Der Dreißigjährige Krieg

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Das sei be­greif­lich, sag­te Be­sold mit­lei­dig, ließ sich die Ein­zel­hei­ten er­zäh­len und be­müh­te sich, einen Aus­weg zu fin­den.

Kep­ler sol­le selbst die Ver­tei­di­gungs­schrift ver­fas­sen, riet er ihm, wo­bei er ihm gern be­hilf­lich sein wol­le. Kep­ler sol­le sich aber nicht bei der Fra­ge auf­hal­ten, ob sei­ne Mut­ter wirk­lich he­xen kön­ne, noch viel we­ni­ger da­mit, was von der Hexe­rei über­haupt zu hal­ten oder wie sie zu be­stra­fen sei; da­durch wür­de er sich nur ver­däch­tig ma­chen und alle ge­gen sich auf­brin­gen. Er sol­le ein­zig dar­zu­tun ver­su­chen, dass es an Be­wei­sen feh­le, oder, wenn mög­lich, sonst einen Feh­ler in der Pro­ze­dur auf­de­cken. Frei­lich kön­ne auch das fehl­schla­gen, Dumm­heit und Hab­gier sei­en un­be­re­chen­bar; die Leu­te hät­ten das klei­ne Ver­mö­gen sei­ner Mut­ter wohl schon un­ter sich ver­teilt und viel­leicht schon im Voraus ver­zehrt.

Ver­mut­lich, sag­te Kep­ler, wer­de ein Gut­ach­ten von der ju­ris­ti­schen Fa­kul­tät in Tü­bin­gen ein­ge­holt wer­den. Ob er in die­sem Fal­le auf Be­sold rech­nen kön­ne?

Be­sold er­rö­te­te und sag­te schnell, ja ge­wiss, das kön­ne er. Er dür­fe sich al­ler­dings nicht bloß­stel­len, er sei oh­ne­hin an­rü­chig; aber er rate in sol­chen Fäl­len im­mer zur Mil­de, das kön­ne sich Kep­ler wohl den­ken, und über­haupt sei die Fa­kul­tät in die­ser Be­zie­hung zu­rück­hal­tend. Sie hät­te ja nichts da­von, dass alte Wei­ber ver­brannt wür­den, und be­stän­de nicht aus tol­len Luther­pfaf­fen. Wich­ti­ger als al­les sei, den Leu­ten angst zu ma­chen. Ob Kep­ler ih­nen nicht angst ma­chen könn­te? Er habe ja den Kai­ser hin­ter sich; ob er nicht bei­läu­fig mit dem Kai­ser dro­hen könn­te?

Er sei von dem neu­en Kai­ser noch nicht in sei­nem Amte be­stä­tigt, sag­te Kep­ler, das wis­se man wohl. Au­gen­blick­lich sei er wie­der ein­mal ein hei­mat­lo­ser und brot­lo­ser Ge­sel­le.

»Wa­rum«, frag­te Be­sold, »bist du nicht zur al­ten Kir­che über­ge­tre­ten? Dann wärst du ein mäch­ti­ger Mann, und kei­ner wür­de wa­gen, mit dir an­zu­bin­den.«

»Das meinst du nicht im Ernst«, sag­te Kep­ler; »das täte ich nicht ein­mal, um mei­ner Mut­ter Le­ben zu ret­ten, noch wür­de sie es wün­schen.« Ob man über­haupt je­mals ein mäch­ti­ger Mann wer­den kön­ne, wenn man der Wis­sen­schaft Die­ner sei? Die Li­vree, die man als sol­cher tra­ge, habe in der Welt kei­ne Gel­tung. Üb­ri­gens hät­te er auch als Pro­tes­tant ge­wis­se Aus­sich­ten ge­habt: Kö­nig Ja­kob habe ihn nach Eng­land ein­ge­la­den, und auch nach Ita­li­en habe er einen Ruf ge­habt, und das habe ihn mäch­tig an­ge­zo­gen, weil er gern die Be­kannt­schaft ei­nes so großen Man­nes wie Ga­li­lei ge­macht hät­te.

Wa­rum er denn nicht hin­ge­gan­gen sei? frag­te Be­sold er­staunt. Er, Be­sold, wür­de auch als Ka­min­keh­rer nach Ita­li­en ge­hen, wenn man ihn so dort ver­wer­ten kön­ne.

Es sei jetzt zwan­zig Jah­re her, sag­te Kep­ler, dass sie Gior­da­no Bru­no in Rom ver­brannt hät­ten. Nach sei­nem Da­für­hal­ten sei ein Zeit­raum von zwan­zig Jah­ren zu kurz für die Men­schen, um dar­in klü­ger zu wer­den. »Es scheint«, setz­te er mit ei­nem Seuf­zer hin­zu, »dass die Ge­fahr des Feu­er­to­des eine Krank­heit mei­ner Fa­mi­lie ist.«

Be­sold lach­te dar­über herz­lich. Was sei­ne Mut­ter be­tref­fe, sag­te er, so sei sie, so viel er wis­se, eine et­was ein­fäl­ti­ge und gro­be Frau und sei ge­wiss auch durch ei­ge­ne Schuld und Un­be­son­nen­heit in einen sol­chen Sumpf ge­ra­ten.

Ja, sag­te Kep­ler, sie habe kei­ner­lei Bil­dung ge­nos­sen, wis­se so we­nig wie ein Vieh­hir­te; aber sie habe einen hur­ti­gen und un­ge­dul­di­gen Geist, der zu­sam­men­fres­se, was eben am Wege lie­ge, auch üb­les und un­ver­dau­li­ches Zeug. Aber mit Gott wol­le er kämp­fen und die alte Frau ret­ten, die sei­ne Mut­ter sei.

