Der Dreißigjährige Krieg

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29.

Spät an ei­nem De­zem­be­r­abend des Jah­res 1618 in Straß­burg be­gab sich der Pro­fes­sor der Ge­schich­te Matt­hi­as Ber­neg­ger mit sei­nen Schü­lern zum Müns­ter, um den seit ei­ni­ger Zeit sicht­bar ge­wor­de­nen Ko­me­ten zu be­trach­ten. Ber­neg­ger hat­te der Re­li­gi­on we­gen sei­ne ober­ös­ter­rei­chi­sche Hei­mat ver­las­sen müs­sen und an der Straß­bur­ger Aka­de­mie eine An­stel­lung ge­fun­den. In sei­nem Hau­se, das ein fröh­li­cher Sinn und tä­ti­ger Geist be­leb­te, wohn­ten stets ei­ni­ge Stu­den­ten, die lie­be­voll und dank­bar an ihm hin­gen, nicht sel­ten aber auch ihn aus­nütz­ten und be­tro­gen. Dies pfleg­te sei­ner Lie­be kei­nen Ein­trag zu tun, wie er denn im­mer mit in­ni­gem An­teil von dem Schle­si­er er­zähl­te, der la­tei­ni­sche Ver­se aus dem Steg­reif mach­te, zur Man­do­li­ne sang und, wenn er ihm Geld ab­borg­te, ihn so un­schul­dig schel­misch an­sah, als ob er ihm im Voraus zu ver­ste­hen ge­ben woll­te, dass er es nie zu­rück­ge­ben wer­de. Eben­so von je­nem Bas­ler, der durch­aus nichts lern­te, sei es, dass er es nicht konn­te oder dass er kei­ne Lust dazu hat­te, aber sei­ner Frau in der Kü­che so an­stel­lig zur Hand ging, dass sie nicht mehr ohne ihn fer­tig wer­den konn­te, der frei­lich auch einen är­ger­li­chen Han­del mit ei­ner Dienst­magd an­stell­te, so­dass Ber­neg­ger um sei­net­wil­len bit­ten­der­wei­se bei den Rats­her­ren um­her­lau­fen und bei Freun­den eine An­lei­he ma­chen muss­te, um den Scha­den ei­ni­ger­ma­ßen zu de­cken. Noch mehr Not hat­te er mit dem von Küs­sow, ei­nem jun­gen Pom­mer, aus­zu­ste­hen, der sich be­trank und nie­mals be­zahl­te und, wenn Ber­neg­ger einen Zwei­fel aus­sprach, ob er auch zu dem Sei­ni­gen kom­men wür­de, stolz ent­rüs­tet sag­te, er sei von ur­al­tem deut­schem Adel, wol­le lie­ber das Le­ben ein­bü­ßen als die Ehre und for­de­re je­den vor sein Schwert, der ihm zu nahe trä­te. Er war faul und be­griff nichts, konn­te aber gut rech­nen und lös­te, wenn er nüch­tern war, die längs­ten und schwie­rigs­ten Auf­ga­ben so ge­schwin­de, als ob sie ihm je­mand ein­blie­se.

Wäh­rend der klei­ne Trupp, von ei­nem La­ter­nen­trä­ger ge­führt, durch die ne­be­l­er­füll­ten Gas­sen schritt, er­zähl­te Ber­neg­ger von dem Ko­me­ten und sei­ner et­wai­gen Be­deu­tung. Vie­le glaub­ten, sag­te er, ein Ko­met zei­ge ins­be­son­de­re den Tod ho­her Her­ren an, und nach­dem kurz vor sei­nem Er­schei­nen der Erz­her­zog Ma­xi­mi­li­an, sech­zig­jäh­rig, ge­stor­ben sei, habe man ja nun auch den Tod der Kai­se­rin Anna er­fah­ren müs­sen, und von be­denk­li­cher Lei­bes­schwä­che des Kai­sers wer­de viel ge­fa­belt. An­de­re be­zö­gen die dro­hen­de Fa­ckel mehr auf Krieg und Pest, und auch das kön­ne ja nur all­zu leicht ein­tref­fen, da von ge­wis­ser Sei­te, näm­lich von den Je­sui­ten, un­ge­scheut zum all­ge­mei­nen Krie­ge auf­ge­ru­fen wer­de und der Krieg schon für sich eine Pest sei. Er wol­le ih­nen, sei­nen Schü­lern, aber nicht ver­hal­ten, dass ein­zel­ne, zum Bei­spiel der große Kep­ler, den er mit Stolz sei­nen Freund nen­ne, von sol­chen An­deu­tun­gen nicht viel hiel­ten, in­dem Kep­ler auf alle Er­schei­nun­gen der Welt die phy­si­ka­li­schen Ge­set­ze an­ge­wen­det wis­sen woll­te, wel­che wohl Got­tes Grö­ße im All­ge­mei­nen of­fen­bar­ten, nicht aber sei­nen Wil­len in Be­zug auf die mensch­li­chen Ge­schi­cke im ein­zel­nen. Er wies auf Kep­lers großes Werk von der Har­mo­nie der Welt hin, wo­nach die gan­ze Welt mit Ein­schluss der Erde in sich zu­sam­men­hän­ge und durch sich be­ste­he; frei­lich wä­ren dies al­les ge­fähr­li­che Wahr­hei­ten oder gar nur Hy­po­the­sen, de­nen vor­züg­lich die Ju­gend sich nur be­hut­sam nä­hern dür­fe.

