Der Dreißigjährige Krieg

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Jo­cher wand sich vor La­chen in sei­nem Stuh­le. In den ka­tho­li­schen Län­dern, sag­te er, herr­sche nun ein­mal mehr Ge­hor­sam, das sei er­wie­sen. Wo das hin­aus wol­le, wenn zu­letzt ein je­der sei­ne ei­ge­ne Mei­nung hät­te? Es sei viel bes­ser und ein­fa­cher, wenn alle Evan­ge­li­schen zur al­ten Kir­che zu­rück­kehr­ten, der Weg zum Stal­le zu­rück sei im­mer leich­ter als hin­aus. Ob Pfalz nicht den An­fang ma­chen wol­le?

Ent­rüs­tet sprang Ca­me­ra­ri­us auf und rief aus, da kön­ne eher der Rhein zu­rück- und in den Main flie­ßen. Wer ein­mal die Frei­heit ge­schmeckt habe, be­ge­be sich nicht frei­wil­lig wie­der in die Dienst­bar­keit.

Ach, sag­te Jo­cher, das sei eine ge­schwol­le­ne Rede. Es sei doch im Grun­de ei­ner­lei, ob man die­sen oder je­nen Ka­te­chis­mus1 aus­wen­dig ler­ne. Ein ge­schei­ter Mann den­ke sich da­bei, was er wol­le, und in­zwi­schen wer­de der Pö­bel im Zaum ge­hal­ten.

»So ge­müt­lich neh­men wir es nicht«, sag­te Ca­me­ra­ri­us ru­hi­ger. »Wenn es sich tun lie­ße, wäre ich für mei­ne Per­son es zu­frie­den; aber es lässt sich nicht tun. Ich fürch­te nur, dass wir über die­sem Strei­ten alle in die Ser­vi­tut Spa­ni­ens ge­ra­ten.«

»Wir nicht«, sag­te Jo­cher breit­spu­rig; sein Her­zog hiel­te die Au­gen of­fen. Und wenn er Kai­ser wür­de, täte er es ge­wiss, um Spa­ni­en einen Pos­sen zu spie­len.

Im Grun­de war es den pfäl­zi­schen Rä­ten recht, dass das Pro­jekt an Ma­xi­mi­lians Ab­nei­gung schei­ter­te, wenn auch frei­lich kein an­de­rer Kan­di­dat vor­han­den war, zu dem man mehr Ver­trau­en ha­ben konn­te; denn die Be­wer­bung des Her­zogs von Sa­voy­en war vollends eine ver­fäng­li­che Sa­che. Als de­ren Ver­fech­ter er­schi­en Graf Mans­feld, vom Tu­ri­ner Hofe kom­mend, mit ei­nem gründ­li­chen Me­mo­ri­al, in wel­chem aus­ge­führt war, dass das Haus von Sa­voy­en von dem alt­deut­schen Hel­den und Fürs­ten Wit­te­kind ab­stam­me, pu­res, lau­te­res deut­sches Blut füh­re und we­gen die­ser Stamm­ver­wandt­schaft wohl zur Kai­ser­wür­de im Deut­schen Rei­che be­ru­fen sei; wie er den Ka­tho­li­schen von Haus aus ge­fäl­lig, auch den Pro­tes­tan­ten we­gen sei­ner Feind­schaft mit den Je­sui­ten wert sein müs­se, dass er glück­lich im Krie­ge sei und viel Geld habe.

»Ich mei­ne«, sag­te Chris­ti­an von An­halt, nach­dem das Me­mo­ri­al vor­ge­tra­gen wor­den war, »wir könn­ten schließ­lich auch den Mo­gul von Per­si­en zum deut­schen Kai­ser ma­chen. Mir soll­te es recht sein, wenn es der Re­li­gi­on und der Frei­heit zu­nut­ze wäre.« Graf Solms sag­te, ein Kai­ser deut­scher Na­ti­on müs­se von deut­schem Blu­te sein, und der Her­zog von Sa­voy­en sei trotz Wit­te­kind ein Wel­scher, so gut wie die Habs­bur­ger Spa­nier wä­ren. Ca­me­ra­ri­us sag­te auf Be­fra­gen, er hal­te nicht da­für, dass der Her­zog von Sa­voy­en bei der Wahl durch­zu­brin­gen sei. Er wer­de den Kur­fürs­ten im All­ge­mei­nen fremd und ab­son­der­lich vor­kom­men. Mans­feld ent­geg­ne­te är­ger­lich, der Her­zog sei reich ge­nug, um sich den Kur­fürs­ten ver­traut zu ma­chen. Mit Geld, ei­nem Schwert und fes­tem Wil­len lie­ße sich leicht ein deut­scher Kai­ser ma­chen. Frei­lich müs­se man wol­len und die Be­denk­lich­keit fal­len las­sen. Die Sa­che blieb aber gleich dar­an hän­gen, dass der Her­zog ein Land im Rei­che zu be­sit­zen wünsch­te, um et­was Si­che­res un­ter den Fü­ßen zu ha­ben, und dies mit äu­ßers­ter Vor­sicht er­wo­gen wer­den muss­te. Man fand, es sei bes­ser, dem Her­zog zwar nicht alle Aus­sicht ab­zu­schnei­den, aber auch nichts Bin­den­des von sich zu ge­ben, son­dern ihn mit Ver­hand­lun­gen hin­zu­hal­ten. Wenn man ihn da­hin brin­gen könn­te, die gute Sa­che nur mit Geld zu un­ter­stüt­zen, so wäre das vor­zu­zie­hen. Dem­ge­mäß wur­de wie­der eine Ge­sandt­schaft an den Hof von Tu­rin ab­ge­ord­net mit dem Auf­tra­ge, den Her­zog bei gu­ter Ge­sin­nung zu er­hal­ten, ohne aber sei­nem Ehr­geiz eine Brücke ins Reich zu schla­gen.

