Der Dreißigjährige Krieg

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Es war kurz vor Mit­ter­nacht, als der Küs­ter des Do­mes au­ßer Atem ge­lau­fen kam und er­zähl­te, er habe ein schreck­li­ches Zei­chen und Ge­sicht ge­se­hen, und er sei ge­wiss, es ste­he Krieg und Pest be­vor, wenn nicht der Jüngs­te Tag im An­zu­ge sei. Als er vor ei­ner hal­b­en Stun­de aus dem Klos­ter ge­kom­men sei und habe heim­ge­hen wol­len, habe er die Fens­ter des Do­mes er­leuch­tet ge­se­hen, so­dass er ge­dacht habe, es wer­de noch dar­in ge­ar­bei­tet. Über die­sen Fre­vel er­schro­cken, habe er an alle Tü­ren ge­fasst, aber sie wä­ren fest ver­schlos­sen ge­we­sen, und kei­nen Laut hät­te er ver­neh­men kön­nen. Am liebs­ten, sag­te er, wäre er da­von­ge­lau­fen; aber er hät­te sich ein Herz ge­fasst und wäre an ei­nem der Ho­lun­der­bäu­me, die um den Chor her­um wüch­sen, hin­auf­ge­klet­tert, bis er durch die Fens­ter in das In­ne­re hät­te hin­ein­se­hen kön­nen. Da hät­te ihn Ent­set­zen er­fasst, und er hät­te so ge­zit­tert, dass er sich kaum an den Zwei­gen des Bau­mes hät­te hal­ten kön­nen: die gan­ze Kir­che sei voll Blut ge­stan­den, das sei al­les des Hei­lands Blut ge­we­sen; un­ter dem Ge­wöl­be habe sein Leib ge­han­gen, und aus den tie­fen Fur­chen sei­nes Ge­sich­tes sei Blut her­ab­ge­ron­nen, und sein Mund und sei­ne Au­gen wä­ren wie Brun­nen­röh­ren ge­we­sen, aus de­nen das Blut dick her­vor­ge­schos­sen sei.



Nach­dem die Zu­hö­rer sich von ih­rem Schre­cken ge­fasst hat­ten, woll­ten sie das Wun­der auch se­hen, aber der Wirt hielt sie ängst­lich zu­rück; wenn Feu­er im Dome sei, kön­ne es sein Haus er­grei­fen, sag­te er, in­dem er ängst­lich nach der Kir­che hin­über­blick­te, de­ren stei­le Mau­er­ter­ras­sen in gleich­för­mi­gem, schwe­rem Dun­kel la­gen. »Seht«, sag­te der Küs­ter, »es ist wie aus­ge­bla­sen. Wenn es et­was Na­tür­li­ches ge­we­sen wäre, hät­te es nicht so ver­schwin­den kön­nen.« Erst als die Nacht sich zer­streu­te, gin­gen die Leu­te ver­fro­ren und über­mü­det nach Hau­se.



Am fol­gen­den Tage pre­dig­te Skul­te­tus im Dome, der in al­ler Frü­he von den Spu­ren der gest­ri­gen Ar­beit ge­säu­bert wor­den war. Wie der klei­ne ha­ge­re Mann, auf der Kan­zel ste­hend, sich in dem er­ha­be­nen Rau­me um­sah, reck­te er sich un­will­kür­lich und bläh­te die Brust auf; denn es war ihm, als schwe­be er über der er­schaf­fe­nen Erd­ku­gel und sei­ne Wor­te wür­den von der Unend­lich­keit ver­schlun­gen wer­den. Hin­ge­gen tön­te sei­ne Stim­me, als ob er in eine Po­sau­ne blie­se, so­dass er selbst vor dem Schall schau­der­te. Er sag­te: Got­tes All­macht hat mich er­fasst und hier­her­ge­tra­gen, da­mit ich die Wahr­heit ver­kün­di­ge. Gott woll­te, dass das Reich der Fins­ter­nis auf­hö­re und dass die Wer­ke der Fins­ter­nis zer­stört wer­den. Dies war das Nest, wo die ge­schwol­le­ne Nacht­brut der Mön­che und Je­sui­ten trotz­te, das ist Aber­glau­ben, Tücke, Wut und Zer­stö­rung. Heil uns, der Herr hat ge­rich­tet! Das Licht, das da heißt Ver­nunft und Wahr­heit, fährt stür­misch her­auf, und Krä­hen und Eu­len, wie schwe­re Dämp­fe auf dem Bau­che krie­chend, sau­sen von dan­nen.