Un­ter sol­chen Re­den ge­lang­ten sie bis dicht vor die plötz­lich aus dem duns­ti­gen Dun­kel auf­tau­chen­de Mau­er des Müns­ters, und in­dem Ber­neg­ger sei­ne Her­de über­blick­te, be­merk­te er, dass der Pom­mer fehl­te. Wo denn der von Küs­sow ge­blie­ben sei? frag­te Ber­neg­ger er­staunt die an­de­ren. Den lock­ten an­de­re Ster­ne, sag­ten die jun­gen Leu­te la­chend, er wer­de wohl in ir­gend­ein Sei­ten­gäss­chen ent­schlüpft sein. Ber­neg­ger schüt­tel­te seuf­zend den Kopf und sag­te: »Hät­te der jun­ge Bö­otier nicht auf dem Heim­we­ge da­von­lau­fen kön­nen?«

In­zwi­schen hat­te der durch ein Glo­cken­zei­chen her­bei­ge­ru­fe­ne Turm­wär­ter das Pfört­lein ge­öff­net und ver­si­cher­te wäh­rend des Auf­stiegs, dass der Him­mel klar sei; der Ne­bel lie­ge nur wie ein aus­ge­brei­te­tes La­ken über den Dä­chern. In der Tat emp­fing die aus dem en­gen Schacht auf die Platt­form Tre­ten­den der kla­re Raum, aus dem al­les Trü­be, Duns­ti­ge und Schwe­re aus­ge­schie­den und in die Tie­fe hin­ab­ge­sto­ßen zu sein schi­en; ne­ben sich sa­hen sie den schlan­ken Turm wie einen Speer in die dia­man­te­ne Luft schwe­ben. Ber­neg­ger lehn­te sich an die Mau­er und blick­te ein we­nig be­täubt in das fest­li­che Ge­wim­mel der Ster­ne. Ha­ben etwa doch die­je­ni­gen recht, dach­te er, wel­che be­haup­ten, es sei un­er­laubt, na­tür­li­che Ge­set­ze auf die gött­li­chen Ge­heim­nis­se an­zu­wen­den? Ist es nicht Fre­vel von uns Zwer­gen, das gren­zen­lo­se Kleid Got­tes aus­mes­sen zu wol­len? uns ein­zu­bil­den, Gott, der ohne An­fang und Ende ist, der aus dem Nichts schafft, tei­le mit uns kurz­le­bi­gen Wür­mern die­sel­ben Ge­set­ze? Gleich­zei­tig dach­te er mit Be­wun­de­rung des Man­nes, der mit mäch­ti­gem Fin­ger in das Flam­men­cha­os ewi­ge Li­ni­en schrieb, und es schi­en ihm, als kön­ne Gott dem wa­gen­den Geis­te, der sich sei­nen Spu­ren nach­schwang, um ihn zu er­ken­nen, nicht zür­nen.

Sich zu sei­nen Schü­lern wen­dend, frag­te er plötz­lich, was denn nach ih­rer Mei­nung den Men­schen vom Tie­re un­ter­schei­de? und er­hielt zur Ant­wort, das tue der Ge­dan­ke. »Wohl­an«, sag­te Ber­neg­ger, »miss­trau­et im­mer de­nen, die euch ab­hal­ten wol­len zu den­ken; aber ver­ge­sst nie­mals, dass das Den­ken von Gott stammt und zu Gott füh­ren muss.« Dann zeig­te er ih­nen die Pla­ne­ten, wel­che sicht­bar wa­ren, die Stern­bil­der und den Ko­me­ten, der sei­nen an­sehn­li­chen Schweif quer durch die Milch­stra­ße zog. »Gleicht er nicht«, sag­te er, »ei­nem wü­ten­den Stier, der blind in eine Her­de fromm wei­den­der Kühe hin­ein­stürmt?« Ver­hof­fent­lich wäre dies Him­mels­bild kein Vor­spiel der Zu­kunft, son­dern diente den strei­ten­den Men­schen zur War­nung, dass sie lie­ber die Ros­se vor den Pflug schirr­ten und die Erde sich zum Nut­zen pfleg­ten und schmück­ten, an­statt sie durch ihre Hufe zer­stamp­fen zu las­sen.

Er habe im­mer ge­hört, sag­te der Turm­wart ein we­nig miss­ver­gnügt, dass die Ko­me­ten die not­wen­di­ge Be­stra­fung der Men­schen an­zeig­ten und des­halb auch die Ge­stalt ei­ner Zuchtru­te hät­ten, wel­che Gott dräu­end aus­hän­ge. Auch sei er über­zeugt, dass zu kei­ner Zeit die Men­schen mehr und gründ­li­cher ein Straf­ge­richt ver­dient hät­ten durch Bos­heit, Lüge, Ab­göt­te­rei und Ruch­lo­sig­keit al­ler Art, so­dass es ihn nicht wun­der­neh­men wür­de, wenn Gott sie al­le­samt mit ei­nem Staup­be­sen wie So­dom und Go­mor­rha von der Erde fe­gen soll­te.

Es sei im Plut­arch zu le­sen, er­zähl­te Ber­neg­ger, dass vor der Ver­schüt­tung der Städ­te Her­ku­la­ne­um und Pom­pe­ji durch den Ve­suv ein rot­ge­schwänz­ter Ko­met meh­re­re Mo­na­te am Him­mel ge­stan­den habe. Auch jetzt ver­neh­me man wie­der von ei­nem Ru­mo­ren und Zi­schen im In­nern des Ve­suvs, und sei es ja­wohl mög­lich, dass die durch den Ko­me­ten in der Ster­nen­welt her­vor­ge­ru­fe­ne Un­ord­nung sich im Bau­che des Erd­pla­ne­ten spie­gle.

