Bomba auf dem Heimkehrpfad

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3 In tödlicher Gefahr

Gebannt und erschreckt waren Bomba und seine Gefährten dieser furchtbaren Opferszene gefolgt, doch sie spürten zugleich ein Gefühl von Erleichterung. Es war zwar erschreckend und furchtbar, Männer auf diese Weise sterben zu sehen, aber für den Augenblick war damit jede Gefahr für sie selbst beseitigt. Wenn die Eingeborenen sie angegriffen hätten, wären sie der Übermacht sicherlich erlegen.

Eine Flucht wäre ebenfalls unmöglich gewesen. Mit der schweren Bürde des leblosen Körpers von Andrew Bartow wären sie nicht weit gekommen.

Vor den anderen her eilte Bomba zu der Stelle zurück, an der sie Andrew Bartow liegengelassen hatten, und er war froh, als er sah, dass sein Vater die Augen geöffnet hatte.

„Mein lieber Junge“, sagte Andrew Bartow mit schwacher Stimme. „Was ist geschehen? Was hatte dieser wilde Gesang für eine Bedeutung?“

„Es war das Todeslied unserer Feinde“, erwiderte Bomba. „Wir haben nichts mehr von ihnen zu befürchten. Sprich jetzt nicht zu viel; du bist noch zu schwach dazu.“

Er befahl Wafi und Gibo eine schattige Laubhütte zu bauen, in der sein Vater geschützt vor der sengenden Sonne liegen konnte, bis seine Gesundheit soweit wiederhergestellt war, dass er die weiten Tagesmärsche aushalten konnte.

Die beiden machten sich sofort an die Arbeit und hatten in kurzer Zeit eine primitive Schutzhütte aus Bambusstangen, Zweigen und Schilf gras errichtet. Im Innern schufen sie aus weichem Moos und Laub eine Liegestatt für Andrew Bartow. Dann braute Gibo einen seiner stärkenden Kräutertränke, und kurz nachdem Andrew Bartow ihn getrunken hatte, sank er in einen tiefen, heilsamen Schlaf.

Zum ersten Male hatte Bomba Zeit, über ihre Lage nachzudenken, und er machte sich klar, dass sie nicht allzu rosig war. Ohne seinen Vater und die Krieger Lowandos hätte er mit seinen Gefährten Gibo und Wafi den Weg zur Küste leicht bewältigt. Aber Andrew Bartow war von den Strapazen der zermürbenden Gefangenschaft und seiner jetzigen Erschütterung noch so erschöpft, dass er vorerst die vielen, heißen Tagesmärsche noch nicht aushalten konnte. Solange sie ihre Verbündeten, die Bemalten Jäger, bei sich gehabt hatten, war Andrew Bartow auf einer Tragbahre transportiert worden, wenn ihm das Marschieren zu schwerfiel. Jetzt — nachdem die Bemalten Jäger sich in ihrer Angst abgesetzt hatten, waren sie nur noch zu dritt, und sie hatten keine Träger mehr, die sich stundenweise ablösen konnten. Wie sollten sie unter diesen Umständen mit seinem kranken Vater zur Küste kommen?

Unvermittelt fuhr Bomba aus seinen Gedanken hoch und schnüffelte in die Luft, als habe er eine Warnung empfangen.

„Was gibt es, Bomba?“, fragte Gibo unruhig.

„Ich rieche Menschen“, flüsterte Bomba. „Es kommt jemand. Haltet hier Wache bis ich zurückkomme.“

Lautlos gleitend verschwand Bomba im dichten Busch. Mit unglaublicher Behendigkeit und fast ohne Geräusch bahnte er sich seinen Weg durch das Gewirr von Lianen, tiefhängenden Palmenzweigen und federnden Luftwurzeln. Der Geruch von Menschen wurde deutlicher, und Bombas Muskeln spannten sich unwillkürlich.

Es verging eine weitere, spannungserfüllte Minute. Dann erkannte Bomba in der grünen Dämmerung des Dschungels vor sich die undeutlichen Umrisse einer Menschengestalt. Er zog lautlos sein Messer und sprang vorwärts, ohne ein Geräusch zu verursachen.

