Mafia Brothers

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Sari: Your #4
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„Bitte“, flehe ich ihn an.



 Meine Stimme ist brüchig, da ich versuche, die Tränen für mich zu behalten.



 Sein heiseres Lachen ertönt und zeigt mir, dass es ihn nicht interessiert. In der nächsten Sekunde greift er nach meinem Kinn und hält es fest, sodass ich ihm nicht ausweichen kann.



 Nun läuft mir doch eine einzelne Träne über die Wange bis zu meinem Kinn.



 „Ich habe dir bereits beim letzten Mal gesagt, dass es mir egal ist. Es wird Konsequenzen haben, wenn du dich nicht an meine Anweisungen hältst. Und du kannst mir glauben, dass du das nicht erleben willst.“



 Einige Sekunden starrt er mich finster an, ehe er mich so ruckartig wieder freigibt, dass ich nach hinten stolpere.



 „Und jetzt wirst du nach Hause fahren und dich ins Bett legen. Schließlich will ich mir nicht anhören müssen, dass ich meine Schwester nicht gut behandle. Bei den anderen Mädchen wäre mir das egal. Wenn ich diesen Vorwurf allerdings bezüglich meiner Schwester bekomme, ist das doch etwas anderes.“



 Ich kann nicht verhindern, dass ich ihn mit zusammen gekniffenen Augen ansehe.



 „Das wirst du früher oder später dir aber anhören müssen“, flüstere ich.



 Ich habe keine Ahnung, woher ich den Mut nehme, ihm diese Worte gerade entgegenzuschleudern, doch ich bin froh darüber, dass ich ihn habe.



 „Wenn du nicht willst, dass ich dir noch eine scheuere, was ich sofort machen würde, hältst du jetzt den Mund und fährst nach Hause. Und ich hoffe, dass du wieder etwas Farbe im Gesicht hast, wenn du noch ein paar Stunden im Bett verbracht hast. Nicht, dass du krank wirst. Das könnte ich gerade überhaupt nicht gebrauchen.“



 Nachdenklich betrachtet er mich.



 „Ich muss mich noch von Mom und Dad verabschieden“, erkläre ich ihm.



 „Oh nein, die beiden sollen dich so nicht zu Gesicht bekommen. Das würde nur weitere Fragen aufwerfen. Ich werde ihnen einfach sagen, dass es dir nicht gut ging und du deswegen schon gefahren bist.“



 Mit diesen Worten macht er Platz, sodass ich das Zimmer wieder verlassen kann. Einerseits bin ich froh darüber, dass er mich bei ihnen entschuldigen wird. Andererseits würde ich ihnen gerne endlich die Wahrheit sagen. Doch ich schaffe es nicht, diese Worte in ihrer Gegenwart auszusprechen.



 Als ich endlich in meinem Wagen sitze und mich ein wenig von dem Haus entfernt habe, bleibe ich stehen und lasse meinen Tränen freien Lauf. Meine Wange brennt noch immer und mittlerweile hat sich dort ein roter Fleck gebildet, der nicht zu übersehen ist.



 Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich meinen Bruder hasse. Seit Jahren zwingt er mich schon dazu, dass ich seinen Geschäftspartnern zur Verfügung stehe und sie alles mit mir machen lasse, was sie wollen.



 Würden andere von dieser Geschichte hören, würden sie wahrscheinlich sagen, dass ich einfach zur Polizei gehen soll. Doch ich weiß, was mit den Frauen passiert ist, die genau diesen Schritt gegangen sind.



 Man hat sie tot in irgendeiner Gasse aufgefunden!





3




Cody




„Macht euch fertig“, verkünde ich, als ich die Küche betrete.



Das Dienstmädchen, welches für meine Eltern arbeitet, sieht zu mir, wendet jedoch sofort wieder den Blick ab, als ihr bewusst wird, dass mir ihr Blick nicht entgangen ist. Mir ist klar, dass sie scharf auf mich ist. Das war sie schon, bevor ich in den Knast gekommen bin.



