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Die Schatzinsel

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Die Schatzinsel
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Die Schatzinsel
Audioraamat
Loeb Thomas Dehler
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Lisateave
Die Schatzinsel
Audioraamat
Loeb Andreas Berg, Hans Meissner, Heinz Rabe, Karl Brugsch Heinrich, Klaus Jepsen, Paul Richter, Santiago Ziesmer
Lisateave
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Siebzehntes Kapitel

(Die Erzählung wird vom Doktor fortgesetzt)
Die letzte Ausfahrt der Jolle

Diese fünfte Ausfahrt verlief ganz verschieden von allen früheren. Vor allem war das Spielzeug von einem Boot schwer überlastet. Fünf erwachsene Männer, davon drei – Trelawney, Redruth und der Kapitän – über sechs Fuß hoch, das war mehr als ihm zuzumuten war. Dazu das Pulver, das Schweinefleisch und die Brotsäcke. Das Schandeck hing tief ins Wasser. Wiederholt bekamen wir Wasser herein und meine Hosen und Rockschöße waren triefnaß, ehe wir hundert Meter weit gekommen waren. Der Kapitän ließ uns das Gewicht des Bootes ausbalancieren und wir brachten es schließlich dazu, daß es glatter lag. Trotzdem wagten wir kaum zu atmen. Außerdem erzeugte jetzt die Ebbe eine starke Strömung, die durch das Becken westlich lief und dann südlich und seewärts die Durchfahrt hinunter, durch welche wir am Morgen gekommen waren. Selbst die Wellen bildeten für unser überladenes Fahrzeug eine Gefahr; doch das ärgste war, daß wir von unserem richtigen Kurs und von unserem eigentlichen Landungsplatz hinter der Spitze weggeschwemmt wurden. Wenn wir der Strömung keinen Widerstand geleistet hätten, hätten wir neben den Booten, wo die Seeräuber jeden Augenblick erscheinen konnten, ans Land gehen müssen.

„Ich kann die Spitze nicht nach den Palisaden zu kriegen, Herr“, sagte ich zum Kapitän. Ich steuerte, während er und Redruth, beide frische Männer, die noch nicht ermüdet waren, die Ruder bedienten. „Die Flut schwemmt es hinunter, könnt Ihr nicht etwas besser antauchen?“

„Nein – wenn wir das Boot nicht versenken wollen“, sagte er.

„Ihr müßt aushalten Herr, unbedingt bitte, aushalten bis Ihr seht, daß es geht.“

Ich versuchte und fand heraus, daß die Flut uns auch weiterhin nach Westen schwemmte, außer wenn ich die Spitze gerade nach Osten hielt oder im rechten Winkel zu unserem Ziel zusteuerte.

„In diesem Tempo werden wir aber niemals ans Ufer gelangen“, sagte ich.

„Wenn es der einzige Kurs ist, den wir nehmen können, Herr, so müssen wir ihn nehmen“, erwiderte der Kapitän. „Wir müssen uns stromaufwärts halten. Ihr seht,“ fuhr er fort, „wenn wir erst leewärts vom Landungsplatz abfallen, wäre es schwer zu sagen wo wir überhaupt landen würden und außerdem könnten wir noch von den Schifferbooten gekapert werden; während auf unserem Wege die Strömung nachlassen muß und dann können wir dem Ufer entlang ausweichen.“

„Die Strömung wird schon schwächer, Herr,“ sagte Gray, der vorne saß, „Ihr könnt ein wenig nachlassen.“

„Ich danke Euch“, sagte ich in ganz unbefangenem Tone, denn wir hatten alle stillschweigend beschlossen ihn als einen der unseren zu behandeln.

Plötzlich nahm der Kapitän das Wort und es schien mir als wäre seine Stimme leicht verändert.

„Die Kanone!“ sagte er.

„Daran habe ich gedacht“, sagte ich, denn ich glaubte er spreche von einer Bombardierung der Festung. „Sie würden die Kanone nie ans Ufer bekommen und wenn auch, könnten sie sie nicht durch die Wälder schleppen.“

„Schaut rückwärts Doktor“, erwiderte der Kapitän.

Wir hatten den langen Neunpfünder ganz vergessen und nun sahen wir zu unserem Entsetzen wie die fünf Schurken sich um ihn bemühten und ihm die Jacke abnahmen, wie sie die starke Decke aus geteertem Segeltuch nannten, mit der er zugedeckt war. Nicht nur das, sondern im selben Augenblick fiel mir ein, daß das Pulver und die Kanonenkugeln zurückgeblieben waren und daß ein Axthieb alles in den Besitz der Schurken an Bord bringen würde.