1 Der Ka­te­chis­mus, Hand­buch der Un­ter­wei­sung in den Grund­fra­gen des christ­li­chen Glau­bens. <<<

32.

Um die Ge­sin­nung des Kur­fürs­ten von Sach­sen we­gen der böh­mi­schen Thron­fol­ge zu er­for­schen, be­gab sich Graf Joa­chim An­dre­as Schlick, der ein Ju­gend­ge­spie­le Jo­hann Ge­orgs ge­we­sen war, nach Dres­den und er­lang­te auch nach ei­ni­gen Wei­te­run­gen eine Au­di­enz. Der Kur­fürst dach­te zwar nicht im Ernst dar­an, die Kro­ne an­zu­neh­men, woll­te sie aber auch nicht ge­ra­de­zu ab­leh­nen, ei­ner­seits, weil sei­ne Stän­de größ­ten­teils böh­misch ge­sinnt wa­ren, so­dann, um sich dem Kai­ser kost­bar zu ma­chen, der in die­sem Strei­te je­den­falls sei­ner Hil­fe be­durf­te. Er emp­fing des­halb den Gra­fen nicht all­zu freund­lich, und als die­ser sich drei­mal bis auf den Bo­den ver­neig­te und dar­auf Gott an­fleh­te, einen so groß­mü­ti­gen Herrn wie den Kur­fürs­ten der Welt, dem Reich und der lu­the­ri­schen Kir­che zu er­hal­ten, nick­te er nur bei­läu­fig, ohne den Blick von sei­ner Be­schäf­ti­gung weg­zu­wen­den. Auf ei­nem vor ihm ste­hen­den Tisch­lein näm­lich lag ein Hau­fen sau­ber ge­putz­ter Gän­se­kno­chen, wel­che er aus­ein­an­der­las, ans Licht hielt und be­tas­te­te. Nach ei­ner Wei­le sag­te er zu dem be­schei­den war­ten­den Gra­fen, er gehe da­mit um, die Gän­se­kno­chen zu ver­wer­ten, denn bei ei­nem fürst­li­chen Haus­halt, an dem so vie­le Mäu­ler zehr­ten, müs­se Spar­sam­keit herr­schen, da­von hän­ge das Ge­mein­wohl ab; dar­an däch­ten frei­lich die ad­li­gen Her­ren nicht, die nur da­her­kämen, um zu fres­sen und zu sau­fen, und nicht frag­ten, wo­her es kom­me; ein ge­wis­ses Knöch­lein, näm­lich das Steiß­bein, wer­de ver­pul­vert und kom­me dann in die Apo­the­ke sei­ner Frau als ein vor­züg­li­ches schweiß­trei­ben­des Mit­tel, für die an­de­ren habe er noch kei­ne Ver­wen­dung, aber es wer­de ihm schon et­was ein­fal­len.

Nach­dem er die lan­des­vä­ter­li­che Für­sor­ge des Kur­fürs­ten ge­prie­sen hat­te, sag­te Graf Schlick, er habe als Bube auf dem Gän­se­brust­kno­chen bla­sen kön­nen, und wenn es der Kur­fürst ge­stat­te, wol­le er ihm das Stück­lein vor­ma­chen. »Ei der Tau­send«, rief Jo­hann Ge­org, als Schlick aus­ge­pfif­fen hat­te, in­dem er einen er­staun­ten Blick auf ihn warf, »ich hät­te nicht ge­dacht, dass du ein sol­cher Teu­fels­kerl wä­rest«, hieß ihn sich an sei­ne Sei­te set­zen und ihm das Ex­pe­ri­ment noch ein­mal gründ­lich zei­gen. Schlick ent­schul­dig­te sich er­rö­tend, dass er dem Kur­fürs­ten mit ei­ner be­schei­de­nen Kunst aus der Bu­ben­zeit zu die­nen sich un­ter­ste­he, es wür­de gar nichts dar­an sein, wenn der Kur­fürst nicht so gnä­dig und groß­mü­tig zu­zu­hö­ren ge­ru­he. »Ach was, Schlick«, sag­te Jo­hann Ge­org, »eine blin­de Hen­ne darf auch ein­mal ein Körn­lein fin­den, dar­um bleibt der Go­ckel doch Go­ckel«, und lach­te über die­sen Spaß, dass ihm die Trä­nen aus den Au­gen lie­fen.

Nach­dem so­mit ein ver­trau­li­cher Ton an­ge­schla­gen war, brach­te Schlick das Ge­spräch auf die Po­li­tik, er­zähl­te von den Kriegs­vor­fäl­len, was ver­fehlt und wie es hät­te bes­ser ge­macht wer­den kön­nen, und dass die Kal­vi­ner mit ih­rem tol­len Drein­fah­ren den Kar­ren nur im­mer tiefer in den Dreck zö­gen. So er­laub­ten sie jetzt ih­ren Bau­ern, ja er­mun­ter­ten sie noch dazu, das Fest des Hus zu fei­ern, ob­wohl es der Kai­ser streng un­ter­sagt habe, und mit Recht, da es ein of­fen­kun­di­ger Hei­li­gen­dienst sei. Er selbst habe den Bu­do­wec sa­gen hö­ren, Hus sei ein Hei­li­ger, weil er sie vom päpst­li­chen Aber­glau­ben be­freit habe, au­ßer­dem sei es für die Bau­ern gleich, ob sie die­sen oder je­nen Göt­zen an­be­te­ten, wenn sie nur ge­horch­ten; den wah­ren Gott, der Chris­ten und Hei­den mit­ein­an­der er­schaf­fen habe, könn­ten sie doch nicht er­ken­nen. Bei die­sen Leu­ten hät­te es oft den An­schein, als ob Dok­tor Luther gar nicht oder um­sonst ge­lebt habe.

