Die verbotenen Bücher

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Merkelanismus

Politik ist die Kunst des Pragmatischen. Das haben viele berühmte Menschen gesagt und es ist sicher wahr, dass man in der Tagespolitik nicht immer alles im Voraus wissen kann.

Manchmal ändern sich Paradigmen, die man nicht in voller Gänze vorhersehen kann und der politisch Handelnde muss sein Konzept neu gestalten.

Dennoch ist Politik auch das Geschäft der Visionen. Wenn man in der Politik tätig ist und keine Vision besitzt, dann ist man eben Realpolitiker. Der Bundeskanzler a. D. Helmut Schmidt hat einmal gesagt:

„Wer Visionen hat, sollte einen Arzt konsultieren.“

Nun konnte der werte Herr Schmidt aber nicht wissen, dass es mal eine Bundesregierung geben wird, die dieses Sinneswort ernst nimmt.

In Deutschland regiert seit gefühlten Jahrhunderten eine Dame, die visionsfrei ist. Zudem ist sie alternativlos. Das nie gewählte Unwort der letzten Legislaturperioden, ist zum zentralen Motiv einer Realpolitik geworden, die manchem Politikinteressierten die Freude am realen Tagesgeschäft der politischen Eliten entfremdet hat.

Seit die werte Dame ihr Gesicht zum Markenzeichen einer Dekade politischen Stillstands, bei gleichzeitiger erhöhter Flexibilität, erhoben hat, ist die Politik austauschbar geworden. Es gibt keine Grundlage, kein Axiom, keine Grundsatzentscheidung und keine Ansicht, die nicht morgen auch genau das Gegenteil bedeuten kann.

Die Kanzlerin ist extrem flexibel, was die Ausgestaltung von Realpolitik angeht. Die Ziehtochter eines Mannes namens Kohl, der auch gefühlte Jahrhunderte regierte, kennt sich in Alternativlosigkeiten aus. Es ist eine hohe Kunst des Pragmatischen, wenn man heute A proklamiert und morgen B verkündet. Das können nicht alle.

Die Kunstform des Alternativlosen ist dennoch relativ einzigartig in der Historie der Demokratie. Die Alternativlosigkeit ist nicht nur Ausdruck einer flexiblen Geisteshaltung, sondern auch Ausdruck des Gegenteils von Flexibilität. Man ist im Leben meist dann ohne Alternative, wenn man sich in eine biblische Bredouille manövriert hat.

Zum Beispiel beim Schachspiel hat man dann keinen Zug mehr zur Auswahl, wenn man derart schlecht gespielt hat, dass man kurz vor dem Schachmatt steht. Dann hat man keine Alternative und muss den König fallen lassen. Es bleibt einem dann möglicherweise nur ein Zug.

Wenn man aber ein Spiel beginnt, um beim Beispiel Schach zu bleiben, hat man Millionen Möglichkeiten, die alle den Verlauf des Spiels bestimmen.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Alternativlosigkeit fester Bestandteil der Realpolitik in Deutschland ist. Wir sind alternativlos, wenn wir Atomkraftwerke befürworten, und alternativlos, wenn wir sie dann ein paar Jahre später nicht mehr wollen.

Wir sind alternativlos, wenn wir den Griechen Milliarden aus der EU zuführen, und genauso alternativlos, wenn wir das morgen nicht mehr tun. Alles ist im Fluss und alles ist immer ganz anders als gestern.

Man könnte hinter diesem flexiblen Handeln auch ein Prinzip vermuten. Wer nicht starr und verbohrt an Prinzipien klebt, der kann auch viel besser reagieren. Oder man könnte meinen, dass nur der Realpolitiker versteht, dass es eigentlich gar nichts gibt, das wert ist, erhalten zu bleiben. Das hat dann schon fast faustische Ausmaße.

Die Kanzlerin hat aber wenig mit Herrn Goethe gemein. Eher scheint es, als ob die Kanzlerin ideologischen Scheuklappen derart enthoben ist, dass sie die Welt wie eine Fliege sehen kann. Im Facettenblick. Sie scheint Dinge zu sehen, die andere nicht sehen können. Nur das könnte erklären, dass die Kanzlerin ein rotes Auto morgen als blau empfindet. Oder einen Baum morgen für ein Wiesel hält.

Es gehört schon viel Mut zur Prinzipienlosigkeit dazu, jede politische Tat gänzlich neu zu bewerten. Man kann also der Kanzlerin nicht unterstellen, dass sie nicht das Potenzial für Revolution besitzt. Die werte Dame war auch schon einmal in der ehemaligen DDR aktiv in Propaganda. Heute ist sie das im kapitalistischen Gegenstück.