„Israel war Flints Kanonier“, sagte Gray mit heiserer Stimme.

Jeder Gefahr zum Trotz steuerten wir das Boot gerade auf den Landungsplatz hin. Wir waren nun schon so weit aus der Strömung draußen, daß wir bei unserem notwendig langsamen Rudertempo gerade auf unser Ziel lossteuern konnten. Doch das arge daran war, daß wir bei dem Kurs, den ich jetzt hielt, unsere volle Breitseite der Hispaniola zukehrten und ein Ziel boten so groß wie ein Scheunentor.

Ich konnte jenen branntweinnasigen Schuft, den Israel Hands, sehen – und hören konnte ich es auch, wie er eine Kanonenkugel aufs Deck fallen ließ.

„Wer ist der beste Schütze?“ fragte der Kapitän. „Herr Trelawney zweifellos“, sagte ich.

„Herr Trelawney, möchten Sie mir bitte einen dieser Leute herunterholen? Hands, wenn möglich“, sagte der Kapitän.

Trelawney blieb kalt wie Stahl und prüfte die Zündung seines Gewehres.

„Nun,“ rief der Kapitän, „vorsichtig mit dem Gewehr, Herr, oder Ihr versenkt das Boot. Alle halten die Balance während er zielt.“

Der Squire erhob sein Gewehr, wir hörten auf zu rudern und lehnten uns nach der Gegenrichtung, um das Gleichgewicht zu halten. Und alles wurde so gut gemacht, daß wir nicht einen Tropfen Wasser ins Boot bekamen.

Inzwischen hatten sie die Kanone um die Drehbrasse herumgedreht und Hands, der mit dem Ladestock an der Mündung stand, war infolgedessen am meisten exponiert. Trotzdem hatten wir kein Glück, denn gerade als Trelawney feuerte, bückte er sich, die Kugel pfiff über ihn hin und einer von den anderen vier fiel.

Der Schrei, den er ausstieß, fand nicht nur Widerhall an Bord, es erhoben sich auch eine Menge Stimmen vom Ufer her und als wir in jene Richtung blickten, sah ich die anderen Seeräuber aus dem Walde hervorkommen und an ihre Plätze in den Booten stürzen.

„Die Boote kommen“, sagte ich.

„Also ans Land!“ schrie der Kapitän. „Jetzt nicht mehr darauf achten, ob wir Wasser hereinbekommen. Wenn wir nicht ans Ufer können, ist alles aus.“

„Nur eins von den Ruderbooten wird bemannt, Herr,“ fügte ich hinzu, „die Mannschaft des anderen läuft wahrscheinlich am Ufer herüber, um uns abzuschneiden.“

„Die werden tüchtig zu laufen haben, Herr“, erwiderte der Kapitän. „Der Matrose auf dem Lande, Ihr kennt das! Die fürchte ich am wenigsten. Nur die Kanone; Zimmercroquet! kein Stubenmädchen könnte uns verfehlen! Sagt uns Squire, wenn das Spiel beginnt!“

Inzwischen waren wir in einem Tempo, das für ein so schwerbeladenes Boot ganz tüchtig zu nennen war, vorwärtsgekommen und hatten dabei nur wenig Wasser ins Boot bekommen. Jetzt galt es nur mehr dreißig oder vierzig Ruderschläge und wir konnten landen, denn die Ebbe hatte bereits einen schmalen Sandgürtel unter den Bäumen freigelassen. Das Ruderboot war nicht mehr zu fürchten, denn es war schon durch die kleine Krümmung unseren Blicken entzogen. Die Ebbe, die uns so grausam aufgehalten hatte, machte das nun gut, indem sie unsere Angreifer aufhielt. Die einzige Quelle der Gefahr war die Kanone.

„Wenn ich es wagen würde,“ sagte der Kapitän, „möchte ich mir gern noch einen Mann heraussuchen.“

Aber es war klar, daß nichts sie mehr abhalten konnte ihren Schuß abzufeuern. Sie kümmerten sich nicht einmal um ihren gefallenen Genossen, obwohl er nicht tot war und ich sehen konnte, wie er sich bemühte wegzukriechen.

„Jetzt!“ rief der Squire.

„Halt!“ rief der Kapitän zurück.

Und er und Redruth neigten sich mit ihrem ganzen Gewicht, so daß das Hinterschiff unter Wasser geriet. Im selben Augenblick fiel der Schuß. Das war der erste, den Jim hörte, denn der des Squire, war nicht bis zu ihm gedrungen. Wohin die Kugel traf wußte niemand von uns genau, aber ich denke, sie muß über unsere Köpfe hinweggeflogen sein und der Wind, den sie erzeugte, mag zu unserem Mißgeschick beigetragen haben.