Der Kur­fürst schüt­tel­te miss­trau­isch den Kopf und frag­te, was es denn mit dem Hus ei­gent­lich für eine Be­wandt­nis habe. Nach­dem er von Kai­ser und Papst öf­fent­lich ver­brannt wor­den sei, schi­cke es sich nicht für einen treu­en Reichs­stand, einen sol­chen Ma­le­fi­kan­ten zu ver­eh­ren. Ja, sag­te Schlick seuf­zend, es sei eben die Ei­gen­art der Böh­men, im­mer wi­der den Sta­chel zu lö­cken; wenn der präch­tigs­te Hut vor ih­nen läge, näh­men sie ihn nicht an, um lie­ber mit ih­rer ei­ge­nen Nar­ren­kap­pe zu schell­klin­geln. Aber, setz­te er hin­zu, sie fühl­ten jetzt wohl, dass sie sich nicht selbst aus dem Sump­fe rei­ßen könn­ten, und wenn ein wei­ser Fürst an ihre Spit­ze tre­ten woll­te, wür­den sie es ihm kni­end dan­ken.

Der Kur­fürst über­hör­te die­se An­spie­lung, war aber wäh­rend der Ta­fel, zu wel­cher Schlick ge­la­den war, sehr auf­ge­räumt, er­zähl­te von dem Mu­sik­in­stru­ment, das er er­fun­den habe, und warf dem Hof­nar­ren, der hin­ter ihm am Bo­den kau­er­te, einen Gän­se­brust­kno­chen zu, in­dem er sag­te, wenn er ihn rein ab­na­ge, sol­le er noch einen Flü­gel dazu be­kom­men. »Und wenn ich ihn aus Ver­se­hen auf­fres­se?« frag­te der Narr. »So be­kommst du zwan­zig Stock­prü­gel und wirst einen Tag lang zu den Hun­den an die Ket­te ge­legt, weil du Kno­chen frisst wie ein Kö­ter!« rief der Kur­fürst un­ter dem Ge­läch­ter der Gäs­te. Als das Gän­se­bein blank war, schwenk­te der Kur­fürst es ge­gen Schütz, der die Ta­fel­mu­sik lei­te­te, und rief ihm über den Tisch zu, er habe ein Blas­in­stru­ment er­dacht, wel­ches bes­ser töne als die Flö­te, die sein al­ter Hei­den­prinz Apol­lo ge­bla­sen habe; Schütz sol­le ein­mal her­an­kom­men und ihn, den Kur­fürs­ten, die No­ten­schrift leh­ren, so wol­le er ihm je­des be­lie­bi­ge Stück­lein bla­sen, dass Schütz sich ver­wun­dern sol­le. Schütz trat in be­schei­de­ner Hal­tung an den Stuhl des Kur­fürs­ten und sag­te, die No­ten sei­en zu har­te Nüs­se, als dass man sie so eins, zwei, drei zum Nach­tisch knacken könn­te; aber er sei über­zeugt, der Kur­fürst kön­ne sich auch ohne No­ten auf dem Gän­se­kno­chen recht hübsch hö­ren las­sen. Jo­hann Ge­org wuss­te nicht recht, ob er die­se Wor­te als Schmei­che­lei oder als Krän­kung auf­fas­sen soll­te, hieß Schlick spie­len und sag­te zu Schütz in ver­drieß­li­chem und spöt­ti­schem Tone, die Mu­si­kan­ten und die Apo­the­ker blie­sen sich gern auf, als ob sie eine ge­hei­me Kunst ver­stän­den; aber man wis­se wohl, dass Mist und Dreck die bes­te Me­di­zin wäre und dass Frösche und Vö­gel schon zu Adams Zei­ten Kon­zer­te ge­ge­ben hät­ten. Dann er­zähl­te er, was ihn die Ka­pel­le kos­te, was für lie­der­li­che Ker­le die Sän­ger wä­ren, dass sie ge­schmiert wer­den woll­ten wie krei­schen­de Wa­gen­rä­der, und wie über­haupt die Hof­hal­tung täg­lich kost­ba­rer wer­de. Er las­se sich die Mühe nicht ver­drie­ßen, täg­lich selbst den Kü­chen­zet­tel nach­zu­se­hen, dies und das zu strei­chen und dar­auf zu ach­ten, dass die Über­bleib­sel gut ver­wen­det wür­den. Auf die­se Wei­se hät­te sein Groß­va­ter, der wei­se Kur­fürst Au­gust, Sach­sen mäch­tig und an­sehn­lich ge­macht, und die­ser Tage sei es noch not­wen­di­ger, auf­zu­pas­sen, wo das neu­mo­di­sche fran­zö­si­sche We­sen ein­zu­rei­ßen an­fan­ge. Da kämen schon sei­ne klei­nen Söh­ne, woll­ten sei­de­ne St­rümp­fe und wohl­rie­chen­de Hand­schu­he und wohl gar fran­zö­si­sche Hof­meis­ter ha­ben und wür­den Schutz und För­de­rung bei ih­rer Mut­ter fin­den, wenn er nicht al­len mit­ein­an­der dann und wann auf die Fin­ger klopf­te.

