Russian Mafia Prince

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Sari: Russian Mafia #1
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Russian Mafia Prince
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Sarah Glicker

Russian Mafia Prince

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Impressum neobooks

Prolog

Sarah Glicker

Russian Mafia Prince

Sarah Weber

Alter Postweg 31a

48477 Hörstel

Copyright by Sarah Weber

Model: Anatoli Weber

Alle Rechte vorbehalten!

Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der offiziellen schriftlichen Genehmigung der Autorin!

In Gedanken an Oleg Glicker!

Vater

Großvater

Schwiegervater

„Du wolltest mich sprechen?“, erkundige ich mich noch immer ein wenig außer Atem bei meinem Vater, nachdem ich sein Büro betreten und die Tür hinter mir geschlossen habe. In der nächsten Sekunde hänge ich mir mein Handtuch, was ich in der Hand halte, um den Hals, da ich gerade vom Training komme.

Einen Moment sieht er mich an, als würde er mich am liebsten wieder raus schicken und mich anweisen, mir erst etwas Vernünftiges anzuziehen. Ich kann die Worte bereits in seinen Augen blitzen sehen. Sie warte nur darauf, endlich ausgesprochen zu werden.

Er hat noch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er viel Wert auf ordentliche Kleidung legt. Vor allem dann, wenn man zu ihm gerufen wird. Sogar seine Geschäftspartner trauen es sich nicht, nicht in einem teuren Anzug hier aufzukreuzen.

Und Sportklamotten gehören eindeutig nicht dazu. Schon gar nicht in meinem Fall.

Doch genauso habe ich noch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass seine Regeln mich nicht interessieren. Ganz davon abgesehen hat er mich von meinem Training hergeholt. Schon alleine deswegen werde ich nicht erst duschen und mir ein Hemd anziehen. Schließlich will ich gleich wieder zu meinem Boxsack gehen.

„Setzt dich, Anatoli“, weist er mich mit strenger Stimme an.

Er lässt sich nichts anmerken, als er auf einen der beiden freien Stühle zeigt, die vor seinem riesigen Schreibtisch stehen. Seine Stimme ist ruhig und kontrolliert, so wie sie es schon immer war. Auch seine Gesichtszüge geben nichts von seinen Launen preis, weder gute noch schlechte. Ich bin mir sicher, dass meine Mutter die einzige Person ist, die genau weiß, was zu jeder Zeit in ihm vor sich geht. Und das vor allem aus dem Grund, weil sie die einzige Person ist, die dafür sorgen kann, dass er nicht die Beherrschung verliert.

Prüfend blicke ich mich einmal in dem riesigen Büro um. Als Kind fand ich es immer gruselig hier zu sein. Die Möbel sind alt und dunkel. Früher habe ich mir immer vorgestellt, wie sie Geschichten erzählen. Geschichten von den Geschäften, die meine Familie hier drin bereits besiegelt haben. Vor meinem inneren Auge habe ich meinen Großvater hier sitzen sehen, wie er über Schicksale entscheidet. Aber vor allem habe ich mir vorgestellt, wie ich sie auf den Müll werfe, sobald ich hier das Sagen habe. Denn ich habe noch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich sie nicht mag.

Man kann auch sagen, dass ich dieses Büro schon immer gehasst habe. Wahrscheinlich hatte mein Vater sich deswegen einen Spaß daraus gemacht, mich so oft herzuholen. Auch, wenn er das nie gesagt hat. Fakt ist jedoch, dass ich als Kind mehr Zeit als nötig hier verbracht habe. Sogar meine Hausaufgaben habe ich in diesem Raum erledigt.

Wobei man das bei meinem Vater nicht so genau sagen kann. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, als würde er überhaupt keinen Sinn für Humor haben. Als würde er nicht einmal Gefühle haben. Doch in unserem Geschäft darf man die auch nicht zeigen. Diese Lektion habe ich schon früh gelernt.

Das heißt aber nicht, dass ich es nicht nachvollziehen kann. Auf ihm liegt eine große Last, das ist mir bewusst. Er ist das Oberhaupt einer großen Familie und unzähliger Angestellter, die darauf vertrauen, dass er die richtigen Entscheidungen trifft, da es sie im schlimmsten Fall das Leben kosten könnte. Ich bin mir sogar sicher, dass er selber nicht einmal weiß, wie viele Männer sich gerade in diesem Haus aufhalten. Solange es jedoch genug sind, ist das aber auch nur nebensächlich.