Die politische Flexibilität der Realpolitikerin Merkel ist schon bei einigen humorlosen Zeitgenossen zu dem Kunstbegriff „Merkelanismus“ geworden. Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob dieser Begriff auch schon an politischen Universitäten als neue Staatsform gelehrt wird, bin mir aber sicher, dass, wenn dem so wäre, der Merkelanismus es verdient hat, neben dem Kommunismus, dem Dadaismus und dem Maoismus, eingehend betrachtet zu werden.

Ich würde daher anregen, dass sich ambitionierte Soziologen dem Thema widmen und endlich den Merkelanismus untersuchen und analysieren. Was am Ende dabei herauskommen wird, kann man schlecht sagen.

Es wird da verschiedene Ansätze der Analyse geben. Vielleicht werden die Soziologen, die von der CDU finanziert werden, die realpolitische Flexibilität in den Vordergrund rücken und die Soziologen, die eher der SPD nahestehen, den Ansatz einer Starrheit untersuchen, die sich aus dem flexiblen Merkelanismus ergibt.

Allen Untersuchungen gemeinsam müsste aber sein, dass es sich bei dem Merkelanismus um eine eigenwillige Form des Staatswesens handelt.

Während die meisten politischen Ideologien darauf beruhen, dass man aus einer Analyse heraus die Welt beeinflusst, ist es beim Merkelanismus so, dass die Welt die Analyse der Politik bestimmt.

Kennen Sie noch Fukushima? Es gab mal eine Zeit, da sagte man, dass der atomare Super-Gau so wahrscheinlich ist, als ob man fünfmal hintereinander von einem Blitz getroffen würde. Da die Welt dann fünfmal hintereinander von einem Blitz getroffen wurde und sich somit eine Tragödie entwickelte, die das Unaussprechliche in Worte fasste, hört man von diesem Ereignis nicht mehr.

Es ist auch nicht gerade prickelnd und anregend, wenn man über Dinge berichten würde, die eben schlicht unaussprechlich sind. Deshalb kennt auch kaum noch jemand Fukushima. Niemand berichtet noch über das japanische Unglück, das den Super-Gau hat Wirklichkeit werden lassen. Kaum jemand weiß, wie viel verseuchtes Wasser jeden Tag in die Weltmeere gelangt und niemand will das wissen. Man ahnt, dass es eben Dinge gibt, die man nicht ändern kann. In Fukushima scheint es keine Lösung für den Supergau zu geben, und da es keine Lösung gibt, übergeht man das Ereignis süffisant. Das lässt sich vergleichen, mit einem Menschen, der die Depression damit bekämpft, dass er sie ignoriert.

Der Merkelanismus hat aber daraus Konsequenzen gezogen. Seit dem Super-Gau von Fukushima ist ein neues Wort entstanden.

Die alternativlose Energiewende.

Während Frau Merkel in ihrer politischen Laufbahn eine glühende Vertreterin der Atomkraft war, und die Atomkraftwerke für alternativlos hielt, ist sie seit Fukushima genau das Gegenteil geworden. Sie hat die Energiewende erfunden.

Es bleibt sicher begabten Historikern überlassen, zu analysieren, warum Frau Merkel das getan hat. Die Ereignisse von Fukushima stehen in kausalem Zusammenhang zu der alternativlosen Wende. Der Normalbürger merkt das an seiner Stromrechnung. Während einige wenige Monopolisten die Preise immer mehr in die Höhe treiben, und damit das Bezahlen der Stromrechnung viele Menschen in die Hände von Kredithaien treibt, ist das nur der eine Aspekt der Wende. Im Merkelanismus ist die Realpolitik derart ausgeprägt, dass man Alleingänge versucht, die zwar sinnlos sind, weil keiner da mitmacht, die aber dennoch sehr gut klingen und jedem einleuchten. Während ganz Europa aufrüstet, was Atomkraftwerke angeht, steht Deutschland in dem Ruf, sich einen feuchten Kehricht um andere Länder zu sorgen.

Es ist ein kaum verständlicher Vorgang, der ideologischen Parameter des Merkelanismus, dass es nicht zählt, ob eine Strategie sinnvoll ist, sondern das es vielmehr darauf ankommt, dass sie gut in die politische Landschaft passt.

Die Energiewende passt in Deutschland sehr gut in die Landschaft. Die Grünen haben das schon immer gefordert. Dass man eben aussteigt, aus dem atomaren Quatsch. Und die SPD wollte das auch. Die FDP vielleicht. Und die Linken - vielleicht.