Unter normalen Umständen hätte ich sie mir auch in den letzten Jahren einmal vorgenommen und ihren Wunsch erfüllt. Ich hätte sie wissen lassen, dass sie nie mehr als meine Angestellte sein wird. Und sie hätte es genossen.



Doch erst gab es da diese Frau, die ich nicht mehr aus dem Kopf bekommen habe, und dann wurde ich weggesperrt. Und jetzt habe ich wichtigere Dinge zu tun, als mich um sie zu kümmern. Ganz davon abgesehen gibt es da noch immer diese Frau in meinem Leben, auch wenn sie es noch nicht weiß.



„Wo fahren wir hin?“, erkundigt sich Taylor und sieht mich hochgezogenen Augenbrauen an.



„Wir werden Kane einen Besuch abstatten“, erkläre ich mit angespannten Muskeln. „Ich habe so das Gefühl, als wäre es an der Zeit, dass ich ein Wörtchen mit ihm wechsel. Er wird mir sicherlich helfen können“



Noch während ich spreche, macht sich ein breites und gleichzeitig auch teuflisches Grinsen auf meinem Gesicht breit.



Kane ist ein alter Schulfreund von mir. Doch er ist viel mehr als das. Unter anderem führt er ein großes Exportunternehmen und pflegt Kontakte, die sich schon öfter als wertvoll herausgestellt haben. Seine Firma nicht nur dazu, Drogen und Waffen ins Land zu bringen, sondern auch zur Geldwäsche.



Ich gebe zu, dass ich in den letzten Jahren enttäuscht darüber war, dass er mich nicht ein einziges Mal im Gefängnis besucht hat. Von ihm habe ich definitiv mehr erwartet. Doch ich weiß, wieso er es nicht getan hat.



Er geht davon aus, dass ich nicht mehr an der Spitze stehe und nichts mehr zu melden habe, nur weil ich die letzten Jahre hinter dicken Mauern verbracht habe. Zu dieser Annahme kann er jedoch nur gekommen sein, wenn es da irgendwo einen anderen Mann gibt, der diesen Posten für sich beansprucht. In der Vergangenheit habe ich ihm nämlich oft genug klargemacht, dass ich es bin, dass es meine Familie ist, die die Macht haben.



Allerdings haben weder mein Vater, noch meine Brüder etwas in diese Richtung gehört. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie es mir sofort gesagt hätten. Und das kann nur bedeuten, dass derjenige, wer auch immer es ist, sich hinter einer Reihe von Leuten versteckt.



„Er wird überrascht sein, dass du an deinem ersten Tag ausgerechnet ihn besuchst.“ Brad lässt mich keine Sekunde aus den Augen.



„Das will ich doch hoffen. Aber wir sind doch Freunde. Wieso sollte ich ihn da nicht besuchen? Außerdem will ich ihm klarmachen, dass ich noch immer an der Spitze stehe und daran sich auch nichts ändern wird. Er hingegen ist austauschbar. Das sind zwei Punkte, die er eindeutig nicht vergessen sollte.“



Um meine Worte zu unterstreichen, ziehe ich meine Waffe aus dem Hosenbund und entsichere sie. Meine Brüder wissen, dass ich bereit bin, diesen Schritt auch bei Kane zu gehen.



Es ist mir egal, dass wir gemeinsam zur Schule gegangen sind. Und genauso egal ist es mir auch, dass mein Vater und seiner befreundet waren, bevor seiner gestorben ist. Ich lasse nicht zu, dass jemand meint, er könnte meine Position einnehmen.



Sollte Kane mir also in den Rücken fallen, wird er es bereuen.




