Berge blau und die Fahne rot

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Anita: Die anderen auch. Nicht mit Knüppeln, aber fast. (Edes Truppe, von der Polizei eskortiert, zieht vorbei)

Im Chor: Lässiga, wir sind da. OPELLA, Tirallala! Tirallala …

Lässig: Dein Ede auch. Diese Niete. Sie saufen Schnaps.

Anita: Da kommt er.

Lässig: (Wirft sich groß in seinen Sessel) Der freche Hund. Ich schmeiß ihn hochkant raus.

Ede: (Angetrunken, mit Flasche) Ei, ei. Der Glanz in dieser Hütte. Und diese wunderschönen Wagen. Oh, oh! Sie verkaufen ja wie toll, hab ich gehört.

Lässig: Die Stelle ist besetzt, falls du was willst. Ich lass mich nicht verarschen.

Ede: Besetzt? (Ihn rundum musternd) Woher ich Sie bloß kenne? Und die Gnädigste. Verzeihung, dass mir das passiert. (Küsst ihr die Hand) Diese zarten Fingerchen, nein. Wie sie sich quälen muss.

Lässig: Jetzt aber Schluss mit dem Gequatsche.

Ede: Aber mein Herr. Sie verwechseln mich. Mein Zwillingsbruder … das könnte sein. (Zu Anita) Die grauen Zellen. Man will, doch sie wollen nicht. Ich verzeihe es ihm. So einem Geschäftsmann, der Leuchte unsere Stadt, das anzutun. Was so einer verkraften muss.

Lässig: Jetzt aber raus. (Verwirrt) Nein, nicht raus. Erst zahlst du mir den Schaden.

Ede: Wie, was? Ein Schaden? Ein Stein vielleicht auf diese wunderbare Metallic. Das sieht ihm ähnlich.

Lässig: Ich hol die Polizei.

Ede: Die Polizei? Ah, jetzt fällt mir’s wieder ein. Mein Brüderchen hat mir von früher was erzählt. Und Sie, meine Gnädigste, waren Sie nicht auch dabei?

Lässig: Suffkopp. Wenn du nicht zwei linke Hände hättest, gäbe ich dir die Stelle.

Ede: Für die paar Piepen? (Schwankend zu Anita) Der Salon, welch eine Pracht für ein paar Milliönchen. Wie man das wohl macht? So ein Deal mit der treuen Hand. Vereinigungsgeschäftchen, Wirtschaftskriminalität, sagte mein Brüderchen. Vielleicht weiß es die Polizei. Ich muss mal überlegen. Ha, da kommt sie. Am besten, ich frage sie gleich selber.

Truppe: (Empfängt Ede mit Hallo. Während er mit den Polizisten spricht, provoziert sie im Chor und zieht ab) Lässiga, wir sind da. Tirallala! Lässiga, wir sind da. OPELLA, Tirallala!

Lässig: (Betreten) Er hat mit ihnen gesprochen Hast du es gesehen?

Anita: Vielleicht, vielleicht auch nicht.

Lässig: Meine Schliche und so, als damals die MÖZEU platt gemacht wurde. Er weiß alles. Er macht mich fertig. Dazu der Bänker und der andere. Die kommen wieder. Was mach ich nur? (Überlegt) Vielleicht, dass ich mit ihm ins Geschäft komme. Ich ließe mich nicht lumpen. Schenk ihm bei Gelegenheit einen Kaffee ein. Wir reden drüber. Nein, nicht jetzt. (Der Japaner kommt) Er kann sich nicht entschließen zu kaufen Hilf mal ein Bisschen nach. Mach ihm schöne Augen oder was.

9.

Anita setzt sich an den Computer und schreibt. Lässig putzt an seinen Autos. Als sich der Japaner filmend nähert, verschwindet er vorerst und verfolgt dann händereibend den Verlauf des Geschäftes.

Japaner: (Landet mit dem Objektiv auf Anitas Schreibtisch und stutzt) Oh! Oh, Oh! Is ja wonderful!

Anita: Yes, Yes! (Führt ihn aufreizend an die Modelle) OPELLA Schwart, OPELLA Rustikal. Lucki, lucki, alte Zitrone. Mach deine Gucker auf. Ich weiß schon, was du von mir willst.

Japaner: (Ihr auf die Beine schauend hinterher) Ist ja wonderful, wonderful!

Lässig: (begeistert) Klasse, klasse!

Anita: Und das da, du Schlitzauge, unser Bestworn. Ist allerbest. OPELLA, Nostalgal, eh, Nistagol …, OPELLA Nostalgia. (reißt den Wagenschlag auf)

Japaner: (verwundert) OPELLA Nostalgie? What all that?

Anita: Mit Scheißhaus, du Ochs.

Lässig: (händereibend) Mädchen, Mädchen.

