Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation – bei Jürgen Ruszkowski

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Sari: gelbe Buchreihe #180
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Ludwigs erster Raubkrieg

Ludwigs erster Raubkrieg

Wie rasch ein großes und mächtiges Reich zur Bedeutungslosigkeit herabsinken kann, davon ist das Spanien des 17. Jahrhunderts ein Beispiel. Nach dem 80jährigen Krieg mit Holland und dem 24jährigen mit Frankreich, den der Pyrenäische Friede im Jahr 1659 abschloss, konnte die einst so stolze, gefürchtete Macht nicht mehr handelnd und richtunggebend in die Welthändel eingreifen. Wie es oft der Fall ist, bestand auch in Spanien ein merkwürdiger Zusammenhang zwischen dem Zustand des Landes und dem seiner Herrscher. Ebenso ohnmächtig hinschwindend wie das Land war die Dynastie. Die Bilder der letzten spanischen Habsburger, die Velazquez gemalt hat, zeigen höchst verfeinerte Geschöpfe, heimatlos, ziellos, von der Wehmut des Abschieds überhaucht. Man hatte sich daran gewöhnt, in Philipp IV. den letzten der Familie zu sehen, als ihm zu allgemeiner Überraschung noch ein Sohn geboren wurde, der den Namen seines größten Vorfahren, Karl, erhielt. Das blonde Kind, um dessen Dasein begehrliche Leidenschaften kreuzten, war so zart, dass man meinte, ein Hauch könne es auslöschen. Angstvoll behütet, wurde es launisch und unlenkbar. Man suchte es abzuhärten, durch Selbstüberwindung zu stählen. Der österreichische Gesandte am Hof von Madrid berichtet nach Wien, dass der kleine Prinz das Ausziehen eines Stockzahnes heroisch überstanden habe, und Leopold, sein kaiserlicher Oheim, der selbst Zahnschmerzen hatte und einer etwaigen Operation zitternd entgegensah, war geneigt, diesen Beweis frühen Heldentums als glückliches Vorzeichen zu betrachten. Im Allgemeinen aber waren die europäischen Höfe überzeugt, dass Karl nicht lange leben und dass er keine Kinder zeugen werde. Die regierenden Familien, die spanische Prinzessinnen als Mutter, Großmutter oder Urgroßmutter aufzuweisen hatten, bereiteten ihre Ansprüche vor und lauerten sprungbereit auf den schicksalsvollen Augenblick. Infolge der Festsetzungen Karls V. bildeten die Österreichischen und Spanischen Habsburger eine einzige Familie, ihre Länder eine Einheit, der eine Zweig war Erbe des anderen. Wie Familien unverbrüchlich zusammenhalten trotz etwaiger innerer Gegensätze, so handelte es sich auch bei den beiden Habsburger Linien, ganz abgesehen von den Gefühlen, um eine feste, vom Schicksal gewollte Verbundenheit. Der Zwang, dem Leopold infolge der Wahlkapitulation unterstand, Spanien nicht gegen Frankreich zu unterstützen, hatte etwas entfremdend gewirkt. Der junge Kaiser wurde von Madrid aus mit argwöhnischen Augen betrachtet, der spanische Gesandte berichtete nach Hause, wenn Leopold eine französische Theateraufführung besuchte, Leopold entschuldigte sich, so gut es gehen wollte, und kam wohl spanischen Vorwürfen zuvor, indem er sich über spanische Langsamkeit und Schwerfälligkeit lustig machte. Seit er in den Besitz der Königstochter gelangt war und dadurch sein Erbrecht verstärkt hatte, sah er der Zukunft in Hinsicht auf das Erlöschen der Dynastie gelassen entgegen.

