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Die Schatzinsel

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Die Schatzinsel
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Die Schatzinsel
Audioraamat
Loeb Thomas Dehler
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Die Schatzinsel
Audioraamat
Loeb Andreas Berg, Hans Meissner, Heinz Rabe, Karl Brugsch Heinrich, Klaus Jepsen, Paul Richter, Santiago Ziesmer
Lisateave
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Zweiter Teil

Der Schiffskoch

Siebentes Kapitel

Ich fahre nach Bristol

Es dauerte länger als der Squire geglaubt hatte, bis wir seefertig waren, und keiner unserer ersten Pläne – nicht einmal der Dr. Livesays, mich bei sich zu behalten – konnte durchgeführt werden, so wie wir es beabsichtigt hatten. Der Doktor mußte nach London, um dort einen Stellvertreter aufzutreiben, der Squire war in Bristol tüchtig an der Arbeit und ich lebte weiter im Schloß unter der Obhut des alten Wildhüters Redruth, fast wie ein Gefangener, aber ganz erfüllt von Seephantasien und den herrlichsten Träumen von fernen Inseln und Abenteuern. Ich brütete stundenlang über der Karte und dachte über alle Einzelheiten nach, an die ich mich ganz genau erinnere. Beim Feuer im Zimmer des Verwalters sitzend, näherte ich mich der Insel von jeder möglichen Richtung her. Ich durchforschte jeden Quadratmeter ihrer Oberfläche, ich erklomm wohl tausendmal jenen steilen Hügel, das „Fernrohr“, und genoß von seiner Spitze aus die wundervollsten und abwechslungsreichsten Ausblicke. Manchmal war die Insel von Wilden dicht bevölkert, mit denen wir Kämpfe bestehen mußten, dann wieder gab es dort wilde Tiere, die uns verfolgten. Aber in keiner meiner Phantasien gingen so tragische und seltsame Dinge vor, wie wir sie wirklich erleben sollten.

So vergingen die Wochen, bis eines schönen Tages ein Brief, an Dr. Livesay gerichtet, ankam, mit dem Zusatz auf dem Umschlag: „Im Falle von dessen Abwesenheit von Tom Redruth oder dem jungen Hawkins zu öffnen.“ Dieser Anweisung folgend fanden wir – oder vielmehr fand ich, denn der Wildhüter konnte nur Gedrucktes ordentlich lesen – die nachstehenden wichtigen Nachrichten:

Gasthof zum Alten Anker, Bristol, 1. März 17..

„Lieber Livesay, da ich nicht weiß, ob Ihr schon zu Hause oder in London seid, sende ich diesen Brief in doppelter Ausfertigung nach beiden Orten.

Das Schiff ist gekauft und ausgerüstet. Es liegt seefertig vor Anker. Ich habe niemals einen schöneren Schooner gesehen. – Ein Kind könnte ihn segeln – zweihundert Tonnen – Name: ‚Hispaniola‘.

Ich bekam ihn durch meinen alten Freund Blandly, der sich als ein Prachtkerl durch und durch erwiesen hat. Der ausgezeichnete Junge arbeitete buchstäblich wie ein Sklave für mich, und dasselbe taten alle anderen in Bristol, sowie sie Wind davon bekamen, nach welchem Hafen wir segeln – nach welchem Schatz, meine ich.“

„Redruth,“ sagte ich, die Vorlesung unterbrechend, „das wird Dr. Livesay nicht gefallen. Der Gutsherr hat doch geplaudert.“ „Na, und wer hat denn mehr Recht dazu als er?“ brummte der Wildhüter. „Eine schöne Ordnung wär’ das, wenn der Squire wegen Dr. Livesay nicht reden dürfte.“

Danach gab ich jeden weiteren Erklärungsversuch auf und las einfach weiter:

„Blandly selbst hat die Hispaniola entdeckt und durch seine wunderbare Geschicklichkeit habe ich sie für einen Pappenstiel bekommen. Es gibt viele Leute in Bristol, die gegen Blandly unglaublich voreingenommen sind. Sie behaupten, daß dieser ehrliche Kerl für Geld alles zu tun imstande sei, daß die Hispaniola ihm selbst gehörte und daß er sie mir unverschämt teuer angehängt habe, also die durchsichtigsten Lügen. Niemand wagte es übrigens die Vorzüge des Schiffes zu leugnen.

Soweit kein Hindernis. Die Arbeitsleute natürlich zum Verzweifeln langsam, aber mit der Zeit wurde auch das besser. Nur wegen der Mannschaft hatte ich Sorge.

