Kommunikationswissenschaft

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Die jeweils versuchte symbolisch vermittelte Interaktion setzt allerdings – mit Blick auf das oben (Kap. 2.3) diskutierte konstante Ziel von Kommunikation (Verständigung) – voraus, dass im Bewusstsein beider Kommunikationspartner dieselben (bzw. ähnliche) Bedeutungen aktualisiert werden können. Gelingende menschliche Kommunikation verlangt also einen Vorrat an Zeichen, die für die jeweiligen Kommunikationspartner dieselben (bzw. ähnliche) „Objekte“ (Zustände, Vorstellungen, Anschauungen, Ideen etc.) symbolisieren. Symbole, die dieses leisten, nennt G.H. Mead „signifikante Symbole“.

Ein signifikantes Symbol ist demnach ein Zeichen, das eine dahinterstehende Idee (d. h. einen bestimmten Vorstellungsinhalt) ausdrückt und diese Idee auch im Bewusstsein des/der jeweiligen Kommunikationspartner wachruft (vgl. Mead 1968: 85). Im Anschluss an Mead lässt sich Kommunikation daher als „gemeinsame Aktualisierung von Sinn“ (Luhmann 1971: 42) begreifen. Vorausgesetzt wird also eine mehr oder weniger „gemeinsam zugrunde gelegte Sinnstruktur“ (ebd.: 43).

Wie kann es aber – so ist hier zu fragen – angesichts des engen Zusammenhanges von persönlicher Erfahrung und Symbolbildung überhaupt zur Entstehung derartiger signifikanter Symbole kommen, wenn sie bei verschiedenen Menschen stets Unterschiedliches aktualisieren?

Man darf an dieser Stelle nicht unter dem (vermeintlichen) Deckmantel symbolischinteraktionistischen Denkens einem extremen Subjektivismus das Wort reden. Es wäre wohl eine Fehlinterpretation des theoretischen Ansatzes, wollte man aus diesem ableiten, der Symbol- bzw. Bedeutungsvorrat eines Individuums sei ausschließlich (!) „individualistisch“ und besitze mit ebendem eines anderen Menschen so gut wie überhaupt keine Ähnlichkeiten. Sicher trifft es zu, dass jeder von uns „seine“ Symbole bzw. deren Bedeutungsinhalte aus einem ganz persönlichen, subjektiven Erlebnis- und Erfahrungszusammenhang heraus entwickelt. Genauso sicher scheint aber auch zu sein, dass diese (unsere persönliche) Erlebniswelt viele Gemeinsamkeiten mit derjenigen unserer Mitmenschen aufweist. Sozialisationsinstanzen (wie Familie, Schule, Freundeskreis Arbeitsplatz bis hin zu diversen Medien) sorgen ja für weitreichende Ähnlichkeiten in der Denk- und Erfahrungswelt einer mehr oder weniger großen Sozietät.

So werden verschiedene Personen in unserer modernen (hochtechnisierten) Gesellschaft mit dem Symbol „Auto“ wohl ähnliche Objektvorstellungen verbinden. Dieses (sprachliche) Symbol wird im Bewusstsein verschiedener Individuen also mehr oder weniger ähnliche Bedeutungsinhalte aktualisieren; es kann somit (für die Mitglieder derartiger Gesellschaften) als ein signifikantes Symbol bezeichnet werden.

Was jedoch von der symbolisch-interaktionistischen Position für das menschliche Kommunikationsgeschehen abgeleitet werden soll, ist die Einsicht, dass unterschiedliche Erlebnisdimensionen in ein und derselben Realität existieren. Der Umstand, dass Menschen – wenigstens innerhalb eines bestimmten raumzeitlichen Kontinuums – unter ähnlichen sozioökonomischen Bedingungen leben, impliziert nämlich keineswegs, dass sie die „Objekte“ dieser gemeinsamen Realität auch identisch erleben. Im Gegenteil: Ein und dasselbe Objekt bzw. dessen Symbol kann im Bewusstsein verschiedener Menschen auch verschiedene Erlebnisdimensionen aktualisieren. Je unähnlicher die Erfahrungsbereiche von Personen sind, desto unähnlicher werden wohl auch die jeweils individuell aktualisierbaren Erlebnisdimensionen sein (und umgekehrt).