Jedenfalls gab es sehr schnell Konsens unter den Parteien, dass man im Alleingang alle Atomkraftwerke abschafft. Da es aber dennoch nicht sehr sinnvoll ist, dass man so etwas im Alleingang macht, da eben ein in Frankreich explodierendes Kraftwerk für Deutschland genauso fatal wäre, wie ein Kraftwerk, das in Duisburg in die Luft geht, wurde dabei etwas ausgeblendet. Man will mit der Energiewende ein jesuitisches Zeichen setzen. Man möchte der Welt zeigen, dass Deutschland die potentesten Strombezahler hat. Also die Bürger, die auch bei 6000 € im Monat, für eine schlecht geheizte Wohnung, nicht klagen.

Das konnte nur der Merkelanismus schaffen. Der Merkelanismus hat viel Vorarbeit geleistet. Man war sich aufgrund der Vorarbeit sicher, dass der Deutsche so viel Geld hat, dass er alle alternativen Energieformen der Welt vorfinanziert. Der Merkelanismus geht davon aus, dass der Deutsche im Geld schwimmt. Warum das der Merkelanismus denkt, wird ein ewiges Geheimnis der Statistischen Bundesämter bleiben.

Es wurde Doktrin, dass man wegen Fukushima komplett umdenken muss. Da haben sich am Anfang viele Betreiber der Atomkraftwerke geärgert. Sie haben sich gedacht, dass man doch nicht alle Investitionen, die man als Energieerzeuger getätigt hat, dass man die doch nicht einfach in den Wind blasen kann.

Frau Merkel hatte den Einfall, dass man die Atomindustrie entschädigt. Deutschland hat nicht nur die potentesten Steuer- und Stromzahler, sondern Deutschland hat auch genug Geld, um die Atomkraftbetreiber aus dem Staatssäckel auf ein neues Pferd zu setzen.

 

Als die Atomindustrie dann erfuhr, dass die Energiewende derart alternativlos ist, dass man die Umsattelung finanziert und alle Folgeschäden großzügig subventioniert, waren die Betreiber auch gar nicht sauer. Sie dachten sich, dass wenn der Merkelanismus das unbedingt will, dann kann man da mitmachen. Seit dem forschen alle Atomkraftwerkebetreiber an anderen Formen der Energiegewinnung.

Es wäre nicht unbedingt verkehrt gewesen, wenn man die Energiewende angestrebt hätte, wenn es schon solche alternativen Modelle geben würde. Der Merkelanismus meinte aber, dass man das auch im Nachhinein erforschen kann. Es ist nicht schlimm, dachten sich viele, dass wir keine alternativen Energieformen haben, die eine flächendeckende Energieversorgung Deutschlands sicherstellen können, denn man kann doch auch darauf hoffen, dass man diese genialen imaginären Energiegewinnungskonzepte vielleicht durch Zufall entdeckt.

Das war ein sehr mutiger Vorstoß, wenn auch nicht gerade sehr vorausblickend.

Seit dem forschen sich viele begabte Geister dumm und dämlich. Sie forschen und sie forschen, aber irgendwie haben sie noch nicht den Durchbruch geschafft. Entgegen der Annahme der Merkelanisten, dass man schon irgendwann eine geniale Idee hat, wie man aus Insekten Energie gewinnt, oder so etwas in der Richtung, fand niemand etwas heraus, das eine Stromerzeugung alternativ befriedigend lösen kann.

Aber es bleibt dabei. Die Energiewende wird im Alleingang umgesetzt. und bald werden die deutschen Bürger lernen müssen, dass auch Kerzen Licht geben. Oder dass man auch nur einmal in der Woche badet. Das geht doch auch. Oder man muss endlich realisieren, dass Energie aus dem Ausland importiert werden muss. Das gute am Alleingang der Merkelanisten ist, dass andere Länder da nicht mitziehen. Das hat den Vorteil, dass man Strom immer noch bei den Atomkraftwerken bestellen kann, die von anderen Ländern betrieben werden. Das geht doch auch.

Man merkt jetzt schon, dass eine beheizte Wohnung, mit Licht und Backofen, sehr teuer ist. Kaum jemand, kann sich das leisten. Aber ich bin mir gewiss, dass der Deutsche, wenn er abends ein Feuer in seiner Wohnung entzündet, damit er nicht erfrieren muss, dass dieser Deutsche dennoch versteht, dass es eben Alternativlosigkeiten gibt, die man unterstützen muss.

Dann gab es die Sache mit den Griechen. Der Merkelanismus wird in die Geschichtsbücher mit der Subventionierung anderer EU-Länder als beispielhaft eingehen. Seit es die EU gibt, gab es kein Land, außer dass der Merkelanisten, das derart großzügig geholfen hat und andere Länder finanzierte.

