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Die Schatzinsel

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Die Schatzinsel
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Die Schatzinsel
Audioraamat
Loeb Thomas Dehler
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Die Schatzinsel
Audioraamat
Loeb Andreas Berg, Hans Meissner, Heinz Rabe, Karl Brugsch Heinrich, Klaus Jepsen, Paul Richter, Santiago Ziesmer
Lisateave
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Neuntes Kapitel

Pulver und Waffen

Die Hispaniola lag etwas außerhalb der Docks und wir fuhren unter den Gallionfiguren und rund um das Heck vieler anderer Schiffe herum, deren Taue sich manchmal an unserem Kiel rieben oder über unseren Köpfen schwangen. Endlich kamen wir an die Langseite des Schiffes und wurden, als wir anlegten, vom Maat, Herrn Arrow, einem braungebrannten, alten Seemann, mit Ohrringen in den Ohren und schielenden Augen begrüßt. Er und der Squire vertrugen sich großartig, doch bemerkte ich bald, daß es zwischen Herrn Trelawney und dem Kapitän ganz anders stand.

Dieser Kapitän war ein streng dreinblickender Mann, dem nichts an Bord recht zu sein schien, und wir erfuhren bald warum; denn kaum hatten wir die Kabine betreten, so folgte uns ein Matrose.

„Kapitän Smollett, Herr, wünscht mit Euch zu sprechen“, meldete er.

„Ich stehe dem Kapitän stets zur Verfügung. Führ’ ihn herein!“ sagte der Squire.

Der Kapitän, der seinem Boten auf dem Fuße folgte, trat gleich ein und schloß hinter sich die Türe.

„Nun, Kapitän Smollett, was wünschen Sie? Alles wohlauf, hoffe ich. Alles klar und fahrtbereit?“

„Nun, Herr,“ sagte der Kapitän, „ich denke es ist besser gerade zu reden, selbst auf die Gefahr hin Anstoß zu erregen: Mir gefällt diese Fahrt nicht, ich mag die Mannschaft nicht und mein Offizier ist mir unangenehm. Das ist einfach und klar, nicht wahr?“

„Vielleicht, Herr, paßt Ihnen auch das Schiff nicht?“ erkundigte sich der Squire, der, wie ich sehen konnte, sehr verärgert war.

„Darüber kann ich noch nichts sagen, Herr, da ich es noch nicht ausprobiert habe“, antwortete der Kapitän. „Es scheint ein tüchtiges Fahrzeug zu sein, mehr kann ich nicht sagen.“

„Möglicherweise sagt Ihnen auch der Schiffsherr nicht zu?“ fragte der Squire.

Doch hier mischte sich Dr. Livesay ein.

„Halt!“ sagte er, „einen Augenblick! Solche Fragen haben keinen Sinn und machen nur böses Blut. Der Kapitän hat zu viel oder zu wenig gesagt, und ich muß ihn dringend um eine Erklärung bitten. Ihr mögt die Fahrt nicht, Kapitän?“

„Herr, ich wurde, was man so nennt, mit versiegelter Marschordre aufgenommen, dieses Schiff für jenen Herrn dorthin zu führen, wohin er es verlangen würde“, sagte der Kapitän. „Soweit ganz gut, doch jetzt sehe ich, daß jeder Mann an Bord mehr weiß als ich. Ich kann das nun nicht in Ordnung finden. Wie denken Sie darüber?“

„Nein!“ sagte Dr. Livesay. „Gewiß ist das nicht in Ordnung.“

„Zunächst“, sagte der Kapitän, „erfahre ich, daß wir einen Schatz suchen werden – höre das von meinen eigenen Leuten, verstehen Sie. Nun, – Schätze suchen ist eine kitzliche Arbeit, ich mag Fahrten um Schätze nicht, unter gar keinen Umständen. Aber dann mag ich sie am allerwenigsten, wenn sie geheimbleiben sollen und das Geheimnis – ich bitte um Vergebung, Herr Trelawney – dem Papagei erzählt worden ist.“

„Silvers Papagei?“ fragte der Squire.