Es zeigt mir wieder einmal, dass ich nicht so werden will, wie er, sobald ich die Geschäfte übernommen habe. Und dass ich das eines Tages werde, steht fest. Man könnte auch sagen, dass es mein Geburtsrecht ist.

Mein Vater, Oleg Nesterow, ist das Oberhaupt der russischen Mafia und ich bin sein einziges Kind. Da braucht man nicht sehr lange zu überlegen um zu wissen, dass ich irgendwann das Zepter übernehme. Eigentlich ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis er mir das Kommando überlässt und sich zur Ruhe setzt.

Sobald ich es habe, wird sich der Wind drehen. Mir ist bewusst, dass es einige gibt, die es mir nicht zutrauen und deswegen versuchen werden, mich in die Richtung zu lenken, in der sie mich haben wollen. Sie werden der Meinung sein, dass ich die Geschäfte vor die Wand fahre.

Doch das sind diejenigen, mit denen ich mich eh nicht sehr viel abgebe, da ich genau weiß, was in ihren Köpfen vor sich geht. Ich werde ihnen zeigen, dass ich an der Spitze bin und sie sich besser nicht mit mir anlegen sollten, weil ich vorhabe, genau dazubleiben. Sonst werden Köpfe rollen. Und das wird ihnen sicherlich noch weniger gefallen.

Ein paar Sekunden bleibe ich sitzen und schaue ihn tonlos an. Mein Vater gibt unbeeindruckt ein paar Befehle auf seinem Laptop ein. Kurz macht es den Eindruck auf mich, als hätte er vergessen, dass ich mich ebenfalls im Raum befinde. Doch in den letzten Jahren habe ich die Erfahrung gemacht, dass ihm nichts entgeht.

Dabei ist es egal, worum es geht. Selbst, wenn er schläft, entgeht ihm nichts. Und das ist etwas, was ihn für seine Feinde zu einem gefährlichen Mann macht.

„Hast du mich hier hinbestellt, damit ich dir bei der Arbeit zusehe? Wenn es so ist, würde ich mich nämlich gerne um meine eigene kümmern, von der ich mehr als genug habe.“ Ich behalte nicht für mich, dass ich genervt bin. Mir fehlt die Zeit, um hier zu sitzen und Däumchen zu drehen. Ich habe noch einige wichtige Termine, um die ich mich heute kümmern muss.

„Nein, mein Sohn.“

Skeptisch sehe ich ihn bei dieser Anrede an. Es passiert nicht sehr oft, dass er so mit mir spricht. Doch aus Erfahrung weiß ich, dass ich dann vorsichtig sein muss.

 

„Ich habe dich hergeholt, weil ich mit dir über etwas Wichtiges sprechen muss.“ Wieder legt er eine seiner berühmten Pausen ein.

Am liebsten würde ich aufstehen und einfach verschwinden. Nur um ihm zu zeigen, was ich von seinen Spielchen halte. Doch ich weiß, dass man sich ihm nicht entgegensetzt. Hinter seinem Rücken mache ich schon lange, was ich für richtig halte. Doch wenn er sich mir direkt gegenüber befindet, lasse ich das sein. Er soll ruhig glauben, dass er die Kontrolle hat. Allerdings gibt es mehr als genug Dinge, bei denen es nicht mehr so ist. Aber wahrscheinlich weiß er das auch schon längst.

Genauso wie ihm bewusst ist, dass er mich mit diesem Spielchen in den Wahnsinn treibt!

„Mir sind ein paar Dinge zu Ohren gekommen, die dich betreffen“, beginnt er schließlich.

„Was für Dinge?“, knurre ich nur, obwohl ich es mir bereits denken kann.

„Dinge, die die Aufgaben betreffen, die ich dir zugeteilt habe. Ich weiß, dass du ein Hitzkopf bist. Das war ich in deinem Alter auch. Eigentlich bin ich aber davon ausgegangen, dass du endlich gelernt hast, dich zu kontrollieren. Das ist aber anscheinend nicht der Fall.“

Seine Stimme klingt ernst. Ich weiß, dass er sauer deswegen ist. Doch das bin ich auch. Schließlich bin ich sein Sohn und mache nun schon seit Jahren irgendwelche Botengänge, die er auch jemand anderem überlassen könnte.

