Berge blau und die Fahne rot

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THEATER, THEATER
Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte aus der Stadt der Karpfenpfeifer 1 als Bühnenspaß
Einführung

Raue Luft. Arbeit und Geld ist in der Kommune knapp. Das „Karpfenpfeiferfest“ fällt aus. Die „Gette der Gerechtigkeit“ auf dem Rathaus fröstelt. Ede, ohne Job, auch. Er will die Heimat entgegen seiner Freunde verlassen. Doch er trifft wieder auf Anita, eine frühere Liebe, die sich als Flittchen durchschlägt als auch auf Lässig, einen seiner Chefs des insolvent gegangenen Möbelwerkes „MÖZEU“, der beide einst in flagranti ertappte. Ede mag Anita noch immer, doch sie lebt mit Lässig zusammen, jetzt Stadtrat und Besitzer eines Autosalons, der mit großem Pomp eingeweiht wird, aber in die roten Zahlen kommt. Mit anderen ebenfalls betroffenen Unternehmern macht er Ede und seinesgleichen für die desolate Lage verantwortlich, denn jene würden in den Kaufhäusern umher lungern, während sie die Stadt generös stützten.

Die empörte Öffentlichkeit boykottiert sein Geschäft und attackiert ihn mit Leserbriefen. Anita ist nicht mit Lässig einverstanden. Ede nutzt diese Gelegenheit, sie aber, an bessere Tage gewöhnt, weist ihn noch ab. Ede, ohnehin frustriert, bedrängt sie während der nächtlichen Vorstellung einer Theatergruppe, die für die Stadt als auch das ausgefallene Karpfenpfeiferfest einen Hoffnungsbaum setzt. Dabei werden sie wiederum in flagranti überrascht. Ein Skandal. Da Lässig, geschäftlich angeschlagen, seinen Rivalen als Vergewaltiger anzeigt, verlässt ihn Anita. Um den Ruin durch einen Versicherungsbetrug abzuwenden, besticht er einen Pyromanen, der in der Stadt sein Unwesen treibt. Weil sich jener im letzten Augenblick weigert, zündelt er selber und wird dabei fälschlicherweise als der gesuchte Brändler ertappt.

Der niedergebrannte Autosalon ist wieder aufgebaut. Ede und Anita, von den Freunden sehnlich erwartet, kommen mit ihren Koffern und erleben im Beisein der städtischen Honoratioren die Neueröffnung. Zur gleichen Zeit erscheint die Polizei mit dem Sträfling Lässig am einstigen Tatort. Jener beschuldigt Ede als Brändler, warnt, der habe eine Bombe im Koffer und alles geht in Deckung. Um den Verdacht abzuwenden, öffnet der den Koffer und bombardiert mit Anitas Unterwäsche die Polizei, die das Feuer eröffnet. Dennoch brennt es in der Stadt. Die Sirenen heulen und Lässig entwischt in der Turbulenz, von der Polizei verfolgt.

Großes Hallo. Ede und Anita fallen sich in die Arme. Die Freunde sammeln die Unterwäsche ein, packen deren Koffer weg und feiern beide als Paar.

Personen:

Ede, Arbeitsloser

Karl, sein Freund

Lässig, Besitzer eines Autosalons

Anita, leichtes Mädchen und dessen Geliebte

Hacke, Leiharbeiter

Boxer, Leiharbeiter

Brenn, Stadtstreicher und Pyromane

Japaner

Frau Regierungsrat, Bankdirektor,

Bürgermeister, Polizisten, Sprecher, Angestellte

Jugendliche, Reporter, Zeitungsboy,

Mittelständische Unternehmer

Schauspieler und Protagonisten in Hüten

Musikanten und Trommler

Bühnenbild

Grundeinrichtung: Eine Abrissruine mit dem Firmenschild MÖZEU, die in eine ungeräumte Parkecke mit einer Bank ausläuft. Gegenüber die Fassade des Autosalons OPELLA und die Skulptur des Karpfenpfeifers, im Hintergrund ein städtischer Platz mit Bankfiliale und Polizeiinspektion. In der Ferne Trommeln

1.

Ede und Karl, Bierflaschen in den Händen, dösen auf der Bank vor einem Busch. Bierdosen liegen verstreut. Vor dem Autosalon stehen einige Modelle. Er wird mit Girlanden und Fähnchen geschmückt. Großes Plakat: Heute Neueröffnung

Anita: (Stolpert als Straßenmädchen mit hohen Absätzen herein und späht nach Kundschaft aus) Hoppla! Eiei!

Brenn: (späht aus den Büschen und gibt ihr das Zeichen eines Freiers) Sst! Bienchen, Bienchen. Ssssst! Feines Gestell.

Anita: Mach die Flocke, du Zwerg. Verpiss dich!