„Das ist so eine Redensart,“ sagte der Kapitän, „geplappert, meine ich. Ich glaube, keiner von den Herren ahnt, was sie vor sich haben, aber meine Ansicht ist: ‚Leben oder Tod, und kein sehr breiter Raum dazwischen!‘“

„Das ist richtig, und ich finde, nur allzuwahr,“ antwortete Dr. Livesay, „wir nehmen die Gefahr auf uns, doch sind wir nicht so unwissend wie Ihr glaubt. Weiter: Ihr sagt, Ihr mögt die Mannschaft nicht. Sind es keine guten Matrosen?“

„Sie gefallen mir nicht, Herr,“ erwiderte Kapitän Smollett, „und immerhin glaube ich, hätte man die Wahl der Leute mir überlassen sollen, wenn wir schon davon reden.“

„Vielleicht,“ antwortete der Doktor, „mein Freund hätte Euch vielleicht zu Rate ziehen sollen. Doch geschah der Verstoß nicht absichtlich, wenn es einer war. Ihr mögt auch Herrn Arrow nicht?“

„Nein, Herr. Ich glaube er ist ein guter Seemann, aber er steht zu kameradschaftlich mit den Leuten, um ein guter Seeoffizier zu sein. Ein Maat muß Distanz halten – er sollte nicht mit den Matrosen trinken!“

„Ja, meinen Sie, daß er trinkt?“ rief der Squire aus.

„Nein,“ antwortete der Kapitän, „ich finde bloß, daß er zu vertraulich mit den Matrosen ist.“

„Und nun, wo wollen Sie hinaus, Kapitän?“ fragte der Doktor. „Sagen Sie, was Sie wünschen.“

„Meine Herren, sind Sie entschlossen diese Fahrt anzutreten?“

„Eisern entschlossen“, antwortete der Squire.

„Sehr gut,“ sagte der Kapitän, „da Sie mich nun so geduldig angehört haben, als ich die Dinge behauptete, die ich nicht beweisen konnte, lassen Sie mich noch ein paar Worte sagen: Die Leute verstauen das Pulver und die Waffen im Vorderdeck. Wir haben einen guten Platz unter der Kabine – warum nicht dorthin damit? – Das wäre der erste Punkt. Ferner: Sie bringen vier Ihrer eigenen Leute mit, und ich höre, daß Sie einige davon vorne untergebracht haben wollen. Warum nicht hier neben der Kabine? – Zweiter Punkt.“

„Noch etwas?“ fragte Herr Trelawney.

„Noch etwas“, sagte der Kapitän. „Es ist schon zu viel geschwatzt worden.“

„Viel zu viel“, bestätigte der Doktor.

„Ich werde Ihnen sagen, was ich selbst gehört habe“, fuhr Kapitän Smollett fort. „Daß Sie eine Karte der Insel besitzen, daß die Orte, wo Schätze liegen, darauf mit roten Kreuzen bezeichnet sind und daß die Insel – liegt“, und dabei nannte er genau die Längen- und Breitengrade.

„Ich habe das niemals einer Seele erzählt,“ rief der Squire, „keinem Menschen!“

„Die Matrosen wissen es, Herr“, erwiderte der Kapitän.

„Livesay, das müßt Ihr oder Hawkins gewesen sein!“ rief der Squire.

„Es spielt keine Rolle, wer es war“, antwortete der Doktor, und ich merkte, daß weder er noch der Kapitän den Protesten des Herrn Trelawney viel Beachtung schenkten. Auch ich tat es nicht, denn er war gar zu geschwätzig. Trotzdem glaube ich, daß er diesmal die volle Wahrheit sagte und daß niemand die Lage der Insel ausgeplaudert hatte.