Ich wollte rund zwanzig Mann – für den Fall als wir mit Piraten, Eingeborenen oder den unangenehmen Franzosen zu tun kriegen sollten – aber ich hatte eine verteufelte Plage, auch nur ein Dutzend zusammenzubringen, bis mich endlich der sonderbarste Zufall gerade mit dem richtigen Mann zusammenführte.

Ich stand beim Dock und kam rein zufällig ins Gespräch mit ihm. Es stellte sich heraus, daß er ein alter Seemann war, eine Hafenschenke hielt, alle Matrosen von Bristol kannte, auf dem Lande seine Gesundheit eingebüßt hatte und jetzt eine gute Stelle als Schiffskoch suchte, um wieder auf die See zu gehen. Er war an diesem Morgen zu den Docks heruntergehumpelt, um, wie er sagte, wieder ein wenig Seeluft zu atmen.

Ich war schrecklich gerührt – auch Euch wäre es so gegangen – und aus reinem Mitleid nahm ich ihn sofort als Schiffskoch auf. Er heißt der lange John Silver und hat nur ein Bein, doch das betrachte ich als Empfehlung, da er das andere im Dienste des Vaterlandes unter dem unsterblichen Hawke verloren hat. Er bezieht keine Pension! Oh, welch erbärmliche Zeit, in der wir leben, Livesay!

Nun Herr, ich hatte geglaubt, nur einen Koch entdeckt zu haben, aber ich hatte die ganze Mannschaft gefunden. Gemeinsam mit Silver gelang es mir in wenigen Tagen eine Gesellschaft der zähesten, alten Seebären, die man sich vorstellen kann, zusammenzubringen, die zwar nicht schön anzusehen sind, deren Gesichtern man aber ansieht wieviel Feuer und Mut in ihnen steckt. Ich glaube, wir könnten mit einer Fregatte anbinden.

Der lange John befreite mich sogar von sechs oder sieben, die ich bereits aufgenommen hatte. Er bewies mir ohne weiteres, daß sie zu jener Sorte von Neulingen gehörten, die uns im Falle von Abenteuern nur lästig, oder geradezu gefährlich gewesen wären.

Ich bin in der herrlichsten Stimmung und Gesundheit, esse wie ein Drescher und schlafe wie ein Sack, aber trotzdem freut mich nichts, ehe ich nicht meine alten Matrosen die Anker lichten sehen werde. Auf zur See! Was liegt an dem Schatz! Die Herrlichkeit des Meeres ist’s, was mich ganz närrisch macht. Und jetzt, Livesay, kommt rasch! Verliert keine Stunde, wenn Ihr etwas auf mich gebt.

Schickt den Jungen Hawkins gleich zu seiner Mutter, Abschied nehmen, mit Redruth als Bewachung, und dann kommt beide so rasch wie nur möglich nach Bristol!

John Trelawney.

P. S. Ich habe vergessen zu erzählen, daß Blandly, der übrigens, wenn wir bis Ende August nicht zurück sind, ein zweites Schiff nach uns aussenden wird, einen glänzenden Navigationsoffizier für uns ausfindig gemacht hat – zu meinem Leidwesen ein etwas halsstarriger Mensch, aber im übrigen eine Perle. Der lange John Silver hat einen sehr tüchtigen Maat ausgegraben namens John Arrow. Ich habe einen Bootsmann, der pfeifen kann, Livesay, alles wird wie auf einem Kriegsschiff sein, an Bord des guten Schiffes Hispaniola.

Ich vergaß auch zu sagen, daß Silver ein gestellter Mann ist. Ich weiß genau, daß er ein Bankkonto hat, welches immer in guter Ordnung ist. Seine Frau bleibt zurück und führt den Gasthof weiter. Da sie eine Farbige ist, wird man es ein paar alten Junggesellen, wie uns beiden, nicht weiter übelnehmen, wenn wir annehmen, daß es vielleicht ebensosehr die Frau ist, wie die wacklige Gesundheit, was ihn wieder aufs Meer hinaustreibt.

J. T.

P. P. S. Hawkins kann eine Nacht bei seiner Mutter bleiben.“

Man kann sich die Aufregung vorstellen, in die mich dieser Brief versetzte. Ich war außer mir vor Entzücken und verachtete maßlos den alten Tom Redruth, der nicht zu klagen und zu brummen aufhörte. Jeder der anderen Wildhüter wäre mit Freuden an seiner Statt gegangen, aber das war nicht der Wille des Gutsherrn, und der Wille des Gutsherrn war Gesetz für sie alle. Keiner außer dem alten Redruth hätte auch nur zu murren gewagt.

