Mafia Brothers

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11

Cody

Es fehlt nicht mehr viel und ich verliere meine Nerven. Ich war noch nie für meine Ruhe bekannt, doch zu wissen, dass Rachel etwas in den letzten Jahren passiert ist, macht es nicht besser.

Meine Muskeln sind angespannt, sodass es mir selber schon fast vorkommt, als würden sie gleich reißen.

Ich bin wütend und gerade fällt es mir schwer, diese Wut für mich zu behalten. Je länger ich keine Ahnung habe, was hier gespielt wird, umso schlimmer ist es.

Ich sehe Rachel auf eine Weise an, die ihr klar zu verstehen gibt, dass ich es ernst meine. Ich werde erst dann nachgeben, wenn sie mir die Wahrheit gesagt hat. Doch genauso erkenne ich, dass sie es eigentlich nicht für sich behalten will. Sie will sich mir anvertrauen und mir sagen, woher ihre ganzen Verletzungen kommen. Und das ist der Punkt, bei dem ich ansetzen muss.

Zuerst muss ich mich aber wieder unter Kontrolle bekommen. Mir ist nämlich bewusst, dass ich keinen Schritt weiterkomme, wenn ich kurz davor stehe, auf irgendetwas einzuschlagen.

„Ich will dir helfen“, sage ich und sehe sie abwartend an. Sie soll wissen, dass sie das Tempo bestimmt. Dabei ist es egal, wie es mir eigentlich geht. Doch hier geht es um sie und nicht um mich. „Das kann ich aber nur, wenn du mir sagst, was hier los ist. Du weißt, dass ich dich beschützen werde.“

Ich erkenne den Kampf in ihren Augen. Ihr fällt es nicht leicht, die Worte für sich zu behalten. Um es ihr noch schwerer zu machen, mache ich einen Schritt auf sie zu und verringere den Abstand zwischen uns.

Vor meiner Verhaftung habe ich es jedes Mal geschafft, sie so aus ihrem Gleichgewicht zu ziehen. Und ich hoffe, dass es auch dieses Mal so ist.

Allerdings brauche ich nur einen Blick in ihr Gesicht zu werfen um zu wissen, dass meine Wirkung sie nicht verfehlt.

„Es geht schon seit Jahren so“, flüstert sie schließlich. Dabei sieht sie an mir vorbei.

Doch darum kümmere ich mich jetzt nicht. Ich bin zu sehr darauf bedacht, sie keine Sekunde aus den Augen zu lassen.

„Seit wann?“, frage ich sie und will sie so dazu bewegen, weiterzureden. „Und was meinst du?“

Einige Sekunden ist es still, bevor sie endlich tief Luft holt.

„Lange, bevor du ins Gefängnis gekommen bist. Aber erst, nachdem wir uns kennengelernt haben.“

Ihre Worte bewegen mich dazu, dass ich mich gerade frage, ob ich wirklich so blind war, dass ich nie etwas mitbekommen habe. Doch es ist besser, wenn ich mich gerade nicht damit beschäftige. Es würde wahrscheinlich nur das Licht darauf werfen, dass ich sie als selbstverständlich angesehen habe.

Und das weiß ich auch so!

Stattdessen ziehe ich sie an mich und streiche ihr eine Träne aus dem Gesicht.

„Sage mir, wer dir das angetan hat“, fordere ich sie flüsternd auf. Was ich dann mit demjenigen machen werde, behalte ich besser für mich.

Langsam hebt sie ihren Kopf und sieht mich aus verweinten Augen an.

„Sobald meinem Bruder nicht gefällt, was ich mache oder sage, geht er auf mich los. Dies war allerdings nicht mein Bruder, zumindest nicht nur.“

Mit diesen Worten zeigt sie auf ihr Gesicht, nachdem sie sich ein Stück von mir entfernt hat. Mir liegen die Worte auf der Zunge, dass ich weiß, wer es auch war und er bereits dafür bezahlt hat. Doch ich verkneife es mir, sie auszusprechen.