Kanes Firma befindet sich im Gewerbegebiet in Miami in der Nähe des Hafens. Schon von weitem kann man das riesige Gebäude und den noch viel größeren Platz erkennen, der dazu gehört. Er steht voll mit LKW´s und ein großes Schild auf dem Dach des Hauses weist daraufhin, was sich dort befindet, sodass man es überhaupt nicht übersehen kann, wenn man danach sucht.



Da ich ihm nicht die Gelegenheit geben wollte, sich irgendwelche Ausreden einfallen zu lassen, habe ich ihn nicht angerufen, seitdem ich entlassen wurde. Es wird also wirklich eine Überraschung für ihn. Sicher, er wird sich denken können, dass ich früher oder später bei ihm auf der Matte stehe, um ein paar Antworten zu verlangen. Doch er wird davon ausgehen, dass bis dahin noch einige Tage verstreichen werden, da ich mich wahrscheinlich erst um andere Sachen kümmern will.



Nachdem ich den Wagen vor seinem Büro geparkt habe, steige ich aus und betrete das Gebäude. Ohne seine Sekretärin zu beachten, gehe ich auf seine Bürotür zu. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass sie den Kopf hebt und etwas sagen will. Doch als sie mich erkennt, schließt sie ihren Mund schnell wieder und schweigt, was aber auch besser ist.



Ich habe sie noch nie begrüßt, ich kenne nicht einmal ihren Namen. Ich weiß nur, dass sie von Anfang an schon für Kane gearbeitet hat und dies wahrscheinlich auch noch ein paar Jahre wird. Und ich weiß, dass auch sie schon seit einer Ewigkeit auf der langen Liste der Frauen steht, die scharf auf mich sind. Allerdings gehört sie zu den Weibern, mit denen ich nicht einmal im Traum etwas anfangen würde.



Es liegt nicht daran, dass sie nicht gut aussieht. Das tut sie. Man könnte sie mit ihren langen blonden Haaren und ihren riesigen Brüsten für ein Pornosternchen halten und wenn ich ehrlich bin, habe ich auch schon einmal darüber nachgedacht, ob ich ihr diesen Vorschlag machen soll. Ich habe Kontakte, die ihr helfen und sie erfolgreich machen könnten. Doch ich ziehe es vor, wenn nicht zu viele Leute wissen, was ich mache. Allerdings habe ich mir nie vorgestellt, wie ich das mit ihr mache, was ich nur mit einer Frau mache.



„Ich muss sagen, dass sich in den letzten fünf Jahren hier nichts verändert hat“, begrüße ich Kane, nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen habe.



Ich sehe mich in dem geräumigen Zimmer um, in welchem er sich eingerichtet hat. Die Einrichtung besteht nur aus den Farben schwarz und weiß. Alles sieht sehr elegant aus und erweckt in einem den Eindruck, als würde man nicht in dem Büro einer Spedition stehen.



Erschrocken sieht er von seinem Laptop auf, als er mich hört. Auf den ersten Blick erkenne ich, dass er überrascht ist und eigentlich nicht so genau weiß, wie er sich verhalten soll. Dies zeigt mir, dass er tatsächlich nicht gedacht hat, dass ich jetzt schon hier auftauche. Und das wiederum sorgt dafür, dass ich mir die Frage stelle, was er erwartet hat, wann ich hier auftauche.



Langsam nähere ich mich ihm. Dabei lasse ich ihn keine Sekunde aus den Augen. Er war schon ein paar Mal mit mir unterwegs, sodass er genau weiß, dass ich ein Ziel habe, welches ich auch erreichen werde.

 



„Cody“, stellt er nüchtern fest.



„Wir haben uns schon ewig nicht mehr gesehen“, stelle ich fest und lasse mich in den Stuhl sinken, der seinem gegenüber steht.



„Ich hatte einiges zu tun.“



Sein aufmerksamer Blick ruht auf mir. Er versucht herauszufinden, wieso ich hier bin. Und ich gebe zu, dass ich dieses Spielchen genieße. Doch genauso bin ich mir darüber bewusst, dass er einen Verdacht hat.