Japaner: Oh, oh. Wonderful. I like that. German kolossal.

Anita: German, German. Rede deutsch, wenn du kannst, du gelbe Zwiebel.

Japaner: Kann ich auch, meine Gute, kann ich auch. Was heißt gelbe Zwiebel?

Anita: (Streichelt ihm die Wange und spricht wie es geschrieben wird) Schöne Face, mein Darling, schöne Face. Sehr fotogen.

Japaner: Ich zeigen dir fotogen. (Er gibt ihr seinen Camcorder und legt alle Apparate ab. Er biegt sie in eine exzentrische Haltung, wobei sie fallen)

Anita: Hilfe! Hilfe! Er vergewaltigt mich. Hilfe!

Lässig: (Der Japaner flieht. Lässig hält ihn auf und zeigt ihm die Polizisten draußen) Du kriminell, kriminell. Polizei! Polizei!

Japaner: Nix Polizei. Ich zahlen.

Lässig: Nix zahlen. Du kaufen. Sonst hier. (Zeigt mit den Fingern ein Gitter)

Japaner: Ich kaufen OPELLA Schwart. Yes, Yes.

Lässig: Und OPELLA Rustikal.

Japaner: No, no!

Lässig: (Zeigt wieder ein Gitter) Und OPELLA Nostalgia.

Japaner: No, no! No!

Lässig: Polizei, he Polizei! (Winkt den Polizisten)

Japaner: Yes, yes. OPELLA Smart, OPELLA Rustikal, OPELLA Nostalgia. (Schlägt sich auf die Taschen zum Zeichen, dass sie leer sind) Ich müssen auf Bank.

10.

Tänzer und Trommler agieren auf dem Platz. Die Protagonisten führen die Hoffnungsfigur umher. Sie sammeln weitere Existenzzeichen ein und lassen die Passanten sich in die Tageblätter einschreiben. Anita serviert Ede einen Kaffee und redet auf ihn ein, bevor er sie verlässt. Die Akteure ziehen ab. Lässig tritt wieder in Nadelstreifen heraus. Der verkleidete Direktor und andere Gläubiger kommen ihm entgegen. Er flieht und versteckt sich, während Edes Truppe am Rande des Platzes lagert.

Ede: Haste gesehen? (Er nimmt Platz, lässt sich von Karl ein Bier reichen, das er genüsslich trinkt)

Karl: Hab ich. Der geht stiften.

Boxer: Dem geht der Arsch wie Grundeis. Wie hast du das gemacht? Hast du gar die Stelle?

Ede: Stelle? Bei dem? Ach was. Er sitzt fest. Seine Vergangenheit und, und … haha. Ich hab ihn eingesackt. So dass er uns jetzt braucht.

1. Angest.: Uns brauchen? Der?

Ede: Wir helfen ihm wieder auf die Sprünge.

Karl: Wir ihn? Ede, nie!

Ede: Denkt er. Aber wir hauen ihn in die Pfanne. Wir spielen ein bisschen Theater. Anita hat es mir schmackhaft gemacht.

Hacke: Anita? Ich hab dich mit ihr turteln sehen.

Ede: Lasst euch was vorführen, blättert in den Prospekten. Ihr seid jetzt alle seine Kunden. Fragt nicht so viel. Putzt euch ein bissel raus. Zu futtern und zu trinken gibt es auch.

2. Angest.: Zu futtern und zu trinken. Fehlt nur noch ein kleines Feuerchen Wäre dieser Salon nicht der richtige Braten.

Brenn: (Flüsternd) Da steht nun dieser Klotz herum, warum? / Ach sind die Leute dumm. / Ich aber brenn und spring, / damit ich wieder Arbeit bring. (Anita richtet einen Imbiss, Lässig bringt unter dem Gejohle seiner Scheinkundschaft einen Kasten Bier, steckt die entlassenen Angestellten wieder ins Overall und lässt unter Radiomusik die Werbung aufhängen: Tag der offenen Tür)

Lässig: (Da alle ans Büfett stürzen, teilt er Besen und Leder aus) Erst wird geputzt, pikobello, damit ihr es wisst. (Jetzt erst zugelangt. Sie essen und trinken geräuschvoll, bis er zwei Gestalten entdeckt, die sich auffällig unauffällig nähern) Wie er späht und lauscht. Das ist er, der Herr Direktor inkognito. Und da, der andre auch, dieser Mafioso.

Anita: Auch der Bürgermeister mit Frau Rat. Los, alle auf die Plätze! (Sie schreibt am Computer, überall Betriebsamkeit, von den Gästen bewundernd registriert)

Hacke: Dürfte ich mal telefonieren? Wegen der Überweisung, wissen Sie.

Anita: Aber selbstverständlich.