„Nun, meine Herren,“ fuhr der Kapitän fort, „ich weiß nicht, wer diese Karte hat, aber ich stelle zur Bedingung, daß sie selbst vor mir und Herrn Arrow geheimgehalten wird. Wenn nicht, müßte ich Sie um meine Entlassung bitten.“

„Ich sehe,“ sagte der Doktor, „Sie wollen sagen, daß wir diese Sache geheim halten und aus dem Hinterschiff eine Art Kaserne machen, die mit den eigenen Leuten meines Freundes bemannt ist und über das Pulver und die Waffen an Bord allein verfügt; mit einem Wort: Sie fürchten Meuterei.“

„Herr,“ sagte Kapitän Smollett, „ich habe nicht die Absicht, beleidigt zu tun, aber ich stelle Ihr Recht in Abrede, mir Behauptungen in den Mund zu legen. Kein Kapitän wäre berechtigt, überhaupt auszufahren, wenn er Grund hätte, etwas derartiges zu sagen. Was Herrn Arrow anlangt, so halte ich ihn für durchaus ehrlich, ebenso ein paar der Leute, und es ist möglich, daß alle es sind. Doch bin ich für die Sicherheit des Schiffes verantwortlich und für das Leben jedes Mannes an Bord. Ich sehe, daß die Dinge nach meiner Meinung nicht ganz so gehen wie sie sollten und ich bitte Sie gewisse Vorsichtsmaßregeln zu treffen oder mich zu entlassen. Das ist alles.“

„Kapitän Smollett,“ begann der Doktor lächelnd, „habt Ihr je die Fabel vom Berg und der Maus gehört? Ich hoffe Ihr werdet nicht böse sein, aber Ihr erinnert mich an diese Fabel. Als Ihr eintratet, wolltet Ihr mehr sagen, dafür gebe ich meine Perücke zum Pfande.“

„Doktor,“ sagte der Kapitän, „Ihr seid ein scharfsichtiger Mann. Als ich eintrat, wollte ich um meine Entlassung bitten, denn ich dachte nicht, daß Herr Trelawney mich anhören würde.“

„Das hätte ich auch nicht getan“, rief der Squire. „Wenn Livesay nicht hier gewesen wäre, hätte ich Euch zum Teufel gehen lassen. Jetzt habe ich Euch angehört. Ich werde tun, was Ihr wünscht, aber ich denke darum nicht besser von Euch.“

„Das machen Sie, wie Sie wollen, Herr,“ sagte der Kapitän, „Sie werden sehen, daß ich meine Pflicht tue.“

Und damit empfahl er sich.

„Trelawney,“ sagte der Doktor, „entgegen allen meinen Befürchtungen habt Ihr, wie ich glaube, zustande gebracht, zwei ehrliche Leute an Bord zu bekommen – diesen Mann und Silver.“

„Silver, wenn Ihr wollt,“ rief der Squire, „aber was diesen unausstehlichen Schwindler anlangt, so erkläre ich sein Benehmen für unmännlich, unseemännisch und für schlechtweg unenglisch.“

„Nun,“ sagte der Doktor, „wir werden sehen.“

Als wir auf Deck kamen, hatten die Leute schon begonnen – während sie ihren Singsang johohoten – die Waffen und das Pulver umzuladen und der Kapitän und Herr Arrow überwachten die Arbeit.

Die neue Einteilung war sehr nach meinem Sinn. Der Schooner war von unterst zu oberst gekehrt worden. Auf dem Hinterschiff hatte man aus der früheren Hauptwaffenkammer sechs Kojen gewonnen. Diese Reihe von Kabinen war mit der Küche und dem Backbord nur durch einen verbarrikadierten Gang an der Hafenseite verbunden. Ursprünglich hätten der Kapitän, Herr Arrow, Hunter, Joyce, der Doktor und der Squire diese sechs Kojen bewohnen sollen. Nun sollten Redruth und ich zwei davon bekommen und Herr Arrow und der Kapitän würden auf Deck in der Lukenkappe schlafen, die auf beiden Seiten vergrößert worden war, so daß man sie fast eine Kajüte nennen konnte. Sie war noch immer sehr niedrig, aber es war Platz für zwei Hängematten darin, und selbst dem Maat schien diese Einteilung zuzusagen. Auch er war vielleicht wegen der Mannschaft im Zweifel gewesen, doch ist es nur eine Vermutung von mir, denn wie Sie hören werden, hatten wir nicht lange den Vorzug, seine Meinungen zu hören.