Da, im Jahr 1665, starb Philipp IV., und Ludwig XIV. entschloss sich, dies Ereignis zu einer Eroberung zu benützen. Noch atmete der junge Karl, nunmehr König von Spanien, er schien zäher zu sein, als man gemeint hatte; unabsehbar lange Zeit tatenlos zuzuwarten entsprach dem Charakter Ludwigs nicht. Es ist eine Huldigung, die auch der mächtigste Räuber der Idee des Rechts darbringt, dass er in der Öffentlichkeit nicht rauben, sondern ein Recht wahrnehmen will. Die Rechtsverwahrungen Ludwigs XIV. waren sehr fadenscheinig, wurden aber mit viel Aufwand und Gravität verkündigt. Diesmal wurde ein in Brabant herrschendes Erbfolgegesetz, das sich auf Privatverhältnisse bezog, wonach die Töchter aus erster Ehe den Vater beerben, auf den Staat angewandt und daraus der Anspruch Ludwigs, als Gatten der ältesten Tochter des verstorbenen Königs Philipp, auf die spanischen Niederlande abgeleitet.

Es war ein glänzender Erfolg der französischen Diplomatie, dass es ihr gelungen war, vorher denjenigen unschädlich zu machen, der am meisten berufen war, dem überfallenen Spanien zu Hilfe zu kommen, nämlich Leopold. Er war dadurch zum Stillsitzen gezwungen, dass Ludwig ihn bewogen hatte, einen Teilungsvertrag über das spanische Erbe mit ihm abzuschließen.

Die spanische Monarchie umfasste, abgesehen von kleinen Besitzungen, das eigentliche Spanien, die spanischen Niederlande, Mailand, Neapel und Sizilien und die amerikanischen Kolonien, eine Ländermasse, die zu groß schien, als dass man glauben konnte, sie würde von den europäischen Mächten einem einzigen, wäre das Recht auch auf seiner Seite, gegönnt werden. Deshalb ging Leopold auf Ludwigs Vorschlag ein, wonach er, Ludwig, die spanischen Niederlande und Neapel und Sizilien, Leopold Mailand, Spanien und Amerika erhalten sollte. Der stolze und reiche, Frankreich freundliche Lobkowitz hatte, durch alle Intrigen geschickt hindurchsteuernd, mittels welcher Andersgesinnte den Plan zu durchkreuzen suchten, das Abkommen zustande gebracht. Es verstand sich von selbst, dass der Plan geheim bleiben musste, und in der Tat haben die Zeitgenossen nichts davon erfahren, so viel auch an den Höfen geklatscht, gespäht und verraten wurde. Leopold spielte seine zweideutige Rolle besser, als man von einem so frommen und gewissenhaften jungen Mann hätte wünschen mögen; ganz wohl war ihm freilich nicht dabei. Was für Entschuldigungen sollte er immer aufbringen, um den spanischen Verwandten sein Stillsitzen begreiflich zu machen? Ohne Geld von Spanien könne und könne er keinen Krieg führen, ließ er durch seinen Gesandten immer wieder erklären, zum Krieg brauche man dineros, dineros y mas dineros. Die Spanier antworteten mit dem Vorwurf, er, Leopold, gäbe ungeheure Summen für Opern, Ballette und Feste aus. Allerdings hatte er gerade im Jahr 1667 das berühmte Ross-Ballett aufführen lassen, in dem er selbst mitwirkte und für dessen Erfindung und Einrichtung italienische Künstler unverhältnismäßig viel Geld erhalten hatten. Leopold ging auf diese Frage nicht ein, sondern klagte seinerseits über die spanische Langsamkeit. „Per amorem, was schlafen Hispani et non agunt res suas!“ Er und die Spanier, schreibt er, kämen ihm vor wie die sieben Schwaben, von denen jeder dem anderen zumutet: gang du voran! An frommen Trostsprüchen fehlte es natürlich nicht. „ Deus autem habitat in altissimo, kann alle böse disegni gar bald zu nix machen.“ Vielleicht werde dem König von Frankreich sein räuberischer Überfall übel ausgehen, „denn er dies einmal nit verantworten kann“.