Jedenfalls sank das Boot mit der Hinterseite ganz langsam drei Fuß unter Wasser. Der Kapitän und ich, einander gegenüber, blieben trocken. Die anderen drei machten vollständige Kopfsprünge und kamen durchnäßt und zappelnd wieder herauf.

Soweit war kein großes Unglück geschehen, wir waren am Leben und konnten bequem ans Ufer waten, doch da lagen unsere Vorräte auf dem Grunde, und was noch ärger war, nur zwei von unseren fünf Gewehren blieben in gebrauchsfähigem Zustande. Ich hatte das meinige förmlich instinktiv über meinen Kopf gehalten, und der Kapitän, der seines an einem Riemen um die Schulter trug, und zwar wie ein vernünftiger Mann, mit dem Schloß nach oben, hatte es ebenfalls gerettet. Die anderen drei Gewehre waren mit dem Boot gesunken.

Unsere Bestürzung wurde noch dadurch vermehrt, daß wir Stimmen durch das Gehölz am Ufer näherkommen hörten, so daß wir nicht nur in Gefahr waren in unserem halb wehrlosen Zustande vom Blockhaus abgeschnitten zu bleiben, sondern auch noch fürchten mußten, daß Hunter und Joyce, wenn sie von einem halben Dutzend angegriffen würden, nicht standhalten könnten. Hunter war ein sicherer Mann, das wußten wir, doch Joyce war ein zweifelhafter Fall – ein freundlicher, höflicher Mensch, zum Kammerdiener, der die Kleider bürsten sollte, sehr geeignet, aber nicht gerade zum Krieger geboren.

Mit solchen Gedanken im Kopf wateten wir so rasch wir konnten ans Ufer und ließen unsere arme Jolle und gut die Hälfte unseres Pulvers und unserer Vorräte zurück.

Achtzehntes Kapitel

(Die Erzählung wird vom Doktor fortgesetzt)
Das Ende des ersten Kampftages

Wir eilten so rasch wir konnten durch den Streifen Wald, der uns noch von den Palisaden trennte und bei jedem Schritt kamen uns die Stimmen der Freibeuter näher. Bald konnten wir ihre Schritte hören und das Krachen der Zweige, wie sie durch das Dickicht brachen.

Ich sah, daß ein Zusammenstoß bevorstehe und schaute mir die Zündung meines Gewehres an.

„Kapitän,“ sagte ich, „Trelawney ist ein Meisterschütze, gebt ihm Euer Gewehr, seines ist verdorben.“

Sie tauschten die Gewehre, und Trelawney, schweigend und kühl, wie er seit dem Beginn des Kampfes gewesen, blieb einen Augenblick stehen, um zu sehen ob alles in Ordnung sei. Da ich gleichzeitig bemerkte, daß Gray unbewaffnet war, gab ich ihm meinen Hirschfänger. Es tat uns allen wohl ihm zuzusehen, wie er in die Hand spuckte, die Augenbrauen zusammenzog und die Klinge durch die Luft sausen ließ. Aus jeder seiner Bewegungen ging deutlich hervor, daß unser neuer Helfer sein Futter wert war.

 

Fünfzig Schritt weiter kamen wir an den Rand des Waldes und sahen die Palisaden vor uns. Wir stießen auf die Umzäunung ungefähr in der Mitte der südlichen Front und fast gleichzeitig erschienen sieben Meuterer – Job Anderson, der Bootsführer, an ihrer Spitze – mit lautem Geschrei an der südwestlichen Ecke.

Sie standen still wie verblüfft, doch bevor sie sich vom Schrecken erholen konnten, hatten nicht nur der Squire und ich, sondern auch Hunter und Joyce aus dem Blockhaus Zeit zu feuern. Die vier Schüsse kamen in einer etwas zerstreuten Salve, doch taten sie ihr Werk: einer der Feinde fiel und die übrigen wandten sich, ohne zu zögern zur Flucht und verschwanden im Schatten des Gehölzes.

Nachdem wir wieder geladen hatten, begaben wir uns an die Außenseite der Umzäunung, um nach dem gefallenen Feind zu sehen. Er war mausetot – durchs Herz geschossen.