Ich bin mir sicher, dass es sie noch mehr verunsichern würde und das will ich vermeiden. Irgendwann werde ich es ihr sagen. Allerdings will ich, dass es ihr dann endlich wieder besser geht und ich mir keine Sorgen mehr darum machen muss, dass sie jeden Augenblick zusammenbricht.

„Ich soll mich um seine Geschäftspartner kümmern und ihnen ein paar schöne Stunden bereiten. Im Gegenzug sorgen sie dafür, dass er das bekommt, was er will. Was das ist, weiß ich jedoch nicht. Aber nicht nur ich bin davon betroffen, sondern auch noch ein paar andere Frauen. Er hat uns in seiner Gewalt.“

Mir gefällt es nicht, was sie dort erzählt. Doch dank meines Jobs bin ich in der Lage, meine Gefühle für mich zu behalten. Das ändert aber nichts daran, dass ich mir vornehme, bei der nächsten Gelegenheit meine Brüder darauf anzusetzen.

„Wieso gehst du nicht zur Polizei?“

Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Antwort darauf wirklich wissen will. Doch dies ist es, was man in dieser Situation machen würde.

„Würde ich zur Polizei gehen, würde ich schneller unter der Erde liegen und den Frauen Gesellschaft leisten, die das schon getan haben, als es mir lieb ist. Sobald ich nur daran denke, weiß er es.“

Die Worte kommen ihr so leicht über die Lippen, dass es mich ein wenig erschreckt. Doch auch das behalte ich für mich.

In diesem Moment nehme ich mir vor, dass ich mir ihren Bruder zur Brust nehmen werde. Ich habe zwar keine Schwester, doch hätte ich eine, würde ich sie beschützen und sie nicht zum Anschaffen schicken. Und wenn man es genau nimmt, hat er genau das gemacht.

Bis jetzt ist er mir nur ein paar Mal über den Weg gelaufen. Das reicht aber aus, dass ich sagen kann, dass ich ihn noch nie mochte. Ich habe nie eine ernsthafte Unterhaltung mit ihm geführt. Wenn er mir mal über den Weg gelaufen ist, habe ich ihm gezeigt, was ich von ihm halte.

Jason ist ein Arschloch, anders kann man ihn nicht bezeichnen. Ein Möchtegern-Gangster, der eindeutig zu viel auf sich hält und meint, dass er genau weiß, wie die Geschäfte laufen – was er eindeutig nicht weiß. Doch bis jetzt stand er noch nicht meiner Liste, da ich ihn nie ernst genommen habe. Dies hat sich nun allerdings geändert. Die wenigen Worte von Rachel haben dafür gesorgt, dass er nun ganz oben steht.

Schweigend halte ich sie fest und gebe ihr die Ruhe, die sie gerade braucht, um nicht auch noch die restlichen Nerven zu verlieren. Eine Ewigkeit stehen wir so in der Küche. Doch schließlich trenne ich mich von ihr und sehe sie eindringlich an.

„Ich verspreche dir, dass er dir nichts mehr tun wird. Ich werde nicht zulassen, dass er dies noch einmal machen kann.“

Mit diesen Worten drehe ich sie herum und schiebe sie vor mir her, bis wir das Sofa im Wohnzimmer erreicht haben. Dort setze ich sie in die dicken Kissen und ziehe mein Handy aus der Hosentasche.

Um diesen Wichser werde ich mich später kümmern. Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er sich wünschen, dass er mir niemals über den Weg gelaufen und er niemals auf so eine schwachsinnige Idee gekommen wäre. Und vor allem wird er sich wünschen, dass er es niemals auf Rachel abgesehen hätte. Jetzt steht sie für mich allerdings an erster Stelle.

Ich bestelle eine Pizza und den restlichen Tag verbringen wir auf dem Sofa. Ein wenig ist es so wie früher. Da haben wir gerne das ganze Wochenende in diesen Kissen verbracht und einfach gekuschelt – auch wenn man das bei mir kaum glauben kann.

Nun streiche ich ihr immer wieder über den Rücken, ihren Bauch, ihre Schultern und die Wunden in ihrem Gesicht. Am Anfang zuckt sie noch zusammen. Als sie nach einigen Sekunden endlich merkt, dass ich ihr nicht weh tun will, entspannt sie sich und schließt die Augen.

