Revenge

Tekst
Autor:
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Dann entspannte Dawer sich allmählich und er sackte weiter auf sie. Hatte er sich vorher noch etwas hochstemmen können, fehlte ihm nun die Kraft in den Armen. Kurz darauf lag er mit seinem vollen Körpergewicht auf ihr, doch es schien sie nicht zu stören.

Die folgende Stille wurde nur durch ihrer beider Atmung und das Knistern des Feuers im Kamin unterbrochen. Wie lange sie so dalagen, wusste er nicht, doch nach einer Weile bemerkte er, dass die Kleine langsam und tief atmete. Ihr Griff hatte sich gelöst und ihre Hände lagen nur noch leicht an seinen Seiten. Auch ihre Beine ruhten nur locker auf ihm.

Vorsichtig drehte er den Kopf und ein Lächeln fuhr über seine Lippen. Ihre Augen waren geschlossen, sie schlief. Er stemmte sich sachte ein kleines Stück hoch und stützte den Kopf in die Hand, um sie besser sehen zu können. Eine ganze Weile betrachtete er das Mädchen einfach.

Ihr Haar lag ausgebreitet unter ihr und schimmerte leicht im Feuerschein. Ihr Mund stand ein winziges Stück offen. Durch die kleine Lücke sah man ihre geraden Schneidezähne und auch diese Tatsache war eine Seltenheit. Sicher gaben sich auch die anderen Frauen alle Mühe, gepflegt zu sein. Doch auf die Zähne hatten sie selten großen Einfluss. Heiler auf diesem Gebiet verlangten viel Geld für ihre Arbeit. Viel mehr, als eine Durchschnittsdirne verdiente.

Nun, die Kleine war definitiv kein Durchschnitt und Dawer musste ihr zugestehen, dass sie mehr als 10 Drachen die Stunde wert war. Auf der Straße hätte er sie nie im Leben diesem Metier zugeordnet. Wenn schon diese Art Geschäft, dann vielleicht - aber auch nur allerhöchstens - als Kurtisane hätte er sie eingeschätzt. Eben eine dieser Frauen, die durch andere Dinge Zerstreuung schafften, nicht eben durch Sex.

Nun rührte sie sich wieder unter ihm und schlug blinzelnd die Augen auf. „Oh“, kam es verschlafen aber erstaunt von ihr und Dawer lachte leise.

2
(K)ein Name

Ein Kichern entfuhr ihr. „Entschuldige. Das ist mir ja noch nie passiert“, gab sie zu und wurde rot.

Dawer ließ sich von ihr runtergleiten, blieb aber Haut an Haut neben ihr liegen. „So was aber auch.“

Wieder lachte sie amüsiert und diesmal war es echt. „Tut mir leid, ehrlich“, sagte sie und vergrub das Gesicht in den Händen.

„Kein Problem“, gab er ihr zurück und legte seine freie Hand auf ihren Bauch.

Sie ließ ihre sinken, bedeckte dabei ihre Brüste und drehte den Kopf zu ihm. Ihre sturmgrauen Augen waren dunkel und ihr Blick nicht zu deuten.

„Alles gut?“, fragte er und wieder sah sie ihn nur einen langen Moment an.

Dann nickte sie lächelnd. „Bestens. Danke.“

„Freut mich.“ Sein Blick glitt an ihr runter und wieder hoch zu ihren Augen. „Wie heißt du?“, wollte er wissen und kraulte ihren Bauch mit den Fingern, ohne den Blick von ihrem zu lösen.

„Wie immer du willst“, antwortete sie die Antwort aller Liebesdamen.

„Ich will den Namen wissen, mit dem du gerufen wirst“, entgegnete er ernst.

„Man ruft mich Neyla.“

Ihm war klar, dass auch das nicht ihr wahrer Name war. Doch immerhin war es besser als Kleine oder Mädchen. „Mich ruft man Dawer. Ab und zu aber auch Arsch oder Vollidiot.“

Sie lachte auf. „Alles klar.“

Auch Dawer lachte. Es freute ihn, wenn die Frauen so heiter waren. Und Neyla hatte offenkundig nicht mal mit Alkohol nachgeholfen, wie viele andere ihrer Zunft. Sie war herrlich erfrischend, in der doch recht eintönigen Welt eines Söldners.

„Seit wann bist du hier?“, fragte er weiter, denn es war nicht sein erster Besuch in diesem Bordell. Doch die Kleine hatte er hier bisher nie gesehen.

„Seit knapp einem Jahr.“

„Und wo kommst du her?“

„So neugierig, Herr Vollidiot?“, fragte sie frech zurück.

Dafür bekam sie einen Klaps auf den Oberschenkel, der sie wieder zum Lachen brachte. „Woher?“, hakte er nach und strich über die Stelle, die er getroffen hatte.