Der Fremde hatte die Bewegung trotz aller Vorsicht gehört und fuhr blitzschnell herum. Mit dem wurfbereiten Speer in der Faust starrte er in Abwehrstellung seinem jungen Angreifer entgegen. Einen Augenblick verharrten sie beide in jener Schrecksekunde vor dem tödlichen Kampf.

Dann plötzlich verzog sich das dunkelhäutige Gesicht des Mannes mit dem Speer zu einem breiten Grinsen, und er ließ die Waffe sinken.

„Unsere Augen scheinen schlecht geworden zu sein“, sagte er. „Seit wann kämpfen Bomba und Lowando gegeneinander?“

Bomba steckte das Messer wortlos in den Gürtel und lächelte beschämt.

„Es ist viel geschehen in den letzten Stunden“, sagte er. „Ich war eher auf einen Feind als auf einen Freund vorbereitet. Aber wo sind die anderen Bemalten Jäger?“

Lowando runzelte die Stirn.

„Sie sind in unser Dorf abgezogen, denn sie wollten nicht länger auf mich hören. Sie sind wie die alten Weiber“, fügte er verächtlich hinzu. „Sie werden den Mädchen im Dorf helfen, Wasser in die Hütten zu tragen.“

„Aber du bist gekommen“, sagte Bomba tröstend. „Und ich bin sehr froh darüber.“

„Was hätte ich sonst tun sollen?“, sagte Lowando schlicht. „Bin ich nicht dein Blutsbruder? Nur der Tod kann uns beide trennen.“

Gibo und Wafi freuten sich ebenfalls, als sie Lowando sahen. Jetzt war ihre verlassene kleine Streitmacht schon auf vier kampferprobte Krieger angewachsen.

Als Bomba von ihren Abenteuern mit den kriegsbemalten Wilden berichtete, die sich in den Fluss gestürzt hatten, wiegte Lowando bedenklich seinen Kopf.

„Das waren die Verehrer der Flussgötter“, sagte er. „Sie sind immer darauf aus, Opfer für ihre Flussdämonen zu fangen. Ich habe schon von diesem Stamm gehört.“

„Meinst du, dass es noch weitere Stämme ihrer Art in dieser Gegend gibt?“, fragte Bomba.

„Ja“, erwiderte Lowando. „Die Molas werden ihre Männer vermissen und einige Suchkommandos nach allen Richtungen losschicken. Wenn wir ihnen — oder ihren Freunden in die Hände fallen, könnte es sehr gefährlich für uns werden.“

Aus dem Innern der Bambushütte ertönte Andrew Bartows Stimme, und Bomba ging mit Lowando hinein. Bombas Vater war ebenso froh wie die anderen, dass Lowando den Weg zu ihnen zurückgefunden hatte, und er begrüßte den jungen Häuptling herzlich.

„Wie fühlst du dich, Vater?“, fragte Bomba mit kindlicher Besorgnis.

„Ich habe keine Schmerzen, aber ich fühle mich so schwach wie ein neugeborenes Kind“, erwiderte Andrew Bartow. „Hilf mir auf die Beine, mein Junge. Vielleicht komme ich schneller zu Kräften, wenn ich ein wenig umhergehe.“

Bomba stützte seinen Vater, doch dessen Beine versagten noch den Dienst, und er seufzte und ließ sich mit einem entschuldigenden Lächeln zurücksinken.

„Es geht noch nicht“, murmelte er. „Der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist noch zu schwach. Diese Schufte müssen mich mit irgend etwas betäubt haben. Sie haben mir Blätter in den Mund gestopft, als sie mich fingen. Ich hielt das zuerst für eine Art von Knebel. Aber gleich darauf wurde mir übel, und ich verlor das Bewusstsein.“

Als Bomba und Lowando wieder im Freien waren, schüttelte der junge Häuptling bedenklich den Kopf.

„Das ist schlimm für deinen Vater“, sagte er ernst. „Diese Blätter könnten von einer Giftpflanze sein, die hier in diesem Teil des Dschungels wächst. Es muss nicht unbedingt den Tod bedeuten, aber das Gift macht die Glieder eines Mannes schwer, und er ist nach seinem Genuß schwach wie ein Kind.“

„Gibt es denn keine Medizin gegen dieses Gift?“, fragte Bomba bestürzt.