Ei­ner der Schü­ler be­merk­te, dass Ita­li­en der Sitz des An­ti­christ sei und die ge­weis­sag­te Ka­ta­stro­phe also füg­lich dort Platz grei­fen könn­te, viel­leicht ste­he gar der Um­sturz der päpst­li­chen Ty­ran­nei be­vor.

Ber­neg­ger schüt­tel­te den Kopf; Ve­ne­dig habe den Stuhl des Paps­tes wohl ein we­nig ins Wan­ken ge­bracht, aber nun ste­he er fes­ter als zu­vor.

Die Böh­men sei­en doch aber in Aufruhr und woll­ten einen evan­ge­li­schen Kö­nig, sag­te der Schü­ler. Wenn sich alle ös­ter­rei­chi­schen Län­der ih­nen an­sch­lös­sen, so kön­ne etwa noch von dort aus die ge­rei­nig­te Kir­che über ganz Eu­ro­pa wach­sen.

Er möch­te lie­ber wün­schen, sag­te Ber­neg­ger, das Feu­er blie­be auf Böh­men be­schränkt und man könn­te, wie man bei Wald­brän­den zu tun pfleg­te, durch Aus­ro­den rings­um eine In­sel aus dem Lan­de ma­chen, von der die Fun­ken nicht an­ders­wo­hin über­sprän­gen und zün­de­ten. Schließ­lich aber könn­ten sie auf alle Fäl­le Gott dan­ken, dass sie in der frei­en Stadt Straß­burg wie auf ei­nem glück­se­li­gen Ei­land sä­ßen, hin­ter des­sen gu­ten Mau­ern und Rech­ten man den Kriegs­schwall nur wie fer­nes Meer­brau­sen höre.

In der Stadt Straß­burg, murr­te der Turm­wart, sei es auch nicht mehr, wie es sein sol­le, wer die Au­gen of­fen hal­te, kön­ne auch hier den lei­di­gen Teu­fel durch die Gas­sen schwän­zeln se­hen, und man müs­se sich nur der Lang­mut Got­tes ver­wun­dern, mit der er die ge­büh­ren­de Stra­fe noch im­mer ver­hal­te.

Ber­neg­ger, der wuss­te, dass er als Aus­län­der und Re­for­mier­ter in der lu­the­ri­schen Stadt miss­bil­ligt wur­de, be­zog die­sen Ta­del nicht mit Un­recht auf sich und schwieg ein we­nig klein­laut, aber er fass­te sich wie­der und sag­te lä­chelnd, sie wä­ren sich wohl alle man­nig­fa­cher Un­voll­kom­men­heit und Über­tre­tung be­wusst, und so tä­ten sie al­le­samt am bes­ten, auf die Gna­de Got­tes zu hof­fen, von wel­cher der Ster­nen­bo­gen, der schon seit Jahr­tau­sen­den un­ge­trübt über der mensch­li­chen Ver­wor­ren­heit ste­he, ein trös­ten­des Bild sei.

30.

In der Mit­te des Mo­nats März weh­te der Wind aus Sü­den und schi­en die Son­ne so warm, dass die Ärz­te dem Kai­ser Matt­hi­as eine Aus­fahrt emp­fah­len, von wel­cher er je­doch statt er­hei­tert bit­ter­bö­se zu­rück­kam, so­dass sei­ne dün­nen, von fal­ti­ger Haut um­schlot­ter­ten Hän­de hin und her zit­ter­ten. Er pfleg­te näm­lich bei Aus­fahr­ten Zucker­werk un­ter die Kin­der aus­zu­tei­len, die sei­nem Wa­gen nach­lie­fen, und als er nun aus dem Sack, den man ihm hin­ge­legt hat­te, ein Stück her­aus­nahm, um dar­an zu lut­schen, merk­te er, dass es ein Kie­sel­stein war und dass die gan­ze Tüte nur von sol­chen voll war. Es ent­stand ein Lau­fen un­ter der Die­ner­schaft, ein Koch schob die Schuld auf den Kon­di­tor, der es wie­der auf sei­ne Aus­läu­fer ab­lud, und end­lich wur­de dem Kai­ser ge­mel­det, es habe ge­ra­de an Geld ge­man­gelt, und da sei der Ge­würz­koch auf den Ein­fall mit den Kie­sel­stei­nen ge­kom­men, weil es oh­ne­hin nur für die heil­lo­sen Gas­sen­bu­ben sei; er bit­te nun aber de­mü­tig um Ver­zei­hung und wol­le so­gleich aus sei­ner Ta­sche gu­tes ech­tes Zucker­werk un­ter die lie­be Ju­gend ver­tei­len las­sen. Das klei­ne zu­sam­men­ge­schnurr­te Ge­sicht des Kai­sers nahm wie­der einen freund­li­chen Aus­druck an, in­dem er sich zu­frie­den er­klär­te, doch klag­te er noch ein we­nig über die böse Welt, mit der es nun schon so weit ge­kom­men sei, dass man so­gar die schuld­lo­sen Kind­lein be­trö­ge.