„Aus dem Süden. Von der Küste.“

Er runzelte die Stirn, denn der Süden war auch seine Heimat. „Von wo genau?“

„Helven“, sagte sie und ihr Lächeln verschwand.

„Das tut mir leid.“ Mehr konnte er dazu nicht sagen. Helven war eine Hafenstadt gewesen, die vor knapp drei Jahren niedergebrannt worden war. Heute war es ein Fleck verkohlter Ruinen, nicht mehr.

„Kennst du es?“, fragte sie nun ihn.

„Ja. Ich war da.“

„Wann?“, wollte sie neugierig wissen und hatte natürlich keine Ahnung, von seinem Besuch dort. „Vielleicht sind wir uns ja schon über den Weg gelaufen und wissen es nicht mehr.“ Sie lächelte wieder amüsiert.

Kurz schwieg er und antwortete dann ehrlich: „Vor drei Jahren.“

Erschrocken rutschte die kleine Neyla ein Stück weg und stemmte sich seitlich hoch. „Wann genau?“ Ihre Stimme war von jetzt auf gleich ernst.

„Als es niedergebrannt wurde.“ Dawer hatte den Blick gesenkt, hob ihn jedoch wieder zu ihr. Ihre Augen waren groß und eine Mischung aus Unglaube, Zorn und Angst stand darin. „Ich war nicht daran beteiligt“, ließ er sie wissen und hatte einen flehenden Ton in der Stimme.

„Das sagst du! Wer sagt mir, dass du nicht lügst?“, stieß sie aus, sprang auf und vom Bett runter. Sie zog eine Decke von einem der Sessel und hielt sie schützend vor sich.

„Ich lüge nicht. Wir waren dabei, aber wir haben es nicht getan. Ich schwöre es!“ Von jetzt auf gleich war die ganze ausgelassene Stimmung zunichtegemacht. Er hätte nichts sagen sollen. Warum war er so dumm gewesen, ehrlich zu sein?

Dawer sah Tränen in ihren Augen glänzen und wusste, sie glaubte ihm kein Wort. Warum sollte sie auch?

Soweit er selbst wusste, hatte kaum einer aus der Stadt überlebt. Die Kleine aber wusste es mit Sicherheit, was sie zu dem Schluss brachte, dass er auf der Gegenseite gestanden haben musste.

Die Angreifer hatten die Stadt umstellt und die Bewohner verständlicherweise die Tore der Stadtmauern geschlossen. Doch ein Attentäter vom Feind hatte sich in die Stadt schleichen können und mitten in der Nacht mehrere Feuer gelegt. Als die Leute es bemerkt hatten, hatten sie fliehen wollen, doch die Belagerer hatten die Tore in aller Heimlichkeit so versperrt, dass sie nicht mehr aufgingen. So waren fast alle Stadtbewohner in dieser Nacht qualvoll verbrannt.

„Warst du da, als es geschehen ist?“, fragte Dawer leise.

Neyla antwortete nicht. Ihre Miene zeigte einzig und allein Entsetzen.

„Darf ich dir erzählen, wie es war?“

„Ich weiß es“, hauchte sie fast unhörbar. Eine Träne löste sich und rollte ihr über die Wange. „Ich weiß das alles. Ich habe es gesehen. Ich ...“ Sie verstummte und starrte ihn einfach wieder an. Dann holte sie Luft und warf ihm lautstark Vorwürfe an den Kopf: „Fast keiner hat überlebt! Ich kannte alle dort! Es war meine Heimatstadt! Dich habe ich dort nie gesehen! Wer sonst solltest du sein, wenn nicht einer der Bastarde, die das getan haben?!“ Den letzten Satz rief sie nun voller Wut.

„Ich war dabei!“, sagte er ebenso laut, doch nur, um sie zur Ruhe zu bringen. „Aber ich habe das nicht getan! Glaube mir!“

„Wie soll ich dir das glauben? Wie könnte ich?“

„Ich bin Söldner! Meine Freunde und ich sind es. Wir wurden angeworben und ...“

„Also doch!“, unterbrach sie ihn. „Wo liegt denn der Unterschied, ob bezahlt oder freiwillig?“, fuhr sie ihn an und nun rollte eine Träne nach der anderen.

„Wir haben den Auftrag nicht zu Ende gebracht!“, rief er aus, damit sie verstand. „Als wir erfuhren, was sie vorhatten, haben wir uns verweigert. Wir haben auch den Sold nicht angenommen, der uns geboten wurde. Wir waren da, aber wir haben nichts getan! Bitte, glaube mir!“

Neyla stand nur da, den Mund leicht geöffnet, als wolle sie etwas sagen, doch kein Wort kam über ihre Lippen. Sie schüttelte leicht den Kopf und wandte dann den Blick ab. Dawer sah ihre Tränen auf den Boden fallen.

