seines Atems nachblickte. Sie wolle ihnen einen guten Schlaftrunk hinunterschicken, sagte Jakobe munter; dann sollten sie sich aufs Ohr legen und ausruhen, denn in dieser Nacht sei ihr Dienst, keine Dienste zu leisten.
Wie ehrlich die Fährleute es auch im Augenblick meinten, stimmten sie doch die Versprechungen Schenkerns und noch mehr seine Drohungen rasch um; denn wer, dachten sie, würde sie hernach vor seinem Zorne beschirmen? und so setzten sie die Verschworenen mit ihren Knechten und Waffen nacheinander über den Strom. Auch im Schlosse fanden diese nur geringen Widerstand, besetzten es, quartierten Jan Wilhelm in die Gemächer seiner Gemahlin ein und führten Jakobe unter höhnischen Drohungen und anzüglichen Späßen in das Zimmer, das er seit drei Jahren nie verlassen hatte. Sie sei die Zauberin Circe und habe ihren eigenen Gemahl als ein verächtliches Schwein in einen Koben gesperrt; aber wie der rühmliche Held Odysseus die Listige überlistet habe, so müsse sie nun selbst in den unflätigen Käfig wandern, wo sie zuvor das Opfer ihrer Teufelskünste gehalten hätte.
Wie dann die förmliche Anklage ans Licht trat, in welcher Jakobe als eine Ehebrecherin und Zauberin abgeschildert war, die den Scheiterhaufen verdient habe, entsetzte und entrüstete sie sich zwar anfänglich; aber sie tröstete sich ihres Mannes, der sie, wie sie meinte, doch nicht ganz vergessen und verstoßen haben könnte, ferner des Kurfürsten Ernst, des alten Herzogs von Bayern, ihres Pflegevaters, und anderer Freunde, schließlich der Stellvertreter Gottes auf Erden, des Papstes und des Kaisers, welche beide oftmals ihr väterliches Wohlwollen für sie umständlich angezogen hatten.
Was Jan Wilhelm anbelangt, so bekam er krampfhafte Zufälle, wenn man nur den Namen seiner Frau nannte, und schimpfte sie Betrügerin, Zauberin und Hexe, die ihm zuerst mit gottlosen Ränken den Kopf krank gemacht und ihn dann für toll ausgegeben habe, um die Herrin zu spielen und seiner zu spotten. Als es ihr vermittelst ein paar treuer Diener gelang, ihm einen Brief zuzuspielen, in dem sie ihn an die eheliche Liebe und Treue mahnte und anflehte, sie im Unglück nicht zu verlassen, antwortete er ihr, er liebe sie zwar immer noch zärtlich, könne ihr aber wegen ihrer Untreue und Bosheit nicht mehr vertrauen und stelle alles der Zukunft anheim; und hernach noch einmal, er werde nun eine neue, hübsche und junge Gemahlin nehmen, bei der er es gut haben werde; mit ihr, Jakoben, habe er nichts mehr zu schaffen, und sie solle sich nicht unterstehen, wieder an ihn zu gelangen.