Fried­rich und Eli­sa­beth wa­ren zum Got­tes­dienst fei­er­lich ge­putzt, er in ei­nem schwar­zen, sie in ei­nem wei­ßen, mit Dia­man­ten be­setz­ten Ge­wan­de. Er trug eine mit ei­nem be­son­ders großen Dia­man­ten be­setz­te Agraf­fe

1

 nebst Rei­her­busch am Ba­rett, sie eine eben­sol­che im Haar, am Hals und in den Ohren trug sie Ge­hän­ge von Per­len. Es ver­dross sie ein we­nig, dass vie­le von den böh­mi­schen Da­men in viel rei­che­rem Schmuck er­schie­nen als sie, was sie auch schon auf den Bäl­len be­merkt hat­te, und sie stell­te Fried­rich vor, dass dies ein Un­fug sei, dem er steu­ern müs­se. Die Kö­ni­gin, sag­te sie, müs­se so­gleich am reichs­ten Schmu­cke kennt­lich sein, und es wür­de nie­mals Ord­nung und An­stand in ei­nem Lan­de herr­schen, wo die Va­sal­len schö­ne­re Klei­der trü­gen als die Her­ren. Fried­rich sag­te ent­schul­di­gend, dass er noch ein we­nig hin­hal­ten müs­se, bis er in Böh­men recht sta­bi­liert sei; sit­ze er erst ein­mal fest auf dem Thro­ne, so wol­le er einen grö­ße­ren Schatz von Ju­we­len an­schaf­fen, wie er ih­rem neu­en Stan­de ge­büh­re. Böh­men sei ja ein rei­ches Land und kön­ne sei­nen Kö­nig ge­bühr­lich aus­stat­ten, auch hät­te er den Ein­druck, dass die Un­ter­ta­nen es an nichts feh­len las­sen wür­den, es wä­ren ih­nen ja schon statt­li­che Ge­schen­ke über­reicht wor­den. Fei­ne Le­bens­art hät­ten die böh­mi­schen Wei­ber doch nicht und müss­ten also dar­in so­wie an Schön­heit hin­ter ihr zu­rück­ste­hen.



Die Zeit ver­ging Fried­rich zu­nächst schnell und an­ge­nehm, da er nach Brünn und Bres­lau rei­sen und die Hul­di­gung der Mäh­ren und Schle­si­er in Empfang neh­men muss­te. Un­ter­des­sen re­gier­ten in Prag Chris­ti­an von An­halt, der Gou­ver­neur, und die Räte der Kro­ne, un­ter de­nen Wen­zel von Bu­do­wa mit ei­ni­gen an­de­ren das Wort führ­te. Un­ter sei­nen Brief­schaf­ten fand An­halt ei­nes Ta­ges eine Bitt­schrift von Bau­ern, wel­che die Auf­he­bung der Leib­ei­gen­schaft ver­lang­ten, und nach ei­ni­gen Be­den­ken ent­schloss er sich, die­sel­be dem Rat vor­zu­le­gen. Er kön­ne dar­über nicht ent­schei­den, sag­te er, weil er mit den Ver­hält­nis­sen in Böh­men nicht ver­traut ge­nug sei; al­lein es kom­me ihm vor, als wür­den die Bau­ern hier­zu­lan­de über Ge­bühr ge­plagt, und er hal­te es für ge­fähr­lich in Kriegs­zei­ten, wenn der Land­mann sei­ner Herr­schaft nicht an­häng­lich sei und etwa gar dem Lan­des­feind zu­lau­fe, an­statt sei­ne Schol­le zu ver­tei­di­gen.



Die Sa­che sei so, sag­te Bu­do­wa: für die Bau­ern hät­te ihr je­wei­li­ger Herr ein­zu­ste­hen, und wenn der der gu­ten Sa­che an­hän­ge und sie in rech­ter Zucht hal­te, wür­den die Bau­ern auch ihre Schul­dig­keit tun, so­weit sie könn­ten. Frei­las­sen kön­ne man die Bau­ern nicht, denn das ver­dien­ten und ver­möch­ten sie nicht, ab­ge­se­hen da­von, dass der Kö­nig doch wohl den Adel nicht sei­ner Rech­te und sei­nes Be­sit­zes be­rau­ben kön­ne, der viel­mehr der Quell des Rech­tes sein sol­le.



Die­ser Aus­füh­rung schloss sich der Kanz­ler Rup­pa an und sag­te, zur­zeit Kai­ser Ru­dolfs hät­ten sich auch ein­mal die Bau­ern über ihre Her­ren be­klagt und Be­frei­ung von al­ler­lei Fron­den ver­langt; Kai­ser Ru­dolf aber, der doch ein mäch­ti­ger Herr ge­we­sen sei, hät­te die Schul­di­gen aus­ge­lie­fert, und da wä­ren die Rä­dels­füh­rer mit Rad und Gal­gen an­ge­mes­sen be­straft wor­den, wor­auf es wie­der Ruhe ge­ge­ben hät­te.



Es hand­le sich haupt­säch­lich um kö­nig­li­che Bau­ern, sag­te An­halt, und es schei­ne ihm nicht rät­lich, gleich jetzt mit der Schär­fe ge­gen sie vor­zu­ge­hen. Man kön­ne ja einen ab­schlä­gi­gen Be­scheid ge­ben oder sonst kunk­tie­ren. Die Her­ren soll­ten be­den­ken, wie man jetzt dar­an sei, wenn man noch Mann­schaft ge­gen die Bau­ern auf­bie­ten müss­te und wenn die Fel­der nicht be­stellt wür­den, wo schon durch den Krieg eine Teue­rung wäre.