„Geh“, flüsterte sie. „Bitte geh einfach.“

„Neyla.“

„Ich kann nicht ...“ Sie schaute auf und Dawer hätte es nie für möglich gehalten, aber in diesem Moment brach sein Herz für die Kleine. Für eine Fremde, ein leichtes Mädchen, das ihm eigentlich Zerstreuung verschaffen sollte. Da stand sie, unbeholfen und verloren und sah aus, als würde die Welt um sie herum zerfallen.

Sie ging in die Knie und begann bitterlich zu weinen. Dawer schnellte hoch und zu ihr. Für einen Moment wehrte sie sich, doch schließlich ließ sie seinen Trost zu und lag weinend in seinen Armen. Die Tränen rannen über ihr Gesicht und tropften auf seine Schulter. Sie zitterte wie Espenlaub und er konnte nicht mehr tun, als sie zu halten.

„Es tut mir leid“, sagte er leise, wusste, dass es nichts gutmachte, hoffte aber ebenso, sie gäbe ihm keine Schuld an dem, was passiert war.

Sie brauchte eine ganze Weile, um zur Ruhe zu kommen. Dawer hatte die Decke von vorn um sie geschlungen, denn das Feuer brannte langsam herunter. Er hätte Holz nachlegen können, doch er wollte sie nicht loslassen. Als sie endlich aufhörte zu weinen, schob er sie ein Stück von sich und nahm ihr Gesicht in die Hände. „Was kann ich tun?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nichts. Nichts mehr.“ Dann senkte sie den Blick. „Bitte entschuldige. Das hätte nicht passieren dürfen.“ Sie wischte sich über die Wangen und die Tränenspuren damit weg. „Ich denke, es ist in Ordnung, wenn du nicht bezahlen musst. Ich werde es erklären. Ich ...“

Dawer schüttelte den Kopf. „Deine Dienste hast du erbracht. Ich werde zahlen.“

Sie nickte. „Aber nur 10. Die Nacht fällt wohl aus.“

Wieder schüttelte er den Kopf und lächelte dann. „Ich würde gern bleiben, wenn ich darf.“

 

„Aber meine Gesellschaft ist nicht ...“

„Egal“, unterbrach er sie. „Ich bin ja selbst schuld. Ich hätte nicht so viel fragen dürfen.“

Nun lachte sie wieder ein kleines Bisschen. „Ja. Ihr seid immer so neugierig. Das werde ich nie verstehen.“

„Lass es mich erklären“, bat er, stand auf und hielt ihr die Hand hin. Sie nahm sie, ließ sich hoch- und zum Bett zurückziehen.

3
Frühstück ans Bett

Der Duft von frischem Brot weckte Jamie, während ein einzelner Strahl Sonne einen kleinen Teil ihrer Haut erwärmte. Sie schlug die Augen auf und war allein. Neben ihrem Bett, auf dem kleinen Beistelltisch, stand ein Tablett, darauf etwas von der Backware, Käse, Wurst und eine dampfende Tasse Kaffee.

Sie grinste und streckte sich genüsslich. Dann machte sie den Arm lang und holte sich eine Scheibe von dem noch warmen Brot. Ihre Brust legte sich dabei auf etwas Hartes. Sie schaute nach und fand einen Beutel mit Münzen darin. Bei einer schnellen Kontrolle zählte sie 30 Drachen.

Fünf Drachen Mitleidsgeld, dachte sie. Es gab immer wieder Männer, die entweder zu viel Geld hatten und nicht wussten wohin damit - oder eben jene, die den Frauen von Jamies Zunft ihr Geld gaben, weil sie Mitleid hatten. Jamie nahm lieber das verschwendete Geld, denn Mitleid brauchte sie nicht.

Im Gegensatz zu anderen Mädchen machte sie ihren Beruf gern, auch wenn das lange nicht immer so gewesen war. Doch jetzt gerade und in ihrer Position war es sogar recht angenehm. Sie hatte die freie Wahl, welchen Mann sie zuließ und welchen nicht und sie bekam einen Großteil der Einnahmen. Ihr Blick fiel erneut auf die fünf Drachen und sie lächelte.

Wenig später schloss Jamie die Tür zum Freudenhaus hinter sich und machte sich auf den Weg zum Markt. Sie brauchte neue Kleider und sie wollte zu dem Schmuckhändler, der nur noch heute da sein würde.

Eine halbe Scheibe Brot in der Hand, zog sie ihren breiten Schal um die Schultern enger. Der Wind war recht frisch und kündigte einen kalten Winter an. Schnellen Schrittes erreichte sie den Marktplatz und steuerte auf den Stoffhändler zu.

„Guten Morgen, mein Herr“, grüßte sie ihn freundlich und lächelte.