Brenn: Doofe Schnecke!

Japaner: Wonderful. (Mit Kameras behängt. Schrift auf dem Hemdrücken: I like German. Geht mit dem Camcorder gebannt die Fassade des Autosalons an) Wonderful! Is ja wonderful! Auf den Knien gerät er mit der Kamera Anitas Beine hoch. Wonderful! Wonderful! (sie fasst ihn und zerrt ihn in die Büsche)

Lässig: (In Nadelstreifen und Handschuhen, rügt Hacke und Boxer in blauen Overalls mit großen OPELLA-Aufnähern, die lustlos fegen) Das nennt ihr fegen? Hab ich’s nicht schon hundertmal gezeigt. Pikobello sag ich. Dass ihr mich ja nicht blamiert. Gleich kommen die Herrschaften. (Am Spalier der Angestellten vorbei eilt er Gästen und Reportern entgegen) Die Frau Regierungsrat! Der Herr Direktor! Der Herr Bürgermeister! Danke, Danke! (Nimmt geehrt die Geschenke entgegen und führt sie, von Bewunderungsrufen begleitet, an seine Modelle) OPELLA Schwart, OPELLA Rustikal. Das juckt in den Fingern, nicht wahr? Und hier mein Superschlager: OPELLA Nostalgia. Zweihundert PS, dreizehn Airbags und Sonderausstattung. (Er reißt den Wagenschlag auf, dahinter ein Porzellanklo montiert ist) Mit Goldrand, meine Herrschaften.

Frau Rat: Exellent! Wunderbar! Exquisit! – Das muss belohnt werden. Der Bundes – Autobambi mit Schärpe für Sie, mein lieber, bester Herr Ratskollege. (Sie überreicht eine mörderische Skulptur)

Lässig: (Küsst und reißt sie wie ein Sieger hoch) Wenn ich Sie zu einem bescheidenen Imbiss bitten dürfte. Meine Herrschaften. Ein Gläschen gefällig? (Er führt sie zum Buffet, an dem die Angestellten bedienen. Sektpfropfen knallen. Man trinkt und stößt an) Auf ihr Wohl, meine Herrschaften!

Bürgerm.: Ein Glück, dass es Sie gibt. Bravo, Herr Kollege!

Frau Rat: Wie heldisch investorisch! Sie sind wunderbar!

Reporter: (Ablichtend) Was fühlen sie heute an ihrem großen Tag, Herr Stadtrat Lässig?

Lässig: (in Pose) Autos.

Reporter: Und wie Sie das geschafft haben.

Lässig: Aber ja. Autos.

Reporter: Und wie denken Sie auf morgen?

Lässig: Autos, immer nur Autos.

Frau Rat: (Beifall im Abgehen) Was für ein Management, kolossal! Und Ihre Ideen, bester Herr!

Bürgerm.: Ihre Weitsicht. Männer wie Sie braucht unsere geliebte Karpfenpfeiferstadt.

Direktor: Nehmen Sie mich beim Wort. Meine Bank ist die Ihre.

Anita: (kriecht mit den Kameras des Japaners behängt aus dem Gebüsch und zieht den Rock tiefer) Bist du wirklich der Lässig? Dolfo, he, hast du dich aber rausgemacht!

Lässig: Nur der Fleiß. Nicht wie früher im MÖZEU. Und ehrlich, das währt am längsten.

Anita: Weiß ich, he. Ehrlich, bis auf die Knochen.

Lässig: Anita! Mädchen! Dass ich dich wieder treffe. Joi, joi! (Beide ins Autohaus)

Japaner: Wonderful! Wonderful! (Kriecht auf allen Vieren aus dem Gebüsch und wieder hinein) Wer haben meine Kameras, meine Kameras?

Brenn: Flämmchen, Flämmchen, Feurio! (Schleicht sich zündelnd heran) Und brennt die ganze Stadt / Ruinen hat sie satt / deshalb ich renn und brenn / Juchhe, Ruinenbrenner Brenn. (Sirenen und Trillerpfeifen)

Lässig: Haltet ihn! Haltet ihn! (Stürzt aus dem Salon. Brenn rennt ihn um und flüchtet)

1. Polizist: (Hält ihn mit dem Fuß nieder) Das isser. Ich riech’s. Das isser!

Lässig: Ihr Dussel! Mensch, ihr Pfeifen! Da vorne rennt er.

2. Polizist: Isser nicht. (steckt die Pistole weg und warnt) Fort ist er wieder mal, verpicht! Gerochen, ja, wie einer brändelt, bombardiert. So eine Büberei. / Da saust die Polizei. / Ja, wenn ich den erwisch, den Lumpenhund, / ich zerr ihn übern Tisch.