Sie wä­ren bis jetzt mit den Bau­ern fer­tig ge­wor­den, ent­geg­ne­te Bu­do­wa, und wür­den es auch ins­künf­tig wer­den. Das be­tref­fe die Grund­la­ge ih­rer Rech­te, und dar­an dür­fe nicht ge­rüt­telt wer­den. Ge­wis­se Her­ren könn­ten ja ver­mahnt wer­den, ih­ren Bau­ern nicht das Blut aus­zu­pres­sen und ein christ­li­ches Ein­se­hen zu ha­ben; er wol­le durch­aus das Ver­fah­ren al­ler nicht bil­li­gen. Aber der Kö­nig wer­de auch nicht dul­den, dass sein Adel noch ei­nem an­de­ren Lan­des­herrn au­ßer ihm hul­di­ge. Das wür­de ein Ge­lauf und eine Zwi­schen­trä­ge­rei ge­ben, wenn die hä­mi­schen Bau­ern we­gen je­der Tracht Prü­gel, die sie be­kämen, an den Hof lau­fen und kla­gen woll­ten. Da­hin­ein dür­fe der Kö­nig sich nicht mi­schen, sonst hät­te man schließ­lich das Fau­st­recht und wis­se nicht mehr, wer Herr und wer Knecht sei.



Das wis­se man auch jetzt nicht, sag­te Graf Solms fins­ter; nur so viel sehe er, dass der Kö­nig hier­zu­lan­de nicht der Herr sei.



»Meint Ihr«, rief Bu­do­wa, »weil un­ser Land öst­lich von Eu­rem liegt, der Kö­nig wäre hier wie der tür­ki­sche Sul­tan und könn­te sei­nen Gro­ßen den Kopf vom Rump­fe schnei­den, wenn es ihm be­liebt?«



»Wenn die tür­ki­schen Va­sal­len es ver­die­nen«, ant­wor­te­te Solms nach­drück­lich, »so hät­te der Sul­tan recht und wäre umso bes­ser dar­an.«



»Die deut­schen Gra­fen«, rief ei­ner von den böh­mi­schen Her­ren auf­sprin­gend, »müs­sen we­nig Ehre ha­ben, wenn sie sich so mit den Hun­den in glei­che Rei­he stel­len!« Auch Graf Solms er­hob sich und sag­te lang­sam, wäh­rend sei­ne Au­gen Blit­ze war­fen: »Wie blank un­se­re Ehre ist, zeigt mei­nes Schwer­tes Flä­che, und wie schnei­dend un­ser Mut, sei­ne Schär­fe.«



An­halt be­eil­te sich, Frie­den zu stif­ten, in­dem er vor­stell­te, dass sie sich in der Rats­stu­be des Kö­nigs be­fän­den, dem sie alle mit glei­cher Treue er­ge­ben wä­ren; dass sie ein­an­der nicht zu be­wei­sen brauch­ten, wie viel Ehre und Tap­fer­keit sie hät­ten, und dass sie ihr Blut für den Kampf mit dem ge­mein­sa­men Fein­de spa­ren müss­ten. Er brach­te es auch end­lich da­hin, dass sich die Strei­ten­den die Hand zur Ver­söh­nung reich­ten, doch ta­ten sie es mit sicht­li­chem Wi­der­wil­len und ge­gen­sei­ti­ger Ver­ach­tung. Was die Bau­ern be­traf, so wur­de ih­nen Un­ter­su­chung der ein­zel­nen Kla­ge­punk­te in künf­ti­ger Zeit ver­hei­ßen; in­zwi­schen wur­den sie ver­mahnt, sich ru­hig zu hal­ten, und zu un­er­schüt­ter­li­chem Ge­hor­sam ge­gen ihre Her­ren an­ge­wie­sen.



1 Ha­ken­ar­ti­ge Schlie­ße; fran­zö­sisch agra­fe = Span­ge

 <<<




36.



Im Juni er­hielt Her­zog Ma­xi­mi­li­an die Nach­richt, dass die Uni­ons­fürs­ten sich hat­ten be­re­den las­sen, still­zu­sit­zen, wenn er ge­gen den Pfäl­zer zie­he, im­mer­hin sich vor­be­hal­tend, sei­ne pfäl­zi­schen Er­b­lan­de, falls er dort an­ge­grif­fen wer­de, zu schüt­zen. Er hat­te nicht nach Prag zie­hen wol­len, so­lan­ge er be­fürch­ten muss­te, sie wür­den un­ter­des­sen sein Her­zog­tum über­fal­len oder Fried­rich zu Hil­fe kom­men, und war des­halb von dem Er­geb­nis der Ver­hand­lun­gen sehr be­frie­digt. Die­sen Dienst hat­te ihm Frank­reich ge­leis­tet, und der fran­zö­si­sche Ge­sand­te tat sich nicht we­nig auf die Ge­schick­lich­keit zu­gu­te, mit der er den pro­tes­tan­ti­schen Fürs­ten ein­ge­re­det habe, es sei das bes­te für sie, Pfalz sei­nen un­sau­be­ren Han­del mit dem Kai­ser al­lein aus­fech­ten zu las­sen; al­lein Jo­cher äu­ßer­te sich ver­trau­lich, es hät­te oh­ne­hin kei­ner von die­sen Schne­cken­hel­den Lust ge­habt, sei­ne Haut für ih­ren Obers­ten zu Mark­te zu tra­gen. Die Uni­on habe sich, als An­halt nach Böh­men ge­zo­gen sei, gleich­sam selbst den Kopf ab­ge­bis­sen, und wenn sie auch wie der Skor­pi­on noch eine Wei­le mit dem Schwan­ze zap­pe­le, so sei doch kei­ne Le­bens­kraft dar­in und wer­de man sie bald mit blo­ßen Fü­ßen ohne Scha­den zu­sam­men­tre­ten kön­nen.