Um das Auto-Beispiel weiterzuführen: Man kann ein Auto als bloßes „Fortbewegungsmittel“ erleben; man kann darin ein „hochentwickeltes technisches Industrieprodukt“ sehen; es kann als „Sport-“ oder „Freizeitgerät“ empfunden werden; man kann es als „Statussymbol“, sogar als „Fetisch“ betrachten; man kann es aber auch als ein die Luft verschmutzendes und den Klimawandel beschleunigendes Fortbewegungsmittel entlarven. Das sind unterschiedliche (und sicher nicht alle) Möglichkeiten, das reale Objekt „Auto“ in unseren technisierten und umweltsensiblen Gesellschaften zu erfahren bzw. zu erleben.

Erlebnisdimension meint also nichts anderes als die Qualität der persönlichen Erfahrung, die im Umgang mit einem „Objekt“ der Realität gewonnen wird und die sich schließlich zu einer subjektiven Bedeutung eben dieses „Gegenstandes“ im Bewusstsein verfestigt. Bedeutung kann in diesem Sinn als die Summe aller Erfahrungsqualitäten in Form mental gespeicherter Erlebnisdimensionen betrachtet werden.

Wenn nun also Menschen im Prozess der kommunikativen Interaktion symbolisch vermittelt zueinander in Beziehung treten, dann aktualisieren sie ja genaugenommen jeweils bestimmte Erlebnisdimensionen, die in ihrem eigenen Bewusstsein „gespeichert“ sind. Indem sie Symbole benützen, rufen sie ihr individuelles Erfahrungsrepertoire wach, das durch die jeweiligen Symbole repräsentiert wird. Nur dann, wenn wenigstens Teile dieser gespeicherten Erlebnisdimensionen im Bewusstsein beider Kommunikationspartner vorhanden sind, kann Kommunikation gelingen bzw. Verständigung zustande kommen.


Abb. 4: Verständigung als Schnittmenge von Bedeutungsvorräten (eigene Darstellung)

Abb. 4 veranschaulicht eine derartige Kommunikationssituation. Zwei Kommunikationspartner·innen (A und B) treten durch ihr wechselseitig aufeinander gerichtetes kommunikatives Handeln zueinander in Beziehung. Sie verwenden ein ihnen gemeinsam zur Verfügung stehendes Medium (z. B. die Sprache) und versuchen, durch den Gebrauch von Zeichen bzw. Symbolen bestimmte Bedeutungen „miteinander zu teilen“. Dabei aktualisieren sie im Bewusstsein jeweils subjektiv vorhandene Bedeutungsvorräte in Form gespeicherter Erlebnisdimensionen. Im angenommenen Fall sind die aktualisierten Bedeutungsvorräte (A und B) einander ähnlich, denn die „Mengen“ der auf beiden Seiten vorhandenen Erlebnisdimensionen überschneiden sich teilweise. In diesem Bereich kommt es daher zur Verständigung zwischen A und B. Derjenige Teil an Bedeutungsvorräten, der sich außerhalb der gekennzeichneten „Schnittmenge“ befindet, soll die extrem subjektspezifischen Erfahrungsqualitäten andeuten, welche die beiden Kommunikationspartner·innen nicht miteinander teilen (können). In diesem Bereich ist – jedenfalls mit Hilfe der im Augenblick verwendeten Symbole – keine Verständigung zwischen A und B möglich. Je ähnlicher die Tätigkeits- und Erfahrungsbereiche sind, aus denen die Erlebnisdimensionen wachgerufen werden, desto größer wird diese „Schnittmenge“ sein. Je unterschiedlicher diese Erfahrungsbereiche sind, desto kleiner wird sie. Die völlige Deckungsgleichheit oder auch das völlige Fehlen einer derartigen „Schnittmenge“ sind (theoretisch) denkbare, aber (praktisch) im Rahmen einer Sozietät wohl nicht sehr wahrscheinliche Extremfälle.44

Diese symbolisch-interaktionistischen Überlegungen verhelfen zur Einsicht, dass selbst ein identischer Zeichen- bzw. Symbolvorrat verschiedener Menschen bestenfalls einen (mehr oder weniger) ähnlichen Bedeutungsvorrat impliziert. In diesem Sinn ist also auch für die „signifikanten Symbole“ (im Sinn von Mead) eine Grauzone von Vorstellungsinhalten bzw. Erlebnisdimensionen mitzudenken, die von den jeweiligen Kommunikationspartner·innen nicht miteinander geteilt werden (können).