Der nächste Morgen fand uns beide im „Admiral Benbow“, und dort sah ich meine Mutter bei bester Gesundheit und Laune wieder. Der Kapitän, der die Ursache von so viel Verdruß gewesen, war dorthin gegangen, wo auch die Bösen nicht mehr schaden können. Der Squire hatte alles richten lassen, die Gaststube war neu gemalt und das Schild repariert worden, er hatte auch noch einige Möbelstücke geschickt – vor allem einen herrlichen Lehnstuhl für die Mutter. Er hatte ihr auch einen Lehrjungen verschafft, damit sie eine Hilfe hätte, wenn ich fort wäre.

Erst als ich diesen Jungen sah, begriff ich zum ersten Male den Ernst des Augenblicks. Bis dahin hatte ich nur an die Abenteuer, die vor mir lagen, und keinen Moment an die Heimat gedacht, die ich nun verließ.

Und erst beim Anblick dieses ungeschickten, fremden Jungen, der hier an meiner Stelle mit meiner Mutter leben sollte, kamen mir die ersten Tränen. Ich fürchte, ich habe diesen Burschen sehr gequält, denn da ihm die Arbeit neu war, hatte ich hundert Gelegenheiten ihm etwas am Zeug zu flicken und ihn zu demütigen, und ich nützte sie weidlich aus.

Die Nacht verging und am nächsten Tag nach dem Mittagessen waren wir beide auf den Beinen, Redruth und ich. Ich sagte meiner Mutter Lebewohl und auch der Bucht, in der ich geboren war, und dem lieben, alten „Admiral Benbow“, der, seitdem er neu gemalt war, mir nicht mehr so vertraut erschien. Einer meiner letzten Gedanken war der an den Kapitän, der so oft mit seinem federngeschmückten Hut, seiner Hiebnarbe und mit seinem alten Messingfernrohr die Bucht entlang spaziert war. Im nächsten Augenblick bogen wir um die Ecke und meine Heimat war nicht mehr zu sehen. —

Die Post nahm uns um die Dämmerstunde beim „König Georg“ auf der Heide auf. Ich war zwischen Redruth und einem alten, dicken Herrn eingekeilt und muß trotz der raschen Bewegung und der kalten Nachtluft von Beginn der Fahrt an meist geduselt haben. Und dann schlief ich wie ein Stück Holz, bergauf, bergab, durch alle Stationen durch, denn ich erwachte von einem Rippenstoß, und als ich die Augen öffnete, hielten wir vor einem großen Gebäude in einer städtischen Straße und es war längst Tag geworden.

„Wo sind wir?“ fragte ich.

„Bristol!“ sagte Tom. „Aussteigen!“

 

Herr Trelawney hatte seinen Wohnsitz in einem Gasthof weit draußen bei den Docks aufgeschlagen, um die Arbeiten auf dem Schooner leicht beaufsichtigen zu können. Dorthin mußten wir nun gehen und zu meinem Entzücken führte unser Weg die Kais entlang und vorbei an einer Unzahl von Schiffen aller Größen, Arten und Nationen. Auf dem einen sangen Matrosen bei der Arbeit, auf einem andern hingen Leute hoch über meinem Kopf an Strickleitern, die nicht dicker aussahen als Spinnweben. Obwohl ich am Meeresstrande gelebt hatte, schien es mir als hätte ich das Meer nie gekannt. Der Teer- und Salzgeruch waren mir neu. Ich sah die seltsamsten Gallionfiguren auf fremdländischen Schiffen und viele, alte Seeleute mit Ohrgehängen und gelockten Backenbärten und geteerten Zöpfen, mit ihrem schwankenden, schwerfälligen Seemannsgang. Wenn mir ebensoviele Könige oder Erzbischöfe begegnet wären, ich hätte nicht begeisterter sein können.

Und ich selbst wollte aufs Meer hinaus! Auf einem Schooner, mit einem pfeifenden Bootsmann und bezopften, singenden Matrosen, zur See, nach einer unbekannten Insel, vergrabene Schätze zu suchen!

Während ich noch in diesen herrlichen Träumen schwelgte, kamen wir plötzlich vor ein großes Gasthaus und trafen Herrn Trelawney, der ganz wie ein Seeoffizier ausstaffiert war und mit einem Lächeln auf den Lippen in einer ausgezeichneten Nachahmung des breitbeinigen Ganges der Seeleute aus der Türe trat.