Die unglücklichen Spanier hätten freilich viel Geld haben müssen, wenn sie mit den von Frankreich aufgewendeten Bestechungssummen hätten wetteifern wollen. Es wäre wohl nützlich, meint Leopold, wenn man den Kurfürsten von Brandenburg für das Habsburger Haus gewinnen könnte, „denn certe timeo, ne alias Brandenburgensis se vertat ad regem Galliae“. Ebenso, meinte er, würde eine Summe Geldes nicht verworfen sein, wenn man sie employierte, Mainz auf die habsburgische Seite zu bringen, das sich grade von Frankreich abwenden zu wollen schien, und das man nicht steckenlassen dürfe. „Denn ohne Geld erhalten wir diese Leute nit, und nehmen sie nachmals Frankreichs Geld an, so heißt es operam et oleam perdidimus.“

Man muss zugeben, dass es der Kaiser nicht leicht hatte. Spanien, sein sicherster Bundesgenosse, war jetzt mehr eine Belastung als eine Hilfe, die Ungarn drohten mit Abfall, im Osten und im Westen standen zwei mächtige Feinde kampfbereit: Frankreich und die Pforte. Am Hof Ränke zwischen den Räten, die teils für, teils gegen Frankreich waren, sterbende Kinder, eine sterbende Gattin, und im Herzen schon die Liebe zu einer neuen, der schönen Cousine Claudia von Tirol.


Erzherzogin Claudia Felizitas von Österreich-Tirol (1653 – 1676)

Wie peinlich es auch für Leopold war, dass er durch eigene Schuld außerstande war, Spanien zu helfen, fast noch peinlicher mochte es ihm sein, dass ihm durch drei protestantische Mächte, Holland, England und Schweden, geholfen wurde. Der Leiter der Republik Holland, Jan de Witt, erschrak über die Aussicht, Frankreich im Besitz der spanischen Niederlande zu seinem Nachbarn geworden zu sehen. Es gelang ihm, sich mit England und Schweden zu einem Bündnis, der sogenannten Tripelallianz, zu vereinigen, welche den raschen kriegerischen Fortschritt Ludwigs aufhielt und eine Friedensvermittlung einleitete. Dass das schuldlose Spanien Opfer bringen musste, ließ sich allerdings nicht hindern. Ludwig, der in Eile noch die Franche Comté eroberte, um ein Faustpfand mehr zu haben, behielt 12 Festungen in den spanischen Niederlanden, was eine spätere Eroberung erleichtern würde. Zunächst aber gedachte er, Holland dafür zu bestrafen, dass es gewagt hatte, ihm in den Weg zu treten.

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Der holländische Krieg

Der holländische Krieg

Bevor er das Unternehmen gegen Holland ins Werk setzte, hielt es Ludwig für gut, sich den Besitz Lothringens zu sichern, das ohnehin fast ganz abhängig von ihm war. Der Überfall war so gut vorbereitet und wurde so genau und schneidig ausgeführt, dass sich Herzog Karl IV. nur durch eilige Flucht aus seiner Hauptstadt Nancy retten konnte.


Karl IV. (Lothringen) Karl IV. im Jahre 1663 Karl IV. (* 5. April 1604 in Nancy; † 18. September 1675 in Allenbach) war rechtmäßiger Herzog von Lothringen und Bar von 1625 bis 1675.

Sein Neffe und Nachfolger, Karl V., suchte Schutz beim Kaiser, dessen Haus seitdem sich immer enger mit dem Haus Lothringen verband.