2.6 Die humanspezifische Kommunikationsmodalität: Zusammenfassung und terminologische Ergänzung

Zunächst eine komprimierte Rekapitulation der bisher geleisteten Begriffserklärung:

•Kommunikation wurde zuallererst als ein grundsätzlich soziales Phänomen erkannt. Mit dem Attribut „sozial“ gerieten alle jene Verhaltensweisen in den Blick, die Lebewesen im Hinblick aufeinander verrichten.

•Für die menschliche Kommunikation wurde sodann mit dem Begriff der „sozialen Handlung“ der intentionale Charakter menschlichen Tuns hervorgehoben: Die Tatsache, dass es uns Menschen möglich ist, mit unserem Handeln bewusst Ziele zu verfolgen und unserem Handeln damit einen „Sinn“ zu geben, hat zur Einsicht verholfen, dass auch kommunikatives Handeln nicht um seiner selbst willen gesetzt wird, sondern ebenso als Mittel zum Zweck (intentional) gesehen werden kann.

•Dieser intentionale Charakter menschlichen Handelns führte im Hinblick auf kommunikatives Handeln schließlich zu folgender Differenzierung:

–Zum einen wurde eine allgemeine Intention kommunikativen Handelns erkannt: Sie besteht darin, etwas mitteilen zu wollen. Dieser Mitteilungsintention entspricht als konstantes Ziel kommunikativen Handelns die Verständigung zwischen den jeweiligen Kommunikationspartner·innen. Verständigung liegt immer dann vor, wenn die Kommunikationspartner·innen die jeweils zu vermittelnden Bedeutungen wenigstens annäherungsweise „miteinander teilen“.

–Zum anderen wurde eine spezielle Intention kommunikativen Handelns erkannt: Sie impliziert die Existenz spezifischer Kommunikationsinteressen und verweist auf den eigentlichen Anlass jeglichen kommunikativen Handelns. Dieser speziellen Intention wurde als variables Ziel kommunikativen Handelns die (jeweils situationsbezogene) Interessenrealisierung zugeordnet. Eine solche Realisierung kommunikativer Interessen liegt dann vor, wenn die mit der jeweils gesetzten kommunikativen Aktivität beabsichtigten Folgen auch tatsächlich eintreten.

 

•Als Konsequenz dieser Überlegungen rückte der Prozesscharakter des Kommunikationsgeschehens in den Mittelpunkt: (Menschliche) Kommunikation wurde als doppelseitiges Geschehen erkannt und somit als spezifische Form der sozialen Interaktion begriffen. Mit Blick auf Verständigung (als das konstante Ziel kommunikativen Handelns) wurde die – wenn auch nur annäherungsweise erreichbare – wechselseitig vollzogene Bedeutungsvermittlung als (gelungene) Kommunikation definiert.

•Für dieses wechselseitig aufeinander gerichtete kommunikative Handeln benötigt man stets ein Ausdrucksmittel: Das Vorhandensein bzw. der Einsatz eines Mediums und die Verwendung eines Kommunikationskanals erwiesen sich als unbedingte Voraussetzungen und damit als immanente Bestandteile von Kommunikation.

•Das Medium als Vermittlungsinstanz zwischen den Kommunikationspartnern macht es erst möglich, eine Anzahl von Ausdrucksformen zu generieren, innerhalb derer verschiedene Bedeutungsinhalte als Zeichen wahrnehmbar werden: Der Kommunikationsprozess ist immer auch ein Zeichenprozess.

•Für die menschliche Kommunikation konnte schließlich eine bestimmte Möglichkeit des Gebrauchs von Zeichen als typisch erkannt werden: Menschen sind in der Lage, Zeichen stellvertretend für etwas (Gemeintes) zu verwenden. Zeichen, die eine derartige Repräsentationsfunktion erfüllen, werden Symbole genannt.

•Menschliche Kommunikation konnte somit als symbolisch vermittelte Interaktion begriffen werden. Damit ist ein In-Beziehung-Treten gemeint, das darauf abzielt, mit Hilfe gemeinsam verfügbarer Zeichen in Symbolfunktion wechselseitig vorrätige Bedeutungsinhalte im Bewusstsein zu aktualisieren.