Lässig: Gerochen, jaja. (vor Hacke und Boxer, die emsig putzen und polieren) Meine OPELLAs! Autos, Autos, blitzeblanke Autos. Was fummelt ihr da herum. Keine Ausstrahlung. Kein Verkaufsflair. Und lahmarschig seid ihr auch. Nicht mal den Brändler fassen. Autos, blitzeblanke Autos und keiner kauft. Ran an die Kundschaft! Wirft ihnen Prospekte zu. OPELLAla, OPELLAla für Opa, Oma und Mama.

2.

Hacke und Boxer stürzen ohne Overall aus dem Autosalon. Ede und Karl dösen noch. Ede wälzt sich auf der Bank und der andere fällt herunter.

Karl: (Rüttelt ihn wach) Ssst. Ede, he! Hab ich’s nicht gleich gesagt? Er hat sie rausgeschmissen, ausgetrickst, so wie mich auch.

Ede: (Die beiden setzen sich mürrisch mit dem Rücken zueinander. Ede streckt sich) So ein Dunst und Beschiss. Wo man hinguckt, Dunst und Beschiss.

Karl: Durst meinst du wohl. Durst.

Ede: >Dunst hab ich gesagt. (Lässt sich eine Dose reichen und leert sie) Theater, alles Theater.

Karl: Was Theater?

Ede: Alles. kaputt. Alles hinüber.

Karl: Was denn hinüber?

Ede: Mach doch die Käsnäppeln auf. Die von der Verwaltung sparen sich noch tot, sie müssen. Und auf wessen Kosten?

Karl: Uns sparen sie tot, wen sonst.

Ede: Früher arbeiteten paar tausend beim VEB MÖZEU, Tischler, Anlagenfahrer, was du willst. Stadt der Möbel Weltstadt. Und was ist heute?

Karl: Musst du mir das sagen? Nicht mal mehr Geld hat unsere schöne Stadt auf der Höhe für ihr Karpfenpfeiferfest, geschweige denn für unsereins. Jeden Tag gucke ich zum Rathausturm hoch und sehe, wie die Göttin der Gerechtigkeit, unsere „Gette“ fröstelt.

 

Ede: Mit Waage und Schwert, haha. Dieses Eisen der Ungerechtigkeit. Mich fröstelt auch.

Karl: Das Loch im Sparstrumpf der Räte wird immer größer. Der Schwarm der Arbeitslosen wächst, uns eingerechnet. Wir modernen Sklaven.

Ede: (Winkt nach einer weiteren Dose, die Karl beflissen öffnet, aber antrinkt, leert und vor den Salon wirft) Durch diesen Autofritzen da drüben auch.

Karl: (Gegen Hacke und Boxer, die heran stolpern) Die zwei müssten es ja wissen.

Hacke: (Wütend) Der da, der Boxer.

Boxer: Ebenfalls wütend) Hacke, er selber, ha. Er ist schuld, dass ich rausgeflogen bin.

Hacke: Alles machte er mir zum Schur.

Karl: Jaja. Sich gegenseitig auf die Füße treten Möööönsch! (Zeigt einen Vogel) Rabotten wie verrückt und dann doch fliegen.

Ede: Mobbing.

Karl: Idioten.

Boxer: Genau das. Der da hat’s gemacht.

Hacke: Nein, der da. Immer auf mich rein. (Beide aufeinander los)

Ede: No, no, no. (Trennt sie) Und hast dich nicht gewehrt?

Hacke: Na, wie denn?

Ede: Das weißt du nicht?

Karl: (Ironisch, schulmeisterlich) Befreien Sie sich aus der Rolle des gedemütigten Opfers. Treten Sie ihren Widersachern selbstbewusst entgegen. Machen Sie ihm klar, dass Sie nicht länger gewillt sind, sich schikanieren zu lassen.

Ede: Ja, ja, ja, und …

Karl: Unterdrücken Sie alle Signale, die auf Angst hindeuten: stockendes Sprechen, hängende Schultern oder ausweichende Blicke.

Ede: Und …

Karl: Demonstrieren Sie Stärke durch aufrechte Körperhaltung, festen Schritt, offenen Blickkontakt, Ruhige Hände und …

Ede: Ja und, und, und …

Beide: Wenn Sie neue Arbeit finden, erwähnen sie niemals, dass Sie je gemobbt wurden, denn …

Ede: Schluss damit. Alles Theater, ha! Ich hau hier ab. Ich mach’ in diesem Kaff die Mücke.

Karl: Du? Jetzt? Aber … Und was machen wir?

Ede: Was aber? Hab ich’s nicht schon gesagt? Was will ich noch hier?

Karl: Magst ja recht haben. Was geschieht hier schon für uns. Die Stadt ist zu langsam.

Ede: Die meisten, die noch bleiben, haben nischt auf dem Kasten, keinen Pfiff, keine Ideen und wir jungen Leute kein Glück.