 

Graf Schlick, der dem Kur­fürs­ten häu­fig mit dem Be­cher Be­scheid tun muss­te, brach­te sei­ne Ge­sund­heit aus und rief laut, er for­de­re je­den vor sein Schwert, der be­haup­ten wol­le, es gebe einen wei­se­ren, ed­le­ren und tap­fe­re­ren Fürs­ten als Jo­hann Ge­org und ein glück­se­li­ge­res Land als das Kur­fürs­ten­tum Sach­sen, wo­bei ihm die Trä­nen über die Ba­cken lie­fen.

Ge­gen das Ende des Gast­mahls saß Schlick, den Kopf in bei­de Hän­de ge­stützt, und wein­te ge­ra­de­her­aus. Ein sol­cher Fürst, schluchz­te er, sei wie ein Leucht­turm am Mee­re; wenn es braus­te und wü­te­te, las­se er be­stän­di­ges Licht aus und wei­se den Schiff­brü­chi­gen das ret­ten­de Ufer. Wenn nur sei­nem Va­ter­lan­de in die­sen bö­sen Zei­ten ein sol­ches fürst­li­ches Licht er­strahl­te, so brauch­ten sie nicht län­ger wie Wai­sen­kin­der rat­los von den wil­den Was­sern ver­schla­gen zu wer­den.

Auch dem Kur­fürs­ten fin­gen die Au­gen an über­zu­lau­fen, und er brüll­te, wer von ihm sage, dass er sei­ne Glau­bens­ge­nos­sen ver­las­se, der sei ein Hunds­fott, sei­nem Ju­gend­ge­spie­len Schlick kön­ne er nichts ver­sa­gen, er habe ein Herz für alle sei­ne Un­ter­ta­nen, nur die Kal­vi­ner wol­le er aus­rot­ten, denn sie sei­en Schel­me und vom Teu­fel ge­sä­tes Un­kraut.

Nach­dem Graf Schlick noch eine Denk­schrift ein­ge­reicht hat­te, in wel­cher dem Kur­fürs­ten, für den Fall, dass er die böh­mi­sche Kro­ne an­näh­me, der Be­sitz der be­nach­bar­ten Lau­sitz an­ge­prie­sen wur­de, auf wel­che er längst ein Auge ge­wor­fen hat­te, be­gab er sich wie­der nach Prag, um vom Er­fol­ge sei­ner Rei­se Be­richt zu er­stat­ten. Im Hau­se des Gra­fen Wil­helm von Lob­ko­witz fand er auch den Gra­fen Thurn, der vom Kriegs­schau­platz her­ein­ge­kom­men war, um Geld zur Be­zah­lung der un­zu­frie­de­nen Söld­ner auf­zu­trei­ben. Lob­ko­witz blät­ter­te mit nie­der­ge­schla­ge­ner Mie­ne in dem neu­en Ka­len­der für das Jahr 1620, wel­cher kürz­lich aus­ge­ge­ben wor­den war und in wel­chem eine böse Aus­sicht für die nächs­te Zu­kunft er­öff­net wur­de. Was ihn an­be­lan­ge, sag­te Schlick, so brin­ge er güns­ti­gen Be­richt. Er sei vom Kur­fürs­ten in lan­ger Au­di­enz emp­fan­gen wor­den und habe gute Ver­trös­tung von ihm er­hal­ten. Ein be­stimm­tes Ver­spre­chen habe der Kur­fürst zwar nicht von sich ge­ben wol­len, habe aber fest zu­ge­sagt, dass er sei­ne Glau­bens­ge­nos­sen nicht im Sti­che las­sen wer­de, des­glei­chen hät­ten ihm vie­le Stan­des­per­so­nen und gute Freun­de ver­si­chert, sie hiel­ten es mit den Luthe­ri­schen und nicht mit den Päpst­li­chen.

Ob es denn nicht an dem sei, frag­te Thurn, dass der Hof­pre­di­ger Hoë eine gol­de­ne Gna­den­ket­te vom Kai­ser er­hal­ten habe und dass der ers­te Rat Kas­par von Schön­berg im ver­trau­li­chen Ge­spräch ge­sagt habe, der Kai­ser kön­ne we­gen des Kur­fürs­ten un­be­sorgt sein, ihm schme­cke ein Täub­lein, das der Kai­ser ihm ver­eh­re, bes­ser als ein Huhn, das er ihm aus dem Stall ge­stoh­len habe.

Das sei nur ein Ge­schwätz, sag­te Schlick, sie möch­ten es wohl mit dem Kai­ser nicht ver­der­ben, aber sie hät­ten es ihm ge­gen­über an freund­li­chen Be­zei­gun­gen nicht feh­len las­sen.

Lob­ko­witz schüt­tel­te den Kopf und sag­te, das möch­te wohl gut sein, wenn nur der Ka­len­der nicht wäre. Es wäre für Böh­men großes Blut­ver­gie­ßen ge­weis­sagt, so­wohl der Her­ren wie der Un­ter­ta­nen, weil man sich die War­nung Got­tes durch den Ko­me­ten nicht zu Ge­müt ge­zo­gen habe, son­dern in den al­ten Sün­den da­hin­ge­fah­ren sei.

Der Ko­met habe doch nicht über Böh­men al­lein ge­stan­den, sag­te Thurn, die Schul­tern zu­ckend; in den säch­si­schen und ös­ter­rei­chi­schen Län­dern habe man ihn auch ge­se­hen, so viel er wis­se. Wenn Gott ih­ren Un­ter­gang be­schlos­sen habe, so sei da­ge­gen nichts aus­zu­rich­ten; einst­wei­len hal­te er es aber für das bes­te, sich zu weh­ren und sich durch böse Zei­chen nur de­sto mehr an­spor­nen zu las­sen.