„Das habe ich gemerkt“, kontere ich nur.



Einige Sekunden betrachtet er mich abwartend. Mir ist bewusst, dass er darauf wartet, dass ich noch mehr von mir gebe. Stattdessen lasse ich ihn ein wenig zappeln. Dabei kann ich erkennen, dass er immer unruhiger wird.



„Ich dachte mir, dass wir vielleicht über ein paar Dinge sprechen sollten“, stelle ich schließlich fest. „Ich gehe davon aus, dass es einen Grund dafür gibt, dass du dich nicht ein einziges Mal im Gefängnis hast blicken lassen. Eigentlich sollte ich traurig darüber sein. Wir sind doch Freunde. Müsste ich raten, würde ich sagen, dass dieser Grund nicht deine Arbeit war.“



Ich lehne mich ein Stück nach vorne und stütze mich auf meinen Oberschenkeln ab.



Während ich spreche, lasse ich ihn keine Sekunde aus den Augen. Daher bekomme ich jede Reaktion auf meine Worte genau mit. Er zuckt zusammen und scheint sich innerlich zu winden. Doch darüber freue ich mich. Es ist genau das, was ich beabsichtigt habe. So zeigt er mir, dass er irgendetwas weiß.



„Wer ist er?“, frage ich geradeheraus.



„Wen meinst du?“



An seiner angespannten Körperhaltung erkenne ich, dass er genau weiß, wovon ich spreche. Dennoch versucht er es weiterzutreiben und so zu tun, als hätte er keine Ahnung.



„Wir können uns jetzt eine Ewigkeit über dieses Thema unterhalten“, stelle ich seelenruhig fest. „Oder du sagst mir einfach, was ich wissen will, ich verschwinde wieder und du kannst deine Geschäfte weiterführen.“



Ich lasse keinen Zweifel daran, dass ich es genauso meine, wie ich es gesagt habe. Sein Blick ist abschätzend, doch das habe ich nicht anders erwartet. Er versucht herauszufinden, wie weit ich gehen werde, um an die Informationen zu kommen, die ich von ihm haben will. Allerdings sorgt er so eher dafür, dass mir der eh schon dünne Geduldsfaden reißt.



„Irgendwo gibt es da anscheinend einen Mann, der die Meinung vertritt, dass er mir meinen Posten abnehmen kann. Er glaubt anscheinend, dass er mich ein paar Jahre wegsperrt und dafür nun an der Macht steht. Dabei befinde ich mich noch immer an der Spitze und ich habe auch nicht vor, von dort zu verschwinden. Hättest du mich in den letzten Jahren einmal gesehen, wüsstest du das.“



Ich lasse ihn nicht eine Sekunde in Ruhe. Ich will einen Namen wissen, damit ich mich um diese Angelegenheit kümmern kann.



„Du weißt es und ich weiß es. Scheiße, jeder, der dich kennt, weiß es“, gibt Kane schließlich von sich. Dabei hat er den Kiefer angespannt und gibt mir so zu verstehen, dass er nicht glücklich darüber ist. „Ja, da gibt es einen Mann, der in den letzten Jahren versucht hat, dir genau diese Position streitig zu machen. Allerdings kenne ich keinen Namen, dabei habe ich versucht, ihn in Erfahrung zu bringen.“



Nachdenklich sehe ich ihn an. Ich glaube ihm, er hat keinen Grund mich anzulügen.



„Gut“, gebe ich schließlich von mir und lasse mich wieder nach hinten sinken. „Wir werden jetzt folgendes machen.“



Ich sehe ihm an, dass er sich nicht wohl in seiner Haut fühlt. Auch wenn wir schon seit Jahren

 Freunde

 sind, weiß er, zu was ich in der Lage bin. Und ja, auch vor ihm würde ich nicht Halt machen. Denn meine Familie steht über meinen Freunden. Und daran wird sich auch nichts ändern.