„Eine weise Frau meines Stammes hat mir einmal erzählt, dass es bestimmte Kräuter und Wurzeln gibt, aus denen man einen Heiltrank gegen das Gift der Molas brauen kann. Ich werde sofort nach diesen Heilpflanzen suchen. Mach dir also keine Sorgen, Bomba, dein Vater wird gesund werden.“

Während Lowando sich eiligst auf die Suche nach den Heilkräutern machte, saßen Bomba und seine beiden Gefährten untätig am Fluss. Gibo erging sich in düsteren Andeutungen darüber, wie gefährlich die Nähe des Flusses auch für sie sein könnte.

„Es ist ein Wohnort der Dämonen“, murmelte er abergläubisch. „Vielleicht tauchen sie noch einmal auf und reißen uns mit sich in die Tiefe.“

Wafi starrte unbehaglich auf den schnell dahinfließenden, wirbelnden Strom.

„Hoffen wir, dass die Dämonen für heute genug bekommen haben“, meinte er, und er versuchte, sich mit dieser Redensart selbst zu trösten.

Bomba hob den Blick und ließ ihn gleichzeitig über das Wasser gleiten. Er wusste, dass es keine Flussdämonen gab. Für ihn war dieser tosende Strom ein wilder Wasserlauf wie alle anderen. Doch plötzlich erhellte sich sein Blick. Er hatte ein großes Kanu entdeckt, das in der Strömung dahintrieb, und dieser Anblick hatte ihn auf eine Idee gebracht.

Ein Kanu! Das war doch viel besser als eine Tragbahre! Hier lag der Ausweg!

Er sprang auf, streifte seine Sandalen von den Füßen und rannte zum Ufer.

„Bomba! Bomba!“, schrie Gibo entsetzt. „Das bedeutet den sicheren Tod! Denke an die Flussdämonen!“

Doch Bomba war bereits mit einem Hechtsprung in die aufgewühlten Fluten getaucht.

4 Schreckliche Fänge

Ein weites Stück schwamm Bomba kraulend unter der Oberfläche dahin, ehe er auftauchte und sich das Wasser aus den Augen schüttelte. Ein Stück vor sich in der Strömung entdeckte er das dahingleitende Kanu. Aber die Strömung war auch sein Helfer, und er hatte außerdem noch seine kräftigen Arme und Beine als Unterstützung.

Er konnte wie ein Fisch schwimmen, und er zweifelte nicht daran, dass er das Boot einholen würde. Mit mächtig ausholenden Kraulzügen näherte er sich dem in der Strömung dahintreibenden Kanu. Er war dem Boot schon ziemlich nahe, als er eine leichte, streifende Berührung an seinem linken Bein bemerkte. Der Vorgang wiederholte sich, und zuerst dachte Bomba, es handele sich um irgendwelche Unterwasserpflanzen. Doch dann wurde ihm klar, dass der Fluss viel zu tief war, als dass Wasserpflanzen so weit an die Oberfläche reichen könnten.

Die Erklärung für die merkwürdige Erscheinung kam schnell genug. Etwas rechts von ihm tauchte unvermittelt ein schlanker, dreieckiger Kopf aus dem Wasser. Er verschwand sofort wieder, doch andere Köpfe erschienen jetzt an weit auseinanderliegenden Punkten, und auch sie verschwanden gleich wieder.

 

Es waren Wasserschlangen!

Mit einem eisigen Schreck durchzuckte Bomba die Erkenntnis, dass er von jener besonderen Schlangengattung der afrikanischen Flüsse umgeben war, die ebenso gefährlich und tödlich sein konnte wie verschiedene Arten der Landschlangen.

Vielleicht hatten die blutrünstigen Reptilien schon versucht, ihre schrecklichen Fänge in seine Arme und Beine zu schlagen. Durch die schnellen Bewegungen der Glieder mochten sie ihr Ziel verfehlt haben, und es wurde Bomba klar, dass in dieser Schnelligkeit im Augenblick seine einzige Rettung lag.