Man kön­ne doch aber auch in sich ge­hen und sich be­den­ken, mein­te Lob­ko­witz. Vi­el­leicht sei ihre Re­bel­li­on doch Sün­de ge­we­sen, und es sei ja noch Zeit, um­zu­keh­ren.

Wie? rief Thurn aus, um­keh­ren? Den Ma­je­stäts­brief und den Glau­ben und alle teu­er er­kauf­ten Frei­hei­ten preis­ge­ben? Blut sei ein­mal ge­flos­sen, jetzt gel­te es zu sie­gen, er für sein Teil wol­le sich lie­ber in die Schlacht wa­gen als in die Hän­de der rach­süch­ti­gen Je­sui­ten fal­len.

Auch Schlick war der Mei­nung, man sei zu weit ge­gan­gen, um noch zu­rück zu kön­nen, und wenn sie nur erst ein rich­ti­ges Haupt hät­ten, be­son­ders wenn es der Kur­fürst von Sach­sen wäre, kön­ne noch al­les gut wer­den. Das große Blut­ver­gie­ßen an­ge­hend, kön­ne ja auch das Blut ih­rer Fein­de da­mit ge­meint sein, und ob­wohl er für sei­ne Per­son nicht blut­dürs­tig sei, müs­se man doch Gott schal­ten las­sen und ihm Bei­fall ge­ben.

Die­se Aus­sicht er­mun­ter­te Wil­helm von Lob­ko­witz wie­der, und die Ver­hand­lun­gen nah­men ih­ren Fort­gang, wo­bei frei­lich die Aus­sicht, den Kur­fürs­ten von Sach­sen zu ge­win­nen, bald schwand; denn da der Kai­ser ihm für sei­nen Bei­stand, eben­so wie die Böh­men, den Be­sitz der Lau­sitz ver­sprach, fiel auch die­se noch in die Waag­scha­le der alt­be­währ­ten Po­li­tik, und über ei­ni­ge von sei­ner Frau an­ge­reg­te Ge­wis­sens­be­den­ken half ihm der Hof­pre­di­ger Hoë hin­weg, in­dem er ihm er­klär­te, ein gu­ter alt­deut­scher pa­trio­ti­scher Reichs­fürst müs­se selbst die­se zu­wei­len dem Reichsober­haupt zum Op­fer brin­gen.

33.

Wäh­rend der jun­ge Kur­fürst von der Pfalz in sei­ne Frau noch im­mer sehr ver­liebt war, er­reg­te sie oft den Un­wil­len sei­ner Räte und Geist­li­chen durch ihr un­deut­sches und un­be­dacht­sa­mes Be­tra­gen. Sie be­dien­te sich nur der fran­zö­si­schen Spra­che, zeig­te auch kei­ne Lust, das Deut­sche zu ler­nen, was vie­len, trotz der Vor­lie­be für fran­zö­si­sches We­sen, ei­ner deut­schen Fürs­tin doch nicht ganz an­stän­dig schi­en. In der Bi­bel woll­te sie nicht le­sen, denn die ken­ne sie nun, be­gnüg­te sich auch nicht mit Vir­gil oder Horaz, son­dern un­ter­hielt sich mit fran­zö­si­schen Ro­ma­nen. Be­son­de­ren An­stoß er­reg­te es, dass sie ein­mal wäh­rend des Got­tes­diens­tes spa­zie­ren ge­fah­ren war, ja man er­zähl­te sich, sie habe ein­mal, als ihr der Fin­ger ge­blu­tet habe, einen Wachs­fin­ger in eine ka­tho­li­sche Kir­che ge­op­fert, um zu ver­su­chen, ob es hel­fe. Der Kur­fürst er­mann­te sich nicht dazu, ihr des­we­gen Vor­hal­te zu ma­chen, ja er ließ sich selbst, vor­züg­lich auf Rei­sen, man­cher­lei Mut­wil­len und Ex­zeß ent­schlüp­fen. Als er bei Ge­le­gen­heit ei­nes Uni­ons­ta­ges in Nürn­berg war, nahm er mit der Kur­fürs­tin an ei­ner Ge­schlecht­er­hoch­zeit teil, und da er beim Dun­kel­wer­den ge­ra­de mit der Braut tanz­te, sag­te er ihr, sie woll­ten mit­ein­an­der um die Kir­che tan­zen, das sei pfäl­zi­sche Sit­te, und führ­te sie wirk­lich tan­zend um die Lo­renz­kir­che her­um, nicht ohne ei­ni­ge Ei­fer­sucht des Bräu­ti­gams und der Kur­fürs­tin.

In Nürn­berg be­fand sich da­mals in ei­ner an­ge­se­he­nen Fa­mi­lie ein wei­ßer sin­gen­der Fink, der als eine Ra­ri­tät in der Stadt be­rühmt war, und da Eli­sa­beth neu­gie­rig war, ihn zu se­hen, und ihn zu be­sit­zen wünsch­te, er­han­del­te ihn Fried­rich. Sie wur­de sei­ner bald über­drüs­sig, er hin­ge­gen brach­te vie­le Stun­den da­mit zu, ihn zu ne­cken oder ihn pfei­fen zu las­sen, trug ihn auf der Hand oder Schul­ter mit sich her­um und war un­tröst­lich, als er starb. Sein Zim­mer sei ihm ohne den Vo­gel ver­ödet, sag­te er, es sei ihm recht, wenn es nach Prag gin­ge, da­mit er eine an­de­re Welt sähe.

Sei­ne Mut­ter ta­del­te ihn, er kön­ne wohl einen an­de­ren Vo­gel be­kom­men, nicht aber ein an­de­res Fürs­ten­tum, wenn er das sei­ne ver­lie­ße.