„Manchen muss man einfach klarmachen, dass sie sich mit einem besser nicht anlegen sollten.“ Ich zucke mit den Schultern, da ich nichts Falsches getan habe. Schließlich konnte ich immer die Interessen unserer Familie durchsetzen. Und das ist es, worum es geht.

„Ja, da stimme ich dir zu. Früher habe genauso gehandelt und gedacht, wie du es nun machst.“

Während er spricht, steht er auf und geht zum Fenster. Er hat mir den Rücken zugedreht, sodass ich seinen Gesichtsausdruck nicht sehen kann.

Ich habe keine Ahnung, worauf diese Unterhaltung hinausläuft. Doch ich hoffe, dass er bald zum Punkt kommt, da ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern muss. Und zwar dringend.

„Ich habe in den letzten Wochen, eigentlich Monaten, viel überlegt, was ich mit dir mache.“

Mehr sagt er nicht. Aber dieser eine Satz lässt mich hellhörig werden. Ich richte mich ein Stück auf und lasse ihn nicht aus den Augen. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass er etwas von sich geben wird, was mir wahrscheinlich nicht gefallen wird. Doch jetzt bleibt mir erstmal nichts anderes übrig, als darauf zu warten.

„Was meinst du damit?“, frage ich ihn, als er auch nach einer gefühlten Ewigkeit noch keinen Ton von sich gegeben hat.

„Ich habe mich an das erinnert, was mein Vater damals mit mir gemacht hat und finde, dass es auch für dich der richtige Weg ist. Also werde ich das gleiche auch mit dir tun. Zum einen will ich dich so auf deine zukünftige Rolle als Oberhaupt der Familie vorbereiten. Zum anderen muss sich jemand in den Staaten um unsere Geschäfte kümmern, da einiges aus dem Ruder zu laufen droht. Es passieren ein paar Sachen, die nicht geschehen sollten. Andere versuchen an unserer Stellung zu sägen und selbst die Kontrolle zu übernehmen. Und du bist perfekt dafür, um den Leuten dort Einhalt zu gebieten.“

„Was?“, donnere ich wütend und gleichzeitig geschockt über diese Nachricht. Ruckartig stehe ich dabei auf. Ich richte mich zu meiner vollen Größe auf, auch wenn ich weiß, dass das meinen Vater kaltlässt. Dennoch will ich ihm so klarmachen, was ich von dieser Idee halte. „Das kann nicht dein Ernst sein“, fahre ich ihn so laut an, dass ich mir sicher bin, dass die Männer auf dem Flur mich gehört haben.

Doch das ist mir egal. Es ist nicht der erste Streit zwischen uns, den sie mitbekommen.

„Du hast richtig gehört. Ich werde dich nach Los Angeles schicken. Von unserem Familienanwesen aus kannst du dich um alles kümmern. Du wirst auch nach Miami fahren müssen, um dort ein paar Gespräche zu führen.“

Er hat nur diese wenigen Worte gesagt, doch ich koche vor Wut. Und das vor allem deswegen, weil er weiß, wie ich es hasse, wenn solche Entscheidungen über meinen Kopf hinweg gefällt werden. Ich habe keine Ahnung, wie er auf die Idee kommt, mich einfach in die USA zu schicken. Doch ich würde es gerne wissen, auch wenn es wohl nichts daran ändert wird, dass ich diese Entscheidung nicht nachvollziehen kann.