Er sol­le nur den Mut nicht ver­lie­ren, sag­te Be­sold, und sich ein An­sehn ge­ben. Prah­len und auf­trump­fen, je un­sin­ni­ger, de­sto bes­ser, sei­ne ho­hen Be­kannt­schaf­ten an­füh­ren und vom Kai­ser re­den, als ob er Ge­heim­nis­se mit ihm hät­te. Er ken­ne die Zu­stän­de in Schwa­ben nicht und wie das Pfaf­fen­re­gi­ment die Leu­te dumm und stolz ma­che; sie wür­den spä­ter noch viel dar­über la­chen, wenn es nie­mand hör­te.

Ob­wohl sich der Pro­zess ein Jahr lang hin­zog, wur­de nichts Neu­es ans Licht ge­för­dert, um die Schuld der An­ge­klag­ten zu er­wei­sen, was aber die Rich­ter nur de­sto mehr er­bit­ter­te, die sich schlecht­hin dar­auf stütz­ten, dass die Be­klag­te nicht ge­weint habe, was in ei­ner so kläg­li­chen und ge­fähr­li­chen Lage jede Frau ge­tan ha­ben wür­de, die nicht mit dem Teu­fel um­gin­ge. End­lich er­kann­te das Gut­ach­ten der Ju­ris­ten­fa­kul­tät von Tü­bin­gen, es lä­gen nicht hin­rei­chen­de Grün­de zur An­wen­dung der Fol­ter vor, es sol­le der An­ge­klag­ten nur mit der Fol­ter ge­droht und sie, wenn dar­auf­hin kein Ge­ständ­nis er­fol­ge, ent­las­sen wer­den. Auf vie­les Bit­ten wur­de am Tage vor dem letz­ten Ver­hör Mar­ga­re­te Bin­der zu ih­rer Mut­ter ge­las­sen und be­gann jam­mer­voll zu wei­nen, als ihr eine klei­ne, ver­schrumpf­te, hus­ten­de Alte ent­ge­gen­ge­hum­pelt kam. »Ach Mut­ter«, schluchz­te sie, »ich kann Sie wie ein klei­nes Kind auf den Ar­men tra­gen!«

»Wei­ne nicht«, sag­te die Alte, »Kno­chen le­ben so gut wie Fleisch, und eh sie sie mir zer­schla­gen, will ich ih­nen noch man­che Nuss zu knacken auf­ge­ben.«

»Ach Mut­ter, Mut­ter«, fleh­te die Pfar­re­rin, »er­zür­nen Sie die Rich­ter nicht ge­gen sich! Schwei­gen Sie lie­ber ganz und gar!« Es wer­de ihr nichts zu­lei­de ge­schehn, sie sol­le nur mit der Fol­ter be­droht wer­den, sie möge nur stand­haft blei­ben und sich nicht etwa vom Schre­cken ein Ge­ständ­nis er­pres­sen las­sen. An­de­rer­seits müs­se sie auch ihre Zun­ge im Zau­me hal­ten und sich nichts ge­gen die Rich­ter ent­wi­schen las­sen, wo­mit man sie zu Fal­le brin­gen könn­te.

Wäh­rend der Hen­ker, ein di­cker, um­ständ­li­cher Mann, dem Brau­che ge­mäß der An­ge­klag­ten die Fol­ter­werk­zeu­ge zeig­te und ihr ihre An­wen­dung er­klär­te, be­weg­te die Kep­ler fort­wäh­rend die Lip­pen; denn sie hat­te sich vor­ge­nom­men, da­mit ihr kein un­be­son­ne­nes Wort ent­füh­re, den 59. Psalm zu be­ten, wel­chen sie aus­wen­dig wuss­te, und zwar hat­te sie sich ge­dacht, dass, wenn sie ihn drei­ßig­mal hin­ter­ein­an­der bei sich sa­gen könn­te, dies ein Zei­chen sein soll­te, dass die dar­in ih­ren Fein­den an­ge­droh­ten Stra­fen sich er­fül­len wür­den. Also be­te­te sie: »Er­ret­te mich, mein Gott, von mei­nen Fein­den, er­ret­te mich von den Übel­tä­tern und hilf mir von den Blut­gie­ri­gen, sei der kei­nem gnä­dig, die so ver­we­ge­ne Übel­tä­ter sind. Des Abends heu­len sie wie­der­um wie die Hun­de«, und so wei­ter, wo­bei sie von dem Hen­ker weg­sah, ohne ihm und sei­nen Er­klä­run­gen die ge­rings­te Be­ach­tung zu schen­ken. Dies Ver­hal­ten mach­te ihn end­lich böse, so­dass er sie mit ei­ner ei­ser­nen Schau­fel auf die Schul­ter schlug und rief: »Was mur­melst du, alte Hexe? Auf mich sollst du schau­en, da­mit dir das Brot auch schmeckt, das du es­sen sollst.«

»Sage du dei­nen Spruch und lass mich mei­nen sa­gen«, ent­geg­ne­te die Alte, wo­mit sich der er­staun­te Hen­ker, wie die Sa­che lag, be­gnü­gen muss­te. So wie er wa­ren auch die Rich­ter nicht we­nig ver­stimmt, dass das Op­fer ih­nen ent­ging; al­lein sie trös­te­ten sich da­mit, dass sie ein Auge auf die Hexe ha­ben und ihr ge­le­gent­lich schon et­was auf­mut­zen wür­den und dass ihr dann der Teu­fel nicht da­von­hel­fen soll­te.