Eben als wir begannen uns unseres Erfolges zu freuen, krachte ein Pistolenschuß im Gehölz, eine Kugel pfiff knapp bei meinem Ohr vorbei und der arme Tom Redruth wankte und fiel der Länge nach zu Boden. Der Squire und ich gaben den Schuß zurück, doch da wir kein Ziel hatten, ist es wahrscheinlich, daß wir nur Pulver vergeudet hatten. Dann luden wir wieder und wandten nun unsere Aufmerksamkeit dem armen Tom zu.

Der Kapitän und Gray waren schon daran ihn zu untersuchen, doch sah ich mit einem flüchtigen Blick, daß alles vorbei war.

Ich glaube, daß die Bereitschaft unserer Gegensalve die Meuterer wieder zerstreut hatte, denn man ließ uns ohne weitere Belästigung den armen Wildhüter über den Zaun ziehen und den stöhnenden, blutenden Körper im Blockhaus bergen.

Armer, alter Kerl, nicht ein Wort der Überraschung, Klage, Furcht oder Zustimmung war ihm entfahren vom Anfang unserer Gefahren bis jetzt da wir ihn zum Sterben im Blockhaus niederlegten. Wie ein Trojaner war er hinter seiner Matratze im Schiffsgang gelegen; jeden Befehl hatte er schweigend, unverdrossen und gut ausgeführt. Er war um zwanzig Jahre älter als der älteste von uns, und nun war es gerade er, dieser alte, grämliche, treue Diener, der sterben mußte.

Der Squire kniete an seiner Seite nieder, küßte ihm die Hand und weinte dabei wie ein Kind.

„Muß ich gehen, Herr Doktor?“ fragte er.

„Tom, mein Freund,“ sagte ich, „du gehst heim.“

„Ich wollte ich hätte ihnen noch vorher mit dem Gewehr eins auswischen können“, antwortete er.

„Tom,“ bat der Squire, „sag, daß du mir vergibst, ja?“

„Wäre das respektvoll, wenn ich das zu Ihnen sagte, Squire?“ war die Antwort. „Immerhin, so sei es, Amen!“

Nach einer kurzen Stille sagte er, er dächte, daß vielleicht jemand ein Gebet lesen könnte. „Es ist so Sitte, Herr“, fügte er wie entschuldigend hinzu und ohne noch ein Wort zu sagen verschied er.

Inzwischen hatte der Kapitän, der mir schon vorher um den Brustkorb und die Taschen herum merkwürdig geschwollen vorgekommen war, eine große Menge verschiedener Vorräte ausgepackt – die englische Flagge, eine Bibel, eine Rolle starken Bindfadens, Feder, Tinte, das Logbuch und eine Menge Tabak. Innerhalb der Umzäunung hatte er einen ziemlich langen, gefällten Stamm gefunden und mit Hilfe Hunters befestigte er ihn im Winkel des Loghauses, wo die Balken sich im Eck kreuzten. Und dann kletterte er aufs Dach und hißte mit eigener Hand die englische Flagge.

Das schien ihm starken Trost zu gewähren. Er trat wieder in das Blockhaus ein und ging daran die Vorräte zu zählen, als ob nichts anderes existiere. Aber er hatte den toten Tom nicht vergessen und sobald alles vorüber war kam er mit einer zweiten Flagge und breitete sie ehrerbietig über den Leichnam.

„Nehmt es Euch nicht zu sehr zu Herzen, Herr,“ sagte er, dem Squire die Hand schüttelnd, „ihm gehts gut. Was kann einem Mann im Jenseits geschehen, der für seine Pflicht gegen Kapitän und Schiffsherrn gefallen ist? Das mag keine richtige Theologie sein, aber es ist eine Tatsache.“

Dann nahm er mich beiseite.

„Dr. Livesay, in wieviel Wochen erwarten Sie und der Squire das Hilfsschiff?“

Ich sagte ihm, daß dies nicht eine Frage von Wochen, sondern von Monaten sei und daß erst wenn wir Ende August nicht zurück wären, Blandly um uns zu schicken versprochen hatte, aber nicht früher und nicht später.

„Ihr könnt Euch das selbst berechnen“, sagte ich.

„Nun ja,“ erwiderte der Kapitän, sich den Kopf kratzend, „und wenn ich auch der Vorsehung für alles Gute dankbar bin, so muß ich doch sagen, daß wir ziemlich schlecht weggekommen sind.“

„Wie meint Ihr das?“ fragte ich.

„Es ist ein Jammer, Herr, daß wir die zweite Ladung einbüßten, das habe ich gemeint“, erwiderte der Kapitän. „Pulver und Blei werden wir so ziemlich genug haben, aber die Rationen sind klein, sehr klein – so klein, Dr. Livesay, daß es vielleicht gut ist, daß wir diesen Esser nicht mehr bei uns haben.“

Und er zeigte auf den toten Körper unter der Flagge. Und eben in diesem Augenblick pfiff heulend eine Kanonenkugel hoch über dem Dach des Blockhauses vorbei und fiel weit von uns ins Gehölz.

