Mafia Brothers

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8

Rachel

Ich kann überhaupt nicht beschreiben, wie gerne ich ihm die Wahrheit gesagt hätte. Die Worte lagen mir schon auf der Zunge und haben nur darauf gewartet, dass ich sie ausspreche.

Doch meine Entscheidung war richtig. Ich will ihn nicht mit in diese Geschichte reinziehen. Daher ist mir bewusst, dass ich mich von ihm fernhalten muss. Denn nur so habe ich eine Chance, ihn und mich auch in Sicherheit zu bringen.

Seufzend drehe ich mich auf den Rücken und starre an die Decke. Dabei versuche ich die Kopfschmerzen, die ich noch immer habe, irgendwie zu ignorieren.

Es ist egal, wie sehr ich es versuche, ich schaffe es einfach nicht zu schlafen. Schon seit drei Stunden liege ich in diesem Bett und versuche zur Ruhe zu kommen. Doch mir fehlt die innere Ruhe. Nach diesem Abend ist das aber wahrscheinlich normal. Allerdings spüre ich in jeder Faser meines Körpers auch die Schmerzen, die sich gebildet haben. Vor allem die Schwellung in meinem Gesicht sorgt dafür, dass ich kaum noch klar denken kann.

In dem Moment, in dem ich meine Augen erneut schließe, dringt der schrille Ton meiner Türklingel durch die Wohnung. Augenblicklich spanne ich mich an und mein Herz beginnt zu rasen. Als ich mich endlich wieder etwas beruhigen konnte, werfe ich einen prüfenden Blick auf das Display meines Handys.

Es ist vier Uhr morgens und das gefällt mir überhaupt nicht. Es gibt nur eine Person, die um diese Uhrzeit hier auftauchen würde. Und diese Person will ich jetzt und auch die nächsten Tage, eigentlich überhaupt nicht sehen. Dieses Wissen sorgt dafür, dass ich mich automatisch anspanne. Mir wird schlecht. Daher bin ich nicht in der Lage, einen vernünftigen Gedanken zu fassen.

Es dauert einige Sekunden, bis es erneut klingelt. Ein ungutes Gefühl erfasst mich, während ich vorsichtig aufstehe. Langsam stehe ich auf und gehe durch den Flur auf die Tür zu. Ich versuche mir soviel Zeit wie möglich zu lassen. Doch wenn ich es übertreibe, wird er noch ungehaltener werden, sobald er vor mir steht. In diesem Punkt bin ich mir deswegen so sicher, weil ich es schon mitgemacht habe. Es gibt Dinge im Leben, die vergisst man nicht. Und das gehört eindeutig dazu.

Als ich seine energischen Schritte höre, die durch das Treppenhaus hallen, weiß ich, dass etwas passiert sein muss. Etwas, was ihm nicht gefällt und für das er mir nun die Schuld gibt.

Augenblicklich beginnt mein Körper zu zittern und in meinem Hals bildet sich ein Kloß. Angst breitet sich in mir aus, die ich nicht mehr zur Seite schieben kann.

Als ich den wütenden Gesichtsausdruck erkenne, den er aufgesetzt hat, mache ich automatisch einen Schritt nach hinten, um Abstand zwischen uns zu bringen. Doch ich weiß, dass ich ihm so auch nicht entkommen kann, wenn er es auf mich abgesehen hat.

Mein Bruder nähert sich rasch und lässt keinen Zweifel daran, dass er nicht gut auf mich zu sprechen ist. Würden Blicke töten können, würde er jetzt genau das tun.

Wie von alleine schießt mir die Frage durch den Kopf, was ich angestellt haben kann. Dabei komme ich nicht drum herum, mich zu fühlen, als wäre ich noch ein kleines Kind. Doch in seiner Gegenwart habe ich nicht den Eindruck, als wäre ich eine erwachsene Frau.

Das Einzige, was mir schlagartig in den Sinn kommt, ist sein Geschäftspartner. In mir macht sich die Befürchtung, dass er mit ihm gesprochen hat und mein Bruder sich nun rächen will, da ich mich nicht so benommen habe, wie man es von mir erwartet hat. Und das ist etwas, was mir überhaupt nicht gefällt.

