Der Dreißigjährige Krieg

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

26.

Das Er­eig­nis des Fens­ter­stur­zes ver­mehr­te den Streit und die Un­ru­he in der Wie­ner Hof­burg; denn Ma­xi­mi­li­an und Fer­di­nand woll­ten die Em­pö­rung, als was sie den Vor­fall an­sa­hen, so­fort ge­walt­sam nie­der­schla­gen, wo­hin­ge­gen Khlesl der An­sicht war, der Kai­ser müs­se einst­wei­len nach Be­schwich­ti­gung und Ver­mit­te­lung trach­ten. Es sei ein wah­res Sprich­wort, sag­te Khlesl, dass man nur den hän­gen könn­te, den man habe. Wie woll­te man denn aber der Schul­di­gen mäch­tig wer­den? Wo­mit woll­te man lö­schen, wenn es ein­mal brenn­te? Das Feu­er wür­de Land und Leu­te bis aufs Hemd und alle mit­ein­an­der fres­sen. Wo­von soll­te man le­ben, wenn die rei­chen böh­mi­schen Ein­künf­te aus­blie­ben? Der Kai­ser kön­ne nicht ein­mal den Kräut­ler und den Kä­se­ste­cher be­zah­len!

Dem Kai­ser leuch­te­te die An­sicht Khlesls ein, und so wur­de denn, wäh­rend un­ter der Hand ge­wor­ben und ge­rüs­tet wur­de, ein sanft mah­nen­des Schrei­ben an die böh­mi­schen Stän­de er­las­sen, sie soll­ten ihr un­ziem­li­ches Re­bel­lie­ren ein­stel­len, an­statt des­sen we­gen vor­han­de­ner Schä­den or­dent­li­che Kla­gen ein­rei­chen, vor al­len Din­gen aber die ei­gen­mäch­tig ge­wor­be­nen Sol­da­ten ent­las­sen, so wer­de der Kai­ser ih­nen auch wie­der­um gnä­dig sein.

Die Stän­de er­wi­der­ten den Brief mit ei­nem Schrei­ben, in dem sie ver­si­cher­ten, das sie sich durch­aus kei­ne Re­bel­li­on an­maß­ten, auch die ge­wor­be­nen Sol­da­ten un­ver­weilt ent­las­sen wür­den, wenn der Kai­ser zu­vor sei­ne Wer­bun­gen ein­stell­te, die nach der Aus­sa­ge fried­häs­si­ger Leu­te ge­gen sie ge­rich­tet wä­ren; denn sie könn­ten, so­lan­ge sie von Krieg und Über­fall be­droht wä­ren, die Rüs­tung nicht wohl ab­le­gen, be­gehr­ten aber nichts an­de­res, als nach wie vor des Kai­sers ge­hor­sa­me und treue Un­ter­ta­nen zu sein.

In Hin­blick auf die Geld­not des Kai­sers, die ihm nach Khlesls An­sicht das Krieg­füh­ren un­mög­lich mach­te, spiel­te der Erz­her­zog Ma­xi­mi­li­an auf Khlesls großes Ver­mö­gen an, wo­mit er aus­hel­fen kön­ne; aber dar­auf woll­te sich der Erz­bi­schof nicht ein­las­sen, mach­te viel­mehr ein großes Auf­he­ben von den Sum­men, die er Matt­hi­as schon vor­ge­streckt und nicht zu­rück­er­hal­ten habe. Ma­xi­mi­li­an je­doch brach­te dies Ver­mö­gen nicht aus dem Sinn: sie wä­ren aus al­ler Ver­le­gen­heit und hät­ten, was sie brauch­ten, sag­te er zu Fer­di­nand, wenn sie dem lo­sen Bu­ben sein Recht zu­teil wer­den lie­ßen und sein Hab und Gut, das oh­ne­dies er­stoh­len wäre, dem Kai­ser zu­fie­le. Mit ei­nem Gal­gen, ei­nem Strick und dem rech­ten Mann dar­an wol­le er ganz Ös­ter­reich und Böh­men und das Reich dazu in Ord­nung brin­gen.