„Schick jemand anderes. Ich muss mich hier auch um ein paar Angelegenheiten kümmern.“

„Nein, Anatoli. Ich werde das keinem anderen überlassen, nur dir. Ich glaube, du hast mich noch nicht richtig verstanden. Du wirst morgen früh nach Los Angeles fliegen und dort alles überwachen und wieder in die richtigen Bahnen lenken. Das kann ich einfach niemand anderem überlassen. Kein anderer vertritt die Interessen der Familie so sehr, wie du. Die letzten Lieferungen wurden von der Polizei abgefangen und das gefällt mir überhaupt nicht. Es kommt mir vor, als würde irgendwo jemand sitzen und ihnen Information zukommen lassen. Eigentlich hätten sie nämlich überhaupt nichts davon wissen dürfen. Uns ist dadurch eine Menge Geld verloren gegangen. Außerdem wird es mal wieder Zeit, dass jemand den Mexikanern und den Italienern sagt, wo es lang geht. Ich habe dieses Gespräch schon so oft geführt, aber sie schaffen es immer nur für eine gewisse Zeit, sich an die Regeln zu halten.“

Ich presse meine Lippen zu einer dünnen Linie aufeinander und spanne meinen Kiefer und meine Muskeln an. Auf diese Weise will ich verhindern, dass ich meinem Vater die Meinung sage. Das heißt aber nicht, dass ich das nicht irgendwann machen werde. Denn auch wenn ich weiß, dass es eine Diskussion jetzt nichts bringt, so werde ich es nicht einfach auf mir sitzen lassen.

„Ich will, dass du das alles wieder in Ordnung bringst und ihnen zeigst, dass wir alles mitbekommen, egal, wo wir uns befinden. Und ich will, dass du es gut machst“, weist er mich an. Mit diesen Worten gibt er mir zu verstehen, dass es bereits beschlossene Sache für ihn ist. Ich weiß, dass es egal ist, was ich jetzt vorbringen werde, es wird nichts an seiner Meinung ändern.

Mehr als ein Nicken bekomme ich nicht zustande. Sonst würde ich Gefahr laufen, dass ich ihm nicht doch noch die Meinung sage. Und das würde nicht gut ausgehen, das weiß ich genau.

Schweigend werfe ich ihm noch einen wütenden Blick zu, bevor ich stürmisch das Büro verlasse.

Kapitel 1

Sarah

Eigentlich liebe ich meinen Job. Eigentlich. Denn es gibt auch Tage, da hasse ich ihn. Die ganze letzte Woche gehört eindeutig zum letzten Punkt. Ich habe keine Ahnung, wie viele Überstunden ich gemacht habe. Aber ich weiß, dass ich immer die erste war, die gekommen ist, und die Letzte, die wieder gegangen ist, wenn man von meinem Chef absieht. Und das ist in den letzten Jahren nicht sehr oft geschehen.

Auch jetzt ist mein Schreibtisch noch voll mit Mustern, Unterlagen und Verträgen, um die ich mich dringend kümmern muss. Aber das hat Zeit bis nächste Woche. Ich will endlich ein wenig Zeit haben, um durchzuatmen und auch mal die Füße hochlegen.

Ich glaube, dass ich mir das verdient habe.

Dennoch bleibe ich noch einige Sekunden vor meinem Schreibtisch stehen und betrachte das Chaos, was sich darauf befindet. Normalerweise würde ich so lange bleiben, bis ich wenigstens die Dinge erledigt habe, die schnell gehen. Doch selbst die müssen und können bis zur nächsten Woche warten. Außerdem ist in den letzten Tagen eine Menge schiefgegangen, da will ich nicht länger im Büro sitzen, als es unbedingt muss.

Und sind wir doch mal ehrlich. Manchmal muss man einfach einen Schlussstrich ziehen. Auch wenn ich so erzogen wurde, mich sofort um alles zu kümmern und nichts aufzuschieben.

Aber im Berufsleben klappt das nicht immer.

Bevor ich es mir doch noch einmal anders überlegen kann, fahre ich meinen Computer herunter und greife nach meiner Tasche, um so schnell zu verschwinden, wie es nur geht. Doch bevor ich auch nur in die Nähe der Glastür kommen kann, durch die man in unsere Firma gelangt, werde ich von meinem Chef aufgehalten, der mir plötzlich im Weg steht. Mit hochgezogenen Augenbrauen und in den Hüften gestemmten Händen steht er vor mir.

„Ms. Davis“, verkündet er in einem Ton, den ich leider nur zu genau kenne. Er bedeutet, dass für ihn noch lange nicht Feierabend ist und er davon ausgeht, dass ich mich ihm anschließe. Doch es ist bereits acht Uhr abends und ich kann nicht mehr. Deswegen ist es mir egal, wie lange er macht oder was er davon hält, dass ich nicht bleiben werde.