Noch mehr Prellungen und Verletzungen kann ich nicht gebrauchen. Doch genau darauf wird es hinauslaufen, wenn Jason mit mir fertig ist.

Es gefällt meinem Bruder nicht, wenn ich nicht das mache, was seine Geschäftspartner von mir wollen. Oft genug hat er mir zu verstehen gegeben, was passieren wird, wenn sich jemand über mich beschwert.

Doch ich habe es getan. Ich habe mich sogar erneut schlagen lassen, was man an meinem Gesicht auch genau erkennen kann.

Ich habe alles über mich ergehen lassen!

„Du kleines Miststück“, zischt er, während er die Tür hinter sich schließt.

In der nächsten Sekunde greift er nach meinen Haaren und reißt sie schnell nach hinten, sodass mein Kopf beinahe gegen die Wand dahinter knallt. Ich verziehe vor Schmerzen das Gesicht und wimmere. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken während ich überlege, was passiert ist. Doch beim besten Willen, ich weiß es nicht.

Es dauert einen Moment, bis ich mich wieder einigermaßen gefangen habe.

„Was ist los?“, frage ich ihn, wobei ich bereits Tränen in den Augen habe.

Mein Bruder drängt mich weiter nach hinten. Dabei lässt er mich nicht los und wendet sich auch nicht von mir ab.

Er drückt mich gegen die Wand und sieht mich böse an.

„Ich werde dich jetzt nur ein einziges Mal fragen und du wirst mir die Wahrheit sagen. Sonst werde ich dich an die Fische verfüttern. Und du kannst mir glauben, dass ich es ernst meine.“

Panik macht sich in mir breit, als seine Augen mich vergnügt anfunkeln. Ich habe meinen Bruder schon einige Mal wütend gesehen. Allerdings merke ich, dass es dieses Mal anders ist und das gefällt mir überhaupt nicht. Ich kann ihn nicht einschätzen, was ich aber muss, wenn ich mich mit ihm unterhalte. Nur so habe ich wenigstens eine kleine Chance, dieses Gespräch schnell hinter mich zu bringen.

Als Antwort nicke ich nur, da ich gerade keinen Ton herausbekomme.

„Was ist an diesem Abend zwischen Manuel und dir passiert?“

Er lässt mich keine Sekunde aus den Augen. Doch ich habe keine Ahnung, worauf er hinaus will.

„Nichts“, flüstere ich ängstlich.

Ob es die richtige Antwort ist, kann ich nicht sagen, doch es ist die Wahrheit und mit der muss er zurechtkommen.

„Und wieso ist er jetzt tot?“

Scharf ziehe ich die Luft ein, als seine Worte den dichten Nebel durchdringen, der mich umgibt. Ich verstehe, was sie bedeuten, dennoch kommt es mir so vor, als würde er sich einen Scherz erlauben.

Er ist tot?

In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken, während ich die wenigen Minuten, wenn überhaupt war es nur eine halbe Stunde, noch einmal durchgehe, in der ich bei ihm war. Doch ich kann mich an nichts erinnern, was seine Frage nun beantworten würde. Mir ist nichts aufgefallen und es schien ihm auch nicht schlecht zu gehen.

Klar, ich kenne ihn nicht und kann es daher nicht einschätzen, doch mein Menschenverstand sagt mir, dass alles in Ordnung war.

„Ich … weiß … es nicht“, stammle ich schließlich.

Ich sehe ihm an, dass es ihm nicht gefällt, was ich von mir gebe.

„Du willst mir also sagen, dass du keine Ahnung hast? Du warst anscheinend die letzte Person, die ihn lebend gesehen hat. Ich habe auf einen Anruf von ihm gewartet. Als dieser nicht kam, habe ich ihn aufgesucht.“

Erneut nicke ich nur.