Wäh­rend in Böh­men die Rüs­tung in vol­lem Gan­ge war, führ­ten die Ver­hand­lun­gen des Kai­sers mit den Un­garn so weit zu ei­nem Ver­ständ­nis, dass am 1. Juli Fer­di­n­ands Krö­nung in Press­burg vor­ge­nom­men wer­den konn­te. Khlesl hat­te es sich nicht neh­men las­sen, mit zu der Fei­er zu rei­sen, wie­wohl sein Herz nicht fest­lich ge­stimmt war, und sah mit an­de­ren Her­ren von ei­nem Bal­kon des erz­bi­schöf­li­chen Palas­tes, in dem er wohn­te, dem in der mäch­ti­gen Som­mer­son­ne fun­keln­den Auf­zu­ge zu. Eben als ein Es­ter­ha­zy mit sei­nen be­waff­ne­ten Un­ter­ge­be­nen vor­über­ritt und Khlesl sich, um ihn bes­ser zu se­hen, über die Ba­lus­tra­de beug­te, schwirr­te der Bol­zen ei­ner Arm­brust hart an ihm vor­bei und blieb in der Wand des hin­ter dem Bal­kon lie­gen­den Zim­mers ste­cken. In­des die Her­ren hin­eil­ten, das noch zit­tern­de Ge­schoss be­trach­te­ten und sich über den Zu­fall ver­wun­der­ten, ließ sich Khlesl in einen Ses­sel fal­len und trock­ne­te mit ei­nem Tüch­lein den Schweiß von der Stir­ne. »Das war kein Zu­fall«, sag­te er mit schwa­cher Stim­me, »es war ein Gruß für mich von der For­tu­na.« Das sei eine sta­che­li­ge Spra­che für ein Frau­en­zim­mer, lach­ten die Her­ren, wor­auf Khlesl sag­te, es sei ihr Ab­schieds­gruß, da­bei pfleg­ten die Wei­ber, habe er sa­gen hö­ren, mehr zu bei­ßen als zu küs­sen. Dies gab wie­der­um zu Scher­zen An­lass; denn es war be­kannt, dass Khlesl von den Frau­en nichts wis­sen woll­te, auch nie­mals mit ih­nen zu tun ge­habt hat­te; aber heim­lich wa­ren alle ei­ner­lei Mei­nung dar­über, wo der Schuss sei­nen Ur­sprung ge­nom­men hät­te. Die Nach­for­schun­gen, die an­ge­stellt wur­den, er­ga­ben nichts, nie­mand woll­te von der Sa­che et­was ge­se­hen ha­ben, und Khlesl kehr­te mit be­drück­tem Her­zen nach Wien zu­rück.

Dort be­rei­te­te Ma­xi­mi­li­an schleu­nig die Ge­fan­gen­nah­me Khlesls vor, wozu Fer­di­nand sei­ne Ein­wil­li­gung gab, um dem Kir­chen­fürs­ten we­nigs­tens das Le­ben zu spa­ren. Der Um­stand, dass Matt­hi­as ge­ra­de das Bett hü­te­te, er­leich­ter­te es ih­nen, un­ver­merkt die Vor­be­rei­tun­gen zu tref­fen: sie lie­ßen näm­lich einen ver­deck­ten Gang von der Burg nach der Bas­tei er­rich­ten, durch wel­chen der ver­haf­te­te Kar­di­nal in der Stil­le soll­te ab­ge­führt wer­den, da­mit nicht etwa das Volk zu­sam­men­lie­fe und ein Lär­men ent­stän­de.

Als Khlesl am Vor­mit­tage zum Kai­ser fah­ren woll­te, kam ge­ra­de der Nun­ti­us zu ihm und sag­te, er sol­le doch heu­te nicht auf die Burg, es habe ihm häss­lich ge­träumt und er fürch­te, es wer­de ihm dort et­was Wi­der­wär­ti­ges be­geg­nen. Nein, sag­te Khlesl, er habe nie­mals et­was auf Träu­me ge­hal­ten; dass sei­ne Fein­de Wi­d­ri­ges im Sin­ne hät­ten, wis­se er wohl; aber er ver­traue auf den Kai­ser, der wer­de sei­nen treu­en Die­ner nicht un­be­schützt las­sen. Er wol­le nichts ge­gen den Kai­ser oder sonst je­mand an­brin­gen, sag­te der Nun­ti­us; aber es lie­fe doch in die­ser Zeit viel Hass und Wi­der­wil­len un­ter, und sich der Ge­fahr nicht aus­zu­set­zen wäre nicht Feig­heit, son­dern Klug­heit. Wol­le aber Khlesl durch­aus fah­ren, so sol­le er ihn mit­neh­men und in sei­ner Her­ber­ge ab­set­zen. Als der Wa­gen in ei­ner en­gen Gas­se durch eine Her­de Schwei­ne et­was auf­ge­hal­ten wur­de, sag­te der Nun­ti­us wie­der­um, dass dies ein merk­li­ches Zei­chen wäre, und Khlesl beug­te sich aus dem Wa­gen­fens­ter, um dem Kut­scher zu­zu­ru­fen, er sol­le um­keh­ren; da je­doch im sel­ben Au­gen­blick der Wa­gen wei­ter­fuhr und Khlesl durch den Ruck auf den Sitz zu­rück­ge­wor­fen wur­de, schüt­tel­te er den Kopf und sag­te trau­rig, er wol­le es nun sei­nen Lauf neh­men las­sen.