»Siehst du«, sag­te sie zu ih­rem Soh­ne, der sie an der Tür des Rat­hau­ses er­war­te­te, in­dem sie ihn tri­um­phie­rend und her­aus­for­dernd aus ih­ren klei­nen ver­sun­ke­nen Au­gen an­blitz­te, »ich wuss­te wohl, dass ich mit den Bö­se­wich­ten fer­tig wer­den wür­de, und es reut mich, dass ich euch zu­lie­be ih­nen nicht die Wahr­heit ge­sagt habe.« Ins­ge­heim be­riet sich Kep­ler mit sei­ner Schwes­ter, wie sie die Mut­ter aus dem Orte ent­fer­nen könn­ten, wo sie, wie sie wohl ein­sa­hen, noch in be­stän­di­ger Ge­fahr war; aber die ge­quäl­te klei­ne Frau muss­te sich bald zu Bett le­gen und stand nicht mehr da­von auf, son­dern starb im Früh­ling des fol­gen­den Jah­res, also über ihre Ver­fol­ger aber­mals tri­um­phie­rend.

37.

Nach­dem das li­gis­ti­sche Heer un­ter Ma­xi­mi­li­an und Til­ly sich mit dem kai­ser­li­chen un­ter Bu­quoy ver­ei­nigt hat­te, zo­gen sie ge­mein­sam vor Pil­sen, un­ter­wegs meh­re­re von den Böh­men be­setz­te Plät­ze er­obernd. Da­bei gab es vie­le Miss­hel­lig­kei­ten, denn der Her­zog woll­te sich nicht mit Plün­dern und Ver­wüs­ten auf­hal­ten, wo­hin­ge­gen Bu­quoy sag­te, das müs­se man den Sol­da­ten ge­stat­ten, wenn sie Lust zum Wer­ke be­hal­ten soll­ten. Vollends brach der Ha­der vor Pil­sen los, in­dem Bu­quoy be­la­gern woll­te, denn man kön­ne un­mög­lich einen vom Fein­de be­setz­ten Ort im Rücken las­sen, wäh­rend der Her­zog ohne Ver­zug auf Prag zu ge­hen wünsch­te, mit Mans­feld wer­de man dann schon fer­tig wer­den. Sich mo­na­te­lang vor Pil­sen zu le­gen, war nun frei­lich Bu­quoys Mei­nung auch nicht, aber es wer­de nicht schwer­hal­ten, sag­te er, Mans­feld da­hin zu brin­gen, dass er frei­wil­lig ka­pi­tu­lie­re. Mit An­halt sei er ganz ver­fein­det, und mit Recht, denn der un­ter­stüt­ze ihn nicht und woll­te doch den Herrn spie­len, über­haupt sei es Mans­feld we­der mit dem Evan­ge­li­um noch mit den Evan­ge­li­schen rech­ter Ernst, er sei aus ed­lem Blut und wer­de gern die Ge­le­gen­heit er­grei­fen, wie­der auf Kai­sers Sei­te und bei red­li­chen Ka­va­lie­ren zu ste­hen. Der Her­zog und Til­ly wa­ren mit ei­nem da­hin­zie­len­den Ver­such ein­ver­stan­den, woll­ten sich aber nicht per­sön­lich da­bei ein­las­sen, da Mans­feld ein Ba­stard und ein Schelm sei. Dar­über lach­te Bu­quoy. Wa­rum sie so hei­kel wä­ren? Es hät­te doch schon man­cher große Po­ten­tat einen Ba­stard in die Welt ge­setzt. Das wä­ren nicht die Schlech­tes­ten, es kom­me nur auf das Blut an. Jung­frau­en frei­lich, wie Til­ly eine sei, tä­ten gut, sich vor ihm zu hü­ten. Üb­ri­gens sei Mans­feld ein rit­ter­li­cher Sol­dat und tap­fer, wie er sich sei­ne Fein­de wün­sche.

 

Ei­nen kürz­lich ge­fan­ge­nen Mans­fel­di­schen Of­fi­zier, na­mens Car­pe­zow, der dem Gra­fen am nächs­ten stand, schick­te Bu­quoy mit dem Auf­tra­ge nach Pil­sen hin­ein, Mans­feld Vor­schlä­ge we­gen ei­ner Ka­pi­tu­la­ti­on zu ma­chen und über sei­nen Ein­tritt in kai­ser­li­chen Dienst zu ver­han­deln. Nach ein paar Ta­gen kam Car­pe­zow zu­rück und be­rich­te­te, Mans­feld sei in schwie­ri­ger Lage, da er von kei­ner Sei­te Geld er­hal­te, die böh­mi­schen Di­rek­to­ren sei­en ihm eine Mil­li­on Ta­ler schul­dig, däch­ten aber nicht ans Zah­len, in­fol­ge­des­sen wür­den die Sol­da­ten un­mu­tig und wür­den sich nicht lan­ge mehr hin­hal­ten las­sen. Es sei ihm also un­mög­lich, zu ka­pi­tu­lie­ren, wenn er nicht zu­vor Mit­tel er­hal­te, sein treu­es Heer zu be­frie­di­gen, er habe den Sol­da­ten sein Wort ver­pfän­det, und das wol­le er hal­ten. An an­de­ren Be­din­gun­gen müs­se er, wie sich von selbst ver­ste­he, zu­al­ler­erst der Acht ent­ho­ben wer­den, dann ein Re­gi­ment er­hal­ten, und wenn er über al­les ge­nü­gen­de Si­cher­heit be­kom­me, wer­de er schon dem Kai­ser sei­ne Treue er­wei­sen. Da­ne­ben rich­te­te Car­pe­zow aus, Mans­feld habe ge­hört, dass es im La­ger knapp mit Mund­vor­rä­ten zu­ge­he, er schi­cke des­halb einen Trans­port von Ess­wa­ren her­aus und bit­te Bu­quoy, die­sel­ben an­zu­neh­men. Bu­quoy be­dank­te sich und sag­te, er kön­ne Mans­felds Höf­lich­keit nicht bes­ser er­wi­dern, als in­dem er Car­pe­zow die Frei­heit schen­ke.