„Da seid Ihr,“ rief er, „und der Doktor ist heute Nacht aus London eingetroffen! Bravo! Die Schiffsgesellschaft ist beisammen!“

„O Herr!“ rief ich, „wann segeln wir?“

„Segeln!“ sagte er, „wir segeln morgen!“

Achtes Kapitel

Der Gasthof „zum Fernrohr“

Als ich gefrühstückt hatte, gab mir der Squire einen Brief, der an John Silver, Gastwirt zum „Fernrohr“, gerichtet war, und sagte mir, ich würde mich leicht hinfinden, wenn ich die Docks entlang ginge und gut Ausschau halte nach einem kleinen Gasthof, der ein großes Messingfernrohr als Schild habe. Ich machte mich auf den Weg, überglücklich, daß ich Gelegenheit fand noch mehr Schiffe und Seeleute zu sehen und schlüpfte durch ein Gewühl von Menschen, Karren und Gepäck, denn bei den Docks herrschte um diese Zeit lebhafte Bewegung, bis ich den bezeichneten Gasthof gefunden hatte.

Es war eine ganz nette, kleine Schenke. Das Schild war neu gemalt, an den Fenstern hingen saubere Vorhänge, der Flur war mit hellem Sand bestreut. Auf jeder Seite war ein Gang und eine offene Tür, so daß man in den großen, niedrigen Raum gut hineinschauen konnte, trotz der Tabakwolken, die ihn erfüllten.

Die Gäste waren hauptsächlich Seeleute und sie sprachen so laut, daß ich erschreckt an der Türe stehen blieb und beinahe Angst hatte einzutreten.

Wie ich so wartete, kam ein Mann aus einem Nebenzimmer, und ich sah mit einem Blick, daß es der lange John sein mußte. Sein linkes Bein war nahe der Hüfte abgeschnitten und unter der linken Schulter trug er eine Krücke, die er mit unglaublicher Geschicklichkeit handhabte, indem er wie ein Vogel daran herumhüpfte. Er war sehr groß und stark, mit einem Gesicht, das so breit war wie ein Schinken, dabei unschön und blaß, aber klug und freundlich im Ausdruck. Er schien in der besten Stimmung zu sein, bewegte sich pfeifend zwischen den Tischen herum und hatte ein fröhliches Wort oder einen kleinen Klaps auf die Schulter für die bevorzugteren Gäste.

Nun, um die Wahrheit zu sagen, ich war von der ersten Erwähnung des langen John an heimlich in Angst gewesen, er könnte sich als der einbeinige Seemann entpuppen, nach dem ich so lange im „Admiral Benbow“ hatte Ausschau halten müssen. Doch ein Blick auf den Mann genügte, um meine Befürchtungen zu zerstreuen. Ich hatte den Kapitän, den schwarzen Hund und den blinden Pew gesehen und glaubte zu wissen, wie ein Pirat aussah. Nach meiner Meinung sicherlich ein Wesen, grundverschieden von diesem sauberen und freundlichen Hauswirt.

Ich faßte sofort Mut, überschritt die Schwelle und ging gerade auf den Mann zu, der auf seine Krücke gelehnt dastand und mit einem Gast plauderte.

„Herr Silver?“ fragte ich, den Brief hinhaltend.

„Ja, mein Junge,“ sagte er, „gewiß, das ist mein Name. Und wer magst du sein?“ Als er den Brief des Gutsherrn las, lief etwas wie ein Schrecken über seine Züge.

„Ah,“ sagte er, indem er mir die Hand bot, „du bist der neue Schiffsjunge? Sehr erfreut dich zu sehen.“ Und er nahm meine Hand in seine breite, feste Pranke.

Da erhob sich plötzlich an einer anderen Seite der Gaststube ein Gast und eilte zur Türe hinaus. Er hatte nicht weit bis zur Tür und war mit einem Augenblick draußen auf der Straße. Aber gerade seine Eile hatte meine Aufmerksamkeit erregt und ich erkannte ihn mit einem Blick. Es war der wachsfarbene Mensch mit den zwei abgehauenen Fingern, der als erster von der unheimlichen Gesellschaft des Kapitäns in den „Admiral Benbow“ gekommen war.