Im Flur der Burg stan­den Be­waff­ne­te, wel­che nicht zur Leib­gar­de des Kai­sers ge­hör­ten und den Kar­di­nal nicht in der üb­li­chen Wei­se grüß­ten, was ihm einen pein­li­chen Ein­druck mach­te; aber er fass­te sich und stieg die Trep­pe hin­auf, die zu den Ge­mä­chern des Kai­sers führ­te, des­sen Nähe ihn doch auch wie­der be­ru­hig­te. Im Vor­ge­mach trat ihm so­gleich ein Ver­trau­ter der bei­den Erz­her­zö­ge ent­ge­gen und for­der­te ihn kurz auf, Hut und Man­tel ab­zu­le­gen, da­ge­gen einen be­reit­lie­gen­den schwar­zen Um­hang zu neh­men und den war­ten­den Of­fi­zie­ren, Dam­pi­er­re und Col­lal­to, zu fol­gen. Er er­he­be Pro­test, sag­te Khlesl, im Na­men des Kai­sers und des Paps­tes, hat­te aber kaum aus­ge­spro­chen, als Dam­pi­er­re ihn un­ter Schimpf­wor­ten hart an­fuhr, er sol­le ge­hor­chen, sonst wer­de man Ge­walt mit ihm ge­brau­chen. Khlesl, der vor Schre­cken zit­ter­te, über­leg­te blitz­schnell, ob er ver­su­chen sol­le, zum Kai­ser durch­zu­drin­gen, oder ob sonst ein Ent­rin­nen mög­lich sei; aber da er nir­gends eine Zuf­lucht vor der Über­macht sah, ließ er sich ohne Wi­der­re­de um­klei­den und von den bei­den Of­fi­zie­ren durch den ver­deck­ten Gang trei­ben, an des­sen Ende eine Kut­sche be­reit­stand, die ihn in schnel­ler Fahrt durch Stei­er­mark nach Ti­rol brach­te.

Nach­dem der Kar­di­nal auf die­se Wei­se ent­fernt war, er­üb­rig­te noch, das Ge­sche­he­ne dem Kai­ser bei­zu­brin­gen. Ma­xi­mi­li­an und Fer­di­nand tra­ten an sein Bett, teil­ten ihm mit, dass dem Kar­di­nal an sei­nem Lei­be kein Scha­den zu­ge­fügt wer­den sol­le, dass sie ihn nur in fes­tem Ge­wahr­sam hal­ten wür­den und dass die­ses zum Bes­ten des Kai­sers und der Ge­samt­fa­mi­lie nö­tig sei. So­lan­ge Khlesl re­gie­re, wür­de es nie zum Krie­ge kom­men, und die böh­mi­schen Her­ren wür­den zu­letzt den Kai­ser selbst zum Fens­ter hin­aus­wer­fen. Ob er dazu still­hal­ten woll­te? Er sol­le auch be­den­ken, dass sie zu Kai­ser Ru­dolfs Leb­zei­ten eben­falls das Wohl der Ge­samt­fa­mi­lie im Auge ge­habt hät­ten, sich nicht wun­dern, wenn sie jetzt auf das glei­che ab­ziel­ten, und sol­le der Welt ge­gen­über sich so an­stel­len, als sei Khlesls Ge­fan­gen­nah­me auf sei­nen Be­fehl ge­sche­hen.

Wäh­rend Matt­hi­as schwei­gend zu wei­nen an­fing, jam­mer­te die Kai­se­rin laut, Khlesl sei ihr ein­zi­ger Freund ge­we­sen, sie wis­se recht wohl, wor­auf die Erz­her­zö­ge ab­ziel­ten, näm­lich auf ih­res Man­nes Kro­ne, der ih­nen zu lan­ge leb­te. Das woll­ten sie Gott an­heim­stel­len, sag­te Ma­xi­mi­li­an, und Fer­di­nand füg­te hin­zu, sein Ge­wis­sen sei rein, sie woll­ten Matt­hi­as viel­mehr die Kro­ne fes­ter aufs Haupt drücken. Matt­hi­as rief kläg­lich, er be­geh­re ih­rer Hil­fe nicht, Khlesl sei sein wah­rer Bru­der und Freund, den wol­le er wie­der­ha­ben; al­lein er hat­te das Ge­fühl, dass of­fe­nes Wi­der­stre­ben ihm nur selbst Ge­fahr brin­gen könn­te, und füg­te sich in das Un­ver­meid­li­che.

27.