Während er das Tempo seiner Arm- und Beinstöße noch beschleunigte, überschlug er seine Chancen. Die beste Gelegenheit zu einem tödlichen Biss würde für die Schlangen in jenem Augenblick kommen, in dem er sich an Bord des Kanus schwingen wollte. Er musste seine schnell gleitenden Feinde überlisten.

Als er das Boot erreichte und den Rand packte, machte er eine Bewegung, als wolle er seinen Körper hinaufziehen. Doch in der nächsten Sekunde tauchte er unter und kam an der anderen Seite wieder hoch.

Als er die Bewegung des Untertauchens noch nicht vollendet hatte, schoss etwas über seinem Kopf dahin und prallte gegen die Bootswand. Eine Schlange hatte zugestoßen — aber es war zu spät!

Blitzschnell tauchte er an der anderen Seite auf und warf sich ins Kanu. Noch im Aufrichten zog er sein Buschmesser und machte eine geschickte Seitenwendung. Der lange, seilartige Körper, der sich aus dem Wasser aufgerichtet hatte, konnte die Wendung nicht so schnell mitmachen. Der Rachen mit den Giftzähnen stieß an ihm vorbei, und im nächsten Moment trennte Bombas Messer den Schlangenkopf vom Rumpf. Der hässliche Kopf des Reptils versank sofort in den Fluten, aber der Schlangenleib peitschte noch minutenlang die Oberfläche, ehe er endlich versank.

Bombas Erleichterung über die knappe Rettung war sehr groß. Er wischte das Blut von der Klinge und wartete auf weitere Angriffe. Doch die Schlangen schienen das Schicksal ihrer Artgenossin als warnende Lehre aufzufassen und ließen sich nicht mehr an der Oberfläche blicken.

Jetzt konnte Bomba in aller Ruhe das Boot untersuchen. Er stellte fest, dass es ein Eingeborenenfahrzeug war. Es war mit beachtlichem Geschick aus einem Baumstamm ausgehöhlt und gut ausbalanciert. Ein Paddel lag auf dem Boden des Bootes. Wahrscheinlich war das Kanu von dem Sturm aus seiner Verankerung losgerissen und weitergeschwemmt worden. Das Fahrzeug war groß genug, sie alle fünf aufzunehmen, und die Länge reichte sogar dazu aus, für Andrew Bartow eine bequeme Liegestatt im Heck zu errichten.

Im Augenblick erschien das Kanu Bomba als ein wahres Gottesgeschenk. Dadurch waren sie der Notwendigkeit enthoben, Bombas Vater mühselig durch den Dschungel schleppen zu müssen. Der Flusslauf führte ungefähr in die Richtung, die Bomba ohnehin einschlagen musste, wenn er die Küste erreichen wollte. Es war also alles in bester Ordnung.

Jetzt musste Bomba zwar gegen den Strom paddeln, aber das schlanke Fahrzeug ließ sich leicht dirigieren, und nach kurzer Zeit schon knirschte der Ufersand unter dem Bug des Bootes. Bomba sprang heraus und zog seine Beute hoch aufs Ufer hinauf.

Wafi und Gibo begrüßten ihn, als sei er von einer wochenlangen Fahrt heimgekehrt, und Bomba wehrte ihre überschwänglichen Lobeshymnen wie immer mit einem bescheidenen Lächeln ab.

„Es waren zwar keine Flussdämonen, die mir zu schaffen gemacht haben“, sagte er. „Aber Schlangen können auch recht gefährlich werden.“

„Wir haben es gesehen, Bomba!“, rief Gibo, dem der überstandene Schreck noch deutlich anzusehen war. „Aber was sollten wir tun? Wir konnten nur am Ufer stehen und tatenlos zuschauen.“

„Ich habe zu unseren Göttern gebetet, dass Bomba nichts zustößt“, brüstete sich Wafi.

„Ich habe die meinen natürlich auch angerufen“, sagte Gibo hastig.

„Deine Götter haben keine Macht bei uns in Afrika“, erklärte Wafi bestimmt.

„Keinen Streit.“ Bomba lächelte versöhnlich. „Ihr habt beide um mich gebangt, und euer Flehen ist jedenfalls erhört worden, denn ich bin noch am Leben.“

Als sich Bomba nach dieser salomonischen Schlichtung des Religionsstreites vom Ufer abwandte, sah er Lowando herankommen.