Wir waren alle fest bei der Arbeit des Umladens und der Umstellung der Kojen, als die letzten ein oder zwei Mann mit dem langen John in einem Boot daherkamen.

Der Koch kletterte geschickt wie ein Affe herauf, und als er sah, was vorging, schrie er: „Hallo! Kameraden, was geschieht da?“ „Wir laden das Pulver um“, antwortete einer.

 

„Nun beim Teufel!“ schrie der lange John, „wenn wir das tun, versäumen wir die Morgenflut!“

„Meine Befehle!“ sagte der Kapitän kurz. „Ihr könnt hinuntergehen, Mann, die Leute werden ihr Nachtmahl haben wollen.“

„Gut, gut!“ antwortete der Koch, und seine Mütze berührend, verschwand er sofort in der Richtung seiner Küche.

„Das ist ein guter Mann, Kapitän“, sagte der Doktor.

„Sehr möglich,“ erwiderte Kapitän Smollett. „Vorsichtig damit, Leute – vorsichtig.“ Er lief nach vorne zu den Matrosen, die die Pulverkisten aufhoben, und plötzlich, als er bemerkte, daß ich die Drehbrasse, eine lange Erzkanone betrachtete, die man ins Mittschiff hinübertrug, rief er: „He, Schiffsjunge, fort von da. Hinunter mit dir zum Koch und laß dir eine Arbeit geben!“

Und beim Hinunterlaufen hörte ich ihn ganz laut zum Doktor sagen:

„Ich mag keine Protektionskinder auf meinem Schiff!“

Ich kann versichern, daß ich vollständig die Ansicht des Gutsherrn über den Kapitän teilte und ihn tief haßte.

Zehntes Kapitel

Die Seereise

Die ganze Nacht waren wir eifrig beschäftigt alles auf seinen Platz zu verstauen, während ganze Bootladungen von Freunden des Squires, Herr Blandly und andere, kamen, um uns eine gute Fahrt und eine glückliche Heimkehr zu wünschen.

Wir hatten im „Admiral Benbow“ nie eine Nacht gehabt, in der ich so viel arbeiten mußte, und ich war hundemüde, als kurz vor Sonnenaufgang der Bootsmann seine Pfeife ertönen ließ und die Mannschaft zu den Gangspills eilte. Doch selbst wenn ich zweimal so müde gewesen wäre, hätte ich das Deck nicht verlassen wollen. Alles war so neu und interessant für mich – die kurzen Befehle, der schrille Ton der Pfeife, die Matrosen, die sich beim Flackern der Schiffslaternen an ihre Plätze drängten.

„Nun, Barbecue! Stimm’ uns ein Lied an“, rief eine Stimme. „Das alte Lied“, schrie ein anderer. „Kameraden!“ sagte der lange John, der dabei stand, und sogleich stimmte er das Lied an, das ich so gut kannte.

„Fünfzehn Mann auf des toten Manns Kiste“ und die ganze Mannschaft fiel im Chor ein: „Jo – ho ho und ein Fläschchen Rum“, und beim dritten „Ho“ legten sie mit aller Kraft die Spaken aus.

Selbst in diesem aufregenden Augenblick fühlte ich mich eine Sekunde lang in den alten „Admiral Benbow“ zurückversetzt und glaubte wieder die Stimme des Kapitäns im Chor krächzen zu hören. Doch bald wurde der Anker kürzer gezogen, nun hing er nur mehr am Bugspriet, dann begannen die Segel anzuziehen, das Land und die Reede auf beiden Seiten entschwand allmählich, und ehe ich mich hinlegen konnte, um doch noch eine Stunde Schlaf herauszuschlagen, hatte die Hispaniola schon ihre Fahrt zur Schatzinsel angetreten.