Im Spät­herbs­te des Jah­res 1581 fand in dem nie­der­län­di­schen Orte Vaux das Be­gräb­nis des Ma­xi­mi­li­an von Lon­gue­val, Gra­fen von Bu­quoy statt, der bei der Be­la­ge­rung von Tour­nay an der Sei­te des Gou­ver­neurs der Nie­der­lan­de, Alex­an­der Far­ne­se, Her­zogs von Par­ma, ge­fal­len war. Von dem Fens­ter ei­nes vor­neh­men Hau­ses sah sein zehn­jäh­ri­ger Sohn Karl Bo­na­ven­tu­ra den fest­lich trau­ern­den Zug durch die enge Stra­ße mar­schie­ren: vor­an schritt das Re­gi­ment des Gra­fen mit der flor­ver­hüll­ten Fah­ne, dann folg­te der von Rit­tern ge­tra­ge­ne, von ei­nem schwar­zen Tuch ver­häng­te Sarg, auf wel­chem sein Wap­pen, sei­ne Or­den und Ehren­zei­chen la­gen, dann sein mit schwar­zem, ni­cken­dem Fe­der­busch ge­krön­tes Lei­broß und die von ihm im Krie­ge er­beu­te­ten, ent­fal­te­ten Fah­nen, wor­auf wie­der Ab­tei­lun­gen von Sol­da­ten und geist­li­che Kör­per­schaf­ten folg­ten, de­nen je eine Grup­pe Trom­pe­ter vor­an­ging und sie mit lang­sa­mem, star­kem Bla­sen an­kün­dig­ten. Nach­dem die Ze­re­mo­ni­en vor­über wa­ren, be­grüß­te Alex­an­der Far­ne­se die Wit­we sei­nes ver­stor­be­nen Freun­des und er­kun­dig­te sich nach den Plä­nen für die Zu­kunft ih­res ein­zi­gen Soh­nes. Der her­bei­ge­ru­fe­ne Kna­be, der stumm mit hei­ßen Ba­cken und großen Au­gen auf die Stra­ße ge­staunt hat­te, nahm tief auf­at­mend das Wort und sag­te, dies sei ein herr­li­cher Tag ge­we­sen; er wol­le wer­den, was sein Va­ter ge­we­sen sei, da­mit er einst mit eben­sol­cher Pracht zur Erde be­stat­tet wer­de. Bei sich dach­te der Klei­ne, er wer­de es viel­leicht da­hin brin­gen, dass auf sei­nem Sar­ge der Or­den des Gol­de­nen Vlie­ses, des höchs­ten in der Chris­ten­heit, lie­gen wer­de, der sei­nem Va­ter noch fehl­te. Dem Her­zog von Par­ma ge­fiel der frei­mü­ti­ge Ehr­geiz des jun­gen Bu­quoy, und er be­güns­tig­te ihn, so­lan­ge er noch leb­te; so­bald es an­ging, rück­te der Jüng­ling in die Wür­den sei­nes ver­stor­be­nen Va­ters ein und er­warb sich im spa­ni­schen Krie­ge ge­gen Hol­land neue. Die­sen be­rühm­ten Of­fi­zier wünsch­te Matt­hi­as, so­bald er Kai­ser ge­wor­den war, in sei­nen Dienst zu brin­gen, und ge­wann auch dazu die Ein­wil­li­gung des Kö­nigs von Spa­ni­en so­wie sei­nes Bru­ders, des Erz­her­zogs Al­bert, der in­zwi­schen als Ge­mahl der Toch­ter Phil­ipps II., Isa­bel­la, Gou­ver­neur der spa­ni­schen Nie­der­lan­de ge­wor­den war. Bu­quoy selbst je­doch hat­te kei­ne Lust dazu; denn nach­dem er im Jah­re 1612 das Gol­de­ne Vlies er­hal­ten hat­te, war sein Ehr­geiz im we­sent­li­chen be­frie­digt, ab­ge­se­hen da­von, dass die als kai­ser­li­cher Feld­mar­schall bei den Kämp­fen im Rei­che etwa zu er­rin­gen­den Lor­bee­ren ihm mit den sei­ni­gen ver­gli­chen et­was win­dig vor­ka­men. Wien samt der Hof­burg und dem Kai­ser mach­te ihm, wenn er an Brüs­sel dach­te, einen zu­rück­ge­blie­be­nen Ein­druck: da war kei­ne Ari­sto­kra­tie, denn die evan­ge­li­schen Ad­li­gen zähl­te er nicht, son­dern al­les in al­lem ein knau­se­ri­ges, bür­ger­li­ches We­sen. In­des­sen da die böh­mi­sche Re­vo­lu­ti­on aus­brach, konn­te er sich dem ver­ein­ten Drän­gen des Kai­sers, des Kö­nigs von Spa­ni­en und des Erz­her­zogs Al­bert nicht mehr wi­der­set­zen und trös­te­te sich mit der Ver­si­che­rung des letz­te­ren, er wer­de die böh­mi­schen Rat­ten bald ab­ge­fan­gen und aus­ge­schwe­felt ha­ben und kön­ne dann reich be­lohnt zu Hei­mat und Fa­mi­lie zu­rück­keh­ren, ließ sich auch den Ti­tel ei­nes kai­ser­li­chen Rat­ten­jä­gers, den ihm die Ka­me­ra­den scherz­wei­se an­häng­ten, mit gu­ter Mie­ne ge­fal­len.

 

Auch am Wie­ner Hofe hör­te er mit Ge­ring­schät­zung von dem böh­mi­schen Kra­wall spre­chen, frei­lich auch mit Er­bit­te­rung im Krei­se der An­hän­ger Fer­di­n­ands, wäh­rend der Kai­ser sich da­hin äu­ßer­te, es hand­le sich nur dar­um, den Böh­men einen Ernst zu zei­gen oder etwa eine klei­ne Nie­der­la­ge bei­zu­brin­gen, da­mit sie sich zu ei­nem an­stän­di­gen Frie­den be­quem­ten. Da er nun nicht mehr aus­wei­chen konn­te, ver­kauf­te Bu­quoy we­nigs­tens sei­ne Diens­te teu­er, näm­lich er ver­lang­te 2000 Gul­den Ge­halt für den Mo­nat, au­ßer­dem eine Ent­schä­di­gung von 13.000 Gul­den im Jah­re und end­lich, beim Ab­schlus­se des Ver­tra­ges, ein Ge­schenk von 6000 Bra­ban­ter Kro­nen. Frei­ge­big wur­den ihm dazu noch Aus­sich­ten auf lie­gen­de Gü­ter in Böh­men ge­macht, wel­che man den be­sieg­ten Re­bel­len ab­neh­men wür­de; denn man hoff­te ihn durch großen Guts­be­sitz an den Dienst des Kai­sers zu fes­seln.