 

Lähmender Schrecken befiel die benachbarten Staaten bei dem neuen Friedensbruch. Wer würde das nächste Opfer sein? Bündnispläne wurden überall beredet und wieder verworfen. Auch der Kurfürst von Mainz sah ein, dass die Ruhe Europas nicht durch Österreich, sondern durch Frankreich bedroht war. Bereits hatte er angefangen, sich dem Kaiser zu nähern, ohne aber den Charakter seiner Politik gänzlich zu ändern. Er dachte jetzt an eine Allianz, die er die deutschgesinnte nannte, als deren Haupt er eine schiedsrichterliche Stellung zwischen Österreich und Frankreich einnehmen würde. Der Kaiser sollte ihr nicht als Kaiser, wohl aber als König von Böhmen und als Erzherzog von Österreich angehören. Frankreich sollte durchaus nicht den Eindruck haben, als wolle der Kurfürst sich von ihm abwenden, die Beziehungen sollten ungetrübt bleiben. Johann Philipp träumte davon, er könne das Interesse Ludwigs auf die Levante ablenken, seine Eroberungslust mit der Aussicht auf frisch ergrünenden Kreuzzugs-Lorbeer locken.

Auch Leopold wurde unruhig und unterhandelte hier und dort; aber sich selbst zu empeñiren fand er sich doch impossibilitirt. Vollends als er sich überzeugt hatte, dass die französischen Rüstungen Holland galten, fand er es gar nicht so übel, dass Frankreich und die Niederlande sich in die Haare gerieten und ein wenig zausten.

Diejenigen, auf die er es abgesehen hatte, pflegte Ludwig vorher zu isolieren, wobei ihm seine gewandte, gutgeschulte Diplomatie ausgezeichnete Dienste leistete. In Bezug auf Holland hatte er leichtes Spiel. Der mächtige und reiche Handelsstaat hatte diejenigen zu Gegnern, die seine Stelle einzunehmen wünschten, Frankreich und England. Überhaupt ist Besitz von viel Geld ein Magnet, der Hass und Neid anzieht. Die Fürsten hatten außerdem eine gereizte Abneigung gegen die Republik, deren Wohlstand und Kultur sie doch bewundern mussten: So gelang die Auflösung der Tripelallianz ohne Mühe. Der König von England war sowieso französisch gesinnt und wurde gern aus einem Verbündeten Hollands sein Feind, bei Schweden handelte es sich nur um ein Geldgeschäft. Ähnlich ging es mit den Reichsfürsten. Der Kurfürst von Mainz besann sich darauf, dass seine Mittlerstellung ohne eine hinreichende Anzahl Truppen in der Luft schwebe und erneuerte seine Freundschaft mit Frankreich. Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern gab sich aus vollem Herzen dem französischen Einfluss hin; er sowie der Kurfürst von Köln standen unter dem Einfluss der verräterischen Brüder Grafen Fürstenberg. Der Kurfürst von Köln und der Bischof von Münster, die allerlei kleine Grenzstreitigkeiten mit dem holländischen Nachbarn hatten, erklärten sich sogar bereit, an Frankreichs Seite in den Krieg einzutreten. Der Kölner verpfändete Ludwig seine Festung Neuss als Waffenplatz und Ausfallsort gegen Holland.

Wie bedrohlich die Umstände für Holland auch waren, so lag doch die größte Gefahr in Holland selbst. Den holländischen Staat würde Hobbes nicht als Staat anerkannt, er würde ihn das Zerrbild eines Gemeinwesens genannt haben; denn die Staatsgewalt war hier nicht einheitlich, sondern nach mittelalterlicher Art geteilt, und zwar zwischen dem Statthalter, der das monarchische Element, und den Vertretern der Provinzen, die das aristokratische Element bildeten. Das Statthalteramt war seit der Zeit des großen Wilhelm von Oranien in der Familie Oranien erblich.


Wilhelm III. Prinz von Oranien entstammte dem Haus Oranien-Nassau und war von 1672 bis zu seinem Tode Statthalter der Niederlande.