Die nächsten Sekunden kommen mir so vor, als würden sie eine Ewigkeit dauern. Ich versuche mir die passenden Worte zurechtzulegen, die ich von mir geben kann, doch da ist nichts. In meinem Kopf befindet sich eine Leere, die ich so noch nie gespürt habe. Und eigentlich habe ich gehofft, dass dies auch niemals der Fall sein wird.

„Sollte ich erfahren, dass du doch etwas damit zu tun hast, werde ich dich umbringen“, knurrt er wütend. „Denn dann hast du dafür gesorgt, dass mir eine Menge Geld verloren geht.“

Diese Drohung sorgt dafür, dass ich mich nicht mehr bewegen kann. Ich bin in eine Schockstarre verfallen, aus der ich nicht mehr herauskomme.

In der nächsten Sekunde spüre ich, wie ich auf dem Boden lande. Dabei wird mir schwarz vor Augen und dann merke ich, wie ich mein Bewusstsein verliere.

Als ich wach werde, habe ich so extreme Kopfschmerzen, dass ich mich im ersten Moment kaum bewegen kann. Mir ist schlecht und schwindelig.

Es dauert eine Ewigkeit, bis ich in der Lage bin, meine Augen zu öffnen und mich wenigstens ein Stück zu bewegen. Als ich jedoch merke, dass sich der Schmerz überall meldet, bleibe ich reglos liegen. Ich versuche sie irgendwie zu kontrollieren, sodass ich mich wenigstens aufrichten kann. Doch es gelingt mir nicht.

Erst, als ich wieder in der Lage bin, meine Augen wenigstens ein Stück zu öffnen, merke ich, dass ich im Flur auf dem Boden liege. Und das ist der Moment, in dem langsam meine Erinnerungen wiederkommen.

Vorsichtig versuche ich aufzustehen und mich dabei nicht auf meine Schmerzen zu konzentrieren.

Es dauert nochmal so lange, bis ich mich endlich auf meinen Beinen halten kann. Dabei lehne ich mich zwar an der Wand an, damit ich das Gleichgewicht nicht verliere, aber das ist gerade egal. Mit der Hand taste ich nach meiner Stirn, an der ich sofort Blut spüren kann.

Ich brauche mich nicht im Spiegel anzusehen um zu wissen, dass dies wieder eine neue Wunde ist. Außerdem weiß ich, dass ich so definitiv nicht zur Arbeit gehen werde. Jeder würde mich sofort fragen, was passiert ist und ich bin nicht bereit, diese Frage zu beantworten.

Weder jetzt noch sonst irgendwann.

Als ich endlich in meinem Schlafzimmer angekommen bin, werfe ich einen Blick auf mein Handy, um die Uhrzeit zu überprüfen. Dabei werde ich auf eine Nachricht aufmerksam, deren Absender ich nicht kenne. Beziehungsweise, ich habe die Nummer nicht eingespeichert. Nachdem ich sie jedoch gelesen habe, weiß ich genau, von wem sie ist.

Ich würde mich freuen, wenn wir uns heute Abend zum Essen treffen. Ich kann auch zu dir kommen, oder du zu mir, wenn dir das lieber ist.

 

Ich lese die Nachricht noch ein weiteres Mal. Doch selbst dann weiß ich nicht, wie ich darauf reagieren soll.

Klar, die logische Antwort darauf wäre nein. Doch ein kleiner Teil, oder etwas größerer, würde sich gerne mit ihm treffen. Er hat es schließlich gestern geschafft, dass ich nicht mehr an die Verabredung mit Manuel denke. Und auch meine Schmerzen sind in seiner Gegenwart verschwunden. Dabei haben wir uns nur oberflächlich unterhalten.

Doch ich weiß, dass ich das nicht tun kann. Und schon gar nicht in dem Zustand, in dem ich mich gerade befinde. Er würde wissen, dass ich ihn gestern angelogen habe und mich erneut darauf ansprechen. Gott weiß, wie gerne ich ihm die Wahrheit sagen würde. Ich möchte mich ihm anvertrauen und ihn wie ein Schutzschild vor mir halten. Doch mir ist bewusst, dass das nicht fair wäre.