Trotz Schenkerns und Sibyllens Eifer schleppte der Prozess sich langsam hin; denn die kaiserlichen Abgeordneten waren beauftragt, nichts Endgültiges von sich zu geben, vielmehr die Sache hinzuspinnen, umso mehr, als Jakoben nichts nachzuweisen war, was ein Malefizurteil begründet hätte. Andererseits hätte ein Freispruch die Gegenpartei bloßgestellt und neue schwierige Knoten geschürzt. In allen Punkten vermochte sich Jakobe gut oder genugsam zu verteidigen. Sie gab zu, allerlei Mittel zur Heilung des Herzogs versucht zu haben, so habe sie Zettel mit Sprüchen in sein Wams eingenäht, um Zauber und schädlichen Einfluss von ihm fernzuhalten; aber die Gegenpartei, namentlich Sibylle, hätte dergleichen als etwas Übliches auch vorgenommen. Doktor Solenander gab das Urteil ab, solche Mittel seien zwar abergläubisch und könnten Krankheiten nicht überwinden, ebensowenig jedoch sie hervorrufen oder steigern. Dass sie Ehebruch begangen habe, bestritt sie, wenn sie auch zugestand, dass ein gewisser junger Edelmann ihr gern und häufig aufgewartet habe. Der freundliche Umgang mit ihm, sagte sie, könne ihr nicht als Sünde angerechnet werden, da sie so einsam und freundlos, einer Witwe gleich, gelebt habe. Am wenigsten ließ sich mit dem Verdacht der Ketzerei ausrichten, da sie die Anforderungen der protestantischen Stände niemals wirklich bewilligt hatte und viele Zeugen aussagten, wie fleißig sie nicht nur stets die Messe besucht, sondern auch die Andacht in ihrem Gemach verrichtet hatte. Als man ihr vorwarf, dass in dem fürstlichen Trauerhause, wo Gott, sei es zur Strafe oder zur Warnung, die Lichter ausgeblasen habe, sodass die Bewohner, voran Sibylle, in einem Labyrinth von Trübsal, Furcht und Grauen umhergeirrt wären, man sie allein, Jakoben, allezeit guter Dinge und zu Späßen aufgelegt gesehen habe, reckte sie sich ein wenig und sagte, man habe sie in ihrer Kindheit gelehrt, es sei fürstliche Pflicht und Tugend, den Kummer in sich zu verzehren und den Untertanen ein helles Antlitz zu zeigen, wie die Sonne von Gott bestellt sei, der Erde Licht und Wärme zu geben, deren sie bedürfe und von sich aus nicht mächtig sei.
An hilfsbereiten Freunden blieben Jakobe indessen doch nur zwei: der Kurfürst Ernst von Köln, ihr Oheim,1 und der Landgraf von Leuchtenberg, ihrer jüngeren Schwester Mann. Zwischen dem Kurfürsten und den Jülich-Cleveschen Räten, nämlich Schenkern und seinem Anhang, schwebte schon lange eine Streitsache, indem sie mehrere Ämter, die der Kurfürst als ihm zustehend in Anspruch nahm, dem protestantischen Grafen Bentheim verkauft hatten, was ihn darin bestärkte, sie für eigenmächtige, frevelhafte und nur den eigenen Nutzen bezweckende Leute zu halten. Sie ihrerseits sagten, man sehe wohl, warum er in Jakobens Angelegenheit ihr Widersacher sei; sie hätten ihn verhindert, sich auf Kosten von Jülich-Cleve zu bereichern, wobei ihm die Herzogin wohl gern behilflich gewesen wäre.
Dem Landgrafen von Leuchtenberg hätte in früherer Zeit Jakobe besser angestanden als ihre weniger schöne Schwester, und er hatte ihr eine gewisse Anhänglichkeit bewahrt, obwohl sie nun bald vierzig Jahre alt war und die Zauberei der Jugend nicht mehr ausstrahlte. Daneben war es ihm bange, die gewalttätigen und räuberischen Räte möchten sich des Juwelenschatzes der Jakobe bemächtigen, der nicht unbeträchtlich war und der, da sie keine Kinder hatte, nach seiner Meinung ihm zufallen musste, wenn sie etwa stürbe. In Anbetracht ihrer bedenklichen, unfreien Lage hätte er es angezeigt gefunden, dass sie ihm die Kostbarkeiten gleich jetzt in Verwahrung gäbe, und suchte eine Gelegenheit, die Übergabe heimlich zu bewerkstelligen. Der Landgraf konnte diesen Zuschuss gut gebrauchen, denn er watete bis zum Halse in Schulden und war oft nahe am Ertrinken. Indessen da er von Natur munter und umgänglich und dazu meistens betrunken war, erdrückte ihn die Sorge nicht, wenn er nur so viel auftrieb, um das Leben in seiner Art weiterzufristen. Sein gemütliches Wesen machte ihn geeignet, zwischen den streitenden Parteien im Reiche zu vermitteln, und so reiste er im Auftrage des Kaisers an den Höfen umher und erfüllte fröhlich seine Pflicht, indem er bei vollem Humpen den hadernden Fürsten gütlich zuredete.