Doch nicht nur ich gebe ihr Ruhe. Sie mir auch. Ihren Atem an meiner Haut zu spüren, und zu wissen, dass ihr Kopf auf der Stelle liegt, unter der mein Herz schlägt, setzt etwas in mir frei. Ich kann es nicht in Worte fassen, doch es ist da und mehr zählt gerade nicht für mich.

Es ist schon spät, als ich mich auf den Weg mache. Dies mache ich allerdings nur widerwillig. Ich will sie nicht alleine lassen, doch ich muss dieses Thema zu Ende führen und Jason zeigen, dass ihr Mann wieder in der Stadt ist.

Allerdings werde ich sie nicht ohne Schutz lassen. Mit Sicherheit gehe ich nicht das Risiko ein, dass etwas in der Zeit passiert, in der ich nicht da bin. Ich werde einen meiner Männer damit beauftragen, sie zu beschützen und wenn nötig ihrem Bruder eine Kugel in den Kopf zu jagen.

Auch wenn ich das am liebsten machen würde!

„Was gibt es?“, erkundigt sich Taylor, nachdem er das Gespräch entgegengenommen hat.

In kurzen Sätzen berichte ich ihm davon, was ich selber erst vor ein paar Stunden erfahren habe. Dabei muss ich mich anstrengen, damit ich nicht ausraste. Doch ich bin mir sicher, dass mein Bruder sich das bereits denken kann.

„Ich werde versuchen seinen Aufenthaltsort herauszufinden“, erklärt dieser.

„Ich warte hier, bis einer der Männer da ist. Ich will nicht, dass sie auch nur eine Sekunde ohne jemanden ist, der im Notfall eingreifen kann.“

Ich knurre die Worte mehr, als dass ich sie wirklich ausspreche. Doch ich bin sauer und ich will es auch nicht für mich behalten. Alleine der Gedanke daran, dass dieser Mann Hand an meine Frau gelegt hat, lässt mich rot sehen.

Und wenn man es genau nimmt, ist sie genau das. Meine Frau!

Damals hatte ich nicht den Mut, es ihr zu sagen, da ich ihre Welt nicht aus den Fugen bringen wollte. Doch dieses Mal werde ich sie nicht gehen lassen. Ich werde nicht eine Sekunde Zweifel in ihr aufkommen lassen.

Nicht dieses Mal!

12

Rachel

Es war ein Fehler, ihm zu sagen, was geschehen ist. Ich weiß zwar nicht, was ich sonst hätte machen sollen, da ich endlich mit jemanden darüber sprechen wollte, doch es war ein Fehler. Das wird mir in dem Moment bewusst, als ich die Augen öffne und das weiß ich ganz genau. Gestern hat es sich noch richtig angefühlt, doch nun würde ich es am liebsten wieder zurücknehmen.

Ich habe keine Ahnung, was ich mir davon erhofft habe, aber anscheinend ist es nicht eingetreten. Meine Lage hat sich nicht geändert und die Schmerzen und Verletzungen an meinem Körper sind auch nicht verschwunden.

 

Es wäre besser gewesen, wenn ich nichts von mir gegeben hätte, denke ich und seufze leise.

Ich brauche mich nicht umzusehen, ich weiß auch so, dass Cody nicht mehr hier ist. Weder neben mir, noch in meiner Wohnung. Schon damals konnte ich seine Anwesenheit spüren. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, doch ich wusste es einfach, wenn er sich in meiner Nähe befindet. Und genau dieses Gefühl hatte ich gestern, jetzt ist es jedoch verschwunden.

Ich schließe noch einen Moment meine Augen, während ich versuche herauszufinden, wie ich aus dem Problem herauskomme, in das ich mich selber befördert habe. Und anders kann man es wirklich nicht bezeichnen.

In mir macht sich die Panik breit, dass Cody irgendetwas unternimmt, woran mein Bruder erkennt, dass ich ihn eingeweiht habe. Jason würde es sofort wieder an mir auslassen. Und wahrscheinlich könnte ich dieses Mal froh darüber sein, wenn ich nur ein paar blaue Flecken und offene Wunden habe.