 

Am fol­gen­den Tage blies der Föhn so stark, dass der Kai­ser kei­ne Aus­fahrt wa­gen konn­te, und er lag kläg­lich von Schmer­zen ge­plagt in sei­nem Bet­te, von den Ärz­ten ver­trös­tet, dass sie mit dem ver­derb­li­chen wel­schen Win­de wie­der ver­ge­hen wür­den. Zwei Räte stat­te­ten ihm Be­richt von den Ge­schäf­ten ab, wie sich der Kö­nig Chris­ti­an von Dä­ne­mark be­schwe­re, dass der Graf von Schau­en­burg zum Reichs­fürs­ten er­nannt sei und sich oben­drein Fürst zu Hol­stein nen­ne, was eine un­leid­li­che Pro­vo­ka­ti­on für ihn als Her­zog von Schles­wig-Hol­stein sei. Fer­ner hielt sich der Kö­nig über das Reichs­kam­mer­ge­richt auf, wel­ches ent­schie­den hat­te, dass die Stadt Ham­burg eine freie Reichs­stadt sei, und er­mahn­te den Kai­ser, den Über­mut und die An­maß­lich­keit der han­si­schen Städ­te nicht auf­kom­men zu las­sen, wel­che sich als eine selbst­stän­di­ge Kör­per­schaft ge­bär­de­ten und schwei­ze­ri­sche und hol­län­di­sche Grund­sät­ze ins Reich ein­füh­ren woll­ten, wo­nach man denn die Fürs­ten aus­stop­fen und in die Ra­ri­tä­ten­kam­mer stel­len könn­te. Es wäre auch spött­lich für den Kai­ser, dass sie sich hin­ter den ed­len und hoch­be­rühm­ten Reichs­ad­ler wie hin­ter ei­nem Me­du­sen­schil­de ver­steck­ten, ihn her­nach aber gleich­sam in den Hüh­ner­stall sperr­ten, ihm die Fe­dern aus­rupf­ten und kaum ein ma­ge­res Fut­ter­korn gönn­ten.

An­de­rer­seits be­klag­te sich die Stadt Ham­burg, dass der Kö­nig ihr un­ge­wohn­te Zöl­le ab­for­de­re, dass er in öf­fent­li­chen Er­las­sen den gu­ten alt­deut­schen Elbstrom als den sei­ni­gen un­ge­scheut be­zeich­net habe und dass er schließ­lich ihr ge­gen­über eine neue Stadt ge­grün­det und mit großen Be­güns­ti­gun­gen aus­ge­steu­ert, ihr also gleich­sam als eine Fal­le auf die Nase ge­setzt habe, um ihr das Fut­ter weg­zu­schnap­pen. Die Stadt Ham­burg hof­fe, dass der Kai­ser sie nicht so jäm­mer­lich wer­de ver­schrump­fen und aus­sau­gen las­sen, umso mehr, als sie Tür­ken- und an­de­re Reichs­steu­ern stets pünkt­lich be­zahlt habe und nicht ein­mal ein Bau­er sei­ner Kuh das Heu aus­ge­hen las­se.

Der Kai­ser sag­te schmun­zelnd, da wä­ren zwei En­ten, die an ei­nem Frosch schluck­ten, und das bes­te wäre, kei­ne be­käme ihn, da sie bei­de schon frech ge­nug wä­ren. Die Räte lach­ten und wa­ren der­sel­ben An­sicht, doch mein­ten sie, dass der Däne als hoch­mü­ti­ger und un­ter­neh­men­der Fürst ganz be­son­ders zu fürch­ten sei; sie hat­ten ein Mahn­schrei­ben an ihn auf­ge­setzt des In­halts, der Kai­ser ver­wun­de­re sich höch­lich, dass der Kö­nig von Dä­ne­mark so im­per­ti­nent sein wol­le, sich et­wel­cher Ver­ach­tung des hei­li­gen Rei­ches zu un­ter­ste­hen und den nor­di­schen Meer­städ­ten die ur­al­te Han­dels­frei­heit zu ver­kür­zen, wel­chen Scha­den er ver­hof­fent­lich bald ab­stel­le, da der Kai­ser sonst zu sol­chen Mit­teln grei­fen müss­te, die der Kö­nig nicht gern se­hen wür­de. Den Schau­en­bur­ger be­tref­fend wür­de der Kai­ser die­sen ein­dring­lich er­mah­nen, sich un­ge­bühr­li­cher frem­der Ti­tel zu ent­hal­ten, sich viel­mehr in die­ser und an­de­rer Hin­sicht wie ein ehr­lie­ben­der deut­scher Reichs­fürst er­fin­den zu las­sen.

Dass Kö­nig Chris­ti­an sich des Gra­fen von Ol­den­burg an­nahm, der den Erz­bi­schof Fried­rich Adolf von Bre­men ver­klag­te, weil er seit vie­len Jah­ren mit sei­ner Schwes­ter ver­lobt sei, aber die Hei­rat zu ef­fek­tu­ie­ren sich be­harr­lich wei­ge­re, wo­durch er und sei­ne Schwes­ter vor al­ler Welt ver­ächt­lich ge­macht wür­den, be­trach­te­ten die kai­ser­li­chen Räte nur als einen Um­schweif des Kö­nigs, um den Erz­bi­schof von sei­nem Erz­bis­tum zu brin­gen, in wel­ches er be­kannt­lich sei­nen ei­ge­nen Sohn ein­schlüp­fen las­sen woll­te. Er habe den­sel­ben über und über mit Gold be­schmiert, da­mit er de­sto bes­ser durch das Pfört­lein ein­gin­ge, aber die Dom­her­ren, wenn sie auch da­von ab­grif­fen, so viel sie könn­ten, hiel­ten ihn doch sorg­lich auf der Sei­te, weil ih­nen der dä­ni­sche Hir­ten­stab zur­zeit noch et­was fremd vor­käme.