„Oho!“ sagte der Kapitän. „Feuert nur darauf los. Ihr habt wenig Pulver genug, Burschen!“

Beim zweiten Versuch wurde besser gezielt und die Kugel fiel innerhalb der Umzäunung nieder, indem sie eine Wolke von Sand aufstäubte doch sonst keinen Schaden tat.

„Kapitän,“ sagte unser Gutsherr, „das Haus ist vom Schiffe aus ganz unsichtbar, sie werden wohl auf die Flagge zielen. Wäre es nicht gescheiter, sie hereinzunehmen?“

„Meine Fahne einziehen!“ rief der Kapitän. „Nein, Herr, das tue ich nicht!“

Und ich glaube, kaum daß er das Wort ausgesprochen hatte, wir alle mit ihm einig waren, denn damit zeigte er nicht nur starken, vornehmen Seemannsstolz, sondern es war außerdem klug, weil unsere Feinde sahen, daß wir ihre Kanonade verachteten.

Den ganzen Abend lang donnerten sie darauf los, Kugel um Kugel flog über den Zaun oder fiel draußen nieder oder in den Sand innerhalb der Umzäunung, doch waren sie genötigt, so hoch zu feuern, daß die Geschosse wirkungslos niederfielen und sich im weichen Sande eingruben. Wir hatten ein Abprallen nicht zu befürchten und obwohl ein Schuß durch das Dach des Blockhauses ging und durch den Boden wieder heraus, so gewöhnten wir uns an dieses Spiel und achteten nicht mehr darauf als wenn es Kricket gewesen wäre.

„Eines ist gut bei alledem,“ bemerkte der Kapitän, „der Wald vor uns ist wahrscheinlich rein. Die Ebbe hat schon vor einiger Zeit eingesetzt, unsere Vorräte dürften frei liegen. Freiwillige vor und bringt das Schweinefleisch herein.“

Gray und Hunter gingen als die ersten vor. Gut bewaffnet stahlen sie sich aus den Palisaden hinaus, doch erwies sich das als eine nutzlose Sendung. Die Meuterer waren kühner als wir annahmen, oder sie setzten mehr Vertrauen in Israels Kanonierkünste, denn vier oder fünf waren fleißig dabei unsere Vorräte wegzutragen und bis zu einem der Ruderboote zu waten, das in der Nähe lag und das mit ein paar Ruderschlägen gegen die Strömung festgehalten wurde. Silver selbst führte das Kommando vom Achtersitz aus und jeder von ihnen war bereits mit einem Gewehr versehen, das offenbar aus irgendeiner geheimen Waffenkammer stammte, die sie sich eingerichtet hatten. Der Kapitän setzte sich nun zu seinem Logbuch und begann folgende Eintragung:

„Alexander Smollett, Kapitän; David Livesay, Schiffsarzt, Abraham Gray, Zimmermann; John Trelawney, Schiffsherr; John Hunter und Richard Joyce, Diener des Schiffsherrn, Landratten – alles was von der Schiffsgesellschaft treu blieb – mit Vorräten für zehn Tage bei knappen Rationen, kamen heute ans Land und pflanzten die britische Flagge auf dem Blockhaus der Schatzinsel auf. Thomas Redruth, Diener des Schiffsherrn, wurde von den Meuterern erschossen. James Hawkins, Schiffsjunge – “

Und ich dachte nach, was wohl aus dem armen Jim Hawkins geworden sein mag.

Ein Halloruf von der Landseite.

„Jemand ruft uns“, sagte Hunter, der die Wache hatte.

„Doktor, Squire, Kapitän, hallo! Hunter, seid ihr das?“ wurde gerufen. Ich lief zur Tür und sah Jim Hawkins heil und gesund über die Umzäunung klettern.

Neunzehntes Kapitel

(Die Erzählung wird wieder von Jim Hawkins aufgenommen)
Die Besatzung im Blockhause

Sowie Ben Gunn die Fahne sah blieb er stehen, hielt mich am Arm fest und setzte sich dann auf den Boden.

„Na,“ sagte er, „das sind doch ganz sicher Eure Freunde.“

„Viel wahrscheinlicher sind es die Meuterer!“ antwortete ich.