„Halt!“ rief ich. „Aufhalten! Es ist der schwarze Hund.“

„Ich scher mich den Kuckuck darum, wer er ist“, rief Silver. „Aber er hat seine Zeche nicht bezahlt. Harry, lauf und fange ihn.“

Einer der anderen Gäste, der der Tür zunächst saß, sprang auf und rannte dem Flüchtenden nach.

„Und wenn er der Admiral Hawke wäre, er müßte seine Zeche bezahlen!“ schrie Silver. „Wie?“ fragte er, meine Hand loslassend, „wie sagtest du, hieß er? Schwarzer, was?“

„Schwarzer Hund, Herr“, sagte ich. „Hat Herr Trelawney Euch nicht von den Piraten erzählt? Das war einer davon.“

„Was?“ rief Silver. „In meinem Hause? Ben, lauf und hilf Harry suchen. Einer von diesen Schmutzlappen war er? – Warst du das, der mit ihm getrunken hat, Morgan? Komm einmal her!“

Der Mann, den er Morgan nannte – ein alter, grauhaariger, seeluftgebräunter Matrose – , kam ziemlich tölpelhaft heran, seinen Kautabak im Munde.

„Nun, Morgan,“ sagte der lange John sehr streng, „du hast nie früher den schwarzen, schwarzen – diesen schwarzen Hund gesehen? Oder doch?“

„Keine Spur, Herr“, sagte Morgan mit einer Verbeugung.

„Du wußtest nicht, wie er heißt? Oder ja?“

„Nein, Herr.“

„Beim Teufel, Tom Morgan, du kannst von Glück sagen!“ rief der Wirt aus. „Wenn du mit so einem Kerl verbandelt wärst, hättest du nie mehr den Fuß in mein Haus setzen dürfen, dafür bürge ich dir. Und was spracht ihr denn miteinander?“

„Ich weiß wirklich nicht, Herr“, antwortete Morgan.

„Ist das ein Kopf, was du da auf den Schultern sitzen hast? Oder bloß ein Stückchen Holz?“ schrie der lange John. „Weiß wirklich nicht! Vielleicht weißt du zufällig wirklich nicht, mit wem du da gesprochen hast, also hör zu, schnell, wovon habt ihr geredet? Von Seereisen, Kapitänen, Schiffen, heraus damit, was war es? Mach den Schnabel auf!“

„Vom Kielanholen haben wir geredet“, sagte Morgan.

„Kielanholen, so so? – Sehr anständig, ein passendes Gespräch, da kann man Gift darauf nehmen. Du bist ein Tölpel, Tom, geh wieder auf deinen Platz!“

Und als der Alte wieder auf seinen Platz zurückwackelte, fügte Silver mit einem vertraulichen Flüstern, das mir sehr schmeichelte, hinzu:

„Er ist ein ganz ehrlicher Kerl, der Tom Morgan, nur dumm! Und nun“, fuhr er laut fort, „laßt mich einmal nachdenken – schwarzer Hund? Nein, ich kenne den Namen nicht und doch kommt mir vor – ja, es scheint mir, ich habe den Schmutzlappen schon gesehen – . Er pflegte mit einem blinden Bettler herzukommen – “

„Natürlich! Ganz sicher!“ sagte ich. „Ich kannte auch diesen blinden Mann. Pew hieß er.“

„So ist es!“ rief Silver jetzt ganz aufgeregt. „Pew! Ja, so hieß er und er sah aus wie ein Gauner, wahrhaftig! Na, wenn wir diesen schwarzen Hund erwischen, das wird den Kapitän Trelawney freuen! Ben ist ein guter Läufer, wenige Seeleute können so laufen wie Ben. Wenn er ihn nur erwischt! Er sprach vom Kielanholen? Na, dann werde ich ihn Kiel-holen!“

Die ganze Zeit, während er diese Reden ausstieß, humpelte er auf seiner Krücke in der Schenke herum, schlug mit der Hand auf die Tische und gab so deutliche Zeichen von Aufregung, daß selbst ein Richter von Old Bailey von ihrer Echtheit überzeugt gewesen wäre. Mein Verdacht war wieder rege geworden, als ich den schwarzen Hund im „Fernrohr“ traf, und ich beobachtete den Koch scharf, aber er war zu schlau und zu schlagfertig und zu gescheit für mich, und als schließlich die beiden Männer atemlos zurückkamen und gestanden, daß sie die Spur im Gedränge verloren hatten und beschimpft worden waren wie Diebe, da war ich schon so weit, daß ich auf die Unschuld des langen John Eide abgelegt hätte.