Boxer: Die Extras mit Navigation?

1. Angest.: Na klar. Vom Bahnhof nach Auma bis zum Mond, wenn Sie wollen.

Brenn: Diese Feuer in der Stadt. Dieser Funkenflug. Das ist ja lebensgefährlich.

2. Angest.: Da empfehle ich ihnen unsere Sonderanfertigung, feuerfest, gepanzert, auf Raupe. Selbstredend sparsam mit Rapsöl.

Boxer: Ein Amphibienfahrzeug, falls ich durch die Talsperre muss.

1. Angest.: Durch die Talsperre? Okay, okay. In Weida kommen Sie dann wieder raus.

Ede: Schönes Wetter heute. (Tritt Lässig auf den Fuß)

Lässig: Und so nette Leute. (Stößt ihm den Ellenbogen in die Seite)

Reporter: Unverwüstlich wie ein Fettauge, jetzt in der Flaute.

Lässig: Immer oben, sehr richtig. Fett schwimmt immer oben.

Reporter: Und die bösen Leserbriefeschreiber?

Lässig: Ich liebe sie. Sehen Sie nur, sie kaufen, kaufen, kaufen.

Reporter: Und wie sehen sie jetzt ihre Zukunft?

Lässig: Rosarot, Metallic, Kolossal!

Anita: (Mit Handy Der Herr Rat.

Lässig: Oh, das tut mir aber leid. Alles ausverkauft. Nur noch auf Vorbestellung. (Die Gäste reagieren mit Bewunderungsrufen. Dazu die Mittelständler ganz außer Fassung mit ihren Utensilien: Ordner, Dessous und Bombastus-Gambrinus)

Japaner: (Eilig, sich besorgt nach den Polizisten umschauend) Ich haben mir versäumt. Exkuse me. Jetzt wir machen Geschäft. One, two, three, no, no. Einmal OPELLA Schwart. (unterschreibt Scheck und überreicht ihn)

Lässig: No, no. Zwei, drei, alle drei. (zeigt mit den Fingern ein Gefängnisgitter)

Japaner: Two, two. Alle beide. Ye, yes. Scheck mit Unterschrift.

 

Lässig: OPELLA Schwart, OPELLA Rustikal, Wunderbar. Was für Wagen. Das Beste haben sie noch vor sich. Sehen sie nur. (winkt die Polizisten näher)

Japaner: (Nur Augen für Anita, die vorüberschwebt) Wonderful, oh, wonderful. OPELLA Nostalgia, Yes, yes! (Signiert unter den Augen der staunenden Gäste, übergibt den Scheck und eilt Anita nach)

Lässig: (Generös unter dem Beifall der Gäste) Sehen Sie, das ist Fleiß und Tüchtigkeit. So wird’s gemacht.

Gäste: Bravo, Bravo. Unser Herr Lässig, er lebe hoch, hoch, hoch!

Bürgerm.: Ist ja fulminant, Herr Kollege!

Frau Rat: (Hände schüttelnd) Sie sind unser Retter. Die Stadt blüht auf. Ich bewundere Sie.

Direktor: Meine Bank die Ihre, nein, deine Bank, sage ich. Mein Lieber. Wie viel?

Lässig: Was wie viel?

Direktor: Kredit, mein lieber Dolfo, Kredit.

Lässig: Fünfzigtausend?

Direktor: Fünfzigtausend? Das ehrt dich, mein Lieber. Aber ich sage Fünfhunderttausend, wie du es brauchst. Komme dann in deine Bank.

Frau Rat: Beifall, meine Herrschaften, Beifall.

1. Untern.: Meine Rechnungen, wer bezahlt meine Rechnungen?

2. Untern.: Meine Dessous, Kaufen Sie! Kaufen Sie!

3. Untern.: (Drängt ihn beiseite) Bombastus-Gambrinus! Bombastus Gambrinus! Er verteilt, man trinkt und rülpst)

Frau Rat: Mit Flasche. Bombastisch, bombastisch, alle meine lieben Bürger. Kraft aus der Flasche! Kraft, Kraft! (Im Abgehen trällernd, alle folgen) Dideldadeldideldein / Aufschwung machen ist so fein / Aufschwung, Aufschwung dideldadeldideldein …

11.

Lässig stolziert im Nadelstreifenweiß vor seinem Autosalon einher. Die Passanten grüßen ihn respektvoll. Anita, von ihm kontrolliert, hantiert wie ein Putzteufel und muss sich auch noch an den Computer setzen.

Bürgermeister: (Im Vorbeigehen) Gute Geschäfte heute, prächtig, prächtig.

Lässig: Danke, danke. Ausgezeichnet.