In der nächsten Sekunde dringt jedoch das laute Klingeln meines Handys an mein Ohr. Instinktiv greife ich danach und hoffe, dass es nicht mein Bruder ist, der versucht, mich zu erreichen. Mir ist bewusst, dass ich ihm nicht entkommen kann. Wenn ich nicht am Telefon mit ihm spreche, wird er hier auftauchen und wahrscheinlich wieder auf mich losgehen. Aber ich kann gerade weder das eine noch das andere gebrauchen.

Doch dann stelle ich fest, dass nicht er es ist, der mich anruft, sondern meine Mutter sich am anderen Ende der Leitung befindet. Ich bin mir nicht sicher, ob das besser ist. Doch ich weiß, dass ich auch ihr nicht entkommen kann.

Wenn ich nicht an mein Telefon gehe, wird sie früher oder später ebenfalls hier auftauchen. Und da mein Auto vor der Tür steht kann ich nicht einmal sagen, dass ich nicht zu Hause war.

Daher atme ich ein letztes Mal tief durch, sodass sie hoffentlich nicht sofort merkt, dass ich gerade erst aufgewacht bin. Draußen scheint die Sonne und es ist bereits neun Uhr. Sie soll denken, dass ich auf der Arbeit bin und viel um die Ohren habe. Nur so kann ich die nächste Verabredung mit ihr irgendwie ausschlagen.

„Hi“, begrüße ich sie und tue so, als wäre ich ein wenig gestresst.

„Störe ich dich?“, fragt sie in der nächsten Sekunde. Dabei kann ich den vorsichtigen Ton in ihrer Stimme erkennen. „Ich kann dich auch später noch einmal anrufen.“

„Schon in Ordnung. Hier ist gerade die Hölle los. Aber ein paar Sekunden habe ich Zeit“, gebe ich zurück. „Was gibt es denn?“

„Ich wollte nur fragen, ob du Lust hast vorbeizukommen, wenn du Feierabend hast.“

Ich erkenne die Hoffnung, mit der sie spricht. Früher hatten wir ein sehr enges Verhältnis. Dies war allerdings zu dem Zeitpunkt, als ich noch zu Hause gelebt habe und nicht auf der Liste meines Bruders stand. In den letzten Jahren habe ich immer wieder versucht ihr aus dem Weg zu gehen. Vor allem dann, wenn ich so aussehe, was leider öfter vorkommt, als ich es mir wünsche. Und meistens klappt das sogar. Um genau zu sein ist es mir bis jetzt nur ein einziges Mal nicht gelungen. Und auch da habe ich die Ausrede vorgebracht, dass ich einen Unfall hatte.

Jeder, der auf nur ansatzweise über genug Menschenverstand verfügt, würde sagen, dass ich ihr endlich die Wahrheit sagen soll. Es gibt da leider aber ein paar Punkte, die mich daran hindern.

Ich habe keine Ahnung, wie sie darauf reagieren wird. Ich bin ich mir sicher, dass ihre Welt zusammenbrechen würde, wenn sie von dieser Geschichte erfährt. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie mir nicht glauben würde. Doch ich will auch nicht Schuld an den Dingen sein, die unweigerlich danach passieren werden.

„Sorry, heute ist es schlecht“, weiche ich ihr also erneut aus. Dabei kann ich nichts gegen das schlechte Gewissen machen, was sich bei meinen Worten in mir bildet. Schnell halte ich mir deswegen vor Augen, dass ich es nur mache, um meine Eltern zu schützen. „Ich bin mit ein paar Freundinnen verabredet.“

Kaum habe ich ausgesprochen beiße ich mir auf die Lippe. Sie weiß nicht, dass ich aus dem gleichen Grund kaum noch Freundinnen habe, mit denen ich mich treffen kann. Das ist noch ein Punkt, der mir zusetzt. Und den wenigen, die mir noch geblieben sind, gehe ich auch regelmäßig aus dem Weg.

Sie wissen von nichts!

Sie haben nicht einmal eine Vermutung!