Von den Vertretern der Staaten war der Ratspensionär von Holland, der bei Weitem reichsten und mächtigsten Provinz, herkömmlicherweise der Leiter der holländischen Politik. Er hatte hauptsächlich das Interesse der Handelsherren im Auge und trieb infolgedessen Friedenspolitik, während der Statthalter, der oberster Anführer von Heer und Flotte war, eher zu kriegerischen Lösungen bereit war und natürlich die Wehrmacht in gutem Stand zu erhalten suchte. Was Hipolythus a Lapide von den gemischten Regierungen sagte, dass solche Staaten meist unruhig wären, weil jeder Teil die ganze Herrschaft anstrebe, das traf auf Holland zu. Die Gefahr war vorhanden, dass der Statthalter seine Stellung zu einer wahrhaft monarchischen ausbaute, das machte die Aristokraten misstrauisch und verursachte einen Gegensatz zwischen den beiden Gewalten; er hatte im Anfang des Jahrhunderts zu der Katastrophe des großen Staatsmanns und Patrioten Oldenbarneveldt geführt. Der Statthalter stützte sich auf das niedere Volk, das sich zu den Aristokraten auch in einem religiösen Gegensatz befand. Der frühe Tod Wilhelms II., dem nach seinem Tod noch ein Söhnchen geboren wurde, hatte der aristokratischen Partei ermöglicht, den Statthalter ganz auszuschalten. Um sich vollständig zu sichern, brachte Jan de Witt im Jahr 1667 ein Edikt heraus, welches die Vereinigung des Statthalteramtes mit der obersten Heeresleitung in einer Person für immer verbot. Dadurch schien es dem heranwachsenden Wilhelm von Oranien unmöglich gemacht, dem Ratspensionär und seiner Partei gefährlich zu werden.

Jan de Witt hatte im Anschluss an Frankreich die beste Bürgschaft für den Frieden zu finden geglaubt. Zwar wurde er auf das, was sich in Frankreich vorbereitete, aufmerksam und dachte daran, einem etwa von Frankreich drohenden Angriff durch einen Angriff von seiner Seite zuvorzukommen; aber die anderen Erwägungen gewohnter Art verdrängten den mutigen Entschluss wieder. Als drei französische Heere unter Ludwigs vorzüglichsten Feldherren, Turenne, Condé und Luxembourg, sich gegen Holland in Bewegung setzten, war es wehrlos und hilflos. Sein einziger Bundesgenosse, der Kurfürst von Brandenburg, der von Jugend auf dem holländischen Staat anhänglich und mit einer Oranierin verheiratet war, dem es außerdem um seine rheinischen Besitzungen bange wurde, zog sich wieder zurück, ohne etwas Nennenswertes ausgerichtet zu haben, und schloss Frieden mit Frankreich.

Schon war fast ganz Holland von den unwiderstehlichen französischen Truppen besetzt, da suchten die Verzweifelten Hilfe bei dem ihnen verbündeten Element: sie öffneten die Schleusen, und die Überschwemmung des Landes trieb die Eindringlinge zurück. Jan de Witt und sein Bruder wurden von dem wütenden Volk, das ihre Politik für das nationale Unglück verantwortlich machte, ermordet, und Wilhelm von Oranien trat als Statthalter und Führer von Heer und Flotte an die Spitze der Republik.

Inzwischen hatte sich der Kaiser aufgerafft, Lobkowitz, der Franzosenfreund, wurde gestürzt, ein kaiserliches Heer unter dem bewährten, nun freilich alten und kränkelnden Montecuccoli erschien im Feld, und der Kurfürst von Brandenburg nahm die Waffen wieder auf. Der erste Waffengang verlief so, dass beide Teile sich den Sieg zuschreiben konnten und dass die Rheingrenze gehalten wurde.