Direktor: (Im Vorbeigehen) Ein Bombenerfolg gestern, mein lieber Dolfo. Dazu die neuen Verbindlichkeiten. (Sich umschauend, ins Ohr) Ich sag nur Steueroasen, Rotlichtviertel und Waikiki. Rentite, diese Rentite!

Lässig: Danke für die Hinweise, danke, mein Lieber.

Anita: (Eilig) Dolfo! Dolfo! Der Japaner … die Schecks … alle falsch.

Lässig: Alle falsch? Und die OPELLA? Anita. Schon ausgeliefert.

Lässig: Was? Wie? Schon ausgeliefert? Alle drei!

Anita: Und dieses Fax, ich trau mir gar nicht … (Reicht es ihm)

Lässig: Der andre. Nein noch einer. Dieser Mafiose. Ein Zahlungsbefehl oder … oder Pfändung. Und gestern, der Ede, dieser gerissene Hund. Du stellst alle vier Angestellten wieder ein, sagte er, oder ich packe aus, wie du zu deinem Laden gekommen bist. (Er knickt ein)

Anita: Dolfo! Dolfo! Hilfe! Ein Arzt! Einen Arzt! (rennt hinaus)

Lässig: (quält sich im Alptraum) Weg da! Verschwindet!

Japaner: (Stimme) OPELLA, wonderful! One, two, three! Wonderful!

Lässig: Weg, weg.

Ede: (Stimme) Rache ist Blutwurst. Hörst du sie?

Stimme: Ich bin MÖZEU. Hab dich großgefüttert und hast mich in die eigene Tasche gemöbelt.

Stimme: Dort kam ich raus. Ich, dein Salon. Ab – und wieder aufgewickelt, hoho! So bin ich wieder da.

Stimme: Alles für ‘ne Mark, ‘ne Mark, hihi! Die klitzekleine Mark, das bin ich.

Lässig: Weg, weg.

Stimme: Ich bin die Bank, die du prellst und alle meine Sparer.

Stimme: Und ich der Polizist, der dich gleich tatzt. Klick-klack! Klicke-klick!

Lässig: (Weinerlich) Die anderen, die anderen. Ich bin unschuldig. Alles tat ich für die Stadt, für meine lieben Mitbürger und Karpfenpfeifer. Anita! Anita! (Er fällt aus dem Sessel)

Anita: (Mit Arzt) Da ist er. Schnell, schnell.

Lässig: (Weicht vor dem Weißkittel mit der Spritze zurück) Ich doch nicht. Nicht, nicht! (Sie überwältigen ihn. Er wird gespritzt und schläft ein)

Ede: Anita. Anita! (Er klopft an, schwankt herein) Der alte Sack, Anita. Lass ihn sausen. Der ist nichts für dich und die Stadt auch nicht. Wir machen die Flocke.

Anita: Wohin Ede, wohin?

Ede: Mit mir gehst du, einfach mit mir. (Er stolpert über Lässigs Beine fängt sich und bedrängt Anita) Wir hauen ab aus diesem Kaff. Was auch kommen soll, wie beide packen es, Anita. Meine Anita.

Anita: Geh, verschwinde. Gleich wird er zu sich kommen. (Sie drängt ihn hinaus und lässt das Rollo fallen. Er reißt es herunter)

Lässig: (Kommt zu sich, sieht ihn verschwinden und ist hellwach) Deshalb also. Mir lässt du eine Spritze verpassen und machst mit ihm dein Späßchen.

Anita: Aber Dolfo, Dolfo! Ich …

Lässig: Nix Dolfo … Hab geglaubt, dass wir uns ein schönes Leben machen, hab ich geglaubt.

Anita: Schönes Leben? Mit dir? Pikobello robotten, picobello fegen und fummeln. Pikobello, pikobello und dann ins Bett. Dafür hast du mich gebraucht.

Lässig: Ich? So redest du mit mir? Wo kommst du denn her? Dort wo dein Ede immer noch steckt. Im Dreck. Du … du … (holt aus)

Anita: Immerzu. Schlag doch und sag, was ich bin. Sag’s doch.

Lässig: Reinen Wein werde ich ihm einschenken, deinem, deinem … Damit er weiß, was du für ein Flittchen bist. (Er geht. Die Trommeln tönen gedämpft. Anita weint)

12.

Halbdunkel. Ede lagert mit seiner Truppe an der Bank. Die Trommler erscheinen mit den Akteuren. Die leibhaftige Hoffnung wird auf dem Platz herumgeführt. Man neckt sie tanzend, zeigt die Tageblätter vor und richtet den Hoffnungsbaum ein: mit vielen an Fäden aufgehängte Existenzzeichen und Sprüche aus den Tageblättern. Lässig lässt die Jalousie herab. Anita geht verkleidet aus dem Salon. Er folgt ihr. Auch die Truppe mischt sich unter die Besucher.