Die nächsten Tage werde ich mich in meiner Wohnung einschließen und niemandem unter die Augen treten.

Ich habe heute viel zu tun. Ein anderes Mal würde ich mich gerne mit dir treffen.

Es fällt mir schwer, diese Worte zu schreiben. Doch ich weiß, dass es das Richtige ist.

9

Cody

Ungläubig starre ich auf die Nachricht, die Rachel mir geschickt hat. Ich muss sie mehrmals lesen, bis ich mir sicher bin, dass wirklich das dort steht, von dem ich mir sicher bin, dass es das ist. Doch selbst dann wüsste ich keinen Grund, wieso sie sich nicht mit mir treffen will.

Automatisch spanne ich meine Muskeln an. Ich muss tief durchatmen, um mich wenigstens einigermaßen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Doch dieses Mal gelingt mir genau das nicht. Ich spüre, wie ich immer ungehaltener werde.

Doch da ist noch etwas anderes. Es ist ein Gefühl, was ich sonst noch nie hatte, aber ich mache mir tatsächlich Sorgen. Normalerweise wäre es mir egal. Doch wenn ich mir überlege, dass ich es in Bezug auf Rachel habe, gefällt es mir überhaupt nicht.

Mit großen Schritten verlasse ich mein Schlafzimmer und eile die Treppe nach unten. Dort will ich aus dem Haus verschwinden, als mein Vater plötzlich vor mir steht.

„Mein Sohn“, begrüßt er mich. Dabei sieht er mich von oben bis unten an. „Dich habe ich gesucht. Ich muss ein paar Dinge mit dir besprechen.“

Seine Stimme lässt keinen Zweifel daran, dass er keine Widersprüche duldet. Doch in diesem Fall muss er das. Ich will wissen, was hier los ist. Das hat gerade eindeutig Vorrang für mich, daher wird mein Vater sich noch ein wenig gedulden müssen.

„Nicht jetzt“, gebe ich von mir und mache dabei Anstalten, an ihm vorbeizugehen. Allerdings stellt er sich mir erneut in den Weg.

„Es gibt da wirklich ein paar Dinge, die wir besprechen müssen.“

Mit diesen wenigen Worten gibt er mir zu verstehen, dass ich ihm nicht so schnell entkommen kann. Ich will nur noch zu Rachel, denn mein Gefühl sagt mir, dass es nicht nur etwas mit Manuel zu tun hat. Er war zwar derjenige, der dafür gesorgt hat, dass sie diese Verletzungen bekommen hat. Doch da ist noch mehr. Etwas, was ich bis jetzt noch nicht weiß, aber dringend wissen sollte.

Das spüre ich genau!

„Das muss warten.“

Normalerweise würde ich nachgeben und mich seinem Willen beugen. Er ist schließlich das Oberhaupt meiner Familie. Doch Rachel ist mir wichtiger, als jetzt geschäftlichen Kram mit meinem Vater zu klären, der eindeutig noch warten kann. Allerdings weiß ich nicht, wie groß die Gefahr ist, in der sie sich befindet.

„Nein, das muss nicht warten und das kann auch nicht warten“, gebe ich von mir, wobei ich die Worte mehr knurre, als das ich sie wirklich ausspreche.

In dem Moment, in dem ich meinen Satz beendet habe, erscheint Brad hinter meinem Vater. Kaum ist er stehen geblieben sieht er uns an, als würde er die Spannung bemerken, die in der Luft liegt.

Er wirft uns einen irritierten Blick zu, da es nicht sehr oft vorkommt, dass genau dies geschieht.

„Sag es ihm und er wird dann mit mir darüber sprechen“, weise ich ihn an. „Oder warte, bis ich wieder hier bin.“

Ich lasse keinen Zweifel daran, dass ich es ernst meine. Daher warte ich auch nicht darauf, dass einer von ihnen etwas sagt, sondern gehe an meinem Vater vorbei zu meinem Bruder.