„Hast du die Heilkräuter gefunden?“, rief er dem jungen Häuptling schon von weitem entgegen.

„Ja. Ich habe sie alle. Gibo und Wafi sollen Feuer machen und Wasser kochen, dann werde ich den Heiltrank brauen.“

Nach kurzer Zeit war das Gebräu fertig, und eine kleine Blechtasse voll wurde Andrew Bartow eingeflößt. Die Wirkung trat fast augenblicklich ein; Andrew Bartow sank in einen tiefen, natürlichen Schlaf, der der Heilung günstig zu sein schien.

Lowando war sich mit Bomba darüber einig, dass das Kanu die beste Möglichkeit bot, dieses gefährliche Gebiet zu verlassen. Zur Auffrischung ihrer Lebensmittelvorräte schoss Bomba eine Antilope aus einem Rudel, das in der Nähe des Ufers vor dem Unwetter Schutz gesucht hatte.

Nachdem sie selbst ausgiebig gegessen hatten, schnitten sie das Fleisch in lange Streifen und ließen es über dem Feuer im dicken Rauch räuchern. Der Nachmittag und Abend vergingen auf diese Weise, und obwohl es für alle ein anstrengender Tag gewesen war, übernahm Bomba die erste Wache und schickte seine Gefährten zur Ruhe.

Bald drangen die leisen Atemzüge der Schlafenden an sein Ohr, und das geheimnisvolle Raunen der Urwaldnacht umgab seine Sinne. Von Zeit zu Zeit hörte er das verstohlene Tappen von weichen Pfoten, und zwischen den Büschen schimmerten grünlich-gelbe Raubtierlichter. Doch dieser Anblick beunruhigte ihn nicht. Er wusste, dass die Raubkatzen es nicht wagen würden, ihn über das Lagerfeuer hinweg anzugreifen.

Doch plötzlich spannte sich sein Körper. Durch den scharfen Geruch der Raubkatzen hatte er einen anderen, schwächeren Geruch gespürt. Ein Mensch war in der Nähe des Camps. Der nasenfeine Geruch war nicht sehr ausgeprägt; es schien sich also um einen einzelnen Scout zu handeln.

Bomba stand auf und schlenderte gemächlich zu den Schlafenden hinüber. Es sollte so aussehen, als sei seine Wadizeit vorüber, und als wollte er den Nächsten wecken. Gibo lag im Schatten der Hütte, und Bomba legte ihm eine Hand auf den Mund und tippte ihn mit der anderen an die Schulter.

Im nächsten Augenblick war Gibo hellwach, und Bomba berichtete in fast unhörbarem Flüsterton von seiner Beobachtung.

„Halte Wache, während ich nachschaue“, befahl er. „Wenn es ein Späher ist, darf er nicht zu seinem Stamm zurückkehren.“

Gibo nickte zustimmend. Er stand auf, ging zum Feuer und ließ sich dort nieder, als sei alles in bester Ordnung.

Inzwischen schlüpfte Bomba hinter der Bambushütte in das Unterholz. Der Mond war aufgegangen, und obwohl er noch nicht voll entwickelt war, warf er ein ziemlich helles Licht über die Dschungellandschaft.

Um nicht selbst gesehen zu werden, schwang sich Bomba auf einen Baum und suchte seinen Weg von Zweig zu Zweig, ohne ein lauteres Geräusch zu machen, als das leise Säuseln des Windes, der hin und wieder die Baumwipfel bewegte.

Er hatte auf diese Weise eine ziemliche Entfernung zurückgelegt, als der Menschengeruch immer deutlicher wurde. Vorsichtig ließ Bomba sich hinuntergleiten, und als er die Blätter des untersten Astes zur Seite schob, sah er eine Gestalt unter sich dahinschleichen. Ein Mondstrahl fiel auf den Körper, und die scheußliche Bemalung war zu erkennen, die die Männer, die selbstmörderisch in den Fluss gesprungen waren, auch getragen hatten.

Wie eine zupackende Katze ließ sich Bomba von dem Ast aus auf die Schulter des Mannes fallen. Obwohl er den Vorteil der Überraschung für sich besaß, erkannte Bomba sofort, dass er einen starken Gegner vor sich hatte.