Es war Mai, als der Landgraf mit seiner Frau in Düsseldorf ankam und zu seiner Schwägerin in das Schloss gelassen zu werden begehrte. Die Wachen jedoch gaben ihm zu verstehen, dass das nicht angehe, und trotz seiner Proteste musste er am Ende zufrieden sein, in einem Wirtshause vor der Stadt Quartier zu nehmen. Unter der Hand benachrichtigte er die gefangene Herzogin, dass er da sei und nachts in einem Boote vor ihr Fenster fahren und versuchen wolle, sich von dorther mit ihr zu besprechen. Jakobe, welche wenig Unterhaltung hatte, harrte willig vom Einbruch der Dunkelheit an im Fenster und vertrieb sich die Zeit mit bunten Erinnerungen aus ihrer schönen Jugend. Endlich weckte sie ein Glucksen und Rieseln des Wassers aus ihren Träumen, worauf sie bald die Umrisse eines näher gleitenden Nachens wahrnahm und das Zeichen eines wehenden Tüchleins, das ihre Schwester bewegte, ebenso erwiderte. Freudig erkannte sie den dicken Landgrafen und ihre zierliche Schwester, breitete die Arme aus, lächelte, dankte und erzählte flüsternd, sie sei wohlauf, es fehle ihr soweit an nichts, sie habe eine bescheidene Frau zur Bedienung, erhalte gut und reichlich zu essen, auch Wein zu trinken, freilich sei sie der Gefangenschaft müde, der Landgraf solle doch auf eine Zusammenkunft dringen; wenn sie seinen Ernst sähen, würden sie nicht wagen, ihm dauernd zuwider zu sein.
Sie solle nur getrost sein und ihm vertrauen, erwiderte der Landgraf, jedermann wisse, dass er ein besonders Vertrauter des Kaisers sei; wenn es nicht anders gehe, werde er stracks nach Prag reisen und sich strenge Befehle vom Kaiser selbst holen, die ihm schon den Weg zu ihr bahnen würden. Inzwischen solle sie auf der Hut sein und sich demütig und fügsam anstellen; denn wenn ein Lamm von einem grimmigen Hunde bewacht werde, dürfe es ihm keinen Vorwand oder Anlass geben, es zu zerreißen. Jakobe schüttelte lachend den Kopf und sagte, sie sei nicht als ein Lamm, sondern als eine Fürstin geboren.
Lange wagten sie die Unterredung nicht fortzuführen, und mit nassen Augen sah Jakobe das winzige Fahrzeug verschwinden, um das herum der breite Fluss rollte und der hohe Himmel flutete und dem der Mond als eine Fackel voranschwebte.
Der Landgraf machte sein Wort wahr und fuhr schleunig nach Prag, wo er zunächst durchsetzte, dass das Endurteil des Prozesses bis auf weiteres verschoben wurde. Wie er dies nun aber dem Kurfürsten von Köln mitteilte, meinte dieser, bedenklich seine große höckerige Nase reibend, damit sei mehr geschadet als gewonnen; denn nun würde Schenkern daran verzweifeln, mit dem Prozess sein Ziel zu erreichen, und würde auf andere Mittel denken, denen niemand begegnen könne. Er habe kürzlich vernommen, fügte er hinzu, dass Schenkern einen berühmten Arzt aus England habe kommen lassen, um den Herzog zu heilen, der so schwach im Kopfe sei wie je, mit dem er aber sicherlich etwas vorhabe, sei es, dass er ihn verheiraten oder dass er nur beweisen wolle, wie gesund er sei, seit ihn Jakobe nicht mehr verzaubern könne. Es sei zu fürchten, dass die Herzogin in den Händen der Räte nicht mehr sicher sei, und es handle sich darum, ihnen das Opfer zu entreißen. Sie durch Gewalt oder List selbst zu befreien, sei ein zweifelhaftes und hochgefährliches Werk, dessen sie sich nicht unterfangen dürften; dahingegen könne man den Kaiser vielleicht dahin bringen, dass er anordne, die Herzogin solle bis zum endlichen Austrage des Prozesses einem Unparteiischen, etwa dem Landgrafen von Leuchtenberg, zur Bewachung übergeben werden.