Ich werde die Reise nicht in allen Einzelheiten schildern. Sie war ziemlich gut. Das Schiff erwies sich als tüchtiges Fahrzeug, die Mannschaft bestand aus fähigen Seeleuten und der Kapitän verstand sein Handwerk gründlich. Doch bevor wir in die Nähe der Schatzinsel kamen, geschahen ein paar Dinge, die berichtet werden müssen.

Vor allem wurde es mit Arrow schlimmer als selbst der Kapitän gefürchtet hatte. Er besaß keine Autorität bei der Mannschaft und die Leute machten mit ihm was sie wollten. Aber das war nicht das ärgste. Schon am ersten oder zweiten Tag der Reise begann er mit trüben Augen, geröteten Wangen, stotternd, kurz mit allen Zeichen der Betrunkenheit, auf Deck zu erscheinen. Immer wieder wurde er in Ungnade hinunterkommandiert. Manchmal fiel er hin und verletzte sich. Oft lag er den ganzen Tag in seinem kleinen Bettkasten an der einen Seite der Kajütenkappe. Manchmal war er einen oder zwei Tage fast nüchtern und konnte seine Arbeit so ziemlich versehen.

Indessen konnten wir nie herausbringen, woher er die Getränke bekam. Das war das Rätsel des Schiffes. Wir mochten ihn beobachten soviel wir wollten, es war nicht zu lösen. Und wenn wir ihn selbst fragten, so lachte er bloß, wenn er betrunken war, und war er nüchtern, leugnete er feierlich, je etwas anderes als Wasser gekostet zu haben.

Er war nicht nur als Offizier unbrauchbar und ein schlechtes Beispiel für die Leute, es schien auch klar, daß er, wenn er in diesem Tempo weitermachte, sich bald zu Tode trinken würde. Es war daher niemand sehr überrascht oder besonders betrübt, als er einmal in einer stürmischen Nacht, als die See hoch ging, ganz verschwand und nie mehr gesehen wurde.

„Über Bord!“ sagte der Kapitän. „Nun, meine Herren, das erspart mir die Mühe, ihn in Ketten legen zu lassen.“

Aber nun standen wir ohne Maat da und es war natürlich notwendig einen Matrosen vorrücken zu lassen. Der Bootsmann John Anderson schien dazu der geeignete Mann an Bord, und trotzdem er seinen alten Rang behielt, besorgte er die Geschäfte des Maats. Herr Trelawney verstand etwas vom Seewesen und seine Kenntnisse erwiesen sich als sehr nützlich, denn bei gutem Wetter übernahm er oft selbst die Wache. Und auch der Bootsführer, Israel Hands, war ein sorgsamer, verschmitzter, erfahrener, alter Seemann, der im Notfall fast jeden Dienst versehen konnte.

Er stand sehr vertraut mit dem langen John Silver und so komme ich bei Erwähnung seines Namens ganz von selbst auf unseren Schiffskoch zu sprechen, dem die Matrosen den Spitznamen „Bratrost“ gaben.

An Bord trug er seine Krücke an einem dünnen Tau um den Hals gebunden, um beide Hände freizubehalten. Es war interessant zuzusehen, wie er den Fuß der Krücke gegen eine Schott stemmte und darauf gestützt, jeder Bewegung des Schiffes nachgehend, seine Kocherei erledigte, wie am sicheren Ufer. Er hatte ein oder zwei Schlingen aufgetakelt, um sich über die weitesten Zwischenräume hinüberzuhissen – sie wurden die Ohrringe des langen John genannt – und so half er sich von einem Ort zum anderen, einmal die Krücke gebrauchend, dann sie wieder an das Tau hängend, so schnell wie irgendeiner mit gesunden Beinen. Dennoch gaben ein paar Matrosen, die vorher mit ihm gesegelt waren, ihrem Mitleid Ausdruck ihn so heruntergekommen zu sehen.