Für mich ist Schluss.

„Ja?“, frage ich trotzdem, da ich nicht unhöflich zu ihm sein will. Auch wenn für mich bereits feststeht, dass ich gleich verschwinden werde.

„Ich brauche die Muster, um die Sie sich kümmern sollten. Ich muss sie noch heute dringend durchsehen, damit ich sie eventuell noch abändern kann.“

„Der Termin ist doch erst in zwei Wochen“, wende ich ein. Dabei kann ich die Panik nicht vor ihm verbergen, die langsam in mir aufsteigt.

„Er wurde auf nächsten Freitag vorverlegt.“

Mehr braucht er nicht zu sagen, um dafür zu sorgen, dass ich den Kopf und die Schultern hängen lasse. Diese Entwürfe habe ich schon unzählige Male überarbeitet und komplett neu designt. Ich bin mir sicher, dass ich das auch noch ein paar Mal machen werde, bevor wir sie schließlich dem Kunden zeigen können. Normalerweise wäre mir das egal. Aber, das es schon in einer Woche fertig sein soll, bereitet mir Kopfschmerzen. Ich habe keine Ahnung, ob das auch wirklich klappt, schließlich habe ich auch noch andere Aufträge, um die ich mich kümmern muss.

„Ich habe sie vorhin auf Ihren Schreibtisch gelegt. Legen Sie mir einfach Ihre Notizen dazu und ich setze mich am Montag gleich als Erstes dran“, erkläre ich ihm. Dabei mache ich Anstalten, an ihm vorbeizugehen.

Doch er macht mir keinen Platz. Wie ein Schrank steht er mitten in dem kleinen Eingangsbereich. Stattdessen bedenkt er mich mit einem Blick, der mir klar zu verstehen gibt, dass er nicht sehr glücklich über meine Entscheidung ist. Unter anderen Umständen würde ich bleiben. Doch ich bin müde und mir sicher, dass ich heute nichts Gescheites mehr auf die Reihe bekomme. Außerdem will ich endlich etwas anderes sehen, als die kalten Wände meines Büros. Deswegen habe ich mich auch spontan mit meinen Freundinnen und meiner Schwester verabredet. Wenigstens für ein oder zwei Stunden will ich mich mit ihnen treffen und das Neuste aus ihrem Leben hören.

Wenn bei mir schon nichts passiert.

Mein Chef macht den Eindruck auf mich, als wäre er sich nicht sicher, was er machen soll. Hin- und hergerissen lässt er mich nicht aus den Augen. Ich weiß, dass auch er und all meine Kollegen zurzeit viel zu tun haben. Doch ich bin, wie auch schon in den letzten Tagen, die letzte Angestellte, die verschwindet.

„Ich werde jetzt nach Hause gehen und kann Ihnen wirklich nur raten, das Gleiche zu tun“, weise ich ihn an, auch wenn ich kaum glaube, dass er sich dran halten wird. „Es wird Ihnen guttun, sich auch mal mit etwas anderem zu beschäftigen.“

Ein letztes Mal lächle ich ihn an, ehe ich mich an ihm vorbeidränge und die Tür hinter mir ins Schloss fallen lasse.

Ich wurde von meinen Eltern so erzogen, dass ich mir immer Sorgen um die anderen mache, egal wie es mir gerade geht. Aber auch ohne meine Eltern wäre mir Nächstenliebe wichtig. Deswegen wären sie auch nicht begeistert davon, wenn sie wüssten, dass ich einfach verschwinde. Doch sie müssen das nicht wissen, schließlich geht es sie ja auch überhaupt nichts an. Ganz davon abgesehen schreie ich wahrscheinlich, wenn ich mich heute auch nur noch mit einem einzigen Grafikdesign oder ähnlichem auseinandersetzen muss.

Und das ist etwas, was in all den Jahren noch kein einziges Mal vorgekommen ist. Ich bin pflichtbewusst. Aber mir ist auch bewusst, dass ich auch mal eine Pause brauche, wenn ich nicht früher oder später einen Burn-out bekommen will.

Schnell gehe ich zu meinem Wagen, der in dem Parkhaus steht, steige ein und starte direkt den Motor.