 „Du wirst deine Bemühungen, herauszufinden, wer es ist, noch verstärken. Wenn es jemanden gibt, der es herausbekommen kann, bist du es“, knurre ich.



 Ich dulde keinen Widerspruch und das weiß er auch. Aus diesem Grund sieht er auch nicht sehr glücklich aus, nachdem ich ausgesprochen habe.



 „Du weißt, dass das nicht einfach ist“, gibt er zu bedenken.



 „Das ist mir egal. Irgendjemand versucht, meinen Standpunkt anzufechten, wenn du es so nennen willst. Du wirst sicherlich verstehen, dass ich mich gerne einmal persönlich mit ihm unterhalten würde.“



 Ich lege eine kleine Pause ein, während ich ihn nicht aus den Augen lasse.



 „Das ist deine Gelegenheit zu zeigen, auf welcher Seite du stehst. Denn entweder bist du für mich oder gegen mich. Solltest du allerdings gegen mich sein, wird das nicht gut für dich enden.“



 Mit diesen Worten stehe ich auf und ziehe meine Waffe aus dem Hosenbund. Langsam lege ich sie zwischen uns auf dem Schreibtisch ab. So gebe ich ihm zu verstehen, dass ich mich nicht zurückhalten werde.



 Kane bekommt große Augen, ehe er mich wieder ansieht.



 „Ich werde es versuchen“, stellt er schließlich fest. Dabei höre ich jedoch die Angst, die von ihm ausgeht und weiß, dass ich ihn da habe, wo er sein soll.



 „Das wollte ich hören. Ruf mich an, wenn du etwas erfahren hast“, gebe ich von mir.



 Kaum habe ich ausgesprochen, stecke ich die Waffe wieder weg und verlasse sein Büro.



 Ich habe keine Ahnung, ob ich mich wirklich darauf verlassen kann, dass er mir helfen wird. Es besteht durchaus die Chance, dass er nun zu diesem Typen gehen wird, um ihn zu warnen. Doch ich muss dieses Risiko eingehen. Dennoch werde ich Kane im Auge behalten. Denn nur so kann ich sichergehen, dass er auch macht, was ich ihm aufgetragen habe.




Und vor allem muss ich sichergehen, dass er mir dann auch sagt, wer er ist

.



 Sollte er es nicht machen, wird er dafür bezahlen.





4




Rachel




Als ich am nächsten Tag von der Arbeit nach Hause gehe, fühle ich mich einfach nur beschissen. Ich habe Magenschmerzen und komme mir vor, als hätte ich eine Grippe. Und das ist noch untertrieben.



In der letzten Nacht habe ich kaum geschlafen. Ich habe mich von einer Seite auf die andere gedreht und versucht einen Ausweg zu finden. Doch die Wahrheit sieht so aus, dass es keinen gibt. Auf jeden Fall keinen, den ich nicht mit meinem Leben bezahlen würde.



Irgendwann habe ich den Versuch aufgegeben und stattdessen gehofft, dass dieses Treffen schnell vorbeigeht.



Heute ist der Abend, dem ich nicht entkommen kann. Und leider ist mir das durchaus bewusst. Heute muss ich mich mit dem Geschäftspartner meines Bruders treffen, um ihm ein paar schöne Stunden zu bereiten!



Alleine bei dem Gedanken daran wird mir schlecht. Mein Magen dreht sich um und es wird auch nicht besser, wenn ich mir vor Augen halte, dass es nicht ewig dauern wird. Denn ich weiß, dass er bereits den nächsten Mann für mich hat. Er hat es zwar noch nicht gesagt, aber ich stecke mittlerweile lange genug in dieser Geschichte, um es zu wissen.



„Scheiße“, fluche ich ein wenig zu laut, sodass ein paar der Leute, die sich um mich herum befinden, sich zu mir umdrehen.