Vi­el­leicht, sag­te der Kai­ser, in­dem er über das gan­ze Ge­sicht lach­te, wä­ren dem Kö­nig von Dä­ne­mark die Wei­ber aus­ge­gan­gen, er sol­le ja ein Her­ku­les in der Lie­be sein, und wol­le sich ein neu­es Jagd­ge­biet im Rei­che grün­den.

Ja, sag­ten die Räte un­ter an­hal­ten­dem Ge­läch­ter, der Kö­nig sei sehr amo­ros und hal­te sich auch für einen Ado­nis, sehe auch der­glei­chen aus auf den Bil­dern, die sein Ge­sand­ter bei sei­nem letz­ten Be­such in Wien ver­teilt habe. Das Frau­en­zim­mer in Dä­ne­mark sol­le üb­ri­gens aus­neh­mend schön sein, nicht fett wie das hie­si­ge, son­dern zart und blond, dazu ver­lieb­ter Na­tur und treu­los, weil sie in ih­rer Un­mä­ßig­keit mit ei­nem Man­ne nicht ge­nug hät­ten.

Wenn Dä­ne­mark nicht so weit ent­fernt und nicht ket­ze­ri­sches Land wäre, möch­te er wohl ein­mal da­hin rei­sen und dem Kö­nig zu Hil­fe kom­men, sag­te der Kai­ser, wäh­rend die bei­den vor sich nie­der­sa­hen und kaum das La­chen ver­bei­ßen konn­ten.

Hier­auf soll­te der Kai­ser noch die Mans­fel­di­sche Achts­er­klä­rung un­ter­schrei­ben; aber er war müde ge­wor­den und sag­te ver­drieß­lich, es habe kei­nen Zweck, den Ba­stard und Ha­be­nichts noch zu äch­ten, mit dem müs­se Bu­quoy auch ohne das fer­tig wer­den, wozu be­kom­me er denn das vie­le Geld, und so wei­ter. Die Räte hin­ge­gen sag­ten, das Pa­tent müs­se durch­aus mor­gen an­ge­schla­gen wer­den, ba­ten fle­hent­lich, der Kai­ser möge doch un­ter­schrei­ben, und lie­ßen ein Süpp­lein kom­men, um ihn wie­der zu er­fri­schen. ›Wir set­zen ihn aus dem Frie­den in den Un­frie­den und er­lau­ben sei­nen Leib, Hab und Gut Je­der­män­nig­li­chem‹, las der eine, wäh­rend der an­de­re dem Kai­ser eine Fe­der in die Hand gab und ihm die Stel­le be­zeich­ne­te, wo­hin er sei­nen Na­mens­zug set­zen soll­te. In­dem der Kai­ser schrieb, dem vor Schläf­rig­keit die Au­gen zu­fal­len woll­ten, lief et­was Spei­chel und Sup­pe über sei­ne her­ab­hän­gen­de Un­ter­lip­pe auf die Ur­kun­de; er blick­te er­rö­tend um sich, wisch­te schnell und ver­stoh­len mit dem Är­mel sei­ner wol­le­nen Nacht­ja­cke dar­über und sag­te kläg­lich, die Sup­pe sei wie­der so schlecht ge­we­sen, nie­mand sor­ge für ihn, seit dem Tode der Kai­se­rin habe er kei­ne ein­zi­ge gute Schüs­sel mehr be­kom­men. Noch ehe die Räte sich ent­fernt hat­ten, war der Kai­ser ein­ge­schla­fen und in sei­nen schwe­ren Kis­sen und Fe­der­bet­ten fast ver­lo­ren. An­ge­sichts sei­ner Schwä­che wur­de sein Ab­le­ben stünd­lich er­war­tet, aber es ver­gin­gen noch zwei Tage, bis er wirk­lich, das un­ge­dul­di­ge War­ten Fer­di­n­ands und sei­ner An­hän­ger end­lich krö­nend, verstarb.

31.

Es be­fand sich da­mals ein Ab­ge­sand­ter der hol­län­di­schen Staa­ten in Prag, ein ru­hi­ger, be­däch­ti­ger Mann, der, so be­hag­lich man auch mit ihm plau­dern konn­te, über die po­li­ti­schen Fra­gen sich nie recht aus­ließ, und selbst bei Ban­ket­ten, wo ein je­der sich auf­knöpf­te, ei­ner Schne­cke gleich, die die Füh­ler ein­zieht, vor­sich­tig in sich zu­rück­kroch, wenn man ihn aus­ho­len woll­te.