Von die­sen Ver­hand­lun­gen lie­ßen die Kai­ser­li­chen ab­sicht­lich Gerüch­te nach Prag drin­gen, in der Mei­nung, Mans­felds Stel­lung zu er­schüt­tern und ihm den Über­tritt not­wen­dig zu ma­chen. Aufs höchs­te er­schro­cken, schrieb An­halt an Mans­feld, was denn dar­an sei. Er kön­ne nicht glau­ben, dass ein deut­scher Edel­mann sich sol­chen Ver­rats ge­gen Va­ter­land und Glau­ben wer­de teil­haf­tig ma­chen; wor­auf Mans­feld ant­wor­te­te, er wer­de nie­mals auf­hö­ren, die spa­nisch-ös­ter­rei­chi­sche Ty­ran­nei zu be­kämp­fen; wenn er sich mit dem kai­ser­li­chen Ge­ne­ral in Ver­hand­lun­gen ein­ge­las­sen habe, sei es ge­sche­hen, um den Feind zu täu­schen und auf­zu­hal­ten, wo­durch er glau­be, dem Kö­nig von Böh­men einen son­der­ba­ren Dienst ge­leis­tet zu ha­ben.

Er fühl­te sich ge­trös­tet und bil­li­ge Mans­felds Ver­hal­ten, schrieb An­halt zu­rück; aber um dem bö­sen Schein, der Ver­leum­dung und al­ler­hand Är­ger­nis zu ent­ge­hen, sol­le Mans­feld doch lie­ber die Ver­hand­lun­gen gänz­lich ab­bre­chen. Gleich­zei­tig schick­te er ein paar Ge­sand­te nach Pil­sen, die den ge­hei­men Be­fehl hat­ten, Mans­feld zu be­ob­ach­ten, von des­sen Treue An­halt trotz sei­ner Be­teue­run­gen kei­nes­wegs über­zeugt war.

Zwi­schen Bu­quoy und Mans­feld gin­gen noch ei­ni­ge Brie­fe hin und her; da es je­doch bei Wor­ten blieb, au­ßer­dem bö­ses Wet­ter ein­trat, die Vor­rä­te aus­gin­gen, die Sol­da­ten er­krank­ten und star­ben, gab Bu­quoy dem Wunsch des Her­zogs nach, und der Marsch wur­de fort­ge­setzt. Bei Ra­ko­nitz traf man das böh­mi­sche Heer un­ter An­halt, den die Li­gis­ten durch eine Sei­ten­be­we­gung nach Prag hin ver­an­lass­ten, sein fes­tes La­ger auf­zu­he­ben und zum Schut­ze der Haupt­stadt einen vor dem Stra­hower Tore sich hin­zie­hen­den Hü­gel, den so­ge­nann­ten Wei­ßen Berg, zu be­set­zen. Es war Al­ler­see­len­tag, als der Her­zog, Til­ly und ei­ni­ge an­de­re Of­fi­zie­re un­ter ei­ner brei­ten und di­cken Ei­che sa­ßen, wo sie vor dem Re­gen Schutz ge­sucht hat­ten, und gro­bes Brot und Käse ver­zehr­ten; denn es war nichts an­de­res auf­zu­trei­ben ge­we­sen. »Es ist ma­ger«, sag­te der Her­zog, »aber die meis­ten Sol­da­ten wer­den nicht ein­mal das be­kom­men.«

»Wenn ich einen sau­ren Ap­fel dazu hät­te, um das Brot ver­dau­li­cher zu ma­chen«, sag­te Til­ly, »so wünsch­te ich mir nichts Bes­se­res.«

»Das soll­te in die­ser Jah­res­zeit nicht schwer sein«, mein­te der Her­zog und trug ei­nem auf­war­ten­den Jun­ker auf, nach ei­nem Ap­fel­baum zu fahn­den. »Eure Ge­sund­heit ist es wert«, sag­te der Her­zog lä­chelnd, »Ihr bringt mir ein paar Äp­fel leicht wie­der ein.«

Der Re­gen hat­te nach­ge­las­sen und tröp­fel­te ein­tö­nig durch das ver­wa­sche­ne Laub der Ei­che, rings­um war der Bo­den auf­ge­weicht, und die Wol­ken hin­gen grau und schwer wie Sä­cke her­un­ter. Der Her­zog sah sor­gen­voll nach dem Him­mel und sag­te, wenn sie lan­ge hier lä­gen, gin­ge sein kost­ba­res Heer zu­grun­de. Er möch­te den Feld­zug rasch be­en­den, da­mit er wie­der heim kön­ne. Was Til­lys Mei­nung sei? Ob das Heer im­stan­de sei, den Feind zu schla­gen?