Karl: Aber wohin? Meinst du, anderswo ist es besser?

Ede: Wohin denn, wohin? Das ist es ja. (Trinkt, Trommelklang naht) Sind die schon wieder da?

3.

Der Platz belebt sich. Im Hintergrund ein Transparent: „Karpfenpfeifers Ersatzfest: Freude, Lust und Trommelklang.“ Bürger und Schüler kreiden Pflastersteine an. Protagonisten mit Hüten pflanzen einen Glücksbaum. Sie reichen Tagesblätter, sammeln Existenzzeichen und hängen sie an den Baum.

Sprecher: (Mit Megaphon, von den Trommlern begleitet) Ersatz für unser Karpfenpfeiferfest. Wo die Kunst nach Luft schnappt, geht auch alles andere ein. Aber die Zuversicht stirbt nicht. Wir pflanzen einen Hoffnungsbaum. Schreibt eure Taten und Wünsche in die Tagesblätter ein, schenkt ihm ein Zeichen eurer Existenz und tanzt mit uns, damit er groß wird und blüht. Für jedermann. Und zählten nur hundert ohne Arbeit, sie wären zu viel für unsere Stadt. (bei den Ankreidern) Für jeden von ihnen einen Stein. Ja, zwanzig, damit meine Mutti eine neue Stelle bekommt. Dreißig, damit ich morgen eine Lehrstelle habe. (Protagonisten tanzen zu den anderen und bieten die Tageblätter zum Einschreiben an)

Ede: Alles Theater, he!

Karl: Traumtänzer, verschwindet!

Boxer: Wer hört euch denn? Geht in unser Zeuromeer baden! Sie bewerfen die Akteure mit leeren Büchsen. (Anita kommt als Dame aus dem Salon, schreibt verstohlen in ein Tageblatt, gibt ihren Talisman als Zeichen für den Glücksbaum das zu Boden fällt, verschwindet mit den Protagonisten und die Trommeln verklingen)

Karl: Ui! Habt ihr gesehen?

Boxer: In dem Türchen das Figürchen…

Hacke: Das ist ein Bienchen! Kenn’ ich die nicht?

Karl: Mein, sage ich. (Hebt den Anhänger auf)

Ede: Haste gedacht. Her damit.

Karl: Rede kein Blech.

Ede: Rede ich oder du? Na also. (Reißt Karl den Anhänger aus der Hand, geht zum Salon, liest den Namen und kommt verwirrt zurück) Wenn der Lässig … Kann doch nicht wahr sein. Sag, ist das wirklich unser ehemaliger Chef vom VEB MÖZEU?

Hacke: Wer denn? Hast du das nicht gewusst?

Ede: (Betrachtet verloren den Talisman) Anita … ich meine, diese Frau, sie kam von drinnen und ging da wieder hinein?

Hacke: Was denn sonst.

Boxer: So ist es.

Karl: Ede, Mensch. Is was? He!

Hacke: (Flüstert mit den anderen) Hab ich’s nicht gleich gewusst. Anita ist es, sein Liebchen. Er bumste sie damals in der Heizung.

Boxer: Da war’s schön warm, haha.

Hacke: Und er, der Lässig, einer seiner Chefs …

Karl: Der selber auf sie scharf war …

Hacke: Jaja. Erwischt und ihn gefeuert oder feuern lassen.

Ede: (Noch immer verwundert) So einen Salon, Mensch. Und wo hat er den Schmand dafür her?

Hacke: Er hatte dich hinausgeekelt, dann ging er in die Vollen. Abgewickelt, na klar. Alles für eine Mark und noch nen Happen bei.

Ede: Dieser Gauner! Na warte. (Setzt die Bierbüchse energisch auf die Bank. Ich muss da mal rein.

Hacke: In diesen pinkfeinen Laden?

Ede: Egal, ich muss rein.

Boxer: Wie denn, was denn?

Ede: Ich kauf ein Auto.

Hacke: (Lacht. Ein Auto? Du? Gibst deinen alten Schlitten gleich in Zahlung?

Ede: Genau.

Hacke: Diese Rostlaube von dunnemals.

Ede: Bin ich Zahnarzt oder Rechtsanwalt?

Hacke: Na eben, wärst du’s doch.

Boxer: Da kommt sie, he. Pass auf. Ihr Scheich ist gleich dabei.

Karl: (Mit den anderen ab) Hat sie gepufft, haha. Gepufft, haha!

4.

Lässig hält nach Kunden Ausschau. Er greift unlustig zum Besen und wirft ihn wieder weg. Er rügt Anita, gut gekleidet mit Eimer, Leder und Schwamm.