„Das!“ rief er aus. „Nein, an einem solchen Ort, wo niemand anderes hinkommt als ‚Glücksritter‘, da würde Silver die Freibeuterflagge hissen, das ist doch ganz sicher. Nein! Das sind Eure Freunde. Es ist auch zu Schlägen gekommen und ich denke Eure Freunde sind die stärkeren geblieben und nun sind sie hier in der alten Umzäunung, die Flint vor vielen Jahren errichtet hat. Oh! das war ein gescheiter Kerl, dieser Flint; bis auf den Rum war keiner ihm gleich. Und fürchtete sich vor niemandem. Nur Silver – Silver war so aalglatt.“

„Nun,“ sagte ich, „das mag schon so sein, um so mehr muß ich eilen und zu meinen Freunden hin.“

„Nein Kamerad,“ erwiderte Ben, „das werdet Ihr nicht tun, Ihr seid ein guter Junge, wenn ich nicht sehr irre, aber doch seid Ihr nur ein Junge alles in allem. Nun, Ben Gunn ist pfiffig; nicht einmal Rum würde mich hinbringen, dorthin, wo Ihr hingeht – nein, nicht einmal Rum, bis ich Euren wohlgebornen Gentleman sehe und sein Ehrenwort habe. Und Ihr werdet meine Worte nicht vergessen – bedeutend mehr Vertrauen (so werdet Ihr es sagen) ist nötig – und dann werdet Ihr ihn so kneifen.“

Und er zwickte mich zum drittenmal, immer mit der gleichen Miene von Schlauheit.

„Und wenn man Ben Gunn braucht, so wißt Ihr, wo er zu finden ist, Jim. Genau dort, wo Ihr ihn heute gefunden habt. Und der, der kommt, muß etwas Weißes in der Hand tragen und allein kommen.

Oh, und dann müßt Ihr es so sagen: ‚Ben Gunn‘, sagt Ihr, ‚hat schon seine eigenen Gründe.‘“

„Nun,“ sagte ich, „ich glaube zu verstehen: Ihr habt etwas vorzuschlagen und wünscht den Squire und den Doktor zu sehen und seid dort zu finden, wo ich Euch gefunden habe. Ist das alles?“

„Und wann? müßt Ihr sagen“, fügte er hinzu. „Nun etwa von Mittag bis sechs Uhr.“

„Gut,“ sagte ich, „kann ich jetzt gehen?“

„Ihr werdet nicht vergessen?“ erkundigte er sich besorgt. „Bedeutend mehr Vertrauen“ und „seine eigenen Gründe“, sagt Ihr. Seine eigenen Gründe, das ist die Hauptsache. Zwischen Mann und Mann. Nun also“, und dabei hielt er mich noch fest —

„Ich denke jetzt könnt Ihr gehen, Jim. Und Jim, wenn Ihr Silver seht, werdet Ihr Ben Gunn nicht verraten? Nicht einmal wilde Rosse würden es Euch herauslocken. Ihr sagt nein? Und wenn diese Piraten ans Land kommen, Jim, was würdet Ihr sagen als – “

Er wurde durch einen lauten Knall unterbrochen, eine Kanonenkugel brach durch die Bäume und flog keine hundert Schritte von uns in den Sand. Im nächsten Augenblick rannten wir schon jeder nach einer anderen Richtung.

Gut eine Stunde lang erschütterten häufige Schüsse die Insel und immer wieder flogen Kugeln krachend durch die Wälder. Ich schlüpfte von Versteck zu Versteck, immer verfolgt – oder schien es mir so – von diesen schrecklichen Geschossen. Doch noch ehe das Bombardement zu Ende ging hatte ich, obwohl ich mich noch nicht in die Richtung des Blockhauses wagte, wo die Kugeln am häufigsten fielen, wieder Mut gefaßt.

Und nach einem weiten Umweg gegen Osten kroch ich zwischen den Uferbäumen hinunter.

Die Sonne war eben untergegangen, der Seewind rauschte und polterte in den Wäldern und kräuselte die graue Wasserfläche des Ankerplatzes. Die Flut lag weit draußen und große Strecken Sandes lagen unbedeckt. Die Luft war nach der Hitze des Tages so abgekühlt, daß es mich trotz meiner Jacke fröstelte.

Die Hispaniola lag noch dort, wo sie Anker geworfen hatte, doch wirklich wehte der Jolly Roger, die schwarze Flagge der Freibeuter, von ihrer Spitze. Gerade als ich hinschaute, sah ich wieder einen roten Blitz und hörte einen Knall, dann ringsum knatterndes Echo, und noch ein Kanonenschuß pfiff durch die Luft. Das war der Schluß der Kanonade.