Aus der bisher dargestellten und hier resümierten Sichtweise von (zwischenmenschlicher) Kommunikation lassen sich nun vier Faktoren abstrahieren, die das grundlegende „kommunikative Gerüst“ jedes ablaufenden Kommunikationsgeschehens bilden. Ein Kommunikationsprozess impliziert demnach:

•jemanden, der etwas mitteilen will,

•die Aussage/Botschaft (als Form für die mitzuteilenden Bedeutungsinhalte),

•ein Medium (als Vermittlungsinstanz sowie -kanal) sowie

•jemanden, an den die Botschaft gerichtet ist.

Wir wissen bereits: Die bloße Existenz eines derartigen kommunikativen „Gerüsts“ bedeutet freilich noch nicht, dass Kommunikation auch tatsächlich stattfindet. Es kann ja, wie ausführlich erläutert wurde, beim erfolglosen Versuch bleiben.

Der Grund für diese komprimierte Aktualisierung des bislang entwickelten Begriffs von Humankommunikation besteht darin, dass die bereits eingeführte Terminologie nun um weitere, in der Fachsprache gebräuchliche Begriffe zu ergänzen ist. Zunächst handelt es sich um die Termini „Kommunikator·in“ und „Rezipient·in“.

Als Kommunikator·in gilt der·die kommunikativ Handelnde, der·die etwas mitteilen will. Er·sie versucht (entsprechend seiner·ihrer allgemeinen Intention) eine Mitteilungs-Handlung zu setzen, indem er·sie die mitzuteilenden Inhalte durch den (symbolischen) Gebrauch von Zeichen bzw. Symbolen unter Verwendung eines Mediums für jemanden Anderen zugänglich macht. Der·die Kommunikator·in ist somit derjenige Faktor im kommunikativen Gerüst, der als die Quelle mitzuteilender Botschaften fungiert und diese an den/die Empfänger·innen adressiert. Dementsprechend findet man auch die Bezeichnungen Sender, Produzent·in, Adressant.

Als Rezipient·in gilt dagegen der·die kommunikativ Handelnde, der·die etwas verstehen will. Er·sie versucht (ebenfalls entsprechend seiner·ihrer allgemeinen Intention) eine Verstehens-Handlung zu setzen, um die medial vermittelten Zeichen bzw. Symbole zu empfangen und deren Bedeutung zu entziffern. Der·die Rezipient·in ist somit derjenige Faktor im kommunikativen Gerüst, an den die vermittelten Botschaften adressiert sind. Dementsprechend findet man auch die Bezeichnungen Empfänger·in, Konsument·in, Adressat·in.


Abb. 5: Mitteilungs- und Verstehens-Handlung (eigene Darstellung)

Abb. 5 visualisiert dieses kommunikative Gerüst mit seinen Faktoren Kommunikator·in (K), Aussage (A), Medium (M) und Rezipient·in (R) inklusive der Mitteilungs- und Verstehens-Handlung. Damit wird abermals die (bereits erwähnte) Wechselseitigkeit – oder auch Reziprozität45 – des kommunikativen Geschehens erkennbar: Kommunikator·inen können nur „kommunizieren“ (mitteilen), wenn Rezipierende auch tatsächlich „rezipieren“ (aufnehmen und verstehen) wollen. Damit ist neuerlich verdeutlicht, „dass im Kommunikationsprozess prinzipiell eben keine einseitige Intention, Transmission und Rezeption möglich ist“ (Merten 1977: 46). In diesem Sinn erweist sich (menschliche) Kommunikation als ein implizit reziproker Prozess, d. h. als ein Geschehen, das die Wechselbezüglichkeit, also das Aufeinanderbezogen-Sein des kommunikativen Handelns mit einschließt. Oder anders (im Hinblick auf die hier verwendete Terminologie) formuliert: Eine Mitteilungshandlung verlangt stets nach einer Verstehens-Handlung und umgekehrt. Außerdem sei (zum wiederholten Mal) in Erinnerung gerufen, dass Kommunikation (gemäß dem hier entwickelten Verständnis) nur dann stattgefunden hat, wenn Verständigung über die mitgeteilte Aussage zustande gekommen ist, wenn also die beiden Kommunikationspartner·innen (K) und (R) in der Lage waren, die Bedeutungs inhalte der medial (M) vermittelten Aussage (A) auch (wenigstens annäherungsweise) „miteinander zu teilen“.