 



So brach denn Ma­xi­mi­li­an mit ei­nem wohl­ge­ord­ne­ten und -ge­rüs­te­ten Hee­re auf, um zu­nächst sein Pfand, die Pro­vinz Ober­ös­ter­reich, in Be­sitz zu neh­men, und nä­her­te sich in den ers­ten Ta­gen des Au­gust der Stadt Linz.



Kep­ler saß am Abend, als es an­fing zu däm­mern, über sei­nen In­stru­men­ten und Bü­chern, als die Her­ren von Sau­rau, Va­ter und Sohn, zu ihm ka­men, um sich von ihm zu ver­ab­schie­den; denn sie ge­hör­ten zu den er­klär­ten Re­bel­len und er­war­te­ten sich nichts Gu­tes von der An­kunft Ma­xi­mi­lians. Ob es denn wahr sei, dass der Bay­ern­her­zog auf Linz zie­he? frag­te Kep­ler. In der Schu­le hät­ten ei­ni­ge wis­sen wol­len, er gehe ge­ra­des­wegs ge­gen den böh­mi­schen Kö­nig, an­de­re mein­ten gar, ge­gen den Tür­ken. Nein, sag­te Herr von Sau­rau, das sei ge­wiss, dass es ih­nen gel­te. Fer­di­nand hät­te sie aus­ge­lie­fert, das sei längst ge­plant ge­we­sen. Wi­der­stand könn­ten sie dem Her­zog nicht leis­ten, un­ter­wer­fen woll­ten sie sich nicht, so ver­lie­ßen sie denn die Hei­mat. Sie gin­gen nach Nürn­berg oder ei­ner an­de­ren evan­ge­li­schen Reichs­stadt. Kep­ler mein­te be­denk­lich und mit­lei­dig, die Füße wä­ren lose, aber das Herz lie­ße sich nicht so leicht aus­gra­ben.



Der Äl­te­re sah schwei­gend vor sich nie­der, der Jün­ge­re aber sag­te, in den Reichs­städ­ten sei ein freie­res und lus­ti­ge­res Le­ben als in den Ber­gen zwi­schen den Bau­ern, man kön­ne es wohl eine Zeit lang mit­ma­chen, in­zwi­schen gebe es viel­leicht eine Än­de­rung, die Zeit sei voll Un­ru­he, und Fer­di­nand habe den Bo­gen zu straff ge­spannt, al­ler Tage Abend sei noch nicht da.



Ob Kep­ler nicht auch ver­rei­sen wol­le? frag­te der Äl­te­re. Sie könn­ten mit­ein­an­der ge­hen, zu Linz sei sei­nes Blei­bens doch nicht. Her­zog Ma­xi­mi­li­an sei vom Paps­te be­sol­det, die Ket­zer aus­zu­rot­ten; man mun­ke­le, er wer­de spä­ter ab­dan­ken, um Je­sui­ten­ge­ne­ral zu wer­den. Wie dem auch sei, ver­scho­nen wer­de er kei­nen, und die Wis­sen­schaft am we­nigs­ten, die es mit dem ko­per­ni­ka­ni­schen Sys­tem hal­te.



Er möch­te un­gern schon wie­der wan­dern, sag­te Kep­ler; wenn es aber nö­tig sei, wol­le er ver­su­chen, ob er nicht eine An­stel­lung in Schwa­ben fin­de. Wie sol­le er in Nürn­berg sein Brot fin­den? Die Her­ren von Nürn­berg hät­ten für Leu­te sei­nes Schla­ges kein Geld üb­rig, und er habe ein Weib und lie­be Kin­der.



Dem al­ten Herrn tat es leid, und er nahm trau­ri­gen Ab­schied. »Wenn ich bei Euch saß und Euch zu­hör­te«, sag­te er zu Kep­ler, »war es mir oft, als schme­cke ich den Him­mel.« Wenn sie nach Ulm gin­gen, sag­te Kep­ler, so sei da der Astro­nom und Ma­the­ma­ti­ker Faul­ha­ber; der sei eben­so ge­lehrt wie er und wer­de ih­nen in al­lem, was er wis­se, si­cher­lich gern zu Diens­ten sein.