Er be­kom­me ja im Ge­gen­teil ein neu­es, mein­te Fried­rich, und als ver­lau­te­te, der Her­zog von Sa­voy­en gehe ernst­lich da­mit um, die böh­mi­sche Wahl an­zu­neh­men, kam es ihm vor, als habe er sich et­was Kost­ba­res aus der Hand ge­hen las­sen. Der Her­zog von Sa­voy­en hat­te ein an­sehn­li­ches Pro­jekt über die ös­ter­rei­chi­schen Er­b­lan­de, die nach er­folg­ter Ab­schaf­fung der Habs­bur­ger ver­teilt wer­den soll­ten, und zwar so, dass das El­saß und die ös­ter­rei­chi­schen Vor­lan­de, näm­lich der Breis­gau, an Pfalz kämen; aber wäh­rend die pfäl­zi­schen Räte die­sen Zu­wachs viel wün­schens­wer­ter fan­den als das ent­le­ge­ne Böh­men, ver­dross Fried­rich das Aner­bie­ten, das doch nur eine Lock­spei­se sei, um ihn von dem weit wich­ti­ge­ren Böh­men ab­zu­len­ken. Er woll­te, dass die Böh­men vor dem un­zu­ver­läs­si­gen, falschen und auf­schnei­de­ri­schen Sa­voy­er ge­warnt und ih­nen hin­ge­gen die Vor­zü­ge der pfäl­zi­schen Wahl ein­dring­lich vor­ge­stellt wür­den.

Er und Eli­sa­beth lie­ßen sich oft von An­halt die Herr­lich­kei­ten Prags schil­dern, na­ment­lich was er von der be­rühm­ten Kunst­kam­mer Kai­ser Ru­dolfs, sei­nen Klein­odi­en und Ju­we­len ge­hört und ge­se­hen hat­te. Dazu drän­gen, sag­ten sie bei­de, woll­ten sie sich nicht; aber wenn die Wahl Fried­rich trä­fe, woll­ten sie es als einen Fin­ger­zeig Got­tes an­se­hen und ihm fol­gen.

Die ver­wand­ten und ver­bün­de­ten Fürs­ten, bei de­nen un­ter der Hand an­ge­fragt wur­de, rie­ten ab und warn­ten, so­gar Mo­ritz von Hes­sen, wel­cher als ein­zi­ger für die An­nah­me der böh­mi­schen Kro­ne stimm­te, sprach sich nach­drück­lich da­hin aus, es kön­ne nur ge­sche­hen, be­vor Fer­di­nand von Ös­ter­reich Kai­ser sei, Fried­rich müs­se also zu­nächst da­zu­tun, dass die Kai­ser­wahl ver­scho­ben wer­de oder, falls dies nicht mög­lich sei, dass Fer­di­nand nicht ge­wählt wer­de. Der Au­gen­blick, sich der Habs­bur­ger zu ent­le­di­gen, sei jetzt da, nie wür­de er viel­leicht wie­der­keh­ren, die ihn jetzt nicht be­nütz­ten, wür­den die Fol­gen zu tra­gen ha­ben.

Un­ter­des­sen tat auch Fer­di­nand das Sei­ni­ge, um zum Zie­le zu kom­men. So­wie Matt­hi­as im März, mit­ten aus den ver­geb­li­chen Ver­söh­nungs­ver­su­chen mit den Böh­men her­aus, ge­stor­ben war, schick­te er einen sei­ner ver­trau­tes­ten Die­ner, den Liech­ten­stein, nach Bay­ern und an die geist­li­chen Höfe, um für ihn zu wer­ben. Der Ge­sand­te führ­te eine Schrift mit, in der Fer­di­n­ands be­son­de­re Taug­lich­keit zu ei­nem rö­mi­schen Kö­nig und deut­schen Kai­ser aus­ein­an­der­ge­setzt war, wie er näm­lich vor al­len an­de­ren Fürs­ten mit den Tu­gen­den der Sanft­mü­tig­keit, Auf­rich­tig­keit, Hold­se­lig­keit, Ehr­bar­keit, Ar­beit­sam­keit, Er­fah­ren­heit in Spra­chen, Dex­te­ri­tät in Ratschlä­gen, Fa­zi­li­tät in Au­di­en­zen und vie­len an­de­ren aus­ge­stat­tet sei. Dazu ka­men münd­li­che Ver­spre­chun­gen, wel­che na­ment­lich auf den Erz­bi­schof von Tri­er, Lo­thar von Met­ter­nich, und sei­nen Fa­mi­li­enan­hang großen Ein­druck mach­ten, so­dass die­ser Fürst mit al­lem Nach­druck für die habs­bur­gi­sche Wahl ein­trat. Viel schwie­ri­ger war es für Fer­di­nand, den Vet­ter von Bay­ern auf sei­ne Sei­te zu brin­gen, der so­gar, wenn er woll­te, als ein Ne­ben­buh­ler und Mit­be­wer­ber auf­tre­ten konn­te; denn die­sem konn­te er nicht, wie dem Met­ter­nich, ein hal­b­es Hun­dert­tau­send Gul­den oder ein Güt­lein an­bie­ten, son­dern muss­te um vie­les tiefer in die Ta­sche grei­fen, die noch dazu leer war. Mit ei­nem gu­ten Ein­fall trug sich Fer­di­nand schon seit län­ge­rer Zeit: dass er näm­lich das schö­ne, ein­träg­li­che Land Ober­ös­ter­reich an Ma­xi­mi­li­an, der schon ein Auge dar­auf ge­wor­fen hat­te, ver­pfän­den kön­ne, in­dem er sich da­mit zu­gleich, da es we­gen der Re­li­gi­on in vol­lem Aufruhr war, ei­ner Sor­ge und Ar­beit ent­le­dig­te. Wenn er dann spä­ter mit Ma­xi­mi­lians Hil­fe Kai­ser ge­wor­den wäre und Böh­men wie­der un­ter­wor­fen hät­te, wür­de es ihm nicht an Mit­teln feh­len, das Pfand wie­der ein­zu­lö­sen, in­dem die Kon­fis­ka­tio­nen der Re­bel­len­gü­ter sei­ne Kas­se reich­lich fül­len wür­den. Dies Pro­jekt muss­te al­ler­dings in großer Heim­lich­keit be­trie­ben wer­den, denn die ober­ös­ter­rei­chi­schen Stän­de, die nichts von der bay­ri­schen Herr­schaft wis­sen woll­ten, hät­ten es ge­gen ihn aus­nüt­zen kön­nen, wenn sie vor der Zeit da­von er­füh­ren. Auf einen ei­gen­hän­di­gen Brief Fer­di­n­ands, in dem er Ma­xi­mi­li­an an ihre alte Freund­schaft mahn­te und ihn auf­for­der­te, den Bund der Ju­gend neu­er­dings zu ge­gen­sei­ti­gem Flor und Pro­spe­rie­ren zu be­kräf­ti­gen, ant­wor­te­te die­ser, er wol­le zu­nächst Ober­ös­ter­reich als Pfand an­neh­men, sei auch be­reit, Fer­di­nand in der böh­mi­schen Sa­che zu hel­fen, wenn er sich da­durch auch Fein­de im Reich mach­te, es müss­ten aber zu­vor noch ei­ni­ge Punk­te fest­ge­setzt wer­den, über die er sich schrift­lich nicht aus­las­sen kön­ne. Was die Kai­ser­wahl an­be­lan­ge, so wol­le er, Ma­xi­mi­li­an, sich ihm dar­in nicht in den Weg stel­len.