Der Kampf war kurz aber hart. Es war Bomba klar, dass sein Feind keine Gnade kennen würde, und so durfte auch er keine Rücksicht nehmen. Als der Eingeborene sich von ihm losgerissen hatte und den Speer zum Stoß schwang, zog Bomba seine Machete. Wie ein Blitzstrahl sauste die Stahlklinge durch die Luft, und mit einem dumpfen Aufstöhnen sank der bemalte Krieger zu Boden. Der wurfbereite, tödliche Speer entglitt seinen kraftlosen Fingern.

Im gleichen Augenblick waren Laute aus der Richtung des Camps zu hören, und ein durchdringender Schrei zerriss die Stille der Nacht.

„Bomba! Komm zurück!“

5 Der Überraschungsangriff

Bombas erster Gedanke galt seinem Vater, und er jagte mit klopfendem Herzen in die Richtung des Camps zurück. Noch im Schatten der Büsche blieb er stehen und starrte entsetzt auf den Anblick, der sich ihm bot.

Gibo, Wafi und Lowando waren in den Händen der Wilden. Dass sie tapfer gekämpft hatten, erkannte Bomba deutlich daran, dass einige verwundete Eingeborene am Boden lagen. Doch die Übermacht der Feinde hatte schließlich den Sieg davongetragen.

Auch Bombas Vater hatte man von seiner Liegestatt hochgezerrt, und — an jeder Seite von einem stämmigen Wilden gestützt — stand er aufrecht da.

Bombas erster Impuls war, sich mit seinem Messer auf die Horde von Wilden zu stürzen. Aber da er ebenso vernünftig wie tapfer war, erkannte er im nächsten Augenblick, dass ein solcher Angriff sinnlos sein würde. Wahrscheinlich würde er eine Anzahl seiner Feinde zur Strecke bringen, aber am Ende würde man ihn doch überwältigen und töten.

Mit Erleichterung sah er, dass den Gefangenen keine unmittelbare Lebensgefahr drohte. Zweifellos wollte man sie in das heimatliche Dorf des Stammes verschleppen und dort über ihr weiteres Schicksal entscheiden.

Einige der Wilden waren damit beschäftigt, sich alles aufzuladen, was von der Ausrüstung der Safari noch vorhanden war, und sie vergaßen auch die geräucherten Fleischstücke nicht.

Bombas Plan war schnell gefasst. Er sah, dass die Horde völlig disziplinlos und ungeordnet war, und er hoffte, mit einem blitzartigen Überraschungsangriff sein Ziel zu erreichen. Im Schatten der Büsche umschlich Bomba die Lichtung, bis er dicht bei dem federgeschmückten Häuptling war. In drei gewaltigen Sätzen war er in den Lichtkreis hineingesprungen, hatte den Wilden zu Boden gerissen und ihm seine Machete an die Kehle gesetzt.

„Wenn der Häuptling oder einer seiner Männer sich bewegt, muss er sterben“, sagte Bomba mit klarer, ruhiger Stimme.

Der unvermutete plötzliche Angriff hatte die Angreifer völlig überrascht. Sie standen einen Augenblick verwirrt und sprachlos da und griffen dann zu ihren Speeren.

„Sage deinen Kriegern, dass du sterben musst, wenn sie mich anzugreifen versuchen!“, befahl Bomba. „Halte sie zurück.“

Einen Augenblick hing das Leben von Bomba und seinen Gefährten an einem dünnen Faden. Ein unbedachter Speerwurf, eine hastige Bewegung konnte ihrer aller Schicksal besiegeln. Bevor Bomba selbst starb, konnte er seine Machete noch in die Kehle des Häuptlings bohren — aber wem war damit geholfen?

Im nächsten Augenblick durchrieselte Bomba ein Triumphgefühl. Der Häuptling gab mit krächzender Stimme den Befehl, die Waffen niederzulegen. Sein tollkühner Plan war geglückt.

„Befiehl deinen Männern jetzt, die Gefangenen freizulassen“, sagte Bomba mit fester Stimme.

Er spürte ein schwaches Widerstreben und drückte die Klinge etwas tiefer in die Haut des Mannes. Brummend gab der Häuptling seinen Männern die entsprechende Anweisung, und im Nu waren die Gefangenen frei.