„Das ist schade. Melde dich, sobald du ein oder zwei Stunden erübrigen kannst. Ich würde gerne etwas mit dir besprechen.“

„Mach ich.“

Mit diesen Worten lege ich auf und werfe das Handy wieder neben mich. Ich will mich nicht damit auseinandersetzen, doch ich kann dem auch nicht entkommen.

Ich habe die Befürchtung, dass ich auf eine große Katastrophe zusteuere, ich aber nicht einordnen kann. Und noch schlimmer ist, dass ich nichts tun kann, um genau das zu verhindern.

Eine Ewigkeit bleibe ich auf dem Sofa liegen, bevor ich mich endlich dazu überwinden kann, aufzustehen. Viel zu lange stehe ich unter der Dusche. Dabei habe ich die Hoffnung, dass das Wasser auch meine Sorgen davon wäscht, doch genau das ist nicht der Fall. Nachdem ich mich abgetrocknet habe, werfe ich einen Blick in den Spiegel und begutachte meine Wunden.

Sie sind noch lange nicht so weit, dass sie verheilen. Aus Erfahrung, die ich mittlerweile habe, kann ich auch sagen, dass es noch etwas dauern wird, bis das der Fall ist. Solange muss ich mir eine Ausrede einfallen lassen, falls meine Mutter sich noch einmal meldet und kann nur hoffen, dass mein Bruder das nächste Mal auf ein anderes Körperteil zielt.

„Scheiße“, entfährt es mir.

Auch die Sache mit Cody beschäftigt mich noch immer. Ich habe keine Ahnung, was ich mir gedacht habe, ausgerechnet ihn ins Vertrauen zu ziehen. Zum einen, dass ich es ihm erzählt habe und dann, dass ich ihm mehr oder weniger erlaubt habe, hier zu bleiben. Mir hätte klar sein müssen, dass er wieder verschwindet, so wie er es schon beim letzten Mal einfach getan hat.

Es hat damals eine Ewigkeit gedauert, bis ich in Erfahrung gebracht habe, dass er im Gefängnis sitzt. Und eigentlich war es nur Zufall gewesen, weil mir gerade Taylor über den Weg lief, als ich von der Arbeit nach Hause gegangen bin. Und hätte ich ihm nicht klargemacht, dass ich es auch ohne seine Hilfe erfahre, hätte er mir wahrscheinlich auch kein Wort darüber mitgeteilt!

Ich hätte es wissen müssen!

Nachdem ich mir eine Haushose und ein Shirt angezogen habe, dringt das Klingeln meines Handys erneut an meine Ohren. Augenblicklich spanne ich mich wieder an. Doch als ich einen Blick auf das Display werfe und feststelle, dass es Cody ist, entspanne ich mich wieder.

Dennoch muss ich nun stark sein. Das, was ich jetzt vorhabe, fällt mir nicht leicht. Doch mir ist bewusst, dass ich keine andere Wahl habe. Es geht nicht nur darum, dass ich mich schützen muss, sondern nun auch ihn. Und das ist noch ein Grund, wieso ich am besten den Mund gehalten hätte.

Ein letztes Mal atme ich tief durch, ehe ich das Gespräch entgegennehme.

„Hi“, begrüße ich ihn ein wenig zurückhaltend.

„Guten Morgen“, stellt er fest. „Es tut mir leid, dass ich einfach verschwunden bin, aber ich musste mich um ein paar Sachen kümmern.“

An dem Ton seiner Stimme höre ich, dass er es aufrichtig meint. Doch das ändert nichts an meinem Entschluss. Ich kann nur hoffen, dass er es akzeptiert und mich auch versteht.

„Bist du zu Hause? Ich dachte mir, dass wir gemeinsam frühstücken“, spricht er nun weiter.

Während ich mich frage, ob ich das wirklich machen kann, schießen mir die Tränen in die Augen. Doch schnell rufe ich mir in Erinnerung, dass ich ihn beschützen will. Und das geht nur, wenn ich ihn aus meinem Leben werfe.

„Wir können uns nicht mehr sehen“, murmle ich also. Gleichzeitig kann ich nicht verhindern, dass mir eine einzelne Träne die Wange herunterläuft.