„Setzt mich nachher in Kenntnis, worum es ging. Ich muss los, es ist etwas passiert.“

„Was ist los?“

„Es geht um Rachel. Irgendetwas stimmt da nicht.“

Brad sagt nichts weiter dazu, sondern nickt nur. Er kann sich wahrscheinlich denken, dass ich nicht so wäre, wenn es nicht wirklich wichtig wäre. Doch er kennt mich gut genug und weiß daher, wie ich zu dieser Frau stehe.

„Kümmere dich um sie“, weist er mich nur an und nickt. „Ich werde mich hier um alles kümmern.“

Meine Lippen bilden nur noch eine dünne Linie, als ich endlich das Haus verlassen kann. Während ich durch die Straßen fahre, gehen mir die unterschiedlichsten Gründe dafür durch den Kopf, dass sie sich von mir abgewendet hat. Doch ich habe für mich beschlossen, dass ich sie nicht gehen lassen werde.

Einmal habe ich dies getan und es immer wieder bereut. Es war ein Fehler, den ich in den letzten Jahren immer wieder rückgängig machen wollte. Ich habe gehofft, dass ich irgendwann die Chance bekommen werde, ihr zu beweisen, dass sie meine Frau ist. Nun habe ich diese und werde sie endlich für mich gewinnen. Da werde ich nicht schon wieder zulassen, dass sie eine große Mauer zwischen uns errichtet.

Als ich an meinem Ziel angekommen bin, stelle ich meinen Wagen mitten auf der Straße ab, da ich keine Zeit habe, erst einen freien Parkplatz zu suchen. Als ich auf die Tür zugehe, hoffe ich, dass sie dieses Mal sofort öffnen wird. Es steht gerade nicht besonders gut um meine Nerven.

Zu meiner Überraschung springt die Tür sofort auf. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend sprinte ich nach oben und halte auf ihre geöffnete Wohnungstür zu.

Doch kaum habe ich diese betreten, bleibe ich ruckartig stehen und ziehe scharf die Luft ein. Der Anblick, der sich mir gerade bietet, gefällt mir überhaupt nicht.

10

Rachel

Ich weiß, dass es nichts bringt, wenn ich mich vor ihm verstecke. Mir ist durchaus bewusst, dass er so lange vor meiner Tür stehen bleiben wird, bis ich öffne. Daher versuche ich es auch gar nicht erst.

Wahrscheinlich würde er sogar meine Tür eintreten, wenn ich sie nicht öffnen würde.

Doch ich habe keine Ahnung, wie ich ihm die Wunde an meiner Stirn erklären soll. Bis jetzt habe ich mir noch keine Gedanken darüber gemacht, was ich sage, falls mich jemand so zu Gesicht bekommt. Ich weiß ja nicht einmal, wie ich darauf reagieren würde, wenn meine beste Freundin mir so gegenüber stehen würde, und sie vorher schon Verletzungen hätte. Unter normalen Umständen würde ich es wissen, doch das hier kann man nicht einmal als normale Umstände bezeichnen. Es ist weit davon entfernt!

Ich stehe Cody nur wenige Zentimeter in meinem Flur entfernt. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Doch ich weiß nicht, was ich sagen kann.

Mit großen Augen, denen ich nicht entkommen kann, sieht er mich an. Mir ist klar, dass er meinen Anblick erst einmal verdauen muss. An seiner Stelle würde es mir nicht anders gehen. Ich sehe wirklich erschreckend aus und so fühle ich mich auch. Allerdings würde ich es vorziehen, wenn er etwas sagt, denn die Ruhe lässt mich wahnsinnig werden! Man kann auch sagen, dass es mir nur noch mehr vor Augen führt, was in den letzten Stunden alles geschehen ist.

„Was machst du hier?“, frage ich ihn schließlich, als ich die Ruhe nicht mehr aushalte, die sich zwischen uns gebildet hat.

Einen Augenblick schweigt er noch.

„Ich wollte dich sehen“, antwortet er dann endlich nüchtern und wendet sich dabei nicht von mir ab.