»Wenn Ihr, mei­ne Her­ren, be­trach­tet und nach­ahmt, was wir ge­tan ha­ben«, sag­te er ein­mal, »so kann es Euch ge­wiss nicht feh­len. Wir ha­ben vier­zig Jah­re lang wie ein Wall vor un­serm Hau­se ge­stan­den, und wenn ei­ner ge­fal­len ist, ist ein an­de­rer in die Lücke ge­tre­ten. Freun­de ha­ben wir nicht ge­habt als das Meer, das wir wie einen Lö­wen mit Blut sät­tig­ten und das uns un­se­re Fein­de ver­schlin­gen half. Wir führ­ten in ei­ner Hand das Ru­der, in der an­de­ren das Schwert, wa­ren Kriegs­leu­te und Han­dels­leu­te zu­gleich, lie­ßen uns Bett­ler und Krä­mer schel­ten und sind frei und reich da­bei ge­wor­den.«

Ja, sag­ten die böh­mi­schen Her­ren, ihre Lage sei nicht so güns­tig, sie wä­ren kein Meer­volk, könn­ten auch zu kei­ner Ein­tracht kom­men, weil bei der lan­gen habs­bur­gi­schen Herr­schaft deut­sche und böh­mi­sche Na­ti­on, ka­tho­li­scher und hus­si­ti­scher Glau­be ne­ben­ein­an­der auf­ge­gan­gen sei. Die Städ­te wä­ren selbst­süch­tig und ei­fer­süch­tig, woll­ten für die ge­mei­ne Frei­heit nichts tun und nichts ge­ben, die Söld­ner wä­ren ein hab­gie­ri­ges, ehr­lo­ses Volk, das sich ohne Geld nicht rühr­te. Man soll­te zah­len und zah­len und könn­te sich doch nicht selbst zu­grun­de rich­ten.

Ob sie denn ihre Un­ter­ta­nen nicht be­waff­ne­ten? frag­te der Ge­sand­te. Ja, wer denn in­zwi­schen ihre Gü­ter be­stel­len soll­te? war die Ant­wort. Frei­lich lie­ße hie und da ei­ner sei­ne Bau­ern zu Feld zie­hen, aber im gan­zen sei es nicht ge­ra­ten, ih­nen Waf­fen in die Hand zu ge­ben, die sie leicht ge­gen den ei­ge­nen Herrn ge­brau­chen könn­ten. Den Bau­ern gehe es zu gut, dar­um woll­ten sie hö­her hin­aus und zö­gen sich gern hin­ter den Kai­ser, um un­ter sei­nem Schut­ze sich ih­ren Fron­den zu ent­zie­hen. Der Kai­ser drang­sa­lie­re zwar sei­ne ei­ge­nen Bau­ern wie ei­ner, bei den frem­den aber spie­le er den Schutz­herrn; dar­um sei es eine be­währ­te Er­fah­rung, dass man mit den Bau­ern nicht ge­gen den Kai­ser zie­hen kön­ne.

Nun, sag­te der Ge­sand­te, der den Auf­trag hat­te, die Böh­men auf alle Fäl­le bei der Kriegs­lust zu er­hal­ten, die hoch­mö­gen­den Her­ren be­fän­den sich zwar au­gen­blick­lich im Frie­den mit Spa­ni­en und könn­ten sich nicht ge­ra­de­zu ge­gen den Kai­ser ein­las­sen, aber das Evan­ge­li­um lie­ßen sie doch nicht im Stich, wenn es an­gin­ge, und wä­ren gott­lob im­stan­de, die gute Sa­che mit Geld zu un­ter­stüt­zen, wenn sie gu­ten Wil­len und Aus­dau­er sä­hen.

Auf die­se Ver­trös­tung des geld­mäch­ti­gen Hol­lands ta­ten sich die Böh­men viel zu­gu­te, doch un­ter­lie­ßen sie nicht, sich auch nach an­de­rer, tat­kräf­ti­ge­rer Un­ter­stüt­zung um­zu­se­hen, die sie haupt­säch­lich in ei­nem ge­eig­ne­ten Kö­nig zu fin­den hoff­ten. Ein Kö­nig, der Geld und Kre­dit hät­te, mein­ten sie, wür­de ih­nen mehr nüt­zen als scha­den, vor­aus­ge­setzt, dass sie sei­ne Rech­te in ei­nem der Krö­nung vor­auf­ge­hen­den Ver­tra­ge tun­lichst ein­schränk­ten. Die meis­ten von ih­nen hiel­ten eine ari­sto­kra­ti­sche Re­pu­blik mit mon­ar­chi­scher Spit­ze für die bes­te Staats­form, da na­ment­lich in Kriegs­zei­ten eine ein­heit­li­che Lei­tung vor­teil­haft sei. Wel­cher Fürst für das Amt in Be­tracht kom­me, dar­über gin­gen na­tür­li­cher­wei­se die An­sich­ten aus­ein­an­der. Graf Thurn und Graf Schlick, wel­che Luthe­ra­ner und deut­scher Ab­kunft wa­ren, stimm­ten für den Kur­fürs­ten von Sach­sen, weil er ei­ner der mäch­tigs­ten evan­ge­li­schen Fürs­ten und ihr Nach­bar sei, vor al­lem aber, weil er mit dem Kai­ser gut ste­he und der­sel­be sich nicht leicht mit ihm ver­fein­den wür­de. Die Kal­vi­ner da­ge­gen, die bei Wei­tem in der Mehr­zahl wa­ren, woll­ten lie­ber einen Kö­nig ih­res Glau­bens und brach­ten den Kur­fürs­ten von der Pfalz in Vor­schlag, der eine weit mu­ti­ge­re und ent­schlos­se­ne­re Po­li­tik ver­fol­ge als der Sach­se und durch sei­ne Ver­wandt­schaft mit Eng­land und Schwe­den so­wie durch an­de­re gute Ver­bin­dun­gen, mit den Staa­ten, der Uni­on und der Schweiz, Nut­zen brin­gen kön­ne. Wäh­rend die­se bei­den Fürs­ten zu­nächst noch kein Zei­chen von Be­reit­wil­lig­keit ver­rie­ten, gab ein an­de­rer große Ge­neigt­heit zu ver­ste­hen: das war der Her­zog von Sa­voy­en, ein un­ru­hi­ger, nach Ver­grö­ße­rung trach­ten­der Mann, der durch die Nach­bar­schaft mit Mai­land oft in Streit mit Spa­ni­en ge­riet und als ein na­tür­li­cher Feind die­ser Macht und Ös­ter­reichs zu be­trach­ten war. Er emp­fahl sich haupt­säch­lich durch fa­bel­haf­ten Reich­tum, der ihm zu­ge­schrie­ben wur­de, und wenn er auch ka­tho­lisch war, so be­kann­te er sich doch als Feind des Paps­tes und be­haup­te­te, von Vor­ur­tei­len ge­gen An­ders­gläu­bi­ge frei zu sein.