Ich lag noch eine Weile ruhig und lauschte einem Geräusch, das dem Angriff folgte. Irgend etwas wurde am Ufer nahe der Umzäunung mit Äxten zertrümmert. Es war, wie ich später entdeckte, die arme Jolle. Weiter seitwärts, nahe der Flußmündung, war ein großes Feuer unter den Bäumen angezündet und zwischen diesem Punkte und dem Schiff gingen fortwährend Ruderboote hin und her, und die Matrosen, die ich nur so düster kannte, lärmten beim Rudern wie die Kinder. Doch lag etwas im Klang ihrer Stimmen, was an Rum erinnerte.

 

Schließlich glaubte ich zur Umzäunung zurückkehren zu können. Ich befand mich ziemlich weit unten auf der niedrigen sandigen Landzunge, welche den Ankerplatz nach Osten umschließt und mit der Skelettinsel verbunden ist. Als ich mich jetzt erhob, sah ich in einiger Entfernung unterhalb der Landzunge einen einzelnen, ziemlich hohen und merkwürdig weißen Felsen, der sich aus dem niedrigen Gehölz erhob. Es fiel mir ein, daß dies der weiße Felsen sein könnte, von welchem Ben Gunn gesprochen hatte, und daß man eines Tages vielleicht ein Boot brauchen würde und ich dann wissen würde, wo eines zu finden sei.

Dann strich ich durch die Wälder, bis ich die rückwärtige, dem Ufer zugewandte Seite der Umzäunung erreicht hatte und wurde bald von der treuen Gesellschaft warm bewillkommt. Meine Geschichte war bald erzählt und ich begann mich umzuschauen. Das Blockhaus war aus unbehauenen Fichtenstämmen errichtet – Dach, Wände und Boden – . Die Diele stand fußhoch über der Sandfläche. Bei der Tür war ein Dachvorsprung und darunter floß die kleine Quelle in ein künstliches Becken von ziemlich merkwürdiger Art – nämlich in einen großen, eisernen Schiffskessel, dem man den Boden ausgeschlagen hatte und der in den Sand festgerammt worden war.

Außer dem Fachwerk des Hauses war wenig übriggeblieben. In einem Winkel stand eine Steinplatte über einem alten, rostigen Eisenkorb, was eine Art Herd darstellte. Das ganze Innere der Umzäunung und die Anhänge des Hügels waren zum Zwecke der Erbauung des Hauses ausgerodet worden und man konnte an den Stümpfen sehen, was für ein schönes und stattliches Wäldchen da zerstört worden war.

Der Waldboden war, nachdem man die Bäume niedergehauen hatte, zum großen Teil weggewaschen und von der Flut abgetrieben worden, und nur dort wo die Quelle aus dem Kessel hineinsickerte, wuchsen noch ein paar Farnkräuter, Moos und kleines Zwerggebüsch im Sand. Ganz eng um die Umzäunung herum – zu eng zur Verteidigung – war der Wald noch hoch und dicht, auf der Landseite gab’s nur Nadelholz, zur See zu mit Lebensbäumen stark untermischt.

Der kalte Abendwind, von dem ich schon gesprochen habe, pfiff durch jede Ritze des primitiven Gebäudes und besprenkelte den Boden mit einem ununterbrochenen Sprühregen feinen Sandes. In unseren Augen, in unseren Zähnen, in unserem Essen war Sand, Sand tanzte in der Quelle, am Boden des Kessels wie Hafergrütze, die zu kochen beginnt. Unser Rauchfang war ein viereckiges Loch im Dache, doch nur ein kleiner Teil des Rauches fand den Weg ins Freie und der übrige wirbelte im Haus herum und brachte uns zum Husten und unsere Augen zum Tränen. Dazu kommt, daß Gray, unser neuer Mann, das Gesicht verbunden trug, wegen eines Schnittes, den ihm die Meuterer, als er ihnen durchging, beigebracht hatten, und daß der arme, alte Tom Redruth noch unbegraben steif und starr unter der Flagge an der Wand lag.

Wenn man uns hätte faul herumsitzen lassen, wären wir alle trübsinnig geworden, doch dazu war Kapitän Smollett nicht der Mann. Er beschied alle zu sich und teilte uns in Patrouillen ein. Der Doktor, Gray und ich waren die eine, der Squire, Hunter und Joyce gehörten zur anderen. Trotzdem wir alle müde waren, wurden zwei um Brennholz hinausgeschickt; zwei hatten für Redruth ein Grab zu graben, der Doktor wurde zum Koch ernannt, ich wurde als Schildwache an die Tür gestellt und der Kapitän selbst ging von einem zum anderen, hielt uns in guter Stimmung und griff zu wo es notwendig war.