Der Feind habe nach der Aus­sa­ge der Kund­schaf­ter eine güns­ti­ge Stel­lung inne, sol­le zahl­reich und tüch­tig sein und habe nicht wie sie durch die Wit­te­rung ge­lit­ten. Es sei aber auch be­denk­lich, hier die Win­ter­quar­tie­re zu neh­men, wo die Ver­pfle­gung so schwie­rig sei, des­halb stim­me er da­für, eine Schlacht zu wa­gen; man müs­se aber wohl zu­vor Bu­quoys Mei­nung hö­ren. »Vie­le Kö­che ver­der­ben den Brei«, murr­te der Her­zog, gab aber doch Auf­trag, dass Bu­quoy ge­be­ten wer­de, sich zu ihm zu be­ge­ben.

Bu­quoy hat­te kürz­lich eine Wun­de er­hal­ten, die zwar nicht ge­fähr­lich, aber schmerz­haft war und ihn am Ge­hen hin­der­te, wes­halb er übel­lau­nig und krie­ge­ri­schen Un­ter­neh­mun­gen ab­ge­neigt war. Da er au­ßer­dem dar­auf be­dacht war, dem Her­zo­ge sei­ne Un­ab­hän­gig­keit und mi­li­tä­ri­sche Eben­bür­tig­keit zu zei­gen, kam er dop­pelt lang­sam her­an und ließ sich von sei­nen Die­nern ein Ru­he­bett auf­schla­gen, auf dem er sich nie­der­ließ. Der Her­zog räus­per­te sich und sag­te, es sei sein Wunsch, den Feld­zug rasch zu be­en­di­gen; er sei da­für, ge­ra­des­wegs auf Prag zu zie­hen und den Feind zu schla­gen. Dann bat er Til­ly, die­se Mei­nung bün­dig zu be­grün­den, wor­auf Til­ly noch ein­mal aus­ein­an­der­setz­te, was er dem Her­zo­ge vor­her ge­sagt hat­te.

Bu­quoy hör­te, un­ge­dul­dig sei­nen run­den, lo­cki­gen Kopf wie­gend, zu. Ein je­der wis­se, sag­te er, dass er nicht säu­mig sei, son­dern schnel­le Ent­schlüs­se schnell durch­zu­füh­ren lie­be. Aber weil der Eber sich blind­lings auf den Feind ge­stürzt habe, sei er mit dem Hau­er im Bau­me ste­cken­ge­blie­ben, und so habe ihn der Schnei­der ge­fan­gen. Er wol­le nicht zu un­tä­ti­gem War­ten ra­ten, aber nach den Re­geln der Kriegs­kunst dürf­ten sie in ih­rer Lage kei­ne Schlacht an­bie­ten.

Das wer­de schließ­lich doch auf un­tä­ti­ges War­ten her­aus­kom­men, sag­te Til­ly lang­sam. Der Kur­fürst oder sei­ne Ge­ne­ra­le wür­den doch nicht so tö­richt sein, ih­nen zu­lie­be die güns­ti­ge Stel­lung auf­zu­ge­ben.

»Noch tö­rich­ter wä­ren sie, wenn sie sich in ih­rer güns­ti­gen Stel­lung schla­gen lie­ßen«, sag­te Bu­quoy mit spöt­ti­schem La­chen und ei­nem hoch­mü­ti­gen Blick auf Til­lys schmäch­ti­ge, mit alt­mo­di­scher Far­ben­pracht aus­staf­fier­te Ge­stalt und sein gel­bes, tro­ckenes Ge­sicht.

In­zwi­schen war die trü­be Nacht ein­ge­bro­chen, und da es Bu­quoy frös­tel­te, wur­de aus Rei­sig und Holz­klo­ben ein ra­sches Feu­er ent­zün­det, das die her­an­krie­chen­den Ne­bel ver­scheuch­te. In ei­ni­ger Ent­fer­nung sah man Lich­ter hin und her hu­schen und ver­nahm man ein ein­tö­ni­ges Mur­meln von vie­len Stim­men; die Sol­da­ten be­er­dig­ten ihre ver­stor­be­nen Ka­me­ra­den, sag­te Bu­quoy, und ein Pries­ter hiel­te Got­tes­dienst an den Grä­bern. »Es ist Al­ler­see­len­tag«, sag­te Til­ly, nahm sei­nen Hut ab und be­te­te.

Auch der Her­zog und die üb­ri­gen Of­fi­zie­re lüf­te­ten die Hüte und beug­ten den Kopf einen Au­gen­blick auf die ge­fal­te­ten Hän­de; dann nah­men sie die Be­ra­tung wie­der auf. Sie wa­ren noch un­ei­nig, als sich ein Trupp Sol­da­ten nä­her­te, an des­sen Spit­ze ein Mönch, der Pa­ter Do­mi­ni­kus, ein­her­schritt, einen un­kennt­li­chen Ge­gen­stand in der Hand schwin­gend. So­wohl der Her­zog wie sämt­li­che Of­fi­zie­re er­ho­ben sich, um den be­rühm­ten Pa­ter zu be­grü­ßen, der, nach­dem er sie ge­seg­net hat­te, ver­kün­de­te, ein Sol­dat, ein be­gna­de­tes Got­tes­kind, habe im Ge­sträu­che das wun­der­tä­ti­ge Mut­ter­got­tes­bild ge­fun­den, das die Bil­der­stür­mer aus­ge­sto­ßen hät­ten und ohne wel­ches die from­men Pra­ger sich eine ver­wais­te Her­de ge­dünkt hät­ten. Dies sei ohne Zwei­fel ein Zei­chen von Gott, das Sieg ver­hei­ße, und der Her­zog möch­te doch nicht län­ger zö­gern; die kir­chen­schän­de­ri­schen Ket­zer sei­en ihm gleich­sam schon über­ant­wor­tet.