Es liegt auf der Hand, dass real ablaufende Kommunikationsprozesse eine diesbezügliche Erfolgskontrolle dringend zu benötigen scheinen, zumal die hier im Mittelpunkt stehende Verständigungsdimension ausschließlich die allgemeine Intention bzw. das konstante Ziel kommunikativen Handelns repräsentiert.46

Ein derartiger – gleichsam in die Alltagskommunikation eingebauter – „Kontrollmechanismus“ existiert in der Tat. Er hängt eng mit der hier betonten impliziten Reziprozität kommunikativen Geschehens zusammen bzw. folgt aus dieser. Seine Darstellung geht somit über die hier geleistete Zusammenfassung hinaus.

2.7 Feedback: eine Erfolgskontrolle kommunikativen Handelns

Zur Darstellung der Erfolgskontrolle kommunikativen Handelns ist eine systemtheoretische Perspektive nützlich.47 Etwas als System betrachten meint, bestimmte Dinge oder Sachverhalte als miteinander verbunden zu sehen (Giesen 1975: 158). Diese Dinge oder Sachverhalte gelten als die Elemente des Systems und erfüllen dann bestimmte Funktionen (Leistungen), d. h. sie tragen zum Erreichen oder auch Nicht-Erreichen (Dysfunktionen) eines Zieles bei (Merten 1999: 82 ff., Narr 1969: 118, Stark 2013: 164 ff.).

Eine besondere, im vorliegenden Zusammenhang v. a. interessierende Systemkonzeption liegt mit dem sogenannten Input-Output-Modell (vgl. Rühl 1969a: 190 f.) vor. Dieses Modell geht davon aus, dass (offene) Systeme mit ihrer Umwelt auf ganz bestimmte Weise in Verbindung stehen: Sie nehmen Leistungen aus dieser Umwelt in Form von Inputs auf und werden dadurch von dieser Umwelt beeinflusst. Sie geben aber ihrerseits auch Leistungen an diese Umwelt in Form von Outputs ab und beeinflussen dadurch wieder diese (ihre) Umwelt. Das Entscheidende dabei ist nun, dass dieser Output teilweise wieder als Input in eben dieses System zurückwirkt. Dieser Vorgang, der auch als Feedback (Rückkoppelung, Rückmeldung, Rücksteuerung) bezeichnet wird, beschreibt einen kreisförmigen Prozess (einen sogenannten „Regelkreis“), der dazu dient, einen bestimmten Zustand herzustellen oder zu erhalten. Die jeweilige Eingangsleistung (Input) ist damit zugleich ein Maß für den Erfolg, den die gesetzte Ausgangsleistung (Output) erzielen konnte – und sie beeinflusst in diesem Sinn die neuerliche Ausgangsleistung des Systems.48

Überträgt man diese systemtheoretischen Überlegungen auf den Menschen, so kann man ihn beispielsweise als ein Handlungssystem betrachten. Elemente des Systems Mensch sind dann dessen Handlungen, die bestimmte Funktionen erfüllen und damit jeweils zum Erreichen (oder zum Verfehlen) der Ziele beitragen, die ein Mensch verfolgt. Auch hier kann man die Verbindung des Handlungssystems mit seiner Umwelt über den Feedbackprozess geregelt sehen: Auf menschliches Handeln übertragen, bedeutet das Prinzip der Rückkoppelung nämlich, „dass das Verhalten auf sein Ergebnis hin geprüft wird und dass der Erfolg oder Misserfolg dieses Ergebnisses das zukünftige Handeln beeinflusst“ (Wiener 1958: 55).

Kommunikation als System

Das (allgemeine) Ziel, das ein Mensch nun mit seinen kommunikativen Handlungen verfolgt, ist bekannt: Es geht darum, Verständigung über die zu vermittelnden Bedeutungsinhalte mit (mindestens noch einem) anderen Menschen herzustellen. Es treten daher – systemtheoretisch gesprochen – zwei Handlungssysteme zueinander in Beziehung. Diese beiden Handlungssysteme stehen mit ihrer Umwelt in Verbindung, indem sie Leistungen aus dieser erhalten (Inputs) und auch wieder Leistungen an diese abgeben (Outputs). Da nun aber die beiden Handlungssysteme nicht nur wechselseitige Bestandteile ihrer (jeweiligen) Umwelt sind, sondern auch noch explizit zueinander in Beziehung treten, sind sie auch durch gegenseitig vorhandene In- bzw. Outputs miteinander verbunden. Der Feedbackprozess, der ja ein System mit seiner Umwelt verbindet, verbindet in diesem Fall die beiden Handlungssysteme direkt miteinander: Der Output des einen Handlungssystems wird zum Input des anderen (und umgekehrt). Da die kommunikativen Handlungen beider Handlungssysteme auch auf ein gemeinsames Ziel (Verständigung) hin ausgerichtet sind, erscheint der Rückkoppelungsprozess als Kontrolle bzw. Steuerung des gemeinsam angestrebten Verständigungserfolges.