Kurz werfe ich ihnen einen entschuldigenden Blick zu, bevor ich weiter gehe. Dabei versuche ich meine Umwelt so gut es geht auszublenden.



Doch es dauert nur wenige Sekunden, bis ich erneut ruckartig stehen bleibe. Dieses Mal jedoch aus einem anderen Grund.



Einige Sekunden starre ich auf die Stelle, die sich nur wenige Meter von mir entfernt befindet. Für einen kurzen Moment kommt es mir so vor, als würde ich träumen. Doch ich weiß, dass es nicht so ist.



Ich entdecke den Mann, den ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Ich habe oft an ihn gedacht, das gebe ich zu. Und mindestens genauso oft habe ich mir gewünscht, dass er bei mir ist. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass ich ihn noch einmal wiedersehe.



Cody unterhält sich mit seinem Bruder Taylor. Da ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll, bleibe ich kurz stehen und beobachte sie.



Ich muss zugeben, dass er noch immer heiß ist. Das war er früher schon und das Gefängnis, in dem er die letzten Jahre verbracht hat, hat nichts daran geändert.



Ich weiß nicht, wieso er dort war. Ein paar Mal habe ich seine Brüder danach gefragt, wenn sie mir über den Weg gelaufen sind. Allerdings haben sie kein Wort darüber verloren. Sie haben nicht einmal irgendwelche Andeutungen gemacht, was mich frustriert hat.





Aber vielleicht



ist



 es auch besser, dass ich es nie erfahren habe.





Für einen kurzen Moment frage ich mich, ob ich mich nicht einfach umdrehen und einen Umweg gehen soll. Dies würde bedeuten, dass ich es noch länger dauert, bis ich endlich in meiner Wohnung bin und die Tür hinter mir schließen kann. Dabei habe ich es überhaupt nicht eilig, dort zu sein. Gerade kommt es mir so vor, als wäre meine Wohnung nur eine Zwischenstation.



Allerdings beschließe ich, dass es kindisch und total bescheuert wäre.



Doch das ändert nichts daran, dass ich Angst habe. Es ist eine Weile her, dass ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Und da haben wir uns nicht im Guten getrennt. Wir hatten uns gestritten, weil er mir nicht sagen wollte, was in seinem Leben los ist. Er hat immer wieder betont, dass ich ein Teil seines Lebens bin. Allerdings hat er mich nie so behandelt und das wollte ich an diesem Abend ändern.



Bis zu diesem Moment war ich davon ausgegangen, dass er mir vertraut. Diese Unterhaltung hatte mir jedoch das Gegenteil gezeigt. Mir wurde klar, dass er mir nicht vertraut. Und ehrlich gesagt habe ich mich sogar gefragt, ob er das jemals hat.



Daher habe ich nun Angst davor, was passiert, wenn er mich bemerkt.



Bevor ich eine Lösung für mein Problem, falls man es so nennen will, finden kann, dreht er sich in meine Richtung und setzt sich in Bewegung. Doch es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde, bis er auf mich aufmerksam wird. Ein wenig kommt es mir so vor, als würde er genau wissen, dass ich hier stehe, was aber nicht sein kann.



Seine Augen sind direkt auf mich gerichtet und ein sanftes Lächeln erscheint auf seinem Gesicht.



Es kommt mir so vor, als würden wir hier alleine stehen. Schnell rufe ich mir in Erinnerung, dass wir umgeben sich von Menschen und seinem Bruder, doch auch das bringt nichts. Er hat mich sofort in seinen Bann gezogen und ich schaffe es nicht, mich daraus zu befreien.



Einige Sekunden vergehen noch, bis er auf mich zukommt.



Mein Herz rast wie verrückt, während ich nach einem Ausweg suche. Schon damals hat er mir diese Reaktion entlockt. Ihm konnte ich noch nie entkommen.