Als das bay­ri­sche Heer in Sicht kam, wur­de die Auf­re­gung groß in Linz. Auf Bit­ten sei­ner Frau be­gab sich Kep­ler zu ei­nem Je­sui­ten­pa­ter, der ihn oft aus In­ter­es­se an der Astro­no­mie be­sucht hat­te, und frag­te ihn, ob er im Not­fall hof­fen könn­te, mit den Sei­ni­gen Schutz in sei­nem Klos­ter zu fin­den. »Jetzt wird Euch ban­ge!« sag­te der Je­suit lang­sam, in­dem er den Arm in die Sei­te stemm­te und Kep­ler mit tri­um­phie­ren­dem Lä­cheln an­sah; »jetzt kommt Ihr als ein reui­ges Kind, das sich im Scho­ße der schwer­ge­kränk­ten Mut­ter ber­gen möch­te!«



»Wenn Ihr da­mit meint«, sag­te Kep­ler, »ich woll­te mich zu Eu­rer Kir­che be­keh­ren, so muss ich frei­lich nein sa­gen, jetzt so we­nig wie vor zwan­zig Jah­ren, und ich mei­ne auch, es stän­de dem Man­ne noch we­ni­ger an als da­zu­mal dem Jüng­lin­ge.«



Der Je­suit er­ei­fer­te sich: »Es steht ei­nem je­der­zeit an«, rief er, »Buße zu tun und die Wahr­heit zu be­ken­nen. Seht Ihr die Zei­chen Got­tes noch im­mer nicht? Wie mögt Ihr, als ein klu­ger Mann, In­sti­tu­tio­nen an­hän­gen, die in kur­z­em vor ei­nem Hau­che Got­tes ver­schwin­den wer­den? Ihr, die Ihr Ord­nung und Ge­setz am Him­mel so herr­lich nach­ge­wie­sen habt? Wo ist bei Eu­rer Ket­ze­rei Ord­nung und Ge­setz? Wo ist da die Ba­sis, die Ba­sis? O gött­li­che Weis­heit Kep­lers, riechst du auch nach Men­schen­fleisch? Greifst du es nicht mit Hän­den, dass es nur

ei­ne

 Kir­che ge­ben kann, wenn es nur

ei­nen

 Gott gibt? Hät­test du den Lauf der Ster­ne aus­mes­sen kön­nen, wenn es Ket­zer un­ter ih­nen gäbe, die ihn ver­wirr­ten?«



»Wer weiß, ob es nicht Zwie­tracht und Kämp­fe un­ter den Ster­nen ge­ge­ben hat, be­vor die Sie­ger die Tri­um­ph­spie­le be­gan­nen, de­nen wir jetzt zu­schau­en? Ob die Ka­tho­li­ken oder die Evan­ge­li­schen un­ter­le­gen sind, ist viel­leicht in den His­to­ri­en­bü­chern des Him­mels auf­ge­schrie­ben«, sag­te Kep­ler und lä­chel­te.



Der Pa­ter muss­te wi­der Wil­len la­chen und nann­te Kep­ler einen Schelm und Fan­tas­ten. »Ihr Ket­zer seid nun ein­mal hart­nä­ckig«, sag­te er, »ihr Schwa­ben ins­be­son­de­re. Euch muss die Not be­ten leh­ren, und ich soll­te Euch in der Klem­me ste­cken las­sen, da­mit es Eu­rer See­le zu­gu­te käme.«



»Das hat sie oft ge­tan«, sag­te Kep­ler, »und wenn ich gut kämp­fen ge­lernt habe, so ist es, weil die Not mei­ne Meis­te­rin war.«



»Kep­ler, Kep­ler«, seufz­te der Je­suit, »was für ein stol­zer und ver­we­ge­ner Mann seid Ihr! Wenn ich Euch lie­be, so ist es um des heh­ren Ver­stan­des wil­len, mit dem Gott Euch Un­wür­di­gen be­gna­det hat; sonst müss­te ich es mir füg­lich zur Sün­de an­rech­nen.« Um die­ser Lie­be wil­len, sag­te er, wol­le er sich für Kep­ler ver­wen­den, wenn die Stadt er­stürmt wür­de und er in Ge­fahr kom­me, mehr kön­ne er nicht ver­spre­chen. Üb­ri­gens wer­de es des­sen nicht be­dür­fen; denn der Her­zog von Bay­ern sei ein from­mer ka­tho­li­scher Fürst und wer­de Barm­her­zig­keit üben.



Kep­ler trat den Heim­weg an in Ge­dan­ken dar­über, ob er in Wirk­lich­keit stolz und ei­gen­sin­nig sei, dass er nicht ka­tho­lisch wer­den woll­te; denn er hat­te schon manch­mal ge­dacht, dass Gut und Böse viel­leicht auf bei­den Sei­ten gleich sei, er hat­te kei­nen ei­gent­li­chen Wi­der­wil­len ge­gen die Ka­tho­li­ken, noch hielt er sei­ne Glau­bens­ge­nos­sen für un­fehl­bar. Den­noch hät­te ihn vor sich sel­ber ge­ekelt, wenn er sei­ne be­dräng­ten Brü­der ver­las­sen und sich zur Beich­te und Mes­se hät­te be­que­men sol­len. Es fiel ihm bei, nach den Mau­ern zu ge­hen und den fort­schrei­ten­den Ar­bei­ten des Be­la­ge­rungs­hee­res zu­zu­se­hen; dort traf er Hiz­ler, von ei­nem Häuf­lein Män­ner und Frau­en um­ge­ben, auf die er in großer Auf­re­gung ein­re­de­te.