Hacke: Schnefte, schnefte. Hast du gesehen Ede? Sie schlich aus dem Salon und ihr Macher hinterher. Was du bloß an ihr hast? Sie ist doch eine richtige …

Ede: (Derber Rippenstoß) Was ist sie?

Hacke: (Jammernd) Grüne Neune. Ich mein doch bloß … Da, sie greift die Existenzzeichen durch, mal einen Bleistift oder eine Klammer. Doch sie wird nichts finden.

Ede: Du meinst, sie sucht?

Hacke: Siehst du es nicht?

Ede: Rasch, rasch! (Er gibt ihm den Talisman, damit er ihn zu den anderen gibt)

Anita: Mein Talisman. (Sie hängt ihn ab, presst ihn an die Brust und schaut sich um, als suche sie nach Ede)

Hacke: Sie hat ihn und wie.

Ede: Die feine Dame, was sucht sie unterm Hoffnungsbaum mit meinem Talisman und unsereins in dieser Runde? Ein Existenzzeichen, ha! (Sie nimmt es und schmeißt es wieder weg)

Hacke: Alles Mache. Hab ich Recht? Diese Weiber lieben immer nur ihr Spiel.

Ede: Alles Theater, Theater. Ich sollte dieses Zeug herunterreißen und ihr um die Ohren werfen. – Zigarette?

Hacke: Fini.

Ede: Ein Bier!

Hacke: Fini, Ede, das letzte. (Reicht ihm die Flasche und kehrt seine Hosentaschen um)

Sprecher: (Mit Trommlern, Halbmaskierten und den Tageblättern) Da steht es, das sind eure Sprüche. Sagen wir es laut: Die Stadt ist zu langsam und bringt uns kein Glück.

Ede: Das könnte von mir sein.

Sprecher: Ich will der Stadt zurückgeben, was sie mir gegeben hat. Aber wer braucht mich?

Hacke: Genau. Wie die Faust aufs Auge.

Ede: Diese kalte Stadt. Weg aus diesem Nest. Morgen mach ich ganz die Mücke. (Die Trommeln dröhnen. Mit den Rufen Hoffnung, Hoffnung umtanzen die Akteure die leibhaftige Hoffnung. Lässig sucht im Gedränge Anita. Sie lehnt, vom Geschehen gebannt, schier in Edes Armen. Er erkennt sie und lässt überrascht die Flasche fallen) Sie ist es, Anita. Mir wird ganz heiß, heiß.

Anita: (Beiseite) Dieser Hoffnungsbaum fällt gleich auf mich nieder. Hoffnung, Hoffnung.

Ede: (Beiseite) Sie die Kalte, Schöne. Ein Nichts bin ich für sie, ein Narr für ihre Lust.

Anita: (Beiseite) Ede, ach, Ede.

Ede: (Beiseite) Eine Wut hab ich im Bauch. Gleich greif ich ihre Schenkel.

Anita: (Beiseite) Dieser Dummkopf. Dass er mir die Schlüpfer nicht zerreißt und Mama davon erfährt.

Ede: Anita! (Er drückt sie gegen die Wand und hält ihr den Mund zu) Ich bin ich ein Macho, ein Macho. Sei still!

Anita: (wehrt sich eine Weile) Ede … Ede …

Ede: Still, Anita, still. (Das Spiel, nun ein freudiger Tanz, verliert sich im Dunkel. Ein Fotograf blitzt. Die Trommeln verstummen. Licht geht an. Rufe aus der Menge:) Aha! – Allerhand! – Ein Skandal!

Lässig: Bube, hab ich dich! Mein Schwert! (Er streckt wie ein Mime die offene Hand vergebens nach hinten aus) Er hat sie überfallen, ein Sexualtäter. Haltet ihn! Lasst ihn nicht entkommen. Polizei! Polizei!

Hacke: Schnauze!

Boxer: Kratz die Kurve!

Lässig: Anita! Anita! (auf sie zu, aber sie flieht) Gehst du also wieder auf den Strich!

Ede: Dreckskerl! (Er stürzt sich auf ihn. Gerangel. Trillerpfeifen. Polizei. Die Truppe bringt Ede in Sicherheit. Die Pfiffe entfernen sich. Lässig wankt in seinen Salon)

13.

Ferner Trommelklang. Die halbmaskierten Akteure tanzen heran. Sie leeren den Hoffnungsbaum und verschwinden. Der Salon liegt im Dunkeln.

Ede: Allein auf der Welt, vom schlechten Gewissen geplagt. Da hat es mich erwischt. Immer wieder hat es mich. Rindvieh, du, Holzkopf, Flasche! (Er schaut die Flasche an, setzt sie an, wirft sie weg und geht an den Salon. Anita! Anita! (Er pocht, pocht wieder) Anita, Anita! (Geht zurück und legt sich resigniert auf die Bank)

Anita: (Sie hockt still im Salon und springt auf, weil Lässig Licht macht) Du hast ihn angezeigt.