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Gegner Frankreichs

Gegner Frankreichs

Macht wirkt wie das Licht auf die Motten, wie der Blick der Schlange auf die Tiere, die sie verschlingen will: Frankreich unterwarfen sich alle, auch diejenigen, die voraussehen mussten, dass es zu ihrem Schaden oder Untergang führen würde. „Wenn Europa bereit ist zu dienen“, sagte der kaiserliche Gesandte Lisola, „ist Ludwig bereit, ihm Ketten anzulegen.“


Franz Paul von Lisola (1613 – 1674)

In Flugblättern wurde wohl eine öffentliche Meinung laut, die vor der französischen Tyrannei warnte und zum Widerstand mahnte; aber das waren namenlose Stimmen, Stimmen von Leuten, deren Platz im Leben ihnen keinen Einfluss auf die öffentlichen Angelegenheiten gestattete. Immerhin gab es einige unter den zu öffentlicher Wirksamkeit Berufenen, die den Kampf gegen Frankreichs Übermacht und rechtswidrige Gewalttätigkeit sich zur Aufgabe machten: einer der ersten war Franz Paul von Lisola, kein Reichsdeutscher, sondern italienischer Abkunft und in Salins in der Freigrafschaft geboren. In Dôle studierte er die Rechte. Mit 25 Jahren ging er nach Wien, um dort eine Rechtssache zu vertreten, und nahm kaiserlichen Dienst an. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges begleitete er den Grafen Trautmannsdorff nach Münster zu den Friedensverhandlungen. Mit einer Zielsicherheit und Energie, mit der rücksichtslosen Schärfe gegen seine Gegner stand Lisola zwischen den gemütlichen Österreichern ziemlich allein, seine Versuche, dem Kaiser das Elsass zurückzugewinnen, scheiterten. Vielleicht hätte Ferdinand III. für seine Pläne Verständnis gehabt, wenn ihn nicht in seinen letzten Lebensjahren Schwermut gelähmt hätte; Leopold mit sich fortzureißen war anfangs unmöglich. Trotzdem arbeitete er unermüdlich im antifranzösischen Sinne an den Höfen, wo er den Kaiser als Gesandter zu vertreten hatte. Als im Jahr 1667 die Schrift erschien, in der Frankreichs Ansprüche auf die spanischen Niederlande entwickelt wurden, die noch als burgundischer Kreis des Reiches galten, verfasste Lisola eine Antwort und Widerlegung unter dem Titel Bouclier d'état et de justice.


Es war eine Kampfschrift, die die Weltherrschaftspläne Frankreichs entlarvte und brandmarkte. In einer Sprache voll Feuer und scharfer Klarheit stellte Lisola den abendländischen Fürsten vor, dass sie alle gleichmäßig bedroht wären, dass keiner auf eine andere Gunst des Zyklopen hoffen könne, als zuletzt verschlungen zu werden. Merkwürdig, dass dieser leidenschaftliche und glänzende Aufruf zum Kampf gegen Frankreich von einem im kaiserlichen Dienst stehenden Mann italienischer Abkunft in französischer Sprache geschrieben war. Während des holländischen Krieges hielt sich Lisola im Haag und in Amsterdam auf, ungeachtet der Gefahr, der er sich dort aussetzte, bestrebt, ein Bündnis zwischen dem Kaiser und den Staaten zustande zu bringen. „Ohne miraculi“, hieß es in einem Gutachten des Hofkriegsrats in Wien, „ist nicht möglich, dass nolente imperio der Kaiser Ludwig's vasti disegni verhindere.“ Es musste einer viel Feuer in sich haben, der sich zutraute, so viel Bedenklichkeit und Schläfrigkeit zu entflammen. Lisola erlebte noch den Abschluss des Bündnisses, das einen Umschwung der Ereignisse hoffen lassen konnte, die Enttäuschung nicht mehr; er starb im Jahr 1674.