„Was ist los?“

„Nichts, aber es ist das Beste, wenn wir uns nicht mehr treffen. Lass mich bitte in Ruhe.“

Kaum habe ich ausgesprochen lege ich auf. Zum einen nehme ich ihm so die Gelegenheit, noch etwas zu sagen. Auf der anderen Seite kann ich mich aber auch nicht länger beherrschen.

Ich rutsche weinend an der Wand hinunter und vergrabe mein Gesicht in den Handflächen.

Zum zweiten Mal hat mein Bruder es geschafft, mir den Menschen zu nehmen, der mir am wichtigsten ist. Ich habe ihn damals geliebt und ich liebe ihn auch jetzt noch. Und das werde ich für immer!

13

Cody

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mir ihre Worte egal sind. Seit dem Telefonat habe ich immer wieder darüber nachgedacht. Ich kann es mir jedoch nur so erklären, dass sie Angst hat und sich deswegen erneut von mir distanziert hat. Dies zeigt mir, dass ich ihr noch nicht genug gezeigt habe, dass sie sich meinetwegen keine Gedanken machen muss. Und ich weiß, dass sie sich diese macht.

Während der nächsten Tage lasse ich sie nicht aus den Augen. Die meiste Zeit des Tages verbringe ich in meinem Wagen in der Nähe ihrer Wohnung, sodass mir nichts entgeht. Keine Sekunde wende ich mich von ihrem Haus ab. Am liebsten wäre ich bei ihr, würde sie in den Armen halten und sie küssen. Allerdings weiß ich nicht, ob es eine gute Idee ist.

Ich will nicht vorpreschen und sie damit noch weiter in die Ecke drängen. Allerdings will ich auch nicht, dass die Lücke zwischen uns noch größer wird.

Man kann auch sagen, dass es eine beschissene Situation ist und ich das erste Mal keine Ahnung habe, was ich machen soll!

An diesem Abend hat sie mir klar zu verstehen gegeben, dass sie eigentlich nicht darüber sprechen will. Und irgendwie kam es mir so vor, als würde sie vor allem nicht mit mir darüber sprechen wollen. Allerdings bin ich froh darüber, dass sie es getan hat.

Nun muss ich nur noch irgendwie an das Arsch rankommen, denke ich.

Automatisch spannen sich meine Muskeln an. Es ist nicht das erste Mal, dass sich jemand versteckt hält und meint, dass er mir so ausweichen kann. Und bis jetzt sind sie alle früher oder später wieder aufgetaucht. Daher mache ich mir auch jetzt keine Sorgen.

Das kann ich ihr allerdings nicht sagen!

Mir ist bewusst, dass ich mich nur gedulden muss, doch das ist nicht so einfach, wie man es vielleicht meinen könnte. Auch aus dem Grund, weil ich nicht alleine in diese Geschichte involviert bin.

Unruhig starre ich auf mein Handy, doch es ist noch immer keine neue Nachricht eingegangen. Weder von meinen Brüdern, noch von Rachel. Ja, sie hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass es besser ist, wenn wir uns nicht wiedersehen. Doch sie ist der Meinung, dass sie mich auf diese Weise schützen kann. Dabei ist ihr jedoch nicht bewusst, dass ich keinen Schutz brauche.

Ich bin sehr wohl in der Lage mit diesem Spinner fertig zu werden. Mehr ist er für mich eindeutig nicht.

Die letzten Tage hat sie kaum die Wohnung verlassen. Und wenn, war ihr Blick gesenkt und ihre Haare fielen ihr ins Gesicht, sodass niemand ihre Verletzungen sehen konnte. Auch eine Mütze hat dafür gesorgt, dass man sie kaum erkennen konnte. Und ich habe auch niemanden gesehen, der hineingegangen ist, wenn man von den anderen Bewohnern des Hauses absieht.

Das ist auch der Grund, wieso ich beschließe, dass ich diesem Theater nun ein Ende bereiten werde. Ich habe keine Lust, dieses Spielchen noch weiterzuspielen. Drei Tage sind eindeutig genug. Stattdessen habe ich einen Entschluss gefasst und den werde ich umsetzen. Unter anderem gehört dazu, dass ich ihr endlich die Wahrheit sagen werde.