„Der Bratrost ist kein gewöhnlicher Mann,“ sagte der Bootsführer zu mir, „er hat in seinen jungen Jahren etwas gelernt und kann sprechen wie ein Buch, wenn er will. Und tapfer ist er wie ein Löwe! Ich habe gesehen, wie er unbewaffnet viere überwältigte und ihnen die Köpfe aneinanderschlug!“

Die ganze Mannschaft achtete ihn und gehorchte ihm sogar. Er hatte eine eigene Art mit jedem zu reden und jedem einen persönlichen Dienst zu leisten. Mir gegenüber war er unermüdlich gütig und immer erfreut mich in der Küche zu sehen, die er blitzsauber hielt, daß es eine Freude war, wie die polierten Schüsseln dahingen. Und in der Ecke stand der Käfig mit seinem Papagei.

„Komm, Hawkins,“ pflegte er zu sagen, „komm mit John, wir wollen Geschichten erzählen. Niemand ist mir willkommener als du, mein Sohn! Setz dich und plaudern wir ein wenig. Kapitän Flint hier – ich nenne meinen Papagei Kapitän Flint nach dem berühmten Freibeuter – wird dir einen guten Erfolg unserer Reise prophezeien. Nicht wahr, Kapitän?“

Und der Papagei plapperte mit großer Geläufigkeit: „Goldstücke, Goldstücke, Goldstücke“, bis John sein Taschentuch über den Käfig warf.

„Dieser Vogel,“ pflegte er dann zu erzählen, „ist vielleicht zweihundert Jahre alt, Hawkins. Sie leben ewig, diese Viecher, und wenn jemand mehr Bosheit gesehen hat, so kann das nur der Teufel in Person gewesen sein.“

„Er ist mit England, dem großen Kapitän England, dem Freibeuter, gesegelt. Er war in Madagaskar und in Malabar, in Surinam und Providence und Portobello. Er war dabei, wie die untergegangenen Goldschiffe aufgefischt wurden. Dort lernte er das ‚Goldstücke‘! was kein Wunder ist, denn dreihundertfünfzigtausend davon haben sie dort gefischt, Hawkins! Er war beim Entern des indischen Vizekönigsschiffes, bei Goa, dabei, jawohl. Und wenn man ihn anschaut, möchte man ihn für ein Baby halten! Aber Ihr habt schon Pulver gerochen, nicht wahr, Kapitän?“

„Dabei gewesen!“ kreischte der Papagei.

„Ah, der ist ein schlauer Kerl“, pflegte der Koch darauf zu sagen und reichte ihm ein Stück Zucker aus seiner Tasche, und der Vogel pickte an den Käfigstäben und fluchte darauf los, daß es kaum anzuhören war. – „Natürlich,“ sagte John, „wer Pech anrührt, besudelt sich, Junge. Der arme, unschuldige Vogel da flucht, daß einem Hören und Sehen vergeht und kann doch nichts dafür, da kann man Gift darauf nehmen. Er würde genau so fluchen, wenn ein Kaplan dabei wäre.“ Und John berührte seine Stirne mit einem so feierlichen Gesicht dazu, daß ich überzeugt sein mußte, er sei der beste Mensch.

Indessen standen der Squire und Kapitän Smollett immer noch recht fremd zueinander. Der Gutsherr ließ ganz deutlich erkennen, daß er den Kapitän verachte. Der Kapitän seinerseits sprach nur, wenn er gefragt wurde, und dann scharf, kurz, trocken und nie ein Wort mehr als notwendig. In die Enge getrieben gab er zu, daß er scheinbar in bezug auf die Mannschaft Unrecht behalten habe, daß ein paar der Matrosen so flinke, frische Kerle seien, wie er es nicht besser wünschen konnte und daß alle sich ziemlich gut hielten. Das Schiff aber hatte er geradezu lieb gewonnen. „Es ist treuer als ein Ehemann von seiner angetrauten Frau erwarten darf. Aber,“ pflegte er hinzuzufügen, „wir sind noch nicht zurück und die ganze Fahrt ist mir nicht geheuer.“

Wenn der Gutsherr dergleichen hörte, pflegte er sich abzuwenden und mit hochmütigem Gesicht auf Deck herumzuspazieren.