 

Den in Heil­bronn ta­gen­den Ab­ge­ord­ne­ten der Uni­on re­de­te Pfalz zu, dass die Kai­ser­wahl, wenn denn schon die Habs­bur­ger in die­sem Tur­nier wie­der sie­gen soll­ten, we­nigs­tens ver­scho­ben wer­den soll­te, da­mit das Vi­ka­ri­at län­ger dau­er­te und der böh­mi­sche Streit vor­her zur Ent­schei­dung käme. In­des­sen na­ment­lich die Städ­te äu­ßer­ten sich da­hin, dass sie eine län­ge­re Va­kanz nicht gern sä­hen und dass, wenn denn an einen evan­ge­li­schen Frei­er für die Kro­ne nicht zu den­ken wäre, das Haus Habs­burg sich im­mer­hin durch die lan­ge Ge­wohn­heit emp­föh­le. Auch eine Un­ter­stüt­zung von Kur­pfalz in der böh­mi­schen Sa­che lehn­ten die Städ­te ab, weil sie sich in die Fürs­ten­hän­del nicht mi­schen woll­ten, bei de­nen sie doch nur um das Ih­ri­ge kämen. Bei die­sem üb­len Stan­de der Din­ge wur­de durch den Her­zog von Zwei­brücken, des­sen Bru­der im Diens­te des schwe­di­schen Kö­nigs stand, auf die­sen als auf einen he­ro­i­schen jun­gen Fürs­ten hin­ge­wie­sen, der, wenn er in den Bund ein­trä­te, wohl in der Lage wäre, die evan­ge­li­sche Sa­che tüch­tig zu se­kun­die­ren. Der­sel­be habe im Kamp­fe mit den Mos­ko­wi­tern und Po­len aus­neh­men­den Kriegs­ver­stand und Tap­fer­keit ge­zeigt, da­bei auch jene Mä­ßi­gung an den Tag ge­legt, die die Grö­ße des wah­ren Staats­man­nes aus­ma­che. Er, der Her­zog, habe kürz­lich in ei­nem Flug­blatt ge­le­sen, wie eine Weis­sa­gung des be­rühm­ten kai­ser­li­chen Astro­no­men Ty­cho de Bra­he, die der­sel­be beim Er­schei­nen des Ko­me­ten im Jah­re 1572 von sich ge­ge­ben habe, auf den Kö­nig Gu­stav Adolf be­zo­gen wer­de, dass näm­lich, um die in je­nem Jah­re ver­üb­ten Gräu­el der Bar­tho­lo­mäus­nacht zu rä­chen, ein Held im Nor­den er­schei­nen und nach zwei­mal drei­ßig Jah­ren un­ter­ge­hen wer­de.