Abb. 6: Verständigung als feedbackgesteuerter Prozess (eigene Darstellung)

Abb. 6 veranschaulicht den soeben beschriebenen Stellenwert des Feedbackprozesses in der zwischenmenschlichen Kommunikation: Man sieht einen kreisförmigen Prozess zwischen Kommunikator·in und Rezipient·in, in dem die implizite Reziprozität des Kommunikationsgeschehens in Form des „Feedback“ ihre explizite Ergänzung erfährt: Das Feedback stellt die wahrnehmbare Begleiterscheinung des kommunikativen Handelns der Rezipient·innen (= des Rezipierens, also des Empfangens und Verstehen-Wollens) dar. Durch das Feedback erhält ein·e Kommunikator·in Hinweise auf die Qualität des Rezipierens, d. h. auf die Qualität der „Verstehensleistung“ der Rezipierenden. Das Feedback gibt Auskunft über den Erfolg (oder Misserfolg) des kommunikativen Handelns des·der Kommunikator·in und damit über den Grad der erreichten Verständigung zwischen den Kommunikationspartner·innen. Das diagnostizierte Ergebnis beeinflusst bzw. korrigiert dann das neuerliche kommunikative Handeln des Kommunikators (= dessen fortgesetzte „Mitteilungsleistung“) usw.

In der kommunikativen Interaktion zwischen Menschen kann zu diesem Feedback alles zählen, was an „Output“ des Handlungssystems „Rezipient·in“ manifest wird – also alle jene Handlungen bzw. (nonverbalen) Verhaltensweisen der RezipienteInnen, die von den (jeweiligen) Kommunikator·innen wahrgenommen werden können.

Denkt man beispielsweise an einen Vortrag, so sind hier etwa die beobachtbare Mimik (wie ein interessierter oder gelangweilter, verwirrter, zweifelnder Gesichtsausdruck u. Ä.) und Gestik (wie zustimmendes Kopfnicken oder Applaus u. Ä.) der Rezipient·innen für den/die Kommunikator·in Hinweise auf die Qualität des Rezipierens seiner/ihrer Mitteilungen. Diese kommunikativen Begleiterscheinungen geben Auskunft darüber, ob und (vielleicht) auch wie die jeweilige Mitteilung „angekommen“ ist, sie lassen vermuten, ob und wie sie verstanden wurde und beeinflussen auf diese Weise natürlich das (nachfolgende) kommunikative Handeln des·der Kommunikator·in.

 

Im prototypischen Fall kommunikativer Interaktion (wie in einem zwischenmenschlichen Gespräch) besteht das Feedback in der Regel jedoch nicht bloß in den Begleiterscheinungen der kommunikativen Verstehens-Handlungen seitens der Rezipierenden. In dieser typischen Face-to-face-Kommunikation (= ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht) verschmelzen diese kommunikativen Begleiterscheinungen in der Regel mit der kommunikativen Mitteilungs-Handlung de·r in die Rolle de·r Kommunikator·in geschlüpften Rezipient·in(!).


Abb. 7: Gegenseitige Kommunikation (eigene Darstellung)

Wie Abb. 7 zeigt, ist es gerade für das persönliche Gespräch charakteristisch, dass die Partner·innen ständig ihre Rollen als Sprecher·innen und Zuhörer·innen wechseln. Seit Maletzke (1963: 21 ff.) bezeichnet man diesen Vorgang als gegenseitige Kommunikation im Unterschied zur einseitigen Kommunikation (etwa einem Vortrag), wo ein derartiger Rollentausch nicht stattfindet.49 Ein Gespräch zwischen Menschen stellt sich somit als eine Wechselrede zwischen den jeweiligen Kommunikationspartner·innen dar, die mit dem gegenseitigen Tausch der Rollen Kommunikator·in und Rezipient·in verbunden ist. Es ist evident, dass dieser Rollentausch zugleich auch ein Wechseln der kommunikativen Handlungsform darstellt: Sobald ein·e Kommunikationspartner·in die Rolle de·r Rezipient·in mit der Rolle de·r Kommunikator·in tauscht, wechselt er·sie von der Verstehens-Handlung in die Mitteilungs-Handlung (und umgekehrt).