Zu­ver­sicht­lich, aber we­ni­ger fröh­lich als in sei­nen Ju­gend­ta­gen zog Bu­quoy dem Kriegs­schau­plat­ze zu, von wo bald lau­ter böse Nach­rich­ten ein­lie­fen. Er be­fin­de in Böh­men al­les an­ders, als man ihm aus­ge­malt habe, schrieb er un­mu­tig und nie­der­ge­schla­gen an den Kai­ser; die Böh­men sei­en kei­nes­wegs so un­tüch­tig in der Krieg­füh­rung und zu­sam­men­ge­lau­fe­ne Hau­fen, als wel­che man sie in Wien habe dar­stel­len wol­len, son­dern kämpf­ten grim­mig, so­dass er ih­nen nicht habe bei­kom­men kön­nen. Für ein Gut in die­sem Lan­de be­dan­ke er sich, denn es lie­ge ihm nichts dar­an, sich zwi­schen ei­ner Her­de von Wöl­fen sei­nes Le­bens zu weh­ren.

Durch ein ge­schick­tes Zu­sam­men­wir­ken mit dem Obers­ten Dam­pi­er­re hät­te Bu­quoy sich wohl eher hel­fen kön­nen; al­lein die­se bei­den konn­ten sich durch­aus nicht ver­tra­gen, da Dam­pi­er­re sich dem Bu­quoy nicht un­ter­ord­nen woll­te und die­ser je­nen als einen ro­hen Men­schen ohne ad­li­ge Sit­te ver­ach­te­te, und au­ßer­dem, da Dam­pi­er­re, als eine Krea­tur Fer­di­n­ands, den Krieg kei­nes­wegs so ge­lin­de füh­ren woll­te wie der Feld­mar­schall des Kai­sers, dem es auf eine schleu­ni­ge Ver­söh­nung mit dem Geg­ner an­kam.

Zu die­sen be­denk­li­chen Nach­rich­ten aus Böh­men kam nun im No­vem­ber noch das Er­schei­nen des Ko­me­ten, um den Kai­ser zu ängs­ti­gen, der sich oh­ne­hin, seit ihm Khlesl so un­ver­hofft von der Sei­te ge­ris­sen war, trüb­se­li­gen Be­fürch­tun­gen hin­gab. Die Ärz­te ver­ord­ne­ten ihm, um sei­ne Le­bens­kraft an­zu­spor­nen, bald eine Luft­ver­än­de­rung, bald lie­ßen sie ihn pur­gie­ren, aber es blieb beim al­ten, nicht ein­mal das dün­ne Süpp­lein, das er durch ein Rohr ein­sog, schmeck­te ihm mehr. Zu­erst ver­schaff­te es ihm eine ge­wis­se Er­leich­te­rung, als im De­zem­ber die fett­lei­bi­ge Kai­se­rin plötz­lich starb; denn nun schi­en sich die Dro­hung des Ko­me­ten auf sie be­zo­gen zu ha­ben; aber an­de­rer­seits ver­miss­te er ihr freund­li­ches, un­ter­halt­li­ches We­sen und ver­ging vor Kum­mer und Lan­ger­wei­le in den Stun­den, wo er sonst mit ihr beim Brett­spiel ge­ses­sen hat­te. Auch ver­schwand der un­heil­vol­le pro­phe­ti­sche Fin­ger nicht vom Him­mel, son­dern wies un­ver­wandt auf ihn, das welt­li­che Haupt der Chris­ten­heit, als wel­cher mit­samt sei­nen ver­üb­ten Fre­veln vom Erd­bo­den hin­weg müs­se, viel­leicht durch eine Sünd­flut son­der­glei­chen weg­ge­schwemmt.

28.

Mans­feld lag, als Feld­herr der böh­mi­schen Stän­de, mit dem im Diens­te des Her­zogs von Sa­voy­en an­ge­wor­be­nen Hee­re vor der Stadt Pil­sen, die sich mit Be­ru­fung auf den Kai­ser ge­wei­gert hat­te, die Pra­ger Di­rek­to­ren an­zu­er­ken­nen.