Das war absolut alternativlos. Die EU ist groß und viele Länder haben nicht so viel Geld, wie die Deutschen.

Frau Merkel ist der Meinung, dass Deutschland den Euro nicht deshalb hat, damit man dafür etwas kauft, sondern sie hält es für angebrachter, dass man den Euro dazu nutzt, anderen Ländern in der EU Geld zu spenden. Die Merkelanisten sind radikal. Sie sind der Meinung, dass die EU für alle da ist. Nein, das klingt etwas kompliziert. Um es einfacher zu sagen, die EU ist eine Art föderalistischer Wohlfahrtsapparat.

Man könnte es damit vergleichen, dass die Deutschen auch nach der Wende im Osten der Republik Solidaritätssteuer entrichtet haben. Damit sich der Osten möglichst schnell an den Westen angleicht. Das hat so gut funktioniert, dass die Merkelanisten auf die Idee kamen, dass man dieses Modell auch auf ganz Europa übertragen kann. Es gibt nicht nur Bundesländer, die wenig Geld haben, sondern es gibt auch Staaten, die nicht genügend Bonität besitzen. Mit den Griechen war das aber schlimm. Dieses Land kam einfach nicht mit, was die Ausgestaltung der Union angeht. Sie hatten ständig Probleme mit dem Geld.

Frau Merkel sah sich das nicht lange an. Sie hat dann umgehend gehandelt und die vor dem Bankrott stehenden Regierungen der Griechen, mit etwas Polster ausgestattet. Es ging darum, einen Bankrott des Staates von Platon und Sokrates unbedingt zu verhindern. Die Merkelanisten sagten, dass es absolut fatal für Deutschland wäre, wenn die Griechen aus dem Euro aussteigen, die Drachme wieder einführen und damit eine Kettenreaktion in Gang setzen würden, die den gesamten Bankenapparat der EU sprengen würde.

Deshalb ersann man ganz viele Rettungspakete und Regenschirme, die den sauren Regen von der Akropolis fernhalten sollten.

Es gab auch damals schon Mahner, die sagten, dass die Griechen eine etwas andere Mentalität haben, als die Merkelanisten das so denken.

Der Grieche lebt gerne. Er ist auch nicht ganz so sparfreudig, wie das Frau Merkel sich wünschen würde. Frau Merkel spart immer. Zwar kann man nicht ganz nachvollziehen, was sie damit meint, denn konservativ betrachtet, bedeutet Sparen eigentlich das Gegenteil von Geldausgeben. Irgendwie hat Frau Merkel es aber geschafft, dass Geldausgeben jetzt Sparen heißt.

Da sie also das Bild der eisernen Sparerin etabliert hat, wollte sie nun auch, dass die Griechen auch sparen. Das taten die dann auch, denn sie wollten in der EU bleiben.

Die Folge war dann, dass das Sparen sehr vielen Griechen auferlegt hatte, dass man nun nicht mehr so sehr ans süße Leben denken sollte, sondern dass man am besten gar nichts mehr verlangt.

Die Milliarden, die die Merkelanisten den Griechen geliehen haben, sind dann in Kanälen versickert, die dieses Geld eher als Spende betrachteten und nicht der Meinung waren, dass man das auch vielleicht zurückzahlt. Die Merkelanisten hatten ein ganz anderes Menschenbild. Sie gingen davon aus, dass man die Steuermilliarden deshalb gibt, weil dann die Griechen sparen und sparen und irgendwann neue Branchen und Industriezweige erfinden, die aus Griechenland ein neues Atlantis formen.

Nun sind die Griechen sehr kreativ, aber die Illusion der Merkelanisten, wurde dann als eine solche enttarnt. Man hat in Griechenland eher Tourismus und Strand, Gyros und Zaziki, als Mercedes und Ford.

Das war immer schon so. Frau Merkel und ihre Getreuen wollten einfach nicht glauben, dass die Griechen nicht auch neue Schwerindustrien erfinden und entwickeln, die dann aus Griechenland ein Amerika der EU machen.

Das war besonders auch deshalb schwer, weil die Gelder bei den Griechen nicht ankamen. Zumindest nicht bei den Menschen, die vielleicht solche Industrien hätten entwickeln können. Die, die das Geld bekamen, taten genau das Gegenteil, als dieses Geld für die strukturelle Neuaufstellung zu verwenden. Sie dachten sich nämlich, dass man die Milliarden besser in Panzer und in Banken investiert, die dann anfingen, mit den geliehenen Milliarden zu spekulieren.