Auch wenn ich noch keine Ahnung habe, wie ich das anstellen soll.

Mit entschlossenen Schritten gehe ich auf ihre Haustür zu und öffne sie mit dem Schlüssel, den ich habe nachmachen lassen. Ich weiß, dass es wahrscheinlich keine gute Idee war. Doch im Notfall wollte ich jederzeit zu ihr können. Und irgendwie ist das jetzt ein Notfall.

„Rachel!“, rufe ich in ihre Wohnung hinein, nachdem ich die Tür aufgeschlossen habe.

Es dauert einen Moment, doch schließlich kommt sie aus dem Wohnzimmer. Er sieht sie mich irritiert an, bevor ihr Gesichtsausdruck überrascht wird.

Auf den ersten Blick erkenne ich, dass sie keine Ahnung hat, wie sie sich verhalten soll. Sie steht mitten in der Tür, die zu ihrem Wohnzimmer führt und betrachtet mich auf eine Weise, als würde sie ein Gespenst sehen. Doch schließlich stemmt sie die Hände in die Hüften und kneift ihre Augen ein Stück zusammen.

 

„Was machst du hier? Und, was noch viel wichtiger ist, wie bist du hier reingekommen?“

An ihrer Stimmer erkenne ich, dass sie nicht sehr glücklich über meine Aktion ist. Ich gebe zu, dass es nicht in Ordnung war, doch ich habe einen guten Grund dafür. Schließlich weiß ich, dass sie mir sonst ewig aus dem Weg gehen würde.

Mir war bewusst, dass sie mich das fragen wird. Dennoch habe ich gehofft, dass sie das nicht gleich als erstes machen würde. Dementsprechend habe ich mir auch keine Ausrede einfallen lassen. Und das wollte ich eigentlich auch überhaupt nicht.

„Ich will dir etwas zeigen“, sage ich also nur.

Mit diesen Worten mache ich zwei Schritte auf sie zu. Als ich jedoch sehe, dass sie misstrauisch ist, bleibe ich stehen. Ich weiß, dass das hier nicht leicht für sie ist. Daher will ich sie nicht in die Ecke drängen. Außerdem soll sie wissen, dass sie mir vertrauen kann.

Denn ich habe mich nicht geändert!

„Und was?“

„Ich will, dass du die Wahrheit kennst. Ich will sie dir zeigen.“

Einen Moment sieht sie mich an, als würde sie darüber nachdenken. Doch schließlich lässt sie die Schultern hängen und schüttelt den Kopf.

„Ich hätte es dir nicht sagen dürfen. Es war ein Moment der Schwäche, der definitiv kein zweites Mal eintreten wird. Du willst mir vielleicht über irgendetwas die Wahrheit sagen. Doch ich will dich schützen. Das steht für mich an erster Stelle. Das hätte ich damals schon tun sollen, in dem ich mich von dir ferngehalten hätte. Doch ich habe es nicht. Jetzt habe ich jedoch die Chance, genau das zu tun.“

Ihre Worte sind ehrlich gemeint, das spüre ich. Vor allem bemerke ich aber die Traurigkeit, die von ihr ausgeht. Unter normalen Umständen würde ich sie jetzt in den Arm nehmen und sie halten. Doch mein Verstand sagt mir, dass ich gerade keinen Schritt damit weiterkommen würde.

„Entweder packst du nun ein paar Klamotten, die du für die nächsten Tage brauchst, oder ich nehme dich so mit“, stelle ich fest und lasse keinen Zweifel daran, dass ich es so meine, wie ich es gesagt habe.

„Du solltest lieber verschwinden. Sollte mein Bruder hier auftauchen und dich sehen, wird er dich wahrscheinlich umbringen. Und das will ich nicht. Du hast keine Ahnung, wozu er in der Lage ist.“

Sie hat noch nicht einmal ausgesprochen, als sich bereits ein paar Tränen aus ihren Augen lösen und sich einen Weg über die Wangen suchen, ehe sie auf ihr Shirt tropfen.