Der Ok­to­ber war licht, lau­ter und über­reich an Früch­ten, es fehl­te nicht an Nah­rung im La­ger. Ein Häuf­lein Sol­da­ten la­ger­te um die Ge­schüt­ze her­um, die sie zu be­die­nen hat­ten, und ver­spot­te­te, nach der Mau­er bli­ckend, den Feind, der nicht tref­fen kön­ne. Nur der Scharf­rich­ter, hieß es, ver­feh­le nie das Ziel, wes­halb man glaub­te, dass er im Be­sit­ze von Frei­ku­geln sei. Mit die­sem hat­te Mans­feld eine ver­häng­nis­vol­le Be­geg­nung ge­habt: da er sich näm­lich ein­mal der Mau­er all­zu sehr nä­her­te, ritt ein Leut­nant dicht an ihn her­an und bat ihn, sich zu­rück­zu­zie­hen, da­mit ihn nicht der Scharf­rich­ter, der auf der Wa­che sei, aufs Korn neh­me. Mans­feld, der un­gern vor ei­ner Ge­fahr zu­rück­wich, rief zür­nend nach der Mau­er hin­über: »Seid ihr ehr­li­che Bür­ger und Bau­ern, dass ihr an ei­nes Scharf­rich­ters Sei­te schie­ßen mögt?«, wor­auf au­gen­blick­lich eine Stim­me, näm­lich die des Scharf­rich­ters, zu­rück höhn­te: »Kämpft ihr doch gar un­ter ei­nem Ba­stard!« Über die­sen Vor­fall plau­der­ten die bei den Ge­schüt­zen, als ein jun­ger Mensch na­mens Bla­si­us aus Graz prahl­te, er fürch­te den Hen­ker nicht und wol­le sich kal­ten Bluts dicht an den Fes­tungs­gra­ben stel­len und der Be­sat­zung auf der Mau­er zu­trin­ken. Die Ka­me­ra­den schüt­tel­ten zwei­felnd den Kopf, an­de­re mein­ten, er sei viel­leicht fest oder tra­ge ir­gend­ein Amu­lett bei sich, das ihn schüt­ze. Er tra­ge al­ler­dings einen Ge­or­gen­ta­ler, sag­te Bla­si­us, aber er sei be­reit, den­sel­ben vor­her ab­zu­le­gen, wenn die Ka­me­ra­den nach glück­lich voll­brach­tem Wa­g­nis drei Ta­ler dar­auf­le­gen woll­ten. Nach­dem sie über die Wet­te ei­nig ge­wor­den wa­ren, er­griff er einen vol­len Krug, ging hur­ti­gen Schrit­tes bis zum Gra­ben und schwenk­te ihn ge­gen die Mau­er, wo­bei er her­aus­for­dern­de Wor­te rief. So­fort rühr­te es sich auf dem Wall, und ei­ni­ge Schüs­se fie­len, Bla­si­us je­doch dreh­te sich ge­schickt auf den Fer­sen um, bück­te sich, raff­te eine Ku­gel auf, warf sie in die Luft und ver­beug­te sich wie nach ei­nem ge­lun­ge­nen Kunst­stück ge­gen die Stadt; dann ging er wie­der dem La­ger zu, wo­bei er Be­dacht nahm, einen ge­mes­se­nen Schritt ein­zu­hal­ten. Der Zu­fall woll­te, dass Mans­feld da­zu­kam, als die Ka­me­ra­den den jun­gen Wa­ge­hals glück­wün­schend um­ring­ten; er lä­chel­te bei­fäl­lig und reich­te ihm ein paar Du­ka­ten, in­dem er hin­zu­füg­te, er habe ge­ra­de Geld aus Tu­rin er­hal­ten und sei nicht ge­wohnt, das schwe­re Me­tall lan­ge in der Ta­sche zu be­hal­ten.

Bei den Ge­schüt­zen wur­de auf die­sen Glücks­fall hin ge­wür­felt und ge­zecht. Schon dreh­te sich die Am­pel der Ster­ne im Scho­ße der Nacht, als ein Zank un­ter den Spie­lern ent­stand, weil der Bla­si­us einen an­de­ren be­schul­dig­te, falsche Wür­fel un­ter­ge­mengt zu ha­ben. Die­ser ver­tei­dig­te sich durch die Ge­gen­be­schul­di­gung, Bla­si­us habe trotz des Ge­or­gen­ta­lers noch ir­gend­ei­nen Teu­fels­zau­ber bei sich ge­habt, und je­der von ih­nen hät­te auf die­se Wei­se den Mu­ti­gen spie­len und den Ge­winn da­von­tra­gen kön­nen. »Wenn ich einen Zau­ber hät­te«, rief Bla­si­us, »so brauch­tet ihr nicht nei­disch zu sein. Ihr könn­tet euch auch einen ver­schaf­fen, wenn ihr den Mut hät­tet.« Wie sie nun in ihn dran­gen, das Ge­heim­nis zu be­ken­nen, er sich wei­ger­te, sie ihn zwin­gen woll­ten, wur­de der Streit tol­ler, und die Rau­fen­den ka­men erst zur Be­sin­nung, als Bla­si­us er­sto­chen war.

Ge­heul und Ge­schrei zog den Pro­fo­sen her­bei, der Mie­ne mach­te, Hand an die Schul­di­gen zu le­gen, aber ein­lenk­te, als ihm ein paar von Mans­felds Gold­stücken in die Hand ge­scho­ben wur­den. Er hat­te frü­her in ei­ner Tür­ken­schlacht ein Auge ver­lo­ren und pfleg­te über die lee­re Höh­le kreuz­wei­se zwei Strei­fen schwar­zer Sei­de zu kle­ben; aus dem üb­rig­ge­blie­be­nen Auge schoss er jetzt einen schnel­len Schlan­gen­blick auf den ärgs­ten Rau­fer, wie um ihm ein Merk­mal ein­zuät­zen, und be­schloss, ihn bei der nächs­ten Ge­le­gen­heit, die nicht aus­blei­ben wür­de, zu hän­gen. Ein gleich­falls her­bei­ge­hol­ter Pfar­rer bück­te sich über den ver­schei­den­den Bla­si­us und hör­te des­sen ge­flüs­ter­te Beich­te: es habe ihm kürz­lich eine Zi­geu­ne­rin ge­weis­sagt, er wer­de nicht vor dem Fein­de, son­dern bei ei­nem Zwist mit Freun­den fal­len, das habe ihn so kühn ge­macht; ver­bo­te­ne Küns­te habe er nicht ge­trie­ben, son­dern st­er­be als ein gu­ter Christ in Er­war­tung der himm­li­schen Se­lig­keit.