»Seht ihr den He­ro­des?« rief er und mein­te da­mit den Her­zog Ma­xi­mi­li­an; »seht ihr die Spee­re und Schil­de in der Son­ne blit­zen, mit de­nen sie euch mor­den wol­len? Aber Gott wird mit sei­nem Vol­ke sein, wenn wir bei sei­nem Wor­te blei­ben! Ich bin euer Hirt, und ihr sollt mich noch auf dem Schei­ter­hau­fen ju­bi­lie­ren hö­ren! Wä­ren kei­ne Ver­rä­ter un­ter uns, so wür­de der Herr uns nicht so stra­fen. Aber da ist ei­ner, da ist ei­ner!« rief er laut, in­dem er auf den lang­sam vor­über­ge­hen­den Kep­ler zu­sprang und ihn beim Arme griff. »Der hat die Kriegs­not über uns ge­bracht, weil er Gott er­zürn­te. Um dei­nes Trot­zes und dei­ner Sün­de wil­len schickt uns der Herr die Phi­lis­ter über den Hals!«



»Wohl­an«, sag­te Kep­ler fried­lich, »so schickt er sie viel­leicht um dei­ner Tu­gend wil­len wie­der heim.«



»Das könn­te dir pas­sen, du Oben­hin­aus!« knurr­te Hiz­ler und füg­te ver­drieß­lich hin­zu: »Hät­te mich der Zorn nicht über­mannt, so hät­te ich nim­mer das Wort an dich ge­rich­tet.«



Dar­über brau­che er sich kein Ge­wis­sen zu ma­chen, sag­te Kep­ler, es sei­en ja kei­ne güt­li­chen ge­we­sen.



Un­ter­des­sen schlu­gen un­fern Ku­geln in die Mau­er, dass es krach­te und Staub und Stei­ne auf­flo­gen, wor­über vie­le er­schra­ken und fort­lie­fen, um in die­ser Not bei den Ih­ri­gen zu sein. Da auch Kep­ler wei­ter­ge­hen woll­te, rief ihm Hiz­ler plötz­lich mit weh­kla­gen­der Stim­me nach: »Be­keh­re dich doch, Kep­ler­le, komm in den Stall zu den an­de­ren Scha­fen! Be­keh­re dich, so soll al­les ver­ge­ben und ver­ges­sen sein.«



»Weißt du«, sag­te Kep­ler ste­hen­blei­bend, »in mir ist ein Dä­mon, dem muss ich treu blei­ben; denn er ist ewig, und eure For­meln sind von ges­tern und wäh­ren bis mor­gen.«



Er ging wei­ter, hielt aber noch ein­mal an und rief Hiz­ler zu, er müs­se die Zeit, die ihm noch blei­be, zur Ar­beit nüt­zen. Die nächs­te Nacht sei eine Mond­fins­ter­nis, wenn Gott gebe, dass die Stadt sich so lan­ge hal­te, wol­le er sie be­ob­ach­ten, und falls Hiz­ler auch dazu Lust habe, sei er will­kom­men.



Die Gas­sen wi­der­hall­ten vom Schritt der Sol­da­ten, die der Kom­man­dant be­auf­tragt hat­te, das Volk im Zau­me zu hal­ten, das Dro­hun­gen ge­gen ihn aus­ge­sto­ßen hat­te, weil er ka­pi­tu­lie­ren woll­te. Kep­ler saß in ei­nem of­fe­nen Bal­kon sei­nes Hau­ses und er­war­te­te den Mond. Der Abend war so still, dass sich kein Blatt im Wip­fel der ho­hen Esche be­weg­te, die sein Haus be­schirm­te. Aus der Stadt scholl dann und wann Ge­tö­se und Auf­krei­schen; aber bis zu Kep­lers Be­wusst­sein drang in die­sem Au­gen­bli­cke nichts da­von. Etwa um neun Uhr er­glomm der Gie­bel des Nach­bar­hau­ses im nä­her­rücken­den Lich­te, und gleich dar­auf schweb­te die leuch­ten­de Welt in den Ge­sichts­kreis des War­ten­den. Der Him­mel hob sich wie ein milch­grau­es Meer aus der Dun­kel­heit, ge­ball­te Wol­ken tauch­ten auf wie Za­cken und Ber­ge und Schif­fe und schwam­men lang­sam vor­über oder san­ken zu­rück in die Fins­ter­nis. Kep­ler fuhr her­um, als Hiz­ler durch die nied­ri­ge Tür ein­trat, des­sen Klop­fen er über­hört hat­te. »Ich habe die Sa­che Gott an­heim­ge­stellt«, sag­te er, »es steht ein großes Ge­richt über die gan­ze Erde be­vor, und es wird ei­nem je­den zu­teil wer­den, was er ver­dient hat. Ich habe dich ge­warnt, nun­mehr fah­re hin, in­zwi­schen wol­len wir nicht ha­dern.« Da Kep­ler ihn auf eine blu­ti­ge Schram­me an der Schlä­fe und sei­nen hum­peln­den Gang an­re­de­te, sag­te er, die ro­hen Kriegs­knech­te hät­ten ihm so übel mit­ge­spielt, als er sie auf­ge­for­dert habe, lie­ber auf die Wäl­le zu zie­hen und den An­ti­chris­ten zu ver­trei­ben, an­statt die gläu­bi­gen Brü­der zu be­dro­hen. Er woll­te sich nicht ver­bin­den las­sen, weil ihm jetzt mehr dar­an ge­le­gen sei, die Mond­fins­ter­nis mit Kep­ler zu be­ob­ach­ten; wenn die Er­schei­nung vor­über sei, wol­le er gern einen Schluck Wein an­neh­men und sich die Wun­de von Kep­lers Haus­frau wa­schen las­sen; einst­wei­len er­tra­ge er die Schmer­zen freu­dig um des Er­lö­sers wil­len.