Auf diese Weise gibt er mir zu verstehen, dass er wissen will, was passiert ist. Und auch jetzt stehe ich wieder kurz davor, ihm die Wahrheit zu erzählen. Und das vor allem aus dem Grund, weil ich mich ihm anvertrauen will, um diese riesige Last loszuwerden.

Innerlich winde ich mich, nach außen versuche ich aber so ruhig wie möglich zu bleiben. Die Wahrheit ist aber, dass es mir immer schwerer fällt, je länger wir uns einfach gegenüber stehen.

Mein Verstand schreit mich an, dass ich mich an ihn lehnen soll. Es befiehlt mir regelrecht, dass ich mir endlich die Ruhe holen soll, die ich verdient habe. Allerdings kann ich es nicht.

Ich weiß, dass ich bei ihm in Sicherheit bin und er mich nicht für das verurteilen wird, was ich getan habe. Doch es fällt mir schwer, ihm die Wahrheit zu sagen, auch wenn ich es eigentlich will.

„Sorry, dass ich abgesagt habe. Aber ich muss mich gleich auf den Weg machen“, weiche ich ihm aus.

Einen Moment sehe ich ihn an und gehe dann an ihm vorbei in die Küche. Allerdings komme ich nicht sehr weit. In der Sekunde, in der ich durch die Tür trete, spüre ich, wie er nach meinem Handgelenk greift. Auf diese Weise hindert er mich daran, einfach zu verschwinden. Doch in diesem Moment will ich das.

Seine Wärme auf meiner Haut zu spüren lässt alte Erinnerungen wieder in mir aufkommen. In den nächsten Sekunden habe ich wieder Bilder vor meinem inneren Auge, wie wir gemeinsam Zeit verbringen und er mich einfach glücklich macht.

In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken und mein Herz rast wie verrückt. Ich versuche eine Lösung zu finden, wie ich ihm dies erklären soll, doch ich bin eigentlich nicht dazu in der Lage.

„Was ist mit dir passiert? Du kannst mir die Wahrheit sagen, das weißt du.“

Sein Blick ist eindringlich und seine Stimme gibt mir zu verstehen, dass ich ihm nicht ausweichen kann. Gleichzeitig zeigt er mir so aber auch, dass er bei mir ist und es auch bleiben wird.

Beim letzten Mal konnte ich ihm entkommen, in dem ich es auf einen Autounfall geschoben habe. Doch nun ist genau das nicht möglich. Er wird sich nicht mit einer Notlüge zufriedengeben. Und wenn ich ehrlich bin muss ich zugeben, dass ich froh darüber bin.

„Ich kann es dir nicht sagen“, murmle ich schließlich und schaue an ihm vorbei auf die Wand.

Ich will seinen Gesichtsausdruck jetzt nicht sehen. Ich bin mir nämlich sicher, dass es mir nicht gefallen wird, was ich dort sehe.

„Du wirst mir jetzt die Wahrheit sagen.“

Ich höre die Ungeduld in seiner Stimme. Auch wenn er im Gefängnis saß, weiß ich nicht, was er beruflich macht. Zumindest nicht genau. Ich bin mir sicher, dass es da ein paar Leute gibt, die nun zusammenzucken würden, wenn er in diesem Ton mit ihnen spricht. Sein Auftreten ist dominant und zeigt jedem, wer der Chef ist.

Doch das tue ich nicht. Und das vor allem aus dem Grund, weil ich weiß, dass er mir niemals etwas antun würde. Ich weiß nicht, was das zwischen uns ist, das wusste ich damals schon nicht. Doch ich weiß, dass ich bei ihm in Sicherheit bin. Er würde mir nie etwas antun.

„Ich will dich nicht mit in diese Geschichte ziehen“, erkläre ich dennoch, entziehe ihm meinen Arm und betrete die Küche.

Dort hole ich ein Glas aus dem Schrank und fülle es mit kaltem Wasser. Ich nehme einen großen Schluck daraus. Dabei schließe ich die Augen und versuche meine aufgebrachten Nerven wieder zu beruhigen.

„Was für eine Geschichte? Ich will, dass du mir jetzt endlich sagst, was hier los!“