Lässig: Hat er dich genötigt oder nicht?

Anita: Frage was du willst.

Lässig: Hat er oder nicht?

Anita: Was geht es dich an?

Lässig: Wenn das jemanden angeht, dann wohl zuerst mich.

Anita: Einen feuchten Kehricht geht dich das an. Nimm es zurück oder du siehst mich zum letzten Mal. Hast du verstanden?

Lässig: So einer und du, ein Arbeitsscheuer und ein Flittchen, wie schön ihr zusammenpasst.

Anita: Hast du mich verstanden oder nicht?

Lässig: Frage nur, frage. Und was ist mit meiner Frage? Hat er dich genötigt oder nicht? (zieht verschwitzt seine Jacke aus. Gegen ihr Schweigen) Keine Antwort ist auch eine Antwort. Und das vor der ganzen Stadt. Du mit ihm. Machst dir einen Spaß und mich zum Hahnrei. Pfundig, was? So hat er dich angefasst. So, so. Das kann ich auch. (wird handgreiflich, derb. Sie stößt ihn mit Mühe weg)

Anita: Du kennst nur dich, immer nur dich.

Lässig: Und du? Wen kennst du? Immer nur mich, wenn du was brauchst. Das, das und das. Deine Wünsche. Ich habe dir alles gegeben.

Anita: Ich etwa nicht? Mehr als du verdienst. Viel zu viel, habe ich manchmal gedacht. Das, was er eben nicht hat, doch jeder Mensch braucht. Aber das begreifst du wohl nie.

Lässig: Nicht begreifen? Das musst du mir sagen. Wie du wieder da hockst. Deine besten Sachen.

Anita: Meine? Deine besten Sachen, ja. (zieht den Rock aus)

Lässig: Und die Bluse, wegen ihm total verdreckt.

Anita: Das kam von der Wand. (zieht die Bluse aus)

Lässig: Anita! Anita! (versucht vergebens, sie zu halten)

Anita: (entkleidet sich im Halbdunkel und wirft ihm ihre Dessous zu) Meine, nein, entschuldige, alles deine besten Sachen, dein letztes Geschenk. (Nahe) Na, wie gefalle ich dir jetzt?

Lässig: (Gepresst) Anita

Anita: Dolfo, der kluge, nie zu schlagende Dolfo in Hemdsärmel, ganz ohne Nadelstreifen. Der immer feine Herr Lässig, seine arrogante Erhabenheit, seine berechnende Unberechenbarkeit. Woher hat er sie wohl? Und jetzt, wo ist sie hin? (Sie knöpft ihm den Kragen auf) Du schwitzt, Dolfo. Wovor hast du Angst? Deine schönen treuen Hundeaugen, so könntest du mir direkt gefallen. (Er steht wie ein Pfahl. Sie wirft sich ein Cape über und geht wie sie gekommen ist, als Dirne. Die Jalousie fällt)

 

Ede: (Auf der Bank vom Geräusch aufgeschreckt, sieht er sie kommen und eilt auf sie zu) Ich hab auf dich gewartet.

Anita: Ich eigentlich auch. (Wirft das Cape ab) Da bin ich, Ede. Damit du weißt wie du dran bist. Du kannst mich haben. Jetzt gleich. Und ganz umsonst.

Ede: (Hängt ihr das Cape wieder über, bewegt) Dass mir so was passiert, immer mir, so einem Trottel! Meine Exfrau …

Anita: Sie? Ich hab es mir gedacht.

Ede: Sie schubsen dich umher. Sie betrügen oder prellen dich, wo du hinguckst, so sagte sie, als sie wegging. Spuck sie an. zahle es ihnen zurück. Aber das kannst du nicht. War schon halb draußen, da schleppte sie, Rotz und Wasser heulend, den Jungen noch mal her und zeigte mit den Fingern auf mich. Schau ihn dir an. Das ist dein Papa. Schau richtig hin. Der lernt es nie. So groß wie er ist, so dumm ist er auch, weil er sich alles gefallen lässt.

Anita: Nimm es, wie es ist, Ede. Ich ja auch. Wie bin ich da nur reingeraten? Soll ich dir erzählen?

Ede: Nein, nein. Bestimmt nicht.

Anita: (Fasst nach seinem Arm) Das erste Mal, das schlimme erste Mal, Ede.

Ede: Ich kann es mir vorstellen. Nein, nein. Und doch. Die Frauen, Anita, euch hat es am Ärgsten getroffen auch hier in der Stadt.

Anita: Wohin gehen wir?

Ede: Ich weiß nicht. Anita Ich weiß es auch nicht. (Sie kriechen auf der Bank unterm Cape zusammen)

14.