Lässig: Meine OPELLA. Pikobello, sag ich. Immer nur pikobello. Und was ist das? (prüft mit dem Finger und unterweist sie) Ein Stäubchen. Was will ich mit Stäubchen? So wird es gemacht. Alles fürs Geschäft.

Anita: Willst du nicht wieder jemanden einstellen? Meine Hände, guck nur.

Lässig: Ich kann nicht. Ich hab andere Sorgen. (schaut an ihr herunter) In dieser Kleidung? Jetzt bei der Arbeit? Meinst du, sie kostet nichts?

Anita: Aber Dickerchen! Mein guter Dolfo!

Lässig: Nix Dickerchen. Nix Dolfo. Alles fürs Geschäft. (Er geht, Anita putzt gelangweilt. Ede nähert sich ihr)

Anita: (Vorerst ohne aufzuschauen) Kratz die Kurve, Penner. Wa… was … Ede, du?

Ede: (Holt verlegen den Anhänger aus der Tasche) Das hab ich gefunden.

Anita: Gefunden? Aber ich gab ihn doch…

Ede: Du hast ihn weggegeben, unseren Talisman?

Anita: Ja, was sonst?

Ede: Einfach weggegeben?

Anita: Was du nur willst? Ich bin hier im Geschäft.

Ede: Bei diesem Gauner? Bei dem? Hast du denn alles vergessen?

Anita: Besorgt. Wenn er kommt. Du willst was. Sag, du suchst ein Auto.

Ede: Ein Auto, ja, Anita. Ein Geschäft, wenn du es sagst.

Anita: Für deinen alten Skoda? Da hätten wir schon was zum Freundschaftspreis. Ich werde mit ihm reden.

Ede: Mit dem? Nein, nicht mit ihm. Unser Talisman. Anita.

Anita: Ede, das ist schon hundert Jahre her. Beide rasch auseinander, weil Lässig kommt.

Lässig: (In Erwartung eines Kunden freudig) Sie werden bedient? Das ist ja wunderbar. Meine Modelle, Opela eins, Opela zwei. Sie brauchen nur … (Er schaut überrascht an ihm hoch zu Anita) Ja, was wünschen Sie denn?

Anita: Er sucht einen Gebrauchten.

Lässig: Einen Gebrauchten? Aber ja, warum nicht?

Anita: Für einen Freundschaftspreis. Seinen alten Skoda…

Lässig: Freundschaftspreis? Aber ja. Alle unsere Kunden sind unsere Freunde. Und meine gute Anita ist zu jedem freundlich. Legt provokant den Arm um ihre Schulter Nicht wahr, meine Liebe. (Beiseite) Drecksack, dem will ich’s zeigen. Übertrieben freundlich Die alte Mühle, Verzeihung. Ich meine, so eine richtig schöne Rostlaube? Aber selbstverständlich nehmen wir sie in Zahlung. Herr, Herr …, wie war doch gleich ihr Name?

Anita: (Flüsternd) Das ist doch Eduard.

Lässig: Eduard, der Herr Eduard. Was für ein schöner Name. Schauen Sie sich um, vorerst. Dann reden wir. Zieht Anita beiseite Hast du es so dicke? Deine ewige Dusselei.

Anita: Wie er dran ist. Merkst du denn nichts?

Lässig: Eben deshalb. Weil er so dran ist.

Anita: Wir arbeiteten zusammen. Er war unser Kollege.

Lässig: Unser? Deiner, ja, verdammt. Und er ist es wohl immer noch? Wie du dich plötzlich für dieses Ersatzkarpfenpfeiferfest interessierst. Meinst du, ich weiß es nicht und warum? Hat er dich aus dem Dreck geholt oder ich?

Anita: Hilf ihm, Dolfo, tue mir den Gefallen.

Lässig: Ich habe an Arbeitsscheue nichts zu verschenken. Ein Versager, der nicht rechnen kann. Nicht rechnen. Das ist es.

Anita: Das ist der Unterschied zu ihm. Du kannst es nur zu gut.

Lässig: Ich bin der Popanz, natürlich. Immer ich. Weißt du nicht, wie ich dran bin? Dein Denkfehler heißt Nostalgie. Kann ich dafür, dass es mich so erwischt hat? (verschwindet im Salon, Anita zögerlich hinterher)

Ede: Ärgerlich vor den Autos Ausputzer! (greift einen Stein, besinnt sich, wirft ihn aber hinter sich ungewollt auf eines der Autos) Scheiße! (flüchtet erschrocken)

Lässig: (wütend aus dem Salon) Das hab ich mir gedacht! Du Banause! Die Polente kriegst du auf den Hals! (rennt über den Platz zum Polizeirevier) Polizei, Polizei!

Ede: (grübelt abseits auf der Bank über Anitas Anhänger. Die Trommeln dröhnen gedämpft in der Ferne) Anita … Anita …

5.