Nun setze ich mich doch in Bewegung und ziehe sie an mich.

„Ich verspreche dir, dass mir nichts passieren wird. Du wirst dir niemals Sorgen um mich machen müssen!“

Sanft streiche ich ihr über den Rücken und versuche so, ihre aufgebrachten Nerven zu beruhigen. Doch sind wir mal ehrlich, ich war noch nie gut darin. Ich bin der Mann fürs Grobe. Bei ihr möchte ich aber zärtlich sein. Sie soll wissen, dass sie die Frau ist, die an meine Seite gehört und um die ich mich immer kümmern werde. Das war schon immer so und wird sich auch nicht mehr ändern.

„Pack ein paar Sachen und dann machen wir uns auf den Weg“, fordere ich sie noch einmal auf.

Ja, die Worte auszusprechen fällt mir nicht leicht. Ich würde gerne hier bleiben und auf diesen Wichser warten. Wenn sie recht hat, wird er schließlich früher oder später wieder hier auftauchen.

Doch Rachel und unsere Beziehung gehen gerade vor. Daher stelle ich diesen Wunsch nach hinten. Doch das bedeutet nicht, dass er mir entkommen wird.

Einen Moment dauert es noch, doch schließlich hebt sie ihren Blick und sieht mich an. Ich weiß, dass sie sich nicht sicher ist, was sie machen soll. Auf der einen Seite hat sie Angst, was passieren wird, wenn sie sich auf mich einlässt. Doch ich weiß, dass sie auch neugierig ist. Das erkenne ich an dem Funkeln in ihren Augen. Noch ein Punkt, der sich in den letzten Jahren nicht geändert hat.

Daher beschließe ich, dass ich ihr einen kleinen Schubser in die richtige Richtung geben werde. Sanft, aber gleichzeitig auch bestimmt, schiebe ich sie vor mir her, bis wir ihr Schlafzimmer erreicht haben.

Bei dem Anblick ihres Bettes kommen mir Dinge in den Kopf, die ich gerne mit ihr anstellen würde. Dinge, die wir früher gerne das ganze Wochenende gemacht haben. Doch das muss jetzt warten.

An erster Stelle steht für mich, dass sie in Sicherheit ist und ich ihr zeigen kann, was ich für sie empfinde.

„Das ist keine gute Idee“, unternimmt sie noch einen Versuch.

„Das ist sogar eine sehr gute Idee. Ich hätte das schon vor Jahren machen sollen.“

Dann wäre es vielleicht nie so weit gekommen, denke ich, spreche es jedoch nicht aus.

Um genau zu sein, hilft mir dieser Gedanke gerade kein Stück weiter, sodass ich ihn schnell zur Seite schiebe.

Einen Moment sieht sie mich an, als würde sie nach dem nächsten Grund suchen, wieso sie das nicht machen kann. Doch in der Sekunde, in der ich mich bereits darauf gefasst mache, dass sie die nächsten Einwände von sich gibt, nickt sie und beginnt, ein paar Sachen in eine große Reisetasche zu packen.

Schon während meiner Zeit im Gefängnis habe ich ein paar Mal darüber nachgedacht, diesen Schritt zu gehen. Ich habe mir die unterschiedlichsten Szenarien vorgestellt, wie sie es aufnimmt und wie es ausgeht für uns. Allerdings bin ich davon ausgegangen, dass ich erst gar nicht die Chance dazu haben werde. Daher habe ich die Idee zur Seite geschoben. Doch nun werde ich es durchziehen.

Ich werde ihr zeigen, dass ich sie damals geliebt habe und sie noch immer liebe. Und was noch wichtiger ist, ich werde nicht mehr zulassen, dass irgendetwas zwischen uns steht.

Dieses Mal werde ich es richtig angehen!

Während wir zu dem Anwesen meiner Eltern fahren überlege ich kurz, ob ich einem meiner Brüder wenigstens eine Nachricht schreiben sollte, um sie vorzuwarnen. Doch es ist mir egal, ob sie Einwände dagegen haben, es würde nichts an meiner Entscheidung ändern.

Rachel soll endlich meine Familie, meine Welt kennenlernen!