Mit Blick auf das hier interessierende Feedbackprinzip wird also deutlich, dass der Wechsel von der Verstehens- in die Mitteilungshandlung (in der gegenseitigen Kommunikation) als explizite Ergänzung der (ohnehin stets vorhandenen) impliziten Reziprozität von Kommunikation begriffen werden kann.

Reflexivität

Eng verbunden mit dieser Reziprozität ist noch ein weiteres Kennzeichen von Kommunikation, das unter der Bezeichnung Reflexivität (Rückbezüglichkeit) firmiert. Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass nicht nur die wahrnehmbaren Handlungen der Kommunikationspartner·innen den Kommunikationsprozess steuern, sondern darüber hinaus auch die (wechselseitig) vorhandenen (oder auch unterstellten) Erwartungen ebendieser Kommunikationspartner·innen.

So erwartet die Dozent·in, sobald sie im Hörsaal mit ihrer Vorlesung beginnt, dass die Hörer·innen ihr bzw. ihren Inhalten Aufmerksamkeit widmen – und im Gegenzug erwarten die Hörer·innen von der Dozent·in, dass sie diese (angekündigte) Vorlesung auch hält.

Die Reflexivität entsteht nun dadurch, dass sich die wechselseitigen Erwartungen der jeweiligen Kommunikationspartner·innen miteinander verschränken. „Der Partner reagiert nicht mehr allein auf die Wahrnehmungen des anderen, sondern steuert sein Handeln auch durch die Antizipation des Handelns des anderen – er orientiert sich nämlich an sogenannten Erwartungs-Erwartungen: Er handelt (kommuniziert) so und so, weil er glaubt, dass der andere glaubt, dass er glaubt, diese oder jene Gründe dafür zu haben. Oder: A nimmt wahr, dass B wahrnimmt, wie A wahrnimmt“ (Merten 1977: 63).

Die im Hörsaal versammelten Studierenden (A) erwarten also von der Dozent·in (B) nicht bloß, dass sie mit ihrer Vorlesung beginnt, sondern sie (A) erwarten ebenfalls, dass die Dozent·in (B) erwartet bzw. unterstellt, dass die Studierenden (A) genau dies auch von ihr (B) erwarten.

Diese Reflexivität von Kommunikation (hier: in ihrer sozialen Dimension)50 mutiert bei öffentlichen, über Massenmedien vermittelten Aussagen schließlich zu einer „Reflexivität des Wissens“ (Merten 1977: 147): Jeder Rezipient einer massenmedial verbreiteten „Aussage weiß dann, dass nicht nur er, sondern auch andere diese Aussage rezipiert haben, jeder weiß also, was die anderen wissen können oder sogar: dass sie wissen können, dass er weiß, was sie wissen“ (Merten ebd.). Themen, die via Massenkommunikation publiziert worden sind, können als bekannt gelten, d. h., „es kann vorausgesetzt werden, dass sie als bekannt bekannt sind“ (Luhmann 1996: 29). – Diese „Unterstellung universeller Informiertheit“ (Luhmann 1981: 314) scheint im 21. Jahrhundert mit der Vervielfachung der Kanäle sowie der explosionsartig vermehrten onlinebasierten Informationsquellen paradoxerweise zu schwinden (vgl. etwa Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2009). Darauf wird weiter unten (Kap. 5.2) näher eingegangen.


1Es wird daher hier weder ein Überblick noch eine synoptische Darstellung bisheriger Definitionsversuche gegeben. Diesbezüglich Interessierte seien neuerlich auf die profunde (und immer noch informative) Analyse von Klaus Merten (1977) verwiesen, der dort (insbes. S. 42–89) 160 unterschiedliche Definitionen von Kommunikation anführt und miteinander vergleicht.