In Los Angeles ist es immer voll auf den Straßen, egal zu welcher Uhrzeit. Deswegen dauert es nun auch eine Ewigkeit, bis ich mein Ziel erreicht habe. Während dieser Zeit frage ich mich mehrmals, wieso ich nicht gesagt habe, dass wir uns zentraler Treffen sollen. In der Nähe meiner Firma gibt es schließlich mehr als genug Bars, in die wir hätten gehen können.

 

Nachdem ich mir einen Weg durch den dichten Stadtverkehr gebahnt habe, komme ich eine Stunde später in dem Restaurant an, in der ich mit den anderen verabredet bin. Mittlerweile bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich es nicht mehr für eine gute Idee halte, mich mit ihnen zu treffen, da ich mein Bett nach mir rufen hören kann. Doch ich habe sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen, da immer einer von uns arbeiten musste. Und wenn mein Gefühl mich nicht trügt, wird es auch wieder etwas dauern, bis wir wenigstens eine Stunde miteinander verbringen können.

„Sarah“, werde ich von meiner besten Freundin Charlotte begrüßt. Schnell springt sie von ihrem Stuhl auf und kommt mit großen Schritten auf mich zu und schließt mich in ihre Arme, nachdem sie mich entdeckt hat. Wie immer versprüht sie gute Laune. Das war schon immer so und ehrlich gesagt glaube ich, dass es nichts gibt, weswegen sie schlechte Laune bekommen kann.

„Hi“, erwidere ich nicht ganz so stürmisch, wobei ich mir ein Gähnen nicht verkneifen kann.

Nachdenklich und auch ein wenig besorgt sieht sie mich an. Dabei hat sie ihre Hände auf meinen Schultern liegen.

„Ist alles in Ordnung?“, fragt sie mich und zieht skeptisch die Augenbrauen nach oben.

„Ja, mir geht es super“, gebe ich nur zurück. Ich hoffe, dass sie nicht merkt, dass meine Antwort nicht so ganz der Wahrheit entspricht. Doch sie wendet sich nicht von mir ab, sodass ich mir schon bald deswegen keine Hoffnung mehr machen muss.

„Du siehst so aus, als solltest du dich lieber ins Bett oder auf die Couch legen. Müsste ich raten, würde ich sagen, dass du in der letzten Zeit nicht sehr viel geschlafen hast“, stellt sie nüchtern fest, nachdem sie mich noch eine Weile betrachtet hat.

„Du hast recht“, antworte ich, da ich weiß, dass es nichts bringt, es zu leugnen. Sie kennt mich schon seit einer Ewigkeit und weiß daher, wenn ich ihr nicht die Wahrheit sage. Andersherum weiß ich es aber auch. „Deswegen werde ich auch nur eine Stunde bleiben und mich dann auf den Weg nach Hause machen. Ich muss wirklich ein paar Stunden Schlaf nachholen. Wo sind denn die anderen?“, erkundige ich mich, nachdem ich mich umgesehen habe. Zum einen hoffe ich, dass ich das Thema so wechseln kann, da ich mich nicht länger über meinen Gemütszustand unterhalten will. Zum anderen bin ich wirklich neugierig.

„Robyn kommt gleich, sie hat mir vorhin eine Nachricht geschrieben. Lana kann leider nicht. Ihre Eltern haben sie angerufen, es gibt irgendeinen Notfall in der Familie. Ava muss arbeiten, sie ist in diesem Punkt noch schlimmer als du, und Olivia ist mit ihrem Freund bei seinen Eltern. Wenn du mich fragst, wird es langsam ernst bei ihnen. Es scheint mir so, als würde bald eine Hochzeit anstehen.“

Robyn ist meine ältere Schwester, obwohl man das so nicht einmal sagen kann. Uns trennt nur ein Jahr. Für sie war es aber immer leichter gewesen, in der Welt unserer Eltern klarzukommen. Ich habe es zwar auch geschafft. Aber ich muss zugeben, dass ich eher die Rebellin von uns beiden bin. Auch, wenn ich das niemals vor meinen Eltern zeigen würde. Doch hinter ihrem Rücken habe ich schon öfter nicht das gemacht, was sie von mir erwarten. Meine Schwester ist jedoch den Weg gegangen, den sich unsere Eltern auch für mich gewünscht haben, auch beruflich. Sie arbeitet im Krankenhaus als Assistenzärztin und ist mit einem Chirurgen zusammen.