Der Her­zog sag­te, dass es sein Wunsch sei, zu schla­gen, dass aber er­fah­re­ne Of­fi­zie­re die güns­ti­ge Po­si­ti­on des Fein­des da­ge­gen an­zö­gen, dass aber er und ge­wiss alle die An­sicht ei­nes so hei­li­gen Man­nes, durch den Gott sel­ber spre­che, ver­neh­men möch­ten. Der Pa­ter hielt nun eine schal­len­de An­spra­che und sag­te: »Ach mei­ne Söh­ne, glaubt mir, es kommt nicht so­wohl auf die Stel­lung des Fein­des an als auf den Wil­len Got­tes. Dass aber Gott mit euch ist, wer zwei­felt dar­an? Bürg­te mir nicht der Se­gen des Hei­li­gen Va­ters da­für, den er mir für euch, mei­ne ge­lieb­tes­ten Söh­ne, mit­ge­ge­ben hat, bürg­te mir nicht dies himm­li­sche Bild da­für, das euch Gott ver­mit­telst ei­nes nied­ri­gen Werk­zeugs in die Hän­de ge­spielt hat, so sag­te mir das Herz, dass die Stun­de ge­kom­men ist, wo die Söh­ne Lu­zi­fers ge­stürzt wer­den sol­len. Ihr, mei­ne Söh­ne, seid aus­er­wählt zu dem Wer­ke! Schon sehe ich die Glo­rie des Sie­ges über eu­ren Hel­denstir­nen glän­zen! Auf! Was be­sinnt ihr euch, wo es die Ehre Got­tes und das Heil un­se­res ar­men Er­lö­sers gilt? Ach, un­schul­di­ges Lamm, sollst du noch län­ger in der Ge­fan­gen­schaft schmach­ten? Ach, ach, sie schlep­pen es zur Schlacht­bank, ich höre sein Win­seln und Weh­kla­gen! Auf, mei­ne Söh­ne, das Blut, das in die­ser Schlacht ver­gos­sen wird, fließt ge­ra­des­wegs in den Him­mel. Ret­tet das Lamm, das die Hei­den ans Kreuz schla­gen! Der Er­lö­ser streckt sei­ne blu­ten­den Arme nach euch aus! Vor­wärts, vor­wärts, wer sei­nen Hei­land lieb­hat!«

Als die Rede be­en­digt war, die der Pa­ter mit schwung­vol­lem Schüt­teln des Ma­ri­en­bil­des be­glei­tet hat­te, ging der Her­zog auf ihn zu, um­arm­te ihn, küss­te ihn auf bei­de Wan­gen und küss­te dann auch un­ter Knie­beu­gung die Füße der höl­zer­nen Mut­ter Got­tes. »Es muss uns ge­lin­gen«, sag­te er, »ich bin un­ge­dul­dig, den Gräu­eln in die­sem Lan­de ein Ende zu ma­chen!« Ver­du­go und Til­ly knie­ten nie­der, den Se­gen des Pa­ters zu er­bit­ten, wor­auf sich auch Bu­quoy er­hob und, wenn auch mit küh­ler Mie­ne, sag­te, da der Her­zog zur Schlacht ent­schlos­sen sei, wol­le er nicht zu­rück­ste­hen. Der Her­zog ging auf ihn zu und bat, in­dem er ihm die Hand bot, es in der Schlacht nicht emp­fin­den zu las­sen, dass der Kriegs­rat sich dies­mal ge­gen ihn ent­schie­den habe. »Fürst­li­che Gna­den«, ant­wor­te­te er, in­dem sei­ne Au­gen auf­blitz­ten, »ich kämp­fe nicht, um recht zu be­hal­ten, son­dern um zu sie­gen.«

Al­ler­dings wett­ei­fer­te in der Schlacht an be­sin­nungs­lo­ser Tap­fer­keit mit Bu­quoy nur der jun­ge Herr Gott­fried Pap­pen­heim. Den­sel­ben hat­te vor meh­re­ren Jah­ren das freund­schaft­li­che Zu­re­den des neu­be­kehr­ten Pfalz­gra­fen Wolf­gang Wil­helm von Neu­burg zur ka­tho­li­schen Kir­che ge­führt, und er hat­te ge­schwo­ren, dass er bei die­ser Ge­le­gen­heit der Kir­che, die den reui­gen Sün­der ver­zei­hend auf­ge­nom­men, sei­ne Schuld zah­len wol­le. Für je­des Jahr sei­nes Le­bens, das er im Irr­tum der Ket­ze­rei zu­ge­bracht, wol­le er der Mut­ter Got­tes an­statt ei­ner Ker­ze eine Wun­de dar­brin­gen; wes­halb er denn stets da­hin stürz­te, wo das Ge­fecht be­son­ders heiß zu to­ben schi­en, und fast ver­gaß, dass es sich bei dem Blut­ver­gie­ßen um et­was an­de­res han­del­te, als ihm die er­for­der­li­che An­zahl Ehren­wun­den zu ver­schaf­fen. Er wur­de denn auch für tot von der Wal­statt1 auf­ge­le­sen und kam erst un­ter dem Mes­ser des Bar­biers zu sich, wor­auf so­gleich ein Zäh­len vor­ge­nom­men wur­de, was bei der großen An­zahl der er­hal­te­nen großen und klei­nen Ver­let­zun­gen nicht leicht war. Je­den­falls war die An­zahl der Jah­re, die er Pro­tes­tant ge­we­sen war, weit über­schrit­ten, und er pfleg­te seit­dem sei­ne Wun­den Ro­sen zu nen­nen, mit de­nen er der Jung­frau Ma­ria Füße be­krän­ze, und die­se zäh­le man nicht.