Anita dirigiert die Angestellten, die Tische und Stühle heranschaffen, Fähnchen und OPELLA-Embleme platzieren. Lässig geht sorgenvoll auf und ab. Der Direktor kommt über den Platz. Er läuft ihm entgegen. Jener aber eilt davon. Danach der Bürgermeister. Aber auch der weicht ihm aus. Er lässt sich erschöpft auf einen Stuhl fallen.

Lässig: Meine schönen OPELLAS. Warum nur, warum?

1. Untern.: (Aufgeregt mit Ordner) Rechnungen, Rechnungen, alles Rechnungen. Sie zahlen einfach nicht.

2. Untern.: (Schwenkt Schlüpfer, groß bedruckt: IN CHARACHO. IMMER RAN! DURCHHALTEN!) Meine Dessous. Das Allerbeste und Modernste. Sind sie nicht wunderbar? Meine Dessous

3. Untern.: (Mit Getränkekasten herein, öffnet jedem eine schäumende Flasche, wonach alle rülpsen) Bombastus Gambrinus. Kraft aus der Flasche. Meine Kreation. Kaufen Sie, kosten Sie, meine lieben Mitstreiter, kosten, kosten und Sie, meine Verehrteste. Oh, diese Lohnnebenkosten!

Frau Rat: (Mit Redemanuskript herein, trinkt ebenfalls) Rülpsen und furzen Sie, wie schon Luthern sagte. Ein Zeichen der guten Verdauung, die uns so unternehmerisch kühn werden lässt. Das macht uns keiner nach. Rülpst) Das ist der Aufschwung.

2. Untern.: (Beifall klatschend) Bravo, bravo! Sie haben ein Licht leuchten lassen, meine Gnädigste. Ich verehre Sie.

3. Untern.: Welch ein Gleichklang der Seelen. (führt ihr die Flasche zum Mund) Trinken Sie.

2. Untern.: Sehen Sie, meine rassigen Büstenhalter. Probieren Sie.

Frau Rat: Meine Herren, was unterstehen Sie sich!

2. Untern.: Aber was denken Sie von uns? Beginnt sie zu entkleiden und anzuprobieren. Ein fescher Bikini? Amouröse Spitzenträume? Ein Highlight Zaubertraum. Ihr zarten Äpfelchen, oh, meine Dame.

Frau Rat: Aber meine Herren, bitte…

 

2. Untern.: Meine ausgezeichneten Schlüpferchen, ganz exquisit mit Motivdruck. Sexy, sexy jeden Tag. Probieren, meine Dame, probieren.

Frau Rat: Sie werden doch nicht! (Die Herren bemühen sich dennoch. Sie flieht halb nackt)

Lässig: (Angeschlagen) Meine schönen OPELLA. Keiner kauft, keiner kauft.

1. Untern.: Meine Rechnungen, keiner zahlt.

2. Untern.: Meine wunderbaren Dessous … Keiner mag sie!

3. Untern.: Mein Bombastus Gambrinus! (alle trinken betrübt und rülpsen)

Lässig: (Seine letzten beiden Angestellten treten gemächlich heraus. Sie sehen ihn kommen und fummeln eifrig) Auf meine Kosten ausruhen. Meint ihr, ich bin blind? Ab ins Büro. Entlassen. Entlassen (Aufregung. Man redet laut aufeinander ein)

1. Untern.: Keiner zahlt.

2. Untern.: Meine Dessous …

3. Untern.: Mein Bombastus Gambrinus

1. Untern.: Die sind schuld! Die machen uns und die Stadt kaputt!

2. Untern.: Nein, die sind schuld!

3. Untern.: Die sind schuld! (Jeder zeigt in eine andere Richtung)

Lässig: Nein, die da sind schuld! (Zeigt energisch auf die Entlassenen ohne Overall, die davonschleichen wollen, aber von den Mittelständlern eingekreist werden) Solche da und alle die Stromer dort, die unser Geld einstecken, ohne dafür zu wackeln.

Lässig: Ich mit denen paktieren? Da lieber wandere ich aus.

Anita: Aber Dolfe, Dolfo.

Alle: Die da, jawoll!

Lässig: Die Sozialknete runter und unsere Steuern auch.

Alle: Die da, jawoll!

Lässig: Wir rennen uns den Kopf ein, blechen und die da tummeln sich im Einkaufspark. Die verzocken den ganzen lieben langen Tag auf unsere Kosten. Da muss mal wer dazwischenfunken. Ein starker Mann. Mal zeigen, wo Boom wohnt.