Doch diese kleinen Unterschiede ändern nichts daran, dass ich mich gut mit meiner Schwester verstehe, obwohl wir nicht immer die gleiche Meinung vertreten. Man kann eigentlich auch sagen, dass ich öfters eine andere Meinung habe, als sie. Wobei ich zugeben muss, dass ich sie das nicht immer wissen lasse. Genauso wie meine Eltern definitiv nicht alles wissen, was in mir vor sich geht. Manche Sachen gehen sie einfach nichts an.

Ich habe immer zu Robyn aufgesehen, weil sie einen starken Willen hat und genau weiß, was sie will. Ich selber war eher immer etwas unsicher. Das hat sich allerdings geändert, als ich auf das College gegangen bin. Es hatte nicht lange gedauert, bis ich mehr Selbstbewusstsein bekommen und mir einen Plan für meine Zukunft gemacht habe. Nun bin ich selber zielstrebig und weiß genau, wo ich in ein paar Jahren stehen will.

In diesem Teil danke ich meinen Eltern. Von klein auf haben sie uns gezeigt, worauf es ankommt, um genau diese Ziele zu erreichen. Sie haben immer auf uns aufgepasst und uns wieder auf den richtigen Weg gebracht, wenn wir von ihm abgekommen sind, was bei Robyn nicht sehr oft geschehen ist. Während alle anderen auf dem College von einem Ärger in dem nächsten gerutscht sind, habe ich lieber gelernt und mich von Ärger ferngehalten.

Und in gewisser Weise kann man sagen, dass es noch immer so ist. Egal, ob man mich deswegen für langweilig hält oder nicht.

„Ich muss zugeben, als wir gestern gesprochen haben, habe ich nicht gedacht, dass du kommst. Umso mehr freue ich mich nun. Sonst würde ich hier alleine mit Robyn sitzen. Auch wenn ich mich gut mit ihr verstehe, so habe ich doch gehofft, dass wir heute alle hier sind.“

„Vielleicht kommen Lana und Olivia ja später noch“, überlege ich.

„Ich glaube nicht.“

Nur schwer kann ich für mich behalten kann, dass ich enttäuscht darüber bin. Ich hatte mich darauf gefreut, all meine Freundinnen zu sehen.

„Aber jetzt erzähl doch mal. Was hast du in den letzten Tagen noch so getrieben, außer zu arbeiten?“

„Nichts“, gebe ich zurück und nehme das Glas Champagner entgegen, was mir die Kellnerin reicht.

„Das klingt furchtbar langweilig. Du solltest weniger arbeiten und dich stattdessen mehr auf die Suche nach deinem zukünftigen Ehemann machen“, ertönt die laute Stimme meiner Schwester hinter mir.

Erschrocken zucke ich zusammen und drehe mich zu ihr herum.

„Ich habe es nicht so eilig, einen Mann zu finden“, erläutere ich ihnen, nachdem ich auch den Blick meiner Freundin bemerkt habe.

Kaum habe ich ausgesprochen sehen die beiden mich mit großen Augen an. Ich habe das Gefühl, als hätte ich etwas Falsches gesagt. Obwohl nein, ich habe nicht das Gefühl, ich weiß, dass es so ist.

Weder meine Schwester noch meine Freundinnen können nachvollziehen, dass ich als Single derzeit glücklich bin in meinem Leben. Für mich gibt es nicht den kleinsten Grund, wieso ich mich in eine feste Beziehung stürzen sollte.

Ich warte darauf, dass die beiden deswegen etwas sagen, doch das machen sie nicht. Stattdessen werfen sie sich aber vielsagende Blicke zu.

Ich weiß nur zu gut, was in ihren Köpfen vor sich geht. Nicht nur meine Schwester und ich wurden schon nach dem Abschluss auf der Highschool dazu aufgefordert, einen passenden Ehemann zu finden, um dafür zu sorgen, dass der Nachwuchs nicht ausbleibt. Und seitdem meine Schwester mit ihrem Freund zusammen ist, durfte ich es mir noch öfter anhören, falls das überhaupt geht. Manchmal habe ich das Gefühl, als wäre das unsere einzige Aufgabe als Töchter.