Trotz mehr­mo­na­ti­ger Be­la­ge­rung war noch im­mer kei­ne Aus­sicht, Pil­sen zu neh­men. Die durch ihre Lage und vor­treff­li­che Be­fes­ti­gung oh­ne­hin für un­ein­nehm­bar gel­ten­de Stadt er­freu­te sich ei­nes tüch­ti­gen Kom­man­dan­ten, Fels von Dorn­heim, der ein gu­tes Ein­ver­ständ­nis zwi­schen Bür­ger­schaft und Be­sat­zung wahr­te, so­dass die Sol­da­ten sich ge­nü­gen­der Ver­pfle­gung er­freu­ten; das Be­la­ge­rungs­heer da­ge­gen be­gann all­mäh­lich Not zu lei­den und über Un­tä­tig­keit und aus­blei­ben­den Sold zu mur­ren. Die Di­rek­to­ren schick­ten noch im­mer kein Geld, son­dern er­mahn­ten Mans­feld von Zeit zu Zeit, sich ent­schei­den­der Ak­tio­nen, durch wel­che Pil­sen ei­ni­ger­ma­ßen in ex­tre­mis ver­setzt wür­de, zu ent­hal­ten, denn der Kai­ser möch­te eine ernst­li­che Ge­fähr­dung der ihm er­ge­be­nen Stadt als re­bel­lisch und un­re­spek­tier­lich emp­fin­den. Ein­mal er­hielt er so­gar Be­fehl, die Be­la­ge­rung auf­zu­he­ben, und zog wirk­lich ab, je­doch um zu­rück­zu­keh­ren, als bald her­nach ein Ge­gen­be­fehl ein­traf.

Fels von Dorn­heim hat­te eine ein­zi­ge Toch­ter, die mit ei­nem Obers­ten ver­hei­ra­tet war und die er herz­lich lieb­te. Die­se kam ei­nes Ta­ges zu ihm und klag­te über ih­ren Mann, dass er sie, seit sie in Pil­sen wä­ren, ver­nach­läs­si­ge und übel be­hand­le, dass er ein Lie­bes­ver­hält­nis mit ei­ner von den Klos­ter­frau­en an­ge­knüpft habe, die vor den Mans­fel­di­schen in die Stadt ge­flüch­tet wä­ren und sich hier die Zeit mit welt­li­chen Hän­deln ver­trie­ben.

 

Dorn­heim strei­chel­te zu­erst das lie­be Ge­sicht der Frau, die ihm glich, und trös­te­te sie ein we­nig zö­gernd da­mit, dass das nun lei­der ein­mal die Wei­se der Män­ner sei und dass er sich am ers­ten wie­der zu ihr und ih­ren Kin­dern fin­den wür­de, wenn sie ge­dul­dig zu­war­te. Das habe sie wo­chen­lang ge­tan, ent­geg­ne­te sie, ihr Lohn sei aber ge­we­sen, dass er sie ins Ge­sicht ge­schla­gen hät­te, als sie ihm zum ers­ten Mal sei­ne Un­treue in ge­lin­den Wor­ten vor­ge­hal­ten habe. Ihre schön­um­säum­ten Au­gen flamm­ten schwarz vor Zorn und Scham; lie­ber, sag­te sie, als sol­che Schmach fer­ner zu er­tra­gen, wol­le sie mit ih­ren Kin­dern an der Hand ins Elend wan­dern. Der Kom­man­dant ging mit großen Schrit­ten im Zim­mer auf und ab, wäh­rend er mehr­mals zor­nig her­vors­tieß: »Das ist zu viel! das er­lei­det kein Dorn­heim!« Dann leg­te er den dunklen Kopf der Toch­ter an sei­ne Brust und sag­te be­schwich­ti­gend, er wol­le ih­ren Mann zur Ver­nunft brin­gen, sie sol­le ihm ver­trau­en; so­lan­ge er lebe, sol­le sein Kind nicht wie ein Bau­ern­weib ge­schla­gen wer­den oder ins Elend wan­dern. Sie lä­chel­te un­ter Trä­nen zu ihm auf, und ihr Blick ver­weil­te zärt­lich auf der fes­ten, brei­ten Ge­stalt des Va­ters und auf sei­nem blü­hen­den, rot­brau­nen Ge­sicht, aus dem die Au­gen so herz­lich und si­cher her­aus­se­hen konn­ten.