An Tatkraft und Schwung großer Entwürfe glich ihm ein Zeitgenosse, den man auf der gleichen Seite zu finden nicht erwarten konnte: Graf Georg Friedrich von Waldeck. Wer seine Anfänge kannte, wie er Pläne zur Niederwerfung des Hauses Habsburg machte, musste sich höchlich wundern, ihm sechs Jahre nachdem er den Kurfürsten von Brandenburg verlassen hatte, weil dieser sich gegen Schweden mit dem Kaiser verbündete, im Dienst des Kaisers gegen die Türken kämpfend zu begegnen. Als ihm aufgegangen war, dass die Freiheit des Reiches und Europas nicht von Österreich, sondern von Frankreich bedroht war, stellte er sich vollständig um und führte nun den Kampf gegen Frankreich mit derselben entschiedenen Leidenschaft wie vorher gegen Österreich. Eine Zeitlang hielt er sich am Hof des Herzogs Ernst August von Braunschweig auf und wirkte dort für Anschluss an den Kaiser, dann ging er nach Holland, wo der junge Wilhelm von Oranien als Mittelpunkt des Widerstands gegen Frankreich ihn anzog. Von Holland aus begab es sich, dass er im Auftrag der Republik an den Hof von Berlin ging, um den Kurfürsten zum Eintritt in eine Koalition gegen Frankreich zu bewegen. Der Trieb zu großen Wagnissen und Unternehmungen, bei denen Ehre zu gewinnen ist, der ihn nach seinen eigenen Worten beseelte, fand im Umgang mit Wilhelm von Oranien Genüge.

Man hat Wilhelm III. mit seinem großen Vorfahr, dem Schweiger, verglichen, weil er es verstand wie dieser, zu warten und sich zurückzuhalten, und weil er geduldig, hartnäckig, kein Opfer scheuend, auf der einmal beschrittenen Bahn ausharrte; aber er war nicht wie jener ein glänzender Kavalier, der durch Liebenswürdigkeit und Laune die Herzen gewann. Wilhelm III. war wortkarg, trocken, verschlossen, sei es, dass das seine Natur war, oder dass die im Schatten verbrachte Jugend, die Zurücksetzung, der er sich unterwerfen musste, diese Anlage verstärkt hatte. Die Rolle, die er bei der Ermordung der Brüder de Witt spielte, hat düstere Linien in sein Bild gezogen. Seine unzugängliche Art schreckte manche ab, nur denjenigen, deren Charakter und Gesinnung er erprobt hatte, verriet er, dass er warmer Empfindung fähig war. Sehr schwer musste es dem temperamentvollen, offenen Waldeck werden, die kühle Behandlung von Seiten des um dreißig Jahre jüngeren Mannes zu ertragen; aber er tat es um der Sache willen, für die sie beide kämpften. Auf Grund dieser Übereinstimmung sollte sie mit der Zeit enge und dauernde Freundschaft verbinden.

 

Hatte Wilhelm III. nicht die strahlende Kraft, die von manchen heroischen Naturen ausgeht, so wirkte doch auch seine verhaltene Leidenschaft fesselnd. Die sich ihm einmal angeschlossen hatten, wie Waldeck und der Ratspensionär Heinsius, der Nachfolger des unglücklichen de Witt, blieben in seinem Bann. Leider besaß er nicht die Feldherrngaben, die seine Vorfahren Moritz und Friedrich Heinrich ausgezeichnet hatten. Er war ebenso wie Waldeck im Feld meist unglücklich. Immerhin gab Ludwig, nachdem der erste siegreiche Angriff zurückgeworfen war und das verbündete kaiserlich-brandenburgische Heer herannahte, den Krieg gegen Holland auf. Die Republik war für den Augenblick gerettet.

Zu den großen Gegnern Ludwigs XIV. darf man auch Leibniz zählen, obwohl er im Dienst des Kurfürsten von Mainz seine Laufbahn als Anhänger Frankreichs begonnen hatte und nie aufhörte, die französische Kultur zu schätzen. Den Reichsfeind Ludwig bekämpfte seine Feder, seine eindringlichen, schneidenden Äußerungen begleiteten alle die kriegerischen Aktionen, die sein Leben erfüllten, bald aufreizend, bald trauervoll und zornig.

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