Auf ein Zeichen von Bomba hin führten Wafi und Gibo seinen Vater in die Hütte. Dann traten sie wieder ins Freie. Jetzt hatte Bomba die Situation in der Hand. Seine drei Gefährten waren wieder bewaffnet und warteten nur auf seine weiteren Anweisungen.

„Befiehl deinen Männern, außer Bogenschussweite zu gehen“, befahl Bomba weiter.

Obwohl er innerlich vor ohnmächtiger Wut tobte, erteilte der Häuptling den Befehl. Die Männer zogen sich zurück, und Bomba stand auf.

„Richte dich auf, Häuptling“, sagte er in der Eingeborenensprache, von der er inzwischen mehrere Dialekte beherrschte. Als der Häuptling sich aufgerichtet und mit dem Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt hatte, fuhr Bomba fort. „Ich hätte dich töten können, und ich könnte es immer noch: du weißt das. Aber ich will dein Blut nicht vergießen. Schwöre mir bei deinen Flussdämonen, dass du mit deinen Kriegern ins Dorf zurückkehren wirst, und ich lasse dich unbehelligt ziehen.“

 

An dem Zögern des Häuptlings erkannte Bomba, dass er den richtigen Ton getroffen hatte. Ein Schwur im Namen der Flussdämonen war in den naiven Gemütern dieser Wilden etwas unverletzbar Heiliges.

„Schwöre es, und du bist frei“, drängte Bomba. „Sonst —“ Er machte eine drohende Geste, die ihre Wirkung nicht verfehlte.

„Ich schwöre es, dass ich mit meinen Männern in unser Dorf zurückziehen werde“, brummte der Häuptling mürrisch. „Aber ich weiß nicht, ob unser Medizinmann damit einverstanden sein wird. Er entscheidet, ob die Fremden unser Land durchziehen dürfen, ohne die Flussdämonen zu beleidigen.“

Bomba nickte.

„Erzähle deinem Medizinmann, dass die weißen Männer ihm und seinem Volke nichts Böses zufügen wollen. Sage ihm auch, dass er schöne Geschenke zur Ehre seiner Flussdämonen bekommt, wenn er uns gestattet, den Fluss zu benutzen. Steh jetzt auf und kehre zu deinem Volk zurück.“

Der Häuptling erhob sich und streckte seine verkrampften Glieder.

„Ich, Malunda, werde dem Medizinmann sagen, was der weiße Mann mir vorgeschlagen hat. Wenn die Nacht wiederkehrt, komme ich und sage dir die Antwort des Medizinmannes. “

Als der Häuptling gegangen war, ging Bomba sofort in die Hütte seines Vaters, und seine Gefährten folgten ihm. Er berichtete Andrew Bartow von der Unterhandlung mit Malunda und fügte hinzu:

„Ich glaube, Malunda wird sein Wort halten. Er hat einen Eid geschworen, der ihn bindet. Doch was der Medizinmann dazu sagen wird, kann ich nicht ahnen.“

„Angenommen, er verbietet uns, den Fluss zu benutzen?“, fragte Andrew Bartow.

„Dann werden wir ihn trotzdem benutzen“, erwiderte Bomba. „Aber ich möchte es lieber mit der Einwilligung des Medizinmannes tun.“

Nachdem sie Andrew Bartow noch eine weitere Tasse des heilenden Trankes eingeflößt hatten, legten sich alle schlafen, bis auf Lowando, der jetzt an der Reihe war, Wache zu halten.

*

Am nächsten Morgen schickte Bomba den kundigen Wafi fort, um geeignetes Holz zum Schnitzen von Rudern zu besorgen. Gleich nach dem Frühstück brach der Zulu auf. Gibo wurde losgeschickt, um noch eine weitere Antilope zu erlegen, und Bomba und Lowando machten sich daran, das Kanu zu versorgen.

Gibo kehrte als erster mit neuer Jagdbeute heim. Er begann sofort, passende Fleischstücke auf Vorrat zu räuchern. Kurz vor Mittag kehrte auch Wafi in großer Aufregung zurück.