 

Die pfäl­zi­schen Räte ver­nah­men von der etwa mög­li­chen Wahl ih­res Herrn auf den böh­mi­schen Thron nicht ger­ne, der doch ein we­nig all­zu un­si­cher und gleich­sam am Ran­de ei­nes Vul­ka­nes stand. Es war ein­mal nicht zu leug­nen, dass Fer­di­nand be­reits er­wähl­ter böh­mi­scher Kö­nig war, und vor­aus­zu­se­hen, dass er nicht gut­wil­lig ei­nem an­de­ren Platz ma­chen wür­de. Wur­de er Kai­ser, so war es vollends eine hei­ke­le Sa­che für einen Reichs­fürs­ten, sei­nem Ober­haupt im of­fe­nen Krieg ent­ge­gen­zu­tre­ten, und ver­lor er leicht sei­ne Bun­des­ge­nos­sen im Rei­che. Nun hat­ten frei­lich nicht nur Pfalz, son­dern auch an­de­re an­sehn­li­che Reichs­fürs­ten längst be­schlos­sen, dies­mal die Kai­ser­kro­ne vom Hau­se Habs­burg ab­zu­wen­den; al­lein noch hat­te man sich nicht auf einen an­de­ren Kan­di­da­ten ge­ei­nigt, ge­schwei­ge denn, dass ein sol­cher ge­won­nen wäre. Da von ei­nem evan­ge­li­schen Kai­ser doch ab­ge­se­hen wer­den muss­te, die Kal­vi­ner sich einen lu­the­ri­schen auch nicht ein­mal ge­wünscht hät­ten, ziel­te die pfäl­zi­sche Po­li­tik noch im­mer auf den wit­tels­ba­chi­schen Vet­ter, den Her­zog von Bay­ern, ab, und der Rat Ca­me­ra­ri­us reis­te ei­gens nach Mün­chen, um die Stim­mung des ver­schlos­se­nen und vor­sich­ti­gen Herrn zu er­for­schen. Jo­cher, des Her­zogs er­fah­rens­ter Rat, mit dem Ca­me­ra­ri­us ver­han­deln muss­te, wuss­te ge­nau, dass sein Herr auf den An­trag der Evan­ge­li­schen nicht ein­ge­hen wür­de; sei­ne Auf­ga­be be­stand nur dar­in, ihre et­wai­gen ge­hei­men An­schlä­ge in Er­fah­rung zu brin­gen und, wenn mög­lich, einen Vor­teil für den Her­zog her­aus­zu­pres­sen, also zwar nicht an­zu­neh­men, sich aber den Ab­schlag auch nicht gleich her­aus­wi­schen zu las­sen.

Ver­trau­lich er­zähl­te Jo­cher, wie schon im ver­gan­ge­nen Jah­re Fer­di­nand ihn um Hil­fe an­ge­gan­gen und ihm Ober­ös­ter­reich habe ver­pfän­den wol­len, das ih­nen sei­ner Lage we­gen na­tür­lich an­ste­hen wür­de. Sie hät­ten sich aber dar­über noch nicht ver­neh­men las­sen, denn es kau­fe nie­mand ein Pferd, das ihm von selbst in den Stall lie­fe. Auch ohne das wür­de der Her­zog sich je­den­falls gründ­lich be­den­ken, ob es rät­lich für ihn sei, die Macht Ös­ter­reichs zu stär­ken; denn er sei doch auch ein Reichs­fürst, und die fürst­li­che Li­ber­tät, die durch Ös­ter­reich und Spa­ni­en ge­fähr­det wür­de, lie­ge ihm wie je­dem gu­ten Deut­schen am Her­zen.

Hieran knüpf­te Ca­me­ra­ri­us, zähl­te die Schä­den auf, die der habs­bur­gi­sche Do­mi­nat dem Rei­che ge­bracht habe, und mahn­te, was für eine hohe Auf­ga­be es sei, und nur von ei­nem klu­gen und mäch­ti­gen Fürs­ten wie Ma­xi­mi­li­an zu er­fül­len, die alte Kaiser­herr­lich­keit wie­der her­zu­stel­len.