Erneut gehe ich unsere letzte Unterhaltung durch, doch auch das hilft mir jetzt nicht.



Dicht vor mir, sodass uns nur noch wenige Zentimeter trennen, bleibt er schließlich stehen, beugt sich nach unten und küsst mich sanft auf die Wange. Automatisch schließe ich die Augen, so sehr genieße ich die Berührung. Mir ist bewusst, dass es falsch ist, doch ich kann es auch nicht verhindern.



Bis jetzt bin ich davon ausgegangen, dass ich das nie wieder spüren werde. Umso mehr zieht es mich nun aus meiner Bahn.



Als er sich von mir löst, öffne ich sie wieder und sehe direkt in seine. Ich erkenne den aufmerksamen Blick, mit dem er mich betrachtet. Es ist der gleiche Blick, mit dem er mich damals schon immer angesehen hat. Daher weiß ich, dass ihm nichts entgeht.



Für einen Moment ist es so, als hätte sich nichts zwischen uns geändert. Als hätte es diese fünf Jahre und diesen Streit nicht gegeben. Ich spüre noch immer diese Verbindung zwischen uns, die es auch damals schon zwischen uns gab. Doch darauf kann ich mich jetzt nicht konzentrieren.



Seine Blicke bleiben an den Prellungen hängen, die sich an meinen Armen befinden. Da ich ein Shirt trage, sind sie nicht zu übersehen. Da meine Kollegen denken, dass ich ein Trampel bin, fragen sie schon gar nicht mehr. Allerdings bin ich mir sicher, dass es bei ihm nicht so ablaufen wird.



Langsam hebt er seine Hände und streicht vorsichtig darüber, sodass sich eine Gänsehaut auf meinem Körper bildet.



Schon damals konnte ich meine wahren Gefühle nicht vor ihm verheimlichen. Von der ersten Sekunde an war ich ein offenes Buch für ihn. Schon damals wusste er, wenn etwas nicht mit mir stimmt. Und in diesem Moment weiß ich, dass sich nichts daran geändert hat.



Ich kann mich nicht vor ihm verstecken.



„Wie ich sehe, bist du wieder auf freiem Fuß“, stelle ich also fest. In mir macht sich die Hoffnung breit, dass ich so dafür sorgen kann, dass er sich nicht weiter damit beschäftigt.

 



„Wer war das?“, fragt er und zeigt mir so, dass ich gar nicht erst versuchen muss, ihn abzulenken.



Langsam senke ich meine Augen und begutachte die Stellen ebenfalls, über die er streicht. In diesem Moment bin ich froh, dass er nur das sieht, was ich nicht unter Kleidung verborgen habe. Und das reicht anscheinend schon aus, dass er wütend wird.



Ich sehe, wie sich seine Muskeln anspannen. Ich schlucke und versuche so den Kloß aus meinem Hals zu entfernen, der sich dort gebildet hat. Das gelingt mir jedoch nicht.



„Du weißt, dass ich schnell blaue Flecke bekomme“, gebe ich nur von mir.



Dies war damals schon meine Ausrede, wenn mein Bruder wieder zugeschlagen hat. Und das ist leider öfter passiert, als es gut für mich war. Er hat mich zwar noch nicht dazu gezwungen den Job zu machen, den ich jetzt mache. Auf mich abgesehen hatte er es aber schon.



„Rachel, wer war das?“



Seine Stimme ist nicht mehr, als ein Knurren. Ich spüre die Wut, die von ihm ausgeht. Allerdings habe ich keine Angst vor ihm. Mein Verstand sagt mir, dass er mir nie etwas antun würde. Ich habe ihm schon damals vertraut und das tue ich auch jetzt noch. Dabei ist es egal, was zwischen uns vorgefallen ist.



Doch ich kann es ihm nicht sagen.