2Dieses „schizophrene Dilemma“ im Watzlawick’schen Sinn entsteht aus der praktisch „unmöglichen Aufgabe, jede Mitteilung zu vermeiden und gleichzeitig zu verneinen, dass … [dieses, RB] Verneinen selbst eine Mitteilung ist“ (ebd.). Für psychopathologische Kontexte „gestörter“ Interaktion, mit denen Paul Watzlawick in seiner Rolle als Psychotherapeut zu tun hatte, ist ein derart weit gefasster Kommunikationsbegriff wohl angemessen. Außerhalb derartiger Situationen gilt er jedoch nur fallweise – wenigstens nicht axiomatisch (wie mir Watzlawick selbst in einem persönlichen Gespräch in den späten 1970er Jahren in Wien attestierte).

3Zielorientiert ist freilich das Verhalten aller Lebewesen (Tiere und Menschen). Die hier mitzudenkende Intentionalität menschlichen Handelns bedeutet jedoch darüber hinaus, dass die jeweils angestrebten Ziele auch bewusst verfolgt werden (können), während die Zweck- und Zielgerichtetheit tierischer Verhaltensweisen als überwiegend instinktgebunden gilt (vgl. dazu etwa Darlington 1971, Leroi-Gourhan 1980, Lorenz 1973, Riedl 1980).

4Kommunikation zwischen (und mit) Tieren hebt sich hier bereits durch die Einführung des Handlungsbegriffes ab: Tiere haben kein „Bewusstsein“ im menschlichen Sinn – d. h., sie verfügen nicht über die Möglichkeit zur Selbstreflexion und verhalten sich daher instinktgebunden. Animalische Kommunikation verharrt damit auf der Stufe sozialen Verhaltens. Der aktuelle Stand der Forschung besagt noch immer, dass nur der Mensch über jene Fähigkeit zur Metakommunikation verfügt, die untrennbar mit Bewusstsein und Sprache verbunden ist (vgl. dazu z. B. Bouissac 1993, 2010; Claessens 1970, Tomasello 2011).

5Erhellend ist, wenn man an die etymologische Bedeutung von „Kommunikation“ erinnert: Das lateinische Verbum „communicare“ wird mit „etwas gemeinsam machen“, „mit jemandem teilen“, „teilnehmen lassen“, „mitteilen“ oder „Anteil haben“ übersetzt. Ganz in diesem ursprünglichen Sinn will auch hier „kommunikatives Handeln“ verstanden werden: Ein kommunikativ handelnder Mensch will (mindestens einen) andere(n) an seinen zu vermittelnden Bedeutungen „Anteil haben“ lassen. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass der hier verwendete Begriff des „kommunikativen Handelns“ zwar nicht im diametralen Widerspruch zum Begriffsverständnis in der „Theorie des kommunikativen Handelns“ von Jürgen Habermas (1981) steht, sich aber nicht vollkommen mit diesem deckt. Auf die Habermas’sche Theorie wird weiter unten (insb. Kap. 8.3.2.2 und 8.4.2) noch ausführlich eingegangen.

6Diese Behauptung soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein Idealzustand angesprochen ist, an den man sich bestenfalls annähern kann, der aber (wahrscheinlich) niemals vollkommen realisierbar ist (vgl. dazu auch: Burkart 2013a). Dies wird an mehreren Stellen des vorliegenden Buches deutlich werden (v. a. mit Blick auf die individuelle Interpretationsbreite von Symbolen).

7Die Implikationen eines derartigen Anspruchs – insbesondere für sprachliche Kommunikation – werden weiter unten (Kap. 3.1) ausführlich diskutiert.

8In sprachlicher Hinsicht ist damit die kommunikative Kontaktfunktion („phatische“ Sprachfunktion) angesprochen – vgl. dazu weiter unten Kap. 3.1.

9Der Terminus „analytische Trennung“ will darauf verweisen, dass es sich bei der Differenzierung der beiden Ebenen kommunikativer Intentionalität um ein „künstliches“ – zum Zweck der Analyse vorgenommenes – Auseinanderteilen von Merkmalen handelt, die in der (kommunikativen) Realität stets gemeinsam auftreten.

10Es gibt durchaus unterschiedliche Auffassungen, ob Interaktion oder Kommunikation der weitere Begriff ist. Dennoch scheint es im Hinblick auf das hier zu entwickelnde Verständnis von Kommunikation sinnvoll, Interaktion als den allgemeineren Begriff zu verwenden (wie auch bereits Lundberg 1939). – Einen Überblick diesbezüglich divergierender Positionen gibt Merten (1977: 64 f.). Vgl. dazu auch: Jäckel 1995, Goertz 1995, Graumann 1972: 1118, Neuberger 2007a, Quiring/Schweiger 2006.