Licht flammt auf. Der Salon ist taghell erleuchtet Lässig hantiert müde und verdrossen in seinem Schreibsessel. Er vernichtet Unterlagen und schreibt.

Lässig: Mein Testament … Ja, so … Ja … Ja … Ja… Der auch, doch … selbstverständlich … Nein, sie nicht … Keiner. Soll das Zeug vergammeln. (Schlägt resigniert die Mappe zu und greift zur Pistole) Diese schnöde Welt. Ich hab sie mir besser vorgestellt. (Er legt sie an die Schläfe, drückt pathetisch ab und sinkt vom Sessel, obgleich es nur klickt. Er kraucht wieder hoch, schaut in das leere Magazin und wirft sie weg. Er bekommt einen Strick zu fassen, will ihn um seinen Hals legen, stolpert aber über das lange Ende und fällt. Schließlich hockt er finster vor seinem Salon) Pleite, Pleite. Alles aus.

1. Polizist: (schnüffelnd) Wir haben ihn gerochen / bald wär es was geworden / mit einem großen Orden.

2. Polizist: (schlägt sein Wasser ab und schnüffelt) Ich hab es im Urin, / wir packen ihn bestimmt, / da wird er gleich vertrimmt.

Brenn: (Sieht sie gehen und schleicht zündelnd heran) Für Ede. Dem Autogauner zahl ich’s heim.

Lässig: (Erspäht ihn und hat einen Einfall) Das ist es. Heu, heu! Heureka! So machen wir’s.

Brenn: (Das Feuerzeug geht aus. Er wirft es wütend zu Boden) Leer, leer, leer!

Lässig: (Packt ihn) Ah, der brave Brenn, mein früherer Monteur.

Brenn: Nicht die Polizei. Meine Frau … meine Kinder … (Er versucht zu fliehen, aber Lässig hält ihn) Ich tue es nie wieder, nie. Ich schwöre.

Lässig: Hast wohl kein Feuer mehr, he? Aber ich. Heu, heu! (Macht sein Feuerzeug an) Ich borg es dir, wenn du…

Brenn: Was wenn?

Lässig: Wenn du, da … da … Huiiii! Aber pikobello.

Brenn: Da, deine noble Hütte? Wie? So ein bisschen Versicherungsbetrügerei? Nein, nein. Ich bin kein Spitzbub. Ich mach kein Feuer mehr.

Lässig: (Winkt mit Geldscheinen) Natürlich nicht umsonst.

Brenn: Und das wird nachher neu aufgebaut?

Lässig: Pikobello.

Brenn: Wenn ich da wieder als Monteur arbeite und …

Lässig: Was und?

Brenn: Karl, Boxer und die andern auch?

Lässig: Versprochen. (Da Brenn schon zündelt, aber wieder zurück kommt) Was denn noch? Gleich kommt die Polizei wieder.

Brenn: Der Ede …

Lässig: Niemals, der nicht.

Brenn: Ede, sag ich.

Lässig: Nein. Hält ihm die Geldscheine hin.

Brenn: Dann haste Pech. (Geht pfiffelnd)

Lässig: (hält ihn) Dann ja doch, Verdammt.

Brenn: Okay. Okay. (Er beginnt zu brändeln und tanzt) Knickse, knackse, schönes Haus, / besser siehst du später aus, / wenn ich drinnen wieder schaff / und nicht in die Gegend gaff. / So ein Glück, dass keiner kennt den Ruinenbrenner Brenn. (Er verharrt und schlägt das Feuer nieder)

Lässig: Was? Wie? Was denn nun?

Brenn: (Sich entfernend) Schluss. Aus mit der Brändelei. Mach deinen Dreck selber.

Lässig: Halt, halt! (Er rennt ihm nach und kommt auf der anderen Seite als Brenn verkleidet wieder herein. Er tanzt wie Brenn, trompetet den Text mit den Lippen, außer den Schluss) So ein Glück, dass keiner kennt den Ruinenbrenner Brenn. Er brändelt den Salon nieder. (Sirenengeheul, Trillerpfiffe und Schüsse. Brenn, alias Lässig, wird von der Streife gefasst)

1. Polizist: Da isser! da!

2. Polizist: Dort isser! Dort! Ich hab ihn geschnappt! Beide bringen ihn im Polizeigriff Das isser, verpicht.

1. Polizist: Der Lumpenhund!

2. Polizist: (Warnend Zeigefinger zum Publikum) So saust die Polizei. / Hammersch aber gleich gewusst. / Jetzt machmer ihn zum Ei. (Mit ihm ab)

15.