Ich habe nämlich keine Ahnung, was geschehen wird, sobald er die Wahrheit weiß. Und genauso wie ich meine Eltern nicht mit in diese Geschichte ziehen will, will ich es auch bei ihm nicht.



„Es war schön, dich zu sehen. Aber ich muss jetzt los. Ich habe noch einen Termin, zu dem ich nicht zu spät kommen kann“, entgegne ich und sehe ihn dabei wieder an. Doch das hat nur zur Folge, dass es mir schwerfällt, diese Worte auch auszusprechen.



Am liebsten würde ich mich an ihn lehnen und diesen ganzen Mist vergessen, der mein Leben bestimmt. Doch ich kann es nicht. Ich kann es mir nicht leisten, Schwäche zu zeigen.



Bevor ich an ihm vorbeigehen kann, greift er nach meinem Handgelenk und hindert mich so daran. Sein Blick ist durchdringend und lässt mich atemlos zurück. So hat er mir schon damals gezeigt, was er für mich empfindet.



Die Vorstellung, dass es auch jetzt noch so ist, ist etwas, was ein warmes Gefühl in mir hervorruft. Doch schnell schiebe ich es wieder zur Seite. Es hilft mir hier jetzt nicht weiter.



Ein letztes Mal lächle ich ihn an, bevor ich verschwinde. Ich weiß, dass er mir nachsieht, bis ich in der Menschenmenge untergegangen bin. Und ich weiß nicht, ob ich froh darüber sein soll, oder nicht.



Cody war damals mein Fels. Wenn wir zusammen waren, konnte ich alles vergessen und habe mich nur noch auf ihn konzentriert. Ich habe nicht mehr an meinen Bruder gedacht. Ich konnte mich fallen lassen und ich selber sein.



In den letzten Minuten habe ich geschafft, es zu verdrängen. Doch kaum habe ich die Wohnungstür hinter mir geschlossen, suchen sich die Tränen einen Weg und laufen mir ungehindert über die Wange. Es ist egal, wie sehr ich es versuche, ich schaffe es einfach nicht, mich zu beruhigen.



Vor meinem inneren Auge habe ich wieder Bilder von der gemeinsamen Zeit mit Cody. Gerne hätte ich ihm damals gesagt, was in meinem Leben los war. Außerdem wüsste ich auch nicht, was er dagegen unternehmen sollte.



Gerade wünsche ich mir, dass er niemals verhaftet worden wäre. Ich will wieder zu unserem damaligen Leben zurück. Denn so verrückt es auch klingt, es war immer noch besser als das, was in den letzten Jahren alles geschehen ist.



Für einen Moment überlege ich mir, ob ich mich in meiner Wohnung einschließen soll. Ich könnte nie wieder rausgehen. Doch mir ist bewusst, dass das mein Problem nicht lösen wird, auch wenn ich keine andere Lösung habe.



Dennoch stehe ich schließlich wieder auf, straffe meine Schultern und mache mich fertig. Dabei hoffe ich, dass ich diesen Abend schnell und vor allem ohne größere Schäden hinter mich bringen kann. Und vor allem hoffe ich, dass ich diesen Mann danach nie wieder sehen muss.



Als ich zwei Stunden später bei dem vereinbarten Treffpunkt ankomme, zittere ich am ganzen Körper. Nach all diesen Jahren, in denen ich das jetzt schon mache, weiß ich sehr gut, was mich erwartet. Und das sorgt dafür, dass ich noch mehr zittere. Dabei sollte man eigentlich meinen, dass ich mir mittlerweile ein dickes Fell zugelegt habe.



„Ahhh, ich glaube, wir sind verabredet“, ertönt eine tiefe Stimme hinter mir, die mir sofort einen Schauder über den Rücken jagt.



Ich war so tief in meine Gedanken versunken, dass ich nicht gemerkt habe, wie sich mir jemand genähert hat, sodass ich nun erschrocken zusammenzucke. Schnell drehe ich mich heru