Alle: Die da, jawoll! Rumtreiber. Faulenzer. Tagediebe! (Der Ring verengt sich. Beide Entschlüpfen. Alle hinterher an den Polizisten vorüber, die Brandgeruch schnüffeln und mit gezogener Pistole heran pirschen)

1. Polizist: Gestern die WEMA, vorgestern die insolvente Gummistrickerei und heute? Riechst du es? Da muss der Brändler sein, ganz in der Nähe.

2. Polizist: Ich riech’s. Ich hab’ die Nase voll. Gleich packe ich den Lumpenhund.

1. Polizist: Der Lump, der Lump, elend frecher Hund.

Brenn: (Reibt sich versteckt die Hände) Gleich knistert gleich die alte Ziegelei. (Schleicht den abgehenden Polizisten zündelnd hinterher) Das Alte weg, ritze, ratz / Ich schaffe neuen Platz / deshalb ich renn und brenn. / Juchhe, Ruinenbrenner Brenn. (Rauch, Trillerpfiffe, Schüsse)

Japaner: (Mit Kamera gebannt einschwenkend) Wonderful, wonderful!

6.

Ede und seine Truppe lagern gelangweilt auf ihrem Platz. In der Ferne tönen die Trommeln der Spieler. Lässig rechnet mit Anita am Monitor, springt auf und fällt erschöpft zurück. Anita, ebenso unruhig, drängt es hinaus. Sie greift nach einem Plakat: Gute Verkäufer gesucht. Legt es aber wieder weg. Ein Boy verkauft Zeitungen.

Boy: OTZ, lest die Ostthüringer Zeitung, Sensation! Sensation! Autohändler beschimpft Arbeitslose und fordert schärfere Gangart! Helle Empörung bei den Karpfenpfeifern. Hunderte Leserproteste!

(Die Männer pfeifen, schimpfen und lachen)

Truppe: Seht nur! – Ah! – Eisenfresser! – Der Lässig, Eisenfresser! Eisenfresser!

Boxer: Stadtrat, Sponsor, Investor, ha ha ha. Da hat er’s.

Karl: Soll er doch auswandern.

Hacke: Auf den Mond schießen

Ede: Da passt er hin, ja. Er soll sich öffentlich entschuldigen.

Karl: Der wird uns was husten. (Anita kommt auffallend mit dem Plakat und zweckt es an. Sie wird angemacht)

Truppe: Ah! – Oh! – Hallo, Bienchen!

Hacke: He, soll ich dir helfen?

Karl: Klappt’s mal mit uns beiden?

Boxer: Wie wir ihn lieben, deinen Stecher, Hihi!

Ede: Grüß ihn schön von mir! (Anita geht und lässt die Jalousie fallen. Sie werfen mit leeren Bierbüchsen. Ede skizziert Lässig als Eisenfresser und hält das Bild gegen den Salon)

Im Chor: OPELLA, Lässiga, wir sind da! Lässiga, tirallala! (beide Polizisten kreuzen martialisch auf, die Truppe weicht aus)

Ede: (Holt mit Blick auf den Aushang ein Schreiben aus der Tasche) Ich hab so einen Wisch von der Arbeitsagentur. (liest) Sehr geehrter Herr …

Hacke: (Klopft sich auf die Tasche) Ich auch. Sehr geehrter Herr … Sehr geehrter Herr…

Ede: Weißt du, wie das bei dem Lässig drinnen, dem Herrn Stadtrat, abläuft? Der guckt dir nicht nur vorn, sondern auch hinten rein.

Hacke: Für ein Trinkgeld kannst du putzen und fummeln! Ich-AG. (Tippt sich an den Kopf) Du wirst ja sehen. Der macht dich fertig.

Ede: Wenn er kann. Theater! Haha! Alles Theater!

7.

Ede liegt auf der Bank. Das ferne Getrommel schwillt an Lässig lasst wütend die Jalousie fallen und wirft sich vor dem toten Fernseher in den Sessel.

Anita: (eine Weile unentschlossen) Musst du mit den Leuten auch so umspringen. Jetzt hast du es und ich auch. Ich trau mich gar nicht mehr hinaus. (Sie zieht die Jalousie hoch. Er springt auf, lässt sie wieder fallen. Sie aber reißt sie wieder hoch) Wie eingesperrt lebe ich. Ich halte das nicht mehr aus!

Lässig: Und ich? Dieser Radau draußen. Sag mir doch, warum es dich da hinauszieht. Warum? Dein Lotterleben, wie lange treibst du es schon wieder? (Lässt die Jalousie wieder fallen)

Anita: Mit Ede jede Nacht. Das willst du doch hören. Du verfährst mit ihm und den anderen auf eine Weise, die mich anwidert. Wenn ich an früher denke, Dolfo. Was ist aus uns geworden?

Lässig: Früher, früher. Das ist aus mir geworden. (Weist auf einen Haufen Auszüge und Rechnungen) Heut hab ich Kassensturz gemacht. Schulden, Schulden, Schulden! Das ist aus mir geworden.