Schon nach we­ni­gen Mi­nu­ten sa­hen sie den Ster­nen­schat­ten auf den wan­dern­den Mond fal­len, wor­über Hiz­ler, wäh­rend Kep­ler still be­ob­ach­te­te, ganz atem­lo­ses Stau­nen und lau­tes Ver­gnü­gen war. Zu den­ken, sag­te er, dass da oben ein me­cha­ni­sches Thea­ter ab­lau­fe, re­gel­mä­ßig wie eine Uhr, die nie auf­ge­zo­gen zu wer­den brau­che, ei­gent­lich ein Per­pe­tu­um mo­bi­le, sei höchst wun­der­voll. Er sprach mit großer Ge­lehr­sam­keit über dies Pro­blem, mit dem er sich viel be­schäf­tig­te, wie er denn auch ein al­ler­liebs­tes dreh­ba­res Pla­ne­ta­ri­um aus Mes­sing ver­fer­tigt hat­te; dann, als die Ver­fins­te­rung vor­über war, ließ er den Ge­gen­stand fal­len und sag­te: »Ein gräu­li­ches War­nungs­zei­chen, das der Herr sei­nem Vol­ke auf­steckt; aber sie to­ben und wür­gen wei­ter in ih­rer Ver­blen­dung. Rase nur zu, blu­ti­ger At­ti­la! Gott lässt dich eine Wei­le wü­ten, je­doch das Straf­ge­richt war­tet schon, in das du hin­ein­tap­pen wirst!«

 



Kep­ler mein­te, Her­zog Ma­xi­mi­li­an habe ein gut aus­ge­rüs­te­tes Heer und mehr Geld als ir­gend­ein Fürst im Rei­che; so­lan­ge er zum Kai­ser hal­te, möch­te ih­nen nicht leicht ei­ner ge­wach­sen sein. »Da sieht man wie­der das Schwin­del­köpf­lein!« rief Hiz­ler sich er­ei­fernd. »Willst du die Wege Got­tes aus­ken­nen? Wenn es ihm ge­fällt, kann er Ta­ta­ren und Hei­den auf­er­we­cken, um sei­ne Be­feh­le aus­zu­füh­ren! Wenn es ihm ge­fällt, kann er die falschen Göt­zen mit ei­nem Atem­zu­ge um­bla­sen!«



Kep­ler, des­sen Au­gen dem klei­nen Schat­ten ei­ner Fle­der­maus folg­ten, der pfeil­schnell über die ge­tünch­te, mond­be­schie­ne­ne Mau­er des Hau­ses husch­te, ging nicht dar­auf ein und über­ließ es sei­ner Frau, Hiz­lers Pro­phe­zei­un­gen, Dro­hun­gen und Be­trach­tun­gen mit Ehr­furcht und Schre­cken ent­ge­gen­zu­neh­men.



Sein Ge­müt war voll Sor­gen über die An­ge­le­gen­heit sei­ner Mut­ter, die nach den Be­rich­ten aus sei­ner Hei­mat eine schlim­me Wen­dung zu neh­men droh­te und die umso schwe­rer wog, weil er sie, als eine schimpf­li­che und ge­fähr­li­che Sa­che, nie­man­dem mit­tei­len moch­te, viel­mehr, so­lan­ge es an­ging, ge­heim­zu­hal­ten su­chen muss­te. Bald nach der Ein­nah­me von Linz kam ein Brief von sei­ner Schwes­ter, es sei nun al­les aus, die Mut­ter sei aus ih­rem Hau­se in den Turm ge­schleppt wor­den und sol­le durch­aus eine Hexe sein. Ihr Mann sei böse über die Schan­de, ihr Bru­der, der Zinn­gie­ßer, sei vollends au­ßer sich ge­ra­ten und habe ge­sagt, wenn die Mut­ter wirk­lich eine Hexe sei, so wol­le er nichts mehr mit ihr zu tun ha­ben, es sei des Är­ger­nis­ses üb­rig ge­nug. Wenn er ihr nicht schnell zu Hil­fe kom­me, so sei die Mut­ter ge­wiss ver­lo­ren, sie habe kei­nen Freund mehr. Ihr al­ter ge­brech­li­cher Kör­per wer­de die Käl­te, Fol­ter und Mar­ter nicht über­ste­hen, und das wer­de noch das bes­te sein, da sie sonst le­ben­dig ins Feu­er müs­se. Sie kön­ne nichts tun als be­ten und wei­nen, und das tue sie Tag und Nacht; er sol­le sich ei­len, da­mit er nicht zu spät kom­me.