Die griechischen Bürger mussten sehen, dass eine Tüte Milch mehr kostete, als ein Urlaub in der Schweiz.

Als man dann den Merkelanisten sagte, dass es da Probleme gibt, dass das Geld gar nicht bei den Griechen ankommt, sondern eher in anderen Kanälen versickert, fingen die Börsen an, die Merkelanisten zu erpressen.

Die Börsen hatten eine geniale Idee. Die Anleger dachten sich, dass man, wenn die Merkelanisten eben solche panische Angst davor haben, dass Griechenland den Euro verlässt, das man doch das Ganze noch etwas anheizen könnte und gegen den Euro wetten könne.

Also fingen die Börsianer an, ein heiteres Länderraten zu erfinden. Sie spekulierten auf den Euro, dann wieder dagegen, dann gegen Griechenland, dann auf Deutschland, dann mal gegen Spanien, dann mal gegen die ganze EU.

Als man bei den Merkelanisten merkte, dass die Börsianer eine geradezu diabolische Freude am Zocken entwickelten, und damit die ganze EU ins Wanken brachten, war man aufgeschreckt und ersann eine Strategie, die es den Börsen etwas erschweren sollte, ganze Staaten zu verwetten.

Man sprach mit den Zockern und sagte deutlich, dass man die Banken und Anleger in aller Höflichkeit darum bitten würde, vielleicht in Zukunft etwas weniger zu wetten. Die Banken und Anleger hörten sich das auch geduldig an und versprachen, dass man in Zukunft nicht die ganze EU verwetten würde, sondern nur einige Länder.

Dann verabschiedeten sich die gescholtenen Zocker von der Regierung und fingen schon auf der Heimfahrt vom Kanzleramt wieder damit an, den Euro in bedrohliche Talfahrten zu manövrieren.

Frau Merkel musste in dieser Dekade jede Nacht wach bleiben. Es konnte sein, dass irgendein Anleger vielleicht mitten in der Nacht auf die Idee kam, den Euro aus dem Bankensystem zu kugeln.

Da die gefährlichen Anleger immer unberechenbarer wurden, mussten dann die Merkelanisten mitten in der Nacht Gegenstrategien entwickeln. Sie kauften auf, sie kauften ab, sie bauten Schirm um Schirm und waren immer den schlauen Anlegern einen Schritt hinterher.

Wenn dann irgendein Sack in Korea umfiel oder ein Banker zur Heuschrecke mutierte, wurden hektische Pläne entworfen, die alle immer kostspieliger wurden. Es wurden Rettungsschirme aufgebaut, die den bösen Anlegern den Spaß daran nehmen sollten, sich immer wieder am Geld der Europäer zu vergreifen.

Aus Millionen wurden Milliarden, aus Billionen wurden Trillionen. Wie auf einem Basar ging es zu. Die Notenbanken kamen kaum mit dem Gelddrucken hinterher, immer wieder gierte der Markt nach frischem Geld. Immer mehr Geld wurde so in Umlauf gebracht und die Zocker schlugen sich ganze Nächte um die Ohren, um das frisch gedruckte Geld ganz schnell zu verjubeln.

Die Griechen waren eine Zeit lang nicht mehr im Fokus.

Die Merkelanisten druckten immer wieder neues Geld und man ließ den Griechen am Sparen arbeiten.

Als dann aber die Meldung über die Ticker ging, dass die Griechen nicht mehr sparen wollen, sondern im Gegenteil, eine sozialistische Regierung wählen wollen, die gar nicht ans Sparen denkt, war es eine kleine Weile still im Kanzleramt.

Was nun, dachte man sich. Die Griechen wollen weiter am Euro teilhaben aber nicht mehr sparen. Das ist schlecht.

Dann passierte ein Wunder des Merkelanismus.

Die alternativlose Politik der Rettungsschirme und des Gelddruckens war auf einmal gar nicht mehr alternativlos. Man begann, zunächst ganz heimlich, darüber zu spekulieren, ob man jetzt ohne die Griechen den Euro behalten kann.

Die noch gestern undenkbare Alternative. rückte mehr und mehr in den Vordergrund.

Es bleibt abzuwarten, welchen Kurs, der Merkelanismus in Zukunft nehmen wird. Man kann sich aber sicher sein, dass Überraschungen vorprogrammiert sind. Realpolitik ist das Gegenteil von Katechismus. Realpolitik ist das flexible Handeln nach Ereignissen. Also eine Art Reaktion, aber keine Aktion. Der Realpolitiker ist ein Reagierender und kein Regierender. Man merke sich das.