„Ameisen!“ rief er schon von weitem. „Die fleischfressenden Ameisen kommen! Und sie sind zahlreich wie die Blätter des Dschungels!“

Gibo kicherte.

„Hat der große Krieger etwa Angst vor Ameisen?“ fragte er verächtlich. „Man könnte denken, du hast eine hundertköpfige Elefantenherde oder ein ganzes Rudel Löwen gesehen.“

„Deine Worte sind dumm und albern“, erwiderte Wafi ärgerlich. „Diese Ameisen sind ebenso schlimm wie Elefanten oder Löwen. Sie greifen dich zwar nicht an wie ein Elefant oder ein Löwe, aber wenn du in ihren Weg gerätst, dringen sie dir in Augen, Nase, Mund und Ohren ein. Sie können dich ersticken und qualvoll töten und wenn du dann in ihrer Bahn liegst, werden sie dir in kurzer Zeit alles Fleisch vom Körper gefressen haben, bis nur noch dein Skelett übrig ist.“

Gibos spöttische Fröhlichkeit wich bei diesen Worten des Kampfgefährten, denn er musste an die Tambochas in seiner Heimat denken, und er schaute sich furchtsam um.

„Wafis Worte stimmen“, bestätigte Lowando. „Wenn die Ameisen kommen, muss alles Lebende fliehen. Ich selbst würde lieber gegen eine ganze Horde Kannibalen als gegen diese flügellosen, wespengroßen Ameisen mit den roten Köpfen und den gelblich grünen Leibern kämpfen. Durch ihr Gift und ihre Menge jagen sie allen Lebewesen Furcht ein.“

Bomba hatte auch schon von diesen Ameisen gehört, und er wusste, was für schreckliche Gegner sie unter bestimmten Umständen sein konnten. Um so gefährlicher deswegen, weil man ihre strömende Masse mit den vorhandenen Waffen einfach nicht bekämpfen konnte.

Wenn sich diese Ameisen — von denen niemand weiß, wo sie herkommen — erst einmal auf die Wanderung begeben haben, ergießt sich, knisternd wie ferner Brand, ein Heerwurm von Millionen und aber Millionen über alles Lebende, was sich ihnen in den Weg stellt. Sie fressen alles, was sie überschwemmen, in Minuten auf. In jede Höhlung, jedes Loch, jeden Schlupfwinkel dringt die dichte, stinkende Woge. Bäume, Falllaub, Nester — ja selbst Bienenstöcke überziehen sich damit. Vögel, Mäuse, Kriechtiere fallen ihnen zum Opfer. Ganze Niederlassungen der Eingeborenen stehen verödet, wenn sie sich nähern. Scharenweise fliehen die Tiere vor ihnen. Ja, die einzige Rettung lag in der Flucht.

„Wir setzen auf die andere Seite des Flusses über“, befahl Bomba, ohne zu zögern.

Als erstes wurde Andrew Bartow ins Kanu gebettet, und dann verstauten sie ihre Nahrungsvorräte im Boot. Die anderen Sachen folgten. Dann schoben sie das Fahrzeug ins Wasser, und als letzter schwang Bomba sich an Bord.

Die Flucht war keinen Augenblick zu früh erfolgt. Während das Boot noch am Ufer dahinglitt, sahen sie Schlangen aller Arten und Größen aus ihren Dschungelverstecken kriechen. Einige davon waren bereits dick mit Ameisen bedeckt.

Mit schnellen Ruderschlägen brachten Wafi und Gibo das Kanu um die Treibholzstapel an das nahe jenseitige Ufer. Bald stießen sie auf Grund, und Bomba sprang in das seichte Wasser und zog das Kanu an Land. Kurze Zeit standen sie da und schauten zum anderen Ufer hinüber. Die Lichtung des Camps und die Bambushütte waren bereits mit einem lebendigen Teppich von geschäftigen Ameisen bedeckt.

Gibo stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.

„Möge dieses Ungeziefer verflucht sein“, schimpfte er laut. „Es ist gut, dass sie uns nicht erreichen können.“ „Deine Worte kommen zu schnell“, sagte Wafi warnend. „Schau noch einmal hinüber.“

Gibo drehte sich um und erbleichte vor Schreck.

Die Ameisen schickten sich an, den Fluss zu überqueren!

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