„Noch ein klein wenig mehr von dem Mann,“ sagte er in solchen Augenblicken, „und ich gehe in die Luft.“

Wir hatten ein paarmal schweren Seegang und dabei zeigten sich die vorzüglichen Eigenschaften der Hispaniola. Jedermann an Bord schien sehr zufrieden und man hätte übrigens schon sehr unbescheiden sein müssen, um es nicht zu sein, denn ich glaube, daß seit Noahs Zeiten noch nie eine Mannschaft so verwöhnt worden ist. Bei jeder Gelegenheit gab es doppelten Grog, an besonderen Tagen, zum Beispiel wenn der Squire erfuhr, daß jemand von der Schiffsgesellschaft Geburtstag habe, eine festlichere Mahlzeit, und immer stand ein Faß mit Äpfeln offen da, und wer wollte konnte sich bedienen.

„Ich habe noch nie gesehen, daß aus derlei etwas Gutes entstanden ist,“ sagte der Kapitän zu Dr. Livesay, „wer Matrosen verzieht, erzieht Teufel, das ist meine Meinung.“

Und dennoch brachte uns das Äpfelfaß Gutes, wie wir gleich hören werden, denn ohne dieses wären wir ungewarnt geblieben und vielleicht alle durch verräterische Hand umgekommen.

Das kam so.

Wir waren mit den Passatwinden gesegelt, um den Wind nach der Insel hin zu bekommen, der wir zustrebten – ich darf mich nicht deutlicher ausdrücken – und fuhren nun mit den frohesten Hoffnungen Tag und Nacht auf sie zu. Es war aller Berechnung nach der letzte Tag unserer Fahrt. In der Nacht oder spätestens vor Tagesanbruch sollten wir die Schatzinsel sichten. Wir steuerten Südsüdwest und hatten eine steife Brise und ruhige See. Die Hispaniola schlingerte nicht und ihr Bugspriet wurde nur von Zeit zu Zeit von einer Welle übersprüht. Alle waren fest bei der Arbeit und in bester Stimmung, da wir so nahe dem Ziel unserer Reise waren.

Nun geschah es zufällig, daß ich gerade nach Sonnenuntergang, als ich meine Arbeit getan hatte, plötzlich Lust nach einem Apfel verspürte. Ich lief auf Deck. Die Wachen waren alle vorne, um nach der Insel auszulugen. Der Mann am Steuer beobachtete das Luv und pfiff sich leise ein Liedchen. Das war der einzige Laut, der außer dem einförmigen Anschlagen des Wassers gegen den Bug und die Seiten des Schiffes zu vernehmen war. Ich stieg in das Apfelfaß hinein und fand, daß kaum mehr ein Apfel übrig war. Aber wie ich da am Grunde des Fasses saß, muß ich entweder durch die schaukelnde Bewegung des Schiffes und das Geräusch der Wellen eingeschläfert worden sein oder war eben im Begriff gewesen einzuschlafen, als sich der schwere Körper eines Mannes mit einem ziemlichen Ruck an das Faß lehnte. Es schwankte und ich wollte eben aufspringen, als der Mann zu sprechen anfing. Es war die Stimme Silvers, und wie ich kaum ein Dutzend Worte gehört hatte, wäre ich um keinen Preis der Welt zum Vorschein gekommen, sondern lag zitternd und horchend von Furcht und Neugierde bewegt da, denn aus diesen paar Worten hatte ich entnommen, daß das Leben aller ehrlichen Männer an Bord jetzt allein von mir abhing.