Das, sagte der erschrockene Landgraf, getraue er sich wohl auszurichten, und machte sich wieder auf die Reise, nachdem er Jakobe Nachricht hatte zukommen lassen, sie solle getrost sein, in Bälde werde sie aus dem Elend und der Unwürdigkeit hinausgeführt werden.
Während dieser Zeit hatte Schenkern viel Arbeit und Mühe mit Jan Wilhelm, der, da er sich vor Fremden fürchtete, in der Meinung, sie könnten ihm etwas antun, von dem englischen Arzt durchaus nichts wissen wollte. Auch Sibylle und einige von den Räten meinten, dass es eine verfängliche Angelegenheit sei, bei der man schrittweise und mit wohlüberlegten Kautelen vorgehen müsse, umso mehr, als der verschriebene Engländer ein Ketzer sei. So wurde verfügt, er müsse seine Kunst zunächst an einem anderen erweisen, wozu der Sohn einer Bürgersfrau ausersehen wurde, der nach einem schweren Fall blödsinnig geworden war und allen Besprechungen, Beschwörungen und Arzneien bisher getrotzt hatte. Es zeigte sich, dass das dem Burschen verabreichte Mittel ihm gut anschlug; ja seine Mutter und andere Zeugen fanden ihn aufgeweckter, als er jemals gewesen sei. So hinderte denn nichts mehr, es mit dem Herzog gleichfalls zu versuchen, dessen angstvollen Widerstand Schenkern dadurch überwand, dass er ihm die längst versprochene schöne Frau in Aussicht stellte, wenn er sich der Kur unterzöge, die ihn vollständig wiederherstellen würde. Doch verlangte seine Furcht noch allerlei Sicherheitsmaßregeln, worin ihn Sibylle schwesterlich unterstützte, dass nämlich der Arzt selbst, Schenkern und mehrere andere Räte zuerst von der Arznei tranken, die Jan Wilhelm einnehmen sollte. Nachdem sie sich durch Gebet und das heilige Abendmahl darauf vorbereitet hatten, würgte ein jeder seinen Anteil an dem Schleim, der widerlich schmeckte, hinunter, worauf Jan Wilhelm nach Verordnung des Arztes vierundzwanzig Stunden lang, soweit möglich ohne Ruhepause, im Zimmer auf und ab gehen musste. Auch hierbei mussten mehrere Ratspersonen gegenwärtig sein, teils um die richtige Ausführung des Geschäftes zu überwachen, teils um den Kranken durch Gespräch zu zerstreuen und durch ihr Beispiel zu ermuntern.
In dieser Arbeit war Schenkern begriffen, als das Gerücht zu ihm gelangte, der Kaiser habe befohlen, dass die Herzogin dem Landgrafen von Leuchtenberg übergeben werde, und derselbe sei schon unterwegs, um die seinem Schutz Empfohlene abzuholen. Dass er dies nicht geschehen lassen dürfe, stand Schenkern sogleich fest. Um Jakobe würden sich alle scharen, die Anspruch machten, ihm die Herrschaft zu entreißen, und vielleicht würde die Rachsüchtige ihm nun ihrerseits die Schlinge eines Prozesses drehen und um den Hals werfen. Dagegen musste er eine eilige Anstalt treffen.