Von Zeit zu Zeit kam der Doktor zur Tür, um ein wenig Luft zu schöpfen und seine Augen auszuruhen, die fast ausgeräuchert waren. Und jedesmal hatte er ein paar Worte für mich.

„Dieser Smollett“, sagte er einmal, „taugt mehr als ich selber. Und wenn ich so etwas sage, so bedeutet das schon etwas, Jim.“

Ein anderes Mal kam er und blieb eine Weile stumm. Dann neigte er den Kopf zur Seite und schaute mich an.

„Ist dieser Ben Gunn ein Mensch?“ fragte er.

„Ich weiß nicht, Herr,“ sagte ich, „ich bin nicht ganz sicher, ob er bei Verstand ist.“

„Wenn darüber ein Zweifel sein kann, dann ist er bei Verstand“, erwiderte der Doktor. „Ein Mann, der drei Jahre auf einer verlassenen Insel sich die Nägel gebissen hat, Jim, kann nicht so normal scheinen wie du oder ich. Für Käse, sagst du, hat er so eine Vorliebe?“

„Ja Herr, für Käse“, antwortete ich.

„Nun, Jim,“ sagte er, „da sieht man, wie gut es sein kann, wenn man im Essen wählerisch ist. Du hast meine Schnupftabaksdose gesehen, nicht wahr? Und hast mich doch niemals schnupfen gesehen. Die Sache ist die, daß ich in meiner Schnupftabaksdose ein Stück Parmesankäse bei mir trage – einen italienischen, aber nahrhaften Käse. Nun, den kriegt Ben Gunn!“

Ehe wir zum Abendbrot gingen begruben wir den alten Tom im Sande und standen eine Weile barhäuptig im Winde um sein Grab. Eine tüchtige Menge Brennholz hatten wir hereingebracht, doch nicht genug nach der Ansicht des Kapitäns, der den Kopf schüttelte und sagte, daß wir „die Sache morgen etwas lebhafter angehen müßten“. Nachdem wir unser Schweinefleisch gegessen und jeder sein tüchtiges Glas steifen Grogs getrunken hatte, zogen sich die drei Herren zusammen in einen Winkel zurück, um unsere Aussichten zu besprechen.

Es scheint, daß sie nicht mehr recht aus und ein wußten, denn unsere Vorräte waren so klein, daß wir uns vor Hunger hätten längst übergeben müssen ehe Hilfe kam. Unsere beste Hoffnung bestand darin, so wurde es beschlossen, die Freibeuter abzuschießen, bis sie endlich ihre Fahne herunterholten oder mit der Hispaniola flohen. Von neunzehn war ihre Zahl schon auf fünfzehn gesunken, zwei weitere waren verwundet und zumindest einer davon – der Mann, der neben der Kanone angeschossen worden war – schwer verwundet, wenn nicht schon tot. Jedesmal wenn wir sie angriffen mußten wir mit der äußersten Vorsicht vorgehen, um uns selbst nicht zu gefährden. Und außerdem hatten wir zwei tüchtige Verbündete – den Rum und das Klima.

Was den Rum anlangt so konnten wir sie, trotzdem wir ungefähr eine halbe Meile entfernt waren, bis spät in die Nacht hinein singen und brüllen hören. Und was das Klima betrifft, verpfändete der Doktor seine Perücke dafür, daß so, wie sie im Sumpf kampierten und mit Fiebermitteln nicht versehen, die Hälfte von ihnen noch vor einer Woche auf dem Rücken liegen würde.

„So werden sie,“ fügte er hinzu, „wenn wir nicht doch vorher alle niedergeschossen werden, noch ganz froh sein den Schooner zu haben. Es ist immerhin ein Schiff und ich denke sie können damit wieder auf Freibeuterei gehen.“

„Das erste Schiff, das ich jemals verlor“, sagte Kapitän Smollett.

Ich war todmüde, wie man sich vorstellen kann, und kaum hatte ich mich niedergelegt, schlief ich schon wie ein Stück Holz.

Die übrigen waren schon lange auf und hatten bereits gefrühstückt und den Stoß Brennholz um die Hälfte vergrößert, als ich durch Lärm und den Klang von Stimmen geweckt wurde. „Weiße Fahne!“ hörte ich jemanden sagen und sofort darauf mit einem Ruf der Überraschung: „Silver selbst!“ Als ich das hörte, sprang ich auf und lief, mir die Augen reibend, zu einem der Gucklöcher in der Wand.