 

Als nach ge­won­ne­ner Schlacht die Feld­her­ren sich tra­fen, reich­te der Her­zog Bu­quoy die Hand und sag­te, ihm dan­ke er nächst Gott vor al­lem den herr­li­chen Sieg; er brau­che sei­ne Bra­vour und sei­nen Ver­stand dem Kai­ser nicht zu rüh­men, da die­sel­ben längst be­kannt sei­en, er tue es nur zu sei­ner ei­ge­nen Ge­nug­tu­ung und der Wahr­heit zu­lie­be. Bu­quoys braun­ro­tes Ge­sicht strahl­te, und sei­ne brei­te Brust hob sich un­ter schnel­len, tie­fen Atem­zü­gen. Das sei nicht der Rede wert, sag­te er; ein ech­ter Rit­ter zie­he sein Schwert für des Kai­sers Ma­je­stät und die hei­li­ge Kir­che; sie sei­en die Erz­en­gel Got­tes auf Er­den, und der Sieg kön­ne ih­nen nicht feh­len, wenn ihr Glau­be fest und ihre Ehre un­be­fleckt sei. Er bück­te den blon­den Kopf und ließ den Schweiß in schnel­len Trop­fen auf den Bo­den rin­nen. Das sei gu­ter Sa­men, sag­te er la­chend, wie kein Bau­er ihn aus­sä­en kön­ne; nun wol­le er ge­hen und das Ge­müt sei­ner Ge­fan­ge­nen ein we­nig er­leich­tern; es sei­en ein paar bra­ve Ka­va­lie­re dar­un­ter, die rit­ter­lich ge­foch­ten hät­ten, sie soll­ten spü­ren, dass sie in ei­nes Edel­manns Hän­de ge­fal­len wä­ren.

Nun wand­te sich der Her­zog an Til­ly, der dem Auf­tritt ernst und schwei­gend bei­ge­wohnt hat­te, und sag­te, dem Bu­quoy müs­se ein­mal Ho­nig ums Maul ge­salbt wer­den, Til­ly sol­le sich des­we­gen nicht ge­kränkt füh­len, er, der Her­zog, wis­se wohl, was er an Til­ly habe. Er habe sei­ne Pf­licht ge­tan, sag­te Til­ly, sich ver­nei­gend, und sei glück­lich, wenn er da­durch zum Woh­le des Reichs und zum Hei­le der Kir­che bei­ge­tra­gen habe.

Im Schlos­se zu Prag sa­ßen Fried­rich und Eli­sa­beth bei der Ta­fel, Fried­rich in ge­drück­ter Stim­mung, die er nicht zei­gen moch­te, weil er fürch­te­te, sei­ner Frau da­durch zu miss­fal­len. Er sprach leb­haft da­von, dass es dem Her­zog Ma­xi­mi­li­an hin­gehn möge, wenn er ihn has­se und be­kämp­fe, er sei von je­her päpst­lich und ihm zu­wi­der ge­we­sen, aber sei­nem Vet­ter Wolf­gang Wil­helm, dem Apo­staten, dem kön­ne nicht ver­zie­hen wer­den. Er müs­se Jü­lich-Cle­ve ver­lie­ren, Bran­den­burg sol­le es al­lein ha­ben, das wer­de er be­trei­ben, so­wie sei­ne An­ge­le­gen­heit mit dem Kai­ser er­le­digt sei. Als die ers­ten be­un­ru­hi­gen­den Nach­rich­ten vom Kriegs­schau­plat­ze her­ein­ka­men, sag­te er mit un­ge­wohn­ter Hef­tig­keit, es sei nicht nö­tig, ihn durch je­den klei­nen Un­fall zu er­schre­cken; jede Schlacht schwan­ke hin und her, der Sieg wer­de nie mit ei­nem Male er­run­gen. Es sei ja un­mög­lich, dass ein Un­glück ge­sch­ehe, An­halt habe ihm ge­sagt, wenn je­der sei­ne Pf­licht tue, kön­ne es nicht feh­len, und er habe auch selbst die Schlacht­ord­nung be­sich­tigt und vor­treff­lich ge­fun­den. »Du ver­traust dem An­halt zu viel«, sag­te Eli­sa­beth, »mit schö­nen Au­gen und ke­cken Wor­ten hat noch nie­mand eine Schlacht ge­won­nen.« Da die üb­len Nach­rich­ten sich mehr­ten, eil­te Fried­rich an die Mau­er, um sich zu über­zeu­gen, wie es ste­he, und kam bald dar­auf in fas­sungs­lo­ser Er­re­gung mit den ers­ten Flüch­ten­den zu­gleich zu­rück. Die­se mel­de­ten, das Heer sei in voll­stän­di­ger Auf­lö­sung, und der Her­zog von Bay­ern habe ge­sagt, er wol­le im kö­nig­li­chen Schlos­se zu Nacht spei­sen. Nie­mals, sag­te Eli­sa­beth, wer­de sie den An­blick die­ses hoch­mü­ti­gen Teu­fels er­tra­gen, sie wol­le in die Stadt, und gab Be­fehl, in Eile ih­ren Schmuck und alle Hab­se­lig­kei­ten zu pa­cken. Fried­rich sag­te, er müs­se einen Waf­fen­still­stand ha­ben, es sol­le so­fort dar­um an den Her­zog ge­schickt wer­den, in­zwi­schen könn­ten die Flie­hen­den sich sam­meln und kön­ne man Maß­re­geln er­grei­fen. In größ­ter Hast fuh­ren sie in die Stadt und stie­gen im Schlick­schen Palas­te ab, wo­hin An­halt kam, um von dem Un­glück Be­richt zu er­stat­ten. Schmutz und Re­gen hat­ten ihn übel zu­ge­rich­tet, er grüß­te den Kö­nig und die Kö­ni­gin nur flüch­tig und sag­te, die un­ga­ri­schen Trup­pen hät­ten sich schlecht, sehr schlecht ge­hal­ten, auch üb­ri­gens habe es ge­man­gelt, da sei kein Ei­fer und kei­ne Zucht, er wis­se wohl, wor­an es lie­ge, die böh­mi­schen Her­ren hät­ten ihm ent­ge­gen­ge­ar­bei­tet, sie wä­ren alle den Gal­gen wert, er hät­te um­sonst Le­ben und Ehre aufs Spiel ge­setzt.