„Schau her, Hawkins!“ sagte er, „das ist verflucht unangenehm für mich, nicht? das wirst du verstehen? Da habe ich diesen elenden Sohn eines Holländers in meinem eigenen Hause sitzen und von meinem eigenen Rum trinken lassen! Und du kommst daher und erzählst mir, wer das ist, und ich lasse den Kerl vor meinen eigenen Augen entschlüpfen! Hawkins, tu mir den Gefallen, schau, daß mich der Kapitän gerecht beurteilt! Du bist noch recht jung, aber du bist klug, das habe ich gleich gesehen, als du hereintratst. Also was hätte ich tun sollen mit diesem alten Stück Holz da, mit dem ich herumhumpeln muß? Als ich noch Obermatrose war, da wäre ich dem Kerl schon nachgekommen und hätte ihn gepackt und ihn in Stücke gerissen, sicherlich! Aber jetzt – ?“

Und ganz plötzlich hielt er inne, riß den Mund auf, als sei ihm etwas eingefallen.

„Die Zeche!“ rief er aus. „Drei Runden Rum! Nein, beim Teufel, die Zeche hatte ich ganz vergessen!“

Und auf eine Bank sinkend, lachte er bis ihm die Tränen herunterliefen, und ich mußte mitlachen. Immer wieder lachten wir eine neue Salve, bis das Schankzimmer widerhallte.

„Herrgott, was ich für ein altes Seekalb bin!“ sagte er endlich, sich die Lachtränen aus den Augen wischend. „Wir beide würden gut zusammenpassen, Hawkins, denn ich bürge dafür, eigentlich sollte ich als Schiffsjunge rangieren. Aber was, das ist schon einmal so. Pflicht ist Pflicht, Kamerad. Ich werde mir halt meinen Federhut aufsetzen und mit dir zu Kapitän Trelawney gehen, die Geschichte berichten. Denn weißt du, junger Hawkins, es ist doch eine ernste Sache, und weder du noch ich können verlangen, daß man uns einfach Vertrauen schenkt. Auch du nicht, freilich! Wir sind nicht gewandt, beide nicht. Aber, bei meinen Knöpfen! das war lustig, das mit der Zeche!“

Und er begann wieder so herzlich zu lachen, daß ich, obwohl ich keinen Witz darin fand, wieder seine Heiterkeit teilen mußte.

Auf unserem kleinen Spaziergang, die Kais entlang, war er der interessanteste Gesellschafter, den man sich wünschen konnte. Er erzählte mir von den verschiedenen Schiffen, bei denen wir vorbeikamen, erklärte mir Takelung, Tonnage und Nation eines jeden, machte mich auf Einzelheiten der Arbeiten aufmerksam, die da vor sich gingen – wie das eine ablud, das andere Fracht einnahm und ein drittes seefertig gemacht wurde. Von Zeit zu Zeit schob er irgendeinen kleinen Seemannsscherz ein oder wiederholte eine nautische Redensart, bis ich sie erlernt hatte. Ich merkte, daß er ein unerhört angenehmer Schiffskamerad sein müßte.

Als wir zum Gasthof kamen, saßen der Squire und Dr. Livesay zusammen bei einem Quart Bier mit Toast und waren eben im Begriff, sich an Bord des Schooners zu einem Inspektionsbesuch zu begeben.

Der lange John erzählte das Begebnis vom Anfang bis zum Ende mit viel Lebendigkeit und vollkommen der Wahrheit entsprechend. „So war’s, nicht wahr, Hawkins?“ fragte er manchmal, und ich konnte es immer nur bestätigen.

Die beiden Herren bedauerten, daß der schwarze Hund entkommen war, aber alle waren der Meinung, daß man da nichts machen könne, und nach einem Austausch von Höflichkeiten zog der lange John mit seiner Krücke wieder ab.

„Alle Mann an Bord heute nachmittag um vier!“ rief ihm der Squire nach.

„Gut, gut, Herr!“ rief der Koch im Fortgehen.

„Nun, Squire,“ sagte Dr. Livesay, „ich habe im allgemeinen nicht viel übrig für Eure Entdeckungen, aber ich muß schon sagen, der Mann gefällt mir.“

„Der Mann ist ein Prachtkerl“, erklärte der Gutsherr.

„Und nun,“ fügte der Doktor hinzu, „darf Jim mit uns an Bord kommen?“

„Gewiß darf er!“ sagte der Squire. „Nimm deinen Hut, Hawkins, jetzt wollen wir uns das Schiff anschauen.“