Der Salon ist wieder aufgebaut. Anstelle Edes dösen Karl, Hacke, Brenn und Boxer vor der Bank auf dem Rasen. Am Autosalon stehen wieder die gleichen Modelle. Ein Boy verkauft Zeitungen Unter Girlanden und Fähnchen geht ein Straßenmädchen nach Kundschaft Ein großes Schild prangt: Heute Neueröffnung.

Boxer: (Mit Blick auf ein Straßenmädchen. Da ist schon wieder eine.

Hacke: (Trinkt, wirft die leere Büchse) Zisch ab! Nischt mehr los bei den Karpfenpfeifern ohne Ede. Ich hau dann auch Sack.

Boxer: Und ich? Was mache ich?

Boy: Brändler gefasst! Ruinierter Geschäftsmann, nicht geständig! Vergewaltiger noch immer flüchtig.

Hacke: (Mit Zeitung) Karpfenpfeifer, Bürger, he, sperrt eure Frauen weg!

Karl: Hat’s ihn doch erwischt, unseren Herrn Lässig und seine schönen Pikobello.

Brenn: (Lachend) Ein Brändler, so was, so was. Den möcht ich gern mal sehen.

Hacke: Ede, wo er bloß steckt?

Ede: (Verborgen) Pst, pssssst! He!

Karl: Ede?

Hacke: Ede, Mensch. Wenn sie dich greifen.

Ede: Die und mich greifen? Ha! Ich mach, wir machen die Flocke. (Ede und Anita mit gepacktem Koffer. Lautes Hallo und dann Stille)

Anita: Ich bin sein Alibi.

Hacke: Ede, Ede und was wird aus uns? Wollen wir nicht wenigstens noch eins trinken? (Er schaut sich um, weil nichts mehr da ist und hebt kleinlaut die Schulter)

Ede: Ach was. Kommt, ich gebe noch einen für den Abschied aus. (Er zieht mit Anita einen Kasten Bier herein)

Japaner: (Führt wie eingangs mit dem Camcorder die Fassade des neuen Autosalons hoch) Wonderful! Ist ja wonderful! Auf den Knien geht er mit der Kamera die Beine des Bankdirektors hoch, der als neuer Besitzer heraus tritt) Selfmademan, oh! Wonderful!

Direktor: (Weist ganz in Blau und Handschuhen seine Angestellten in blauen Overalls mit großen OPELLA-Aufnähern ein, die lustlos fegen) Das nennt ihr fegen? Habt ihr es noch immer nicht gelernt? So wird gefegt. (Er fegt im Takt Eins, zwei, drei … Und pokopelli, pokopelli sag ich. Das heißt sauber. Dass ihr mich ja nicht blamiert. Angetreten, dalli, dalli. Gleich kommen die Herrschaften. (Am Spalier der Angestellten vorbei, eilt er wie vormals Lässig den Gästen und Reportern entgegen) Die Frau Regierungsrat! Der Herr Bürgermeister! Welch eine Ehre. Und meine lieben Kollegen unseres hochgeschätzten Mittelstandes. (Nimmt die Geschenke entgegen und führt sie von Bewunderungsrufen begleitet an seine Modelle) OPELLA Eins, OPELLA Zwei. Prächtig, prächtig, nicht wahr? Und hier mein Schlager jetzt dreihundert PS, dreizwanzig Airbags und Sonderausstattung (Er reißt den Wagenschlag auf, dahinter der Japaner mit Dirne, und schlägt ihn wieder zu) Mit Spitzenhöschen, äh, für alte Schachteln Puderdöschen mit Goldschnitt, meine Herrschaften.

Frau Rat: Frenetischer Beifall. Exzellent! Wunderbar! Exquisit! – Und Ihre Neuheiten zur Verschönerung der Arbeit?

Bürgerm.: Die ganze Stadt spricht schon davon.

Direktor: Aber ja, meine Herrschaften. Sehen Sie. (Lässt wieder fegen. Was für eine schlappe Körperhaltung) Diese verderbliche Duldsamkeit, oh! Wo bleibt die Ästhetik des Alltags? Angetreten, marsch. Alles hört auf mein Kommando. Aaachtung! Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei… (Die Angestellten fegen rhythmisch) Halt! Und jetzt mit dem Leder schön sanft an meine Supermodelle. Das stimuliert und hebt. Sehen Sie? Aaachtung! Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei. Halt! Das ist Noch gar nichts. (Die Truppe steht. Er verabreicht jedem eine Kraftpille auf die Zunge, dazu eine Schluck Bombastus – Gambrinus Aaachtung! Doppelt schnell) Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei, eins, zwei, drei … Haha! (Deklamiert) Nur die Besten kommen ran. / Da muss nicht viel geschehen./ Gleich greifen alle Mann / und wer nicht kann, kann gehen.

Bürgerm.: Furios! Phantastisch fordistisch! Phantastisch fordistisch!