Ja, sag­te Jo­cher la­chend, Kai­ser und Reich stän­den nicht gut in ei­nem Ofen, wo eins auf­ge­he, schrump­fe das an­de­re zu­sam­men. Bei je­der neu­en Wahl wer­de ein Stein aus der Kai­ser­kro­ne ge­nom­men und da­für ein Dorn ein­ge­setzt, und so sei schon eine Dor­nen­kro­ne dar­aus ge­wor­den, die einen doch nicht zum Hei­li­gen ma­che, ob­schon sein Herr eine ge­wis­se An­la­ge dazu habe. Auch Ca­me­ra­ri­us lach­te und frag­te, was für ein Herr der Her­zog im täg­li­chen Um­gan­ge sei? Ob er wirk­lich ein hä­re­nes Hemd trü­ge und sich gei­ßel­te, wie vie­le er­zähl­ten? Ob es in ganz Mün­chen so streng und ehr­bar zu­ge­he wie am Hofe? Ob der Her­zog wirk­lich nie mit Wei­bern zu tun hät­te?

Jo­cher zog die Au­gen­brau­en hoch und war au­gen­schein­lich von Ehr­furcht durch­drun­gen. »Nichts der­glei­chen«, sag­te er; »der Mann wür­de ganz Bay­ern zu ei­nem Klos­ter ma­chen, wenn er Au­gen und Hän­de al­ler­or­ten hät­te. Aber Gott hat den Men­schen aus Fleisch ge­macht, das den Keim des Ver­der­bens und der Fäul­nis in sich trägt, und darf es nicht ans Licht, so wu­chert es im ver­bor­gnen.« Las­ter und Ver­gnü­gen sei­en schwer zu tren­nen, und es sei­en un­ter den Be­am­ten vie­le, die sag­ten, wenn des Her­zogs Ver­gnü­gen die Ar­beit sei, so kön­ne er das doch nicht von je­dem vor­aus­set­zen und ver­lan­gen, be­son­ders da es ih­nen nicht zu­gu­te kom­me. Zu­wei­len füh­re er der Ge­sund­heit we­gen aufs Land, und bei Fest­lich­kei­ten wol­le er, dass es hoch her­gin­ge, aber das Lus­tig­s­ein zäh­le er her­un­ter wie einen Ro­sen­kranz oder säge es weg wie einen Klaf­ter Holz.

Ca­me­ra­ri­us sag­te, ihm ge­fie­len die Men­schen nicht, de­nen das Herz nicht ein­mal über­lau­fe. Für das Re­gi­ment möch­te es frei­lich nütz­lich sein und bes­ser tau­gen als die Na­tur sei­nes jun­gen Herrn, der we­der zur Ar­beit noch zum Ver­gnü­gen die rech­te Lust habe. Es sei im­mer, als ob er nur spie­le oder noch nicht recht auf­ge­wacht sei, und doch schlie­fe er bis in den hel­len Tag. Üb­ri­gens sei er lieb und gut, trü­be kein Was­ser und neh­me gu­ten Rat an.

Jo­cher mein­te, er sei ja auch noch jung, oft müss­ten die Jah­re den Or­ga­nis­mus erst ein we­nig schüt­teln, da­mit al­les an sei­nen Platz käme.

Das wäre zu wün­schen, rief Ca­me­ra­ri­us; den fei­nen Ver­stand der Mut­ter hät­te er, aber die Säf­te wä­ren trä­ge, so wäre ge­wis­ser­ma­ßen ein gu­tes Mühl­rad da, dem der Um­schwung feh­le, so­dass das Korn un­ge­mah­len blie­be. Zu­wei­len lit­te er auch an Me­lan­cho­lie, lie­ße sich aber leicht, na­ment­lich durch das Söhn­lein, zer­streu­en.

Auch sein Her­zog sei me­lan­cho­lisch, sag­te Jo­cher, es habe aber nichts auf sich, son­dern sei ihm an­ge­bo­ren, wie ei­ner etwa dun­kel­far­bi­ger als an­de­re auf die Welt kom­me. Ei­gent­lich la­chen kön­ne er nicht, das gebe ihm aber ge­ra­de et­was He­ro­i­sches. Al­les in al­lem sei er ein großer Fürst, und kei­ner im Reich sei ihm zu ver­glei­chen.

Da­rum eben, sag­te Ca­me­ra­ri­us, schei­ne er zum Kai­ser be­stimmt zu sein. Wa­rum er denn die große Auf­ga­be nicht er­grei­fen wol­le, für die Gott ihn ge­schaf­fen habe? Er sei der ein­zi­ge ka­tho­li­sche Fürst, für den die Stim­men der Evan­ge­li­schen zu ge­win­nen sein wür­den. Und wie denn Jo­cher glau­be dass er sei­ner­seits sich zu den Evan­ge­li­schen stel­len wür­de?

Jo­cher zuck­te die Ach­seln. Die Ge­set­ze wür­de der Her­zog re­spek­tie­ren, sag­te er. Aber da er Ge­setz und Ord­nung lie­be, wür­de er kaum das Re­gi­ment in ei­nem Reich zwie­späl­ti­gen Glau­bens über­neh­men. Viel­fäl­ti­ge Er­fah­rung leh­re, dass da­bei kei­ne Ord­nung mög­lich sei, schon we­gen der geist­li­chen Fürs­ten­tü­mer. Ob die Kir­che sich je­mals gut­wil­lig ihre Ein­künf­te wür­de ent­zie­hen las­sen?

Der Kno­ten wäre leicht zu lö­sen, mein­te Ca­me­ra­ri­us, wenn alle pro­tes­tan­tisch wä­ren. Dann gäbe es kei­ne geist­li­chen Fürs­ten­tü­mer mehr, je­der Fürst sei un­ab­hän­gig vom Paps­te, Herr im ei­ge­nen Lan­de, und zwi­schen Fürst und Kai­ser herr­sche kein Miss­trau­en mehr.