Des wei­te­ren er­zähl­te der Her­zog von Zwei­brücken, dass ihm so­eben Be­richt von ei­ner wun­der­ba­ren Be­ge­ben­heit aus Schwe­den ge­kom­men sei: Der jun­ge Kö­nig habe sich mit sei­nem Kanz­ler, dem durch sei­ne Weis­heit und Ge­lehr­sam­keit be­kann­ten Gra­fen Oxens­tier­na, in ei­nem kö­nig­li­chen Schlos­se auf­ge­hal­ten, als am spä­ten Abend Feu­er aus­ge­bro­chen sei und nach Art die­ses höl­li­schen Ele­men­tes rasch um sich ge­grif­fen habe, so­dass als­bald das gan­ze Ge­bäu­de lich­ter­loh ge­brannt habe. Die bei­den Her­ren hät­ten mit­ein­an­der bei der Ar­beit ge­ses­sen und der Kö­nig da­ne­ben auf der Lau­te ge­klim­pert, sie hät­ten kei­nen un­zei­ti­gen Schre­cken ge­spürt, son­dern sich schnur­stracks aus dem Fens­ter ge­schwun­gen, wo­bei der Kö­nig sei­nem Kanz­ler noch hilf­reich bei­ge­stan­den hät­te. Nach­dem sie so dem Feu­er ent­ron­nen wä­ren, hät­ten sie noch durch den Burg­gra­ben wa­ten müs­sen, der voll Schmutz und Was­ser ge­we­sen sei, so­dass es ih­nen fast an den Hals ge­stie­gen wäre, und als sie drü­ben an­ge­kom­men wä­ren, hät­te der Kö­nig auf sich selbst ge­schol­ten, weil er die Lau­te, die er bei der Flucht un­will­kür­lich in der Hand be­hal­ten, über sich zu he­ben ver­ges­sen hät­te und sie nun durch die Näs­se ver­dor­ben sei. Der Kanz­ler hät­te einen Schnup­fen da­von­ge­tra­gen, der Kö­nig aber sei ganz un­ver­sehrt ge­blie­ben, wor­über die Pre­di­ger in Schwe­den viel ge­pre­digt hät­ten, und auch sein, des Her­zogs von Zwei­brücken, Hof­pre­di­ger hät­te sich fein auf der Kan­zel aus­ge­las­sen, wie der pro­tes­tan­ti­sche Held nun­mehr durch Feu­er und Was­ser ge­gan­gen sei, um er­probt und ge­läu­tert, gleich­sam als ein Erz­en­gel, den ab­göt­ti­schen ka­tho­li­schen Dra­chen zu zer­tre­ten.

Trotz des großen Ein­drucks, den die­se Be­rich­te von dem jun­gen Schwe­den­kö­nig mach­ten, fehl­te es nicht an Be­den­ken ge­gen ein et­wai­ges Bünd­nis: so woll­ten die Städ­te ge­hört ha­ben, dass der Kö­nig statt mit gu­tem ge­münz­tem Gel­de mit Kup­fer zu zah­len pfle­ge, weil dies schlech­te Me­tall in den schwe­di­schen Ber­gen über­flüs­sig zu fin­den sei; be­merk­ten auch, dass Bünd­nis­se mit aus­wär­ti­gen Po­ten­ta­ten nach der Gol­de­nen Bul­le ver­bo­ten sei­en und also zwie­späl­tig und skru­pu­lös zu un­ter­neh­men wä­ren. Die Fürs­ten woll­ten sich dar­auf we­ni­ger ein­las­sen, deu­te­ten aber an, dass der Kö­nig von Schwe­den zur­zeit noch mit Mos­ko­wi­tern und Po­len en­ga­giert sei, auch mit dem Kö­nig von Dä­ne­mark über­quer ste­hen sol­le, mit dem man es, als mit ei­nem schwer­rei­chen, ge­walt­tä­ti­gen Mon­ar­chen, der mit vie­len Reichs­fürs­ten ver­schwä­gert und selbst Reichs­glied sei, nicht ver­der­ben dür­fe. In­zwi­schen woll­te man den jun­gen Herrn von Schwe­den nicht aus den Au­gen las­sen und emp­fahl dem Her­zog von Zwei­brücken wie auch dem Land­gra­fen Mo­ritz von Hes­sen, wel­che bei­de zu sei­ner Ver­wandt­schaft ge­hör­ten, ein gu­tes Ver­neh­men mit ihm zu er­hal­ten.

Un­ge­hin­dert wur­de nun die Kai­ser­wahl aus­ge­schrie­ben, und Fer­di­nand be­gab sich, nach­dem er mit vie­ler Mühe und nach­drück­li­chen Pres­su­ren das nö­ti­ge Geld zu­sam­men­ge­borgt hat­te, präch­tig aus­ge­rüs­tet nach Frank­furt. Gleich­zei­tig schlepp­te sich über die nach Frank­furt füh­ren­de Land­stra­ße ein schwe­rer, mit vier Pfer­den be­spann­ter und von vie­len Be­waff­ne­ten ge­lei­te­ter Wa­gen, in wel­chem sich nebst zwei Of­fi­zie­ren und zwei Rats­per­so­nen eine auf 140.000 Gul­den ge­schätz­te Kro­ne be­fand. Die­sen be­deu­tungs­vol­len ver­gol­de­ten Wa­gen zu se­hen, war über­all ein großes Zu­sam­men­lau­fen des Vol­kes, und in Ro­ten­burg, wo die Kut­sche bei ein­bre­chen­der Dun­kel­heit ein­zog, fiel es mü­ßi­gen Leu­ten ein, zu ih­rer fest­li­chen Be­grü­ßung Ra­ke­ten ab­zu­bren­nen, wel­che ge­ra­de vor den Fü­ßen der Pfer­de platz­ten und zi­schend in die Luft fuh­ren. Die er­schro­cke­nen Tie­re scheu­ten und bäum­ten sich, wor­über die Kut­sche auf die Sei­te fiel, der Schlag sich öff­ne­te und die Kro­ne in einen ne­ben der Stra­ße hin­lau­fen­den Gra­ben sprang, ohne dass die selbst über­ein­an­der­ge­wor­fe­nen Bei­sit­zer es hin­dern konn­ten; frei­lich konn­te die­ser Vor­gang nicht deut­lich wahr­ge­nom­men wer­den, weil die Es­kor­te sich so­fort mit ge­zo­ge­ner Waf­fe zum Schut­ze um das so elend ent­blö­ßte und aus­ge­sä­te Reichs­klein­od auf­stell­te.