Ohne Ver­zug reis­te Kep­ler nach Güg­lin­gen und er­fuhr, dass der Vogt Ein­horn es da­hin ge­bracht hat­te, an die Stel­le des schwe­ben­den Zi­vil­pro­zes­ses einen Kri­mi­nal­pro­zess tre­ten zu las­sen, in­dem er der Frau Rein­bold ge­stat­te­te, eine Ge­gen­kla­ge auf Zau­be­rei ein­zu­rei­chen. Sie hat­te un­ter­des­sen neu­en Stoff zum Be­wei­se zu­sam­men­ge­bracht: na­ment­lich soll­te die Kep­ler ein zehn­jäh­ri­ges Mäd­chen am Arme ge­fasst ha­ben und soll­te die­ser Arm lahm ge­wor­den sein, so­dass das Kind ihn wo­chen­lang nicht hät­te ge­brau­chen kön­nen, und fer­ner soll­te die Kep­le­rin ein vier­zehn­jäh­ri­ges Mäd­chen das Zau­bern ha­ben leh­ren wol­len, dem sei es aber ban­ge ge­wor­den, so­dass es ihr un­ter Vor­wän­den ent­schlüpft wäre. Nach­dem Kep­ler die Ak­ten des Pro­zes­ses durch­ge­se­hen hat­te, in die er auf vie­les Er­su­chen und Ver­wen­den hat­te Ein­sicht neh­men dür­fen, stell­te er dem Prä­si­den­ten des Ge­rich­tes vor, dass die Punk­te samt und son­ders be­lang­los wä­ren und durch­aus nicht hin­reich­ten, eine An­kla­ge dar­auf zu be­grün­den. Den Aus­sa­gen von Kin­dern kön­ne man doch kei­nen Glau­ben schen­ken, sie könn­ten von Frau Rein­bold un­ter­rich­tet sein oder et­was miss­ver­stan­den ha­ben; nichts von al­lem sei er­wie­sen, und sei­ne Mut­ter leug­ne al­les.



Das tä­ten die Weib­lein frei­lich alle, sag­te der Prä­si­dent mit ei­nem fei­nen und her­ab­las­sen­den Lä­cheln; dazu wäre er da, um ih­nen die Ver­stockt­heit aus­zu­trei­ben. Wenn er nicht aus­rei­che, so wä­ren da Schrau­ben und Zan­gen, mit de­nen man meis­tens rasch zum Zie­le käme. Wenn man ein we­nig Er­fah­rung hät­te, kön­ne man auch den He­xen ihr Hand­werk an­sehn, wie ei­nem Pfar­rer oder Metz­ger das sei­ni­ge. Ihm, Kep­ler, wer­de frei­lich die­se Er­fah­rung ab­ge­hn; wo soll­te er sie ge­macht ha­ben? An sei­ner Mut­ter? Er sei der Sohn, da trü­be die na­tür­li­che Lie­be den Blick. Er sei ja auch sonst wohl mit den Wis­sen­schaf­ten und dem Rechts­we­sen im be­son­de­ren nicht ver­traut.



Er habe Theo­lo­gie stu­diert, und die Ju­rispru­denz sei ihm auch nicht fremd, sag­te Kep­ler; nicht so fremd, dass er nicht wis­se, es ge­hö­re mehr dazu als die Aus­sa­gen von Kin­dern, um ein Ma­le­fi­z­ur­teil dar­auf zu grün­den.



Nach sei­nem Da­für­hal­ten, sag­te der Prä­si­dent ge­las­sen und noch er­ha­be­ner lä­chelnd, sei ge­ra­de auf das un­schuld­vol­le Wort der Kind­lein viel zu ge­ben; sie we­nigs­tens sei­en meis­tens noch nicht vom Sa­tan be­sto­chen. Üb­ri­gens wür­de sich das im Ver­lau­fe des Pro­zes­ses al­les auf­klä­ren. Wie es denn in Linz ste­he? Da hät­ten die Evan­ge­li­schen nun wohl ab­ge­wirt­schaf­tet.



Er hät­te ge­dacht, der Prä­si­dent sei selbst evan­ge­lisch, sag­te Kep­ler.



Ganz ge­wiss, ant­wor­te­te der Prä­si­dent lä­chelnd, aber der Übe­rei­fer der Her­ren Pfar­rer lie­ge ihm fern. Kep­ler möge ihm nicht ver­ar­gen, dass er das aus­spre­che. Die Prä­di­kan­ten in Ös­ter­reich hät­ten den Pö­bel nicht auf­het­zen sol­len, das kön­ne sich eine Re­gie­rung durch­aus nicht ge­fal­len las­sen. Er mün­ze die­se Wor­te aber nicht auf Kep­ler, der ge­wiss vor­sich­tig und ver­nünf­tig ge­we­sen sei.



Kep­ler merk­te, dass der Prä­si­dent sich so an­stell­te, als hal­te er ihn für einen Pfar­rer und wis­se gar nichts von sei­nem wirk­li­chen Be­ruf und sei­nen Wer­ken; er biss die Zäh­ne zu­sam­men und ver­ab­schie­de­te sich kurz, da­mit sei­ne Un­ge­duld und sein Zorn nicht noch her­aus­füh­ren und er die Lage sei­ner Mut­ter ver­schlim­mer­te.



Aus der Stu­di­en­zeit hat­te Kep­ler einen Freund, na­mens Be­sold, der Pro­fes­sor der