Die Un­ter­re­dung mit dem Schwie­ger­sohn, die den Kom­man­dan­ten nicht we­nig be­un­ru­hig­te, ver­lief be­que­mer, als er ge­dacht hat­te, und ziem­lich zu­frie­den­stel­lend; we­nigs­tens ver­sprach er, der vor Dorn­heim viel mehr Angst hat­te, als die­ser ahn­te, Bes­se­rung in je­der Hin­sicht, das schul­di­ge Ver­hält­nis mit der Ver­füh­re­rin, an der er kein gu­tes Haar ließ, ab­zu­bre­chen und sei­ne Frau mit ge­büh­ren­der Rück­sicht zu be­han­deln. Eine Ver­söh­nung wur­de zu­we­ge ge­bracht, bei der der Mann wein­te und schluchz­te und die jun­ge Frau blass und ver­schlos­sen drein­schau­te. In sei­ner Freu­de lud Dorn­heim den Schwie­ger­sohn und ei­ni­ge an­de­re Of­fi­zie­re auf den Abend zu ei­nem Ban­kett ein und trank mehr als ge­wöhn­lich, wäh­rend er sich sonst, na­ment­lich wäh­rend der Dienst­zeit, eher durch Mä­ßig­keit aus­zeich­ne­te. Doch war er be­son­nen ge­nug, um Mit­ter­nacht die Ta­fel auf­zu­he­ben; vor dem Zu­bett­ge­hen, sag­te er, wol­le er noch eine Run­de um den Wall ma­chen; er füh­le sich wach und nüch­tern, als sei er eben auf­ge­stan­den, setz­te er fröh­lich hin­zu, in­dem er sei­ne kräf­ti­ge Ge­stalt reck­te. Von ei­ni­gen Fa­ckel­trä­gern be­glei­tet, tra­ten sie den Rund­gang an, bei dem Dorn­heim ziem­lich fes­ten Fu­ßes vor­auf­ging, wäh­rend die an­de­ren, be­rauscht und schläf­rig, ihm nach­stol­per­ten. Sie wa­ren bei dem so­ge­nann­ten Ba­de­hau­se an­ge­kom­men, das ein Haupt­ziel der Be­la­ge­rer war, als Dorn­heim still­stand, weil er ein Geräusch ge­hört zu ha­ben glaub­te; es rühr­te von ei­nem Ar­ke­bu­sier bei den Mans­fel­di­schen her, der auf dem Bau­che bis an den Stadt­gra­ben ge­kro­chen war in der Hoff­nung, etwa Ge­le­gen­heit zu ei­ner küh­nen Tat zu fin­den. In dem Au­gen­blick, wo Dorn­heim, ei­nem der be­glei­ten­den Sol­da­ten die Fa­ckel aus der Hand neh­mend, sich zum Gra­ben hin­un­ter­beug­te, leg­te der ver­steck­te Schüt­ze an und traf den feind­li­chen Kom­man­dan­ten so gut ins Herz, dass er, nur noch einen ein­zi­gen Seuf­zer aus­sto­ßend, tot vorn­über in die Tie­fe stürz­te.

Sein Schwie­ger­sohn wur­de sein Nach­fol­ger; al­lein un­ter sei­nem lau­ni­schen Re­gi­ment, denn er ließ be­que­mer Nach­sicht un­ver­mit­telt bös­ar­ti­ge Här­te fol­gen, wur­de die Manns­zucht der Be­sat­zung lo­cker, die Ein­woh­ner­schaft ih­rer über­drüs­sig, und die Ver­tei­di­gung fing an, dem Fein­de al­ler­lei Blö­ßen zu zei­gen. Da nun auch end­lich von Prag aus Mah­nun­gen an Mans­feld ka­men, er sol­le Ernst ge­brau­chen, schritt er zum Stur­me und konn­te in der Frü­he des 22. No­vem­ber als Sie­ger in die er­ober­te Stadt ein­zie­hen.

Vor Pil­sen er­krank­te ei­ner der reichs­ten böh­mi­schen Stan­des­her­ren, Al­brecht Jo­hann Smir­sitz­ky, und starb in sei­nem Hau­se in Prag, wo­hin er sich hat­te brin­gen las­sen. Er war mit der Prin­zes­sin Ama­lie von Hanau, ei­ner En­ke­lin Wil­helms I. von Ora­ni­en, ver­lobt ge­we­sen, die den Bräu­ti­gam tief be­trau­er­te und ihr Bild an ei­ner Ket­te nach Prag schick­te, da­mit es zu ihm in den Sarg ge­legt wer­de. Der jun­ge Mann, der ein wil­des und lie­der­li­ches Le­ben ge­führt hat­te, war in ih­ren Au­gen ein Glau­bens­held, da er sich bei der De­fe­ne­stra­ti­on der ka­tho­li­schen Räte als ei­ner der Eif­rigs­ten mit ei­ge­ner Hand be­tei­ligt hat­te, und sie hielt sein An­den­ken hei­lig. Noch be­vor ein Jahr ver­flos­sen war, hei­ra­te­te sie den nun­mehr äl­tes­ten Sohn des Land­gra­fen von Hes­sen-Kas­sel, Wil­helm, dem sie zwar nicht an Bil­dung, aber an Ge­sund­heit und Tat­kraft über­le­gen war und der sich ihr mit gan­zem Her­zen hin­gab.