Meine Schwester setzt sich neben mich und grinst von einem Ohr bis zum anderen.

„Ich hasse deine gute Laune“, stelle ich fest und nehme noch einen Schluck aus meinem Glas.

„Wieso das denn? Normalerweise liebst du sie.“

Da wir uns schon länger nicht mehr gesprochen haben, berichte ich ihr kurz von den letzten Tagen, obwohl es da eigentlich nicht viel zu erzählen gibt.

„Ich sage doch, du arbeitest zu viel“, stellt meine Schwester fest. „Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich dir das schon gesagt habe.“

Mir liegen ein paar Worte auf der Zunge, doch ich ziehe es vor, sie nicht auszusprechen. Es würde nur in einer endlosen Diskussion enden, die keiner von uns gewinnen kann.

Eine Stunde bleibe ich bei den beiden. Dabei unterhalten wir uns über alles Mögliche. Allerdings merke ich auch, dass ich immer müder werde. Deswegen dauert es nicht lange, bis ich mich von ihnen verabschiede.

„Ich werde jetzt nach Hause fahren und mich ins Bett legen“, verkünde ich und greife gleichzeitig nach meiner Tasche, die unter dem Tisch steht. So will ich den beiden die Möglichkeit nehmen, einen Versuch zu starten, mich davon abzuhalten. „Ich muss wirklich dringend ein wenig schlafen.“

„Ich werde mich auch gleich auf den Weg machen, da ich mich noch um ein paar Sachen kümmern muss. Ich habe das Wochenende Dienst und morgen sind wir bei unseren Eltern zum Essen. Denk dran, sie haben Hochzeitstag. Also komm nicht zu spät“, weist meine Schwester mich an. Sie hat einen strengen Blick aufgesetzt, den sie schon immer hatte, als wir noch Kinder waren.

„Keine Sorge, ich werde pünktlich da sein“, gebe ich zurück.

Seit Monaten gibt es kaum noch ein anderes Gesprächsthema bei meiner Mutter. Da kann man es überhaupt nicht vergessen. Man wird ja quasi täglich daran erinnert.

Die ganze Familie ist morgen eingeladen. Noch ein Grund wieso ich unbedingt fit sein muss. Wenn ich da mit dicken Augenrändern ankomme, darf ich mir nur etwas anhören, worauf ich keine Lust habe. Ganz davon abgesehen bin ich lieber ausgeschlafen, wenn ich allen gegenübertrete.

„Ich habe vor ein paar Tagen mit Dad deswegen gesprochen und kann dir sagen, dass wieder einiges los sein wird. Als besondere Überraschung hat er sogar heimlich noch ein zweites Mal die Hochzeitstorte bestellt.“

Überrascht darüber schaue ich meine Schwester an. „Wirklich?“, frage ich sie, da ich das nicht wusste. Dabei dachte ich, dass ich auf dem neusten Stand bin.

„Hat er dir das nicht gesagt?“ Robyn sieht ein wenig so aus, als hätte sie ein großes Geheimnis verraten. Dabei ist es das nur für meine Mutter. Für mich weniger.

„Nein, er hat kein Wort darüber verloren.“

Ich weiß nicht, ob ich darüber beleidigt sein soll, oder nicht. Dann beschließe ich allerdings, dass ich das nicht so eng sehen sollte. Jedes Jahr feiern sie ihre Hochzeit und jedes Jahr hat er deswegen viel um die Ohren. Deswegen gehe ich davon aus, dass er es einfach vergessen hat.

Entschuldigend schaut Robyn mich nun an, doch ich winke nur ab und schiebe meinen Stuhl zurück.

In der Sekunde, in der ich aufstehen will, fällt mein Blick auf ein paar Männer, die die Bar betreten. Sie alle sind groß und sehen gefährlich aus. Mein Gefühl sagt mir, dass man sich mit ihnen am besten nicht anlegen sollte. Doch das ändert nichts daran, dass ich meinen Blick nicht von demjenigen abwenden kann, der als erstes hereingekommen ist.