Anita: (Bringt den Schlafanzug und setzt sich zu ihm. Er weist sie ab. Auch das Glas Wasser, das sie ihm reicht und wankt ins Schlafzimmer) Schlaf dich mal richtig aus. Ich bitte dich. Du machst uns beide kaputt.

Brenn: (Schleicht heran. Brenn, ich brenn, Ruinenbrenner Brenn. / Und wenn es mal was Neues ist, OPELLA, tirallala / da mach ich kein Geflenn. (Er beginnt zu brändeln und muss sich vor Vermummten verstecken) Drauf! Gibs ihm! Uns wird er nicht vergessen. (Sie springen herbei, beknüppeln Lässigs Supermodelle und fliehen, weil die Sirene aufheult)

Lässig: Da sind sie, da, da! (Er kommt mit der Pistole, schießt in die Luft und stolpert über Brenn, der ebenfalls flüchten wollte) Jetzt hab ich dich, jetzt. jetzt! (Brenn schlägt ihn nieder und flieht. Die Polizisten mit Trillerpfeifen und Pistolen fassen Lässig)

1. Polizist: (Hält ihn schnüffelnd mit dem Fuß nieder) Das isser! Ich riech’s. Jetzt hammern endlich. (Klopft sich auf die Schulterstücke) Da kriegmer tüchtig etwas drauf.

Lässig: Ihr Brummer. Habt ihr Dreck auf den Augen?

2. Polizist: Ich riech’s och. Doch hammern wieder nicht. Gleich kriegen wir anderswo was drauf. Der nicht. Fort isser wieder mal, verpicht.

1. Polizist: Der Lumpenhund!

2. Polizist: (Hebt warnend den Zeigefinger zum Publikum und lässt ihn resigniert fallen) So eine Büberei, / da saust die Polizei. / Statt ich ihn nun erwisch, / jaja, der Lumpenhund, / uns zerrt er übern Tisch. (Beide geschlagen ab)

Lässig: (Rappelt sich hoch, taumelt an seine Supermodelle) OPELLA Schwart, OPELLA Rustikal, OPELLA Nostalgia! Nostalgia!… Er hat sie kaputt gemacht, dieser Stinker! (Er rennt in den Salon und zerrt Anita im Nachtkleid heraus) Da siehst du, was er angerichtet hat. Meine OPELLA, alle drei! Dieser Verbrecher. Und du scharwenzelst mit ihm. (Er stößt sie weg und geht)

Anita: (Sie lässt sich betrübt nieder. In der Ferne Trommeln Greift nach ihrem Talisman) Mein Zeichen, der Talisman. Ich hab ihn weggegeben. Einfach weggegeben. So hat er gesagt. (Erschrocken als Ede sich neben sie setzt) Bist du verrückt?

Ede: Ich war es nicht, aber ich hoffte, dass du heraus kommst. Anita! Anita!

Anita: (Nimmt seine Hand von ihrem Knie) Ich schreie, wenn du …

Ede: Was wenn? Du in seinem stinkfeinen Käfig? (Befühlt das feine Nachthemd und küsst sie gegen ihren Willen) Lebst aber wie ein Hund, den er pfeift. Geh mit mir, Anita. So einen hast du nicht verdient. Wir verduften aus diesem kalten Nest.

Anita: Lass mich. (Sie löst sich mit Anstrengung von ihm und flüchtet ins Haus)

8.

Lässig steht vor seinem Salon. Er grüßt, aber die Bürger gehen geflissentlich an ihm vorbei. Anita arbeitet am Computer und schaut immer wieder auf, als erwarte sie jemanden. Sie bringt ihm eilig ein Papier.

Lässig: (Reißt ihr das Blatt aus der Hand) Das kann nicht sein. Ich hab es selber nachgerechnet.

Anita: Die Rückstände, diesmal schon die dritte Mahnung. Ich hab sie begleichen müssen, wie du sagtest.

Lässig: (Genervt) Gleich pack ich ein. Nur wegen dieser Kerle und der halben Stadt, die mich verleumden, nur weil ich die Wahrheit über diese Arbeitlosen sagte. (Bemerkt einen Fremden draußen mit Schlapphut und duckt sich) Ich fresse einen Besen. Das ist der feine Herr Direktor von der Bank. Erst futtert er von meinem Bankett, macht große Sprüche und jetzt …? Er luxt, ob jemand bei mir kauft. Und wenn nicht, dann … (Er versteckt sich, weil ein zweiter kommt) Absperren. Ja nicht hereinlassen. Dem hab ich’s auch versprochen und nicht gezahlt. Auf der Straße hat mich schon einer angetatzt. Mafioso, die drohen mit dem Knüppel oder was.