Wenn der Her­zog nur einen Waf­fen­still­stand ge­währ­te, sag­te Fried­rich, so kön­ne man viel­leicht fri­sche Trup­pen zu­zie­hen.

»Euer Lieb­den wer­den den Her­zog nicht für einen sol­chen Nar­ren hal­ten«, sag­te An­halt un­ge­dul­dig. Er sol­le jetzt kei­ne Zeit ver­lie­ren, son­dern sich zur Flucht her­rich­ten. In Prag sei er sei­nes Le­bens nicht si­cher. Er für sei­nen Teil gebe es auf, er hät­te sei­ne Kraft ehr­lich an dies Un­ter­neh­men ge­setzt, sein Sohn sei ge­fan­gen oder tot, nach­dem er tap­fe­rer als alle ge­kämpft hät­te, er habe ge­tan und ge­op­fert, was mög­lich sei. Ge­gen die Treu­lo­sig­keit und den bö­sen Wil­len der Böh­men sei nichts aus­zu­rich­ten.

In­zwi­schen war Bu­do­wa ge­kom­men und re­de­te dem Kö­nig zu, er sol­le sich selbst zu Pfer­de set­zen und die Flie­hen­den er­mu­ti­gen und er­mun­tern. Es sei durch­aus nicht al­les ver­lo­ren, Prag sei kein Dorf, man kön­ne sich noch lan­ge hier ver­tei­di­gen.

So schnell kön­ne er sich nicht be­sin­nen, jam­mer­te Fried­rich, es müs­se durch­aus ein Waf­fen­still­stand er­be­ten wer­den, da­mit er sich be­sin­nen kön­ne, der Schreck sit­ze ihm noch in den Glie­dern.

»Was Schre­cken, Schre­cken!« rief Bu­do­wa. »Sie soll­ten da­vor er­schre­cken, eine kost­ba­re Kro­ne fahr­läs­sig auf die Gas­se zu wer­fen.« Er habe ge­nug von die­ser Kro­ne, sag­te Fried­rich, üb­ri­gens kön­ne er sich in Brünn oder Bres­lau sam­meln, nur in Prag wol­le er nicht blei­ben.

»Das ist nicht wie ein Kö­nig ge­spro­chen!« rief Bu­do­wa zor­nig aus. An­halt mach­te in­des­sen Fried­rich Zei­chen, dass er sich nicht sol­le über­re­den las­sen, und flüs­ter­te Eli­sa­beth zu, wenn ihr das Le­ben ih­res Ge­mahls lieb sei, sol­le sie ihn zur Flucht be­we­gen.

In­dem er die Kro­ne an­ge­nom­men habe, sag­te Bu­do­wa, habe er sich ver­pflich­tet, bei sei­nem Vol­ke aus­zu­har­ren, wie dies für ihn kämp­fe. Er kön­ne doch sei­ne treue Stadt Prag nicht ohne Haupt dem Fein­de preis­ge­ben, da­mit er sei­ne Ra­che an ihr küh­le!

Nein, sag­te An­halt halb­laut, lie­ber sol­le er da­blei­ben und sich aus­lie­fern las­sen, da­mit die Ra­che ihn tref­fe.

»So muss­te es kom­men, so muss­te es kom­men!« schrie Bu­do­wa au­ßer sich vor Zorn. »Da ha­ben sie die Zeit mit Sau­fen, Hu­ren und Pras­sen zu­ge­bracht, und wenn der Wirt mit der Rech­nung kommt, lau­fen sie da­von und las­sen ih­ren Dreck an­statt der Zah­lung zu­rück.«

Ehe sie sich so von ih­ren Va­sal­len be­han­deln las­se, rief Eli­sa­beth auf­brau­send, wol­le sie lie­ber in der Frem­de bet­teln gehn. Sie sei schwan­ger und müs­se ihr ru­hi­ges Kind­bett ha­ben. Ob eine be­la­ger­te Stadt der Ort für einen Prin­zen von Böh­men sei, zur Welt zu kom­men? Der Kö­nig müs­se sie ohne zu zö­gern fort­füh­ren und in Si­cher­heit brin­gen.

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