„Einen wunderschönen guten Morgen, junge Dame. Was kann ich für Euch tun?“

„Ich brauche Stoff“, sagte sie und grinste frech.

„Tatsächlich“, lachte er erheitert zurück und wies auf seine Auslage. „Ich denke, da kann ich behilflich sein.“

„Was für ein Glück“, scherzte Jamie weiter und ließ den Blick dann über die Stoffe gleiten. „Ich brauche leichte Leinen und etwas dünnen Baumwollstoff. Und ein paar Bänder für eine Schnürung.“

„Ich bin sicher, wir finden alles.“

Gemeinsam mit dem Händler suchte Jamie die Stoffe zusammen, die sie brauchte und kaufte zusätzlich etwas farbige Seide, aus der man sicher ein schönes Oberteil zaubern konnte. Sie bezahlte alles und dankte dem Mann für seine Ware und Hilfe, dann lief sie weiter zum Schmuckhändler.

Dawer hatte die Kleine am frühen Morgen verlassen und sichergestellt, dass sie ihr Frühstück bekam. Ihre Bezahlung hatte er ihr aufs Bett gelegt und den Betrag um fünf Drachen erhöht.

Er wusste, sie würde denken, er hätte es aus Mitleid getan, denn das war gängige Praxis. Doch Mitleid war nicht seine Intention gewesen. Die kleine Neyla war sogar noch mehr wert, aber mehr zu zahlen, wäre auch für ihn schlecht. Sie würde es sich merken und beim nächsten Mal den Preis anziehen. Fünf Drachen waren völlig in Ordnung, wenn man bedachte, dass er noch die ganze Nacht seine Freude an ihr gehabt hatte.

Sex hatte es nur noch ein weiteres Mal gegeben, doch auch mit ihren Händen wusste sie Dinge anzustellen, die selbst ihm neu waren. Außerdem hatte er ihre Gegenwart einfach genossen. Sie hatte eine ruhige und doch frech-forsche Art an sich, die ihn komplett aus der Welt vor der Tür entführt hatte. Ja, fünf Drachen waren angemessen, wenn auch noch immer zu wenig für eine wie sie.

Ein Stück Brot traf ihn im Gesicht und Dawer schaute auf.

Raekwon saß ihm gegenüber und grinste wissend. „Das muss ja eine Nacht gewesen sein“, stellte sein Freund fest und lachte auf. „Du grinst vor dich hin, wie ein Hund, der den saftigsten Knochen bekommen hat.“

„Sehr saftig, mein Freund. Sehr saftig“, antwortete Dawer und lehnte sich im Stuhl zurück. „Ich bin überaus froh, ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.“

„Selig trifft es eher. Sieh dich mal an.“ Raek lachte erneut und drehte dann den Kopf. Die Elfen kamen heran und verteilten sich auf die restlichen Stühle um den Tisch. Dea sah mitgenommen aus und Océan stützte müde den Kopf in die Hände. Thrace allerdings wirkte ausgeschlafen.

„Na, Elf? Wie war deine Nacht?“, fragte Dawer ihn und schlug ihm so fest auf den Rücken, dass Thrace gegen den Tisch stieß.

Der Elf wandte ihm den Blick zu und verengte die Augen. „Halts Maul.“

Dawer zischte und sog dann die Luft zwischen den Zähnen ein. „Gab’s keine mehr für dich? Das tut mir leid“, sagte er, ohne jeglichen Ernst in der Stimme. „Aber wenn es dir hilft, sie war ...“ Er beendete den Satz nicht, sondern hob stattdessen Daumen und Zeigefinger an die Lippen, um delikat anzuzeigen. Thrace brummte etwas und gab der Bedienung ein Zeichen. Sie kam heran und die Elfen bestellten ihr Frühstück.

„Wo ist der Welpe?“, wollte Dawer wissen, als ihm auffiel, dass Lysján fehlte. „Noch beschäftigt?“, fügte er grinsend an, doch Raek schüttelte den Kopf.

„Er ist gegangen, nachdem du verschwunden bist. Dein Geld habe ich im Zimmer.“

„Bei allen Göttern, der lernt es nicht“, seufzte Dawer und rutschte im Stuhl tiefer.

„Er ist seiner Liebe treu“, warf Océan ein und nahm einen Schluck vom Kaffee, den die Bedienung gerade gebracht hatte. „Du würdest es auch sein.“

Dawer zuckte mit den Schultern. Er würde, aber er musst ja zur Zeit nicht. Seine letzte Frau hatte ihn verlassen, genau wie die drei davor, weil er Söldner war. Frauen verstanden es nicht, dass man sowohl für die eine als auch für die andere Seite kämpfen konnte. Sie entschieden sich immer für eine und blieben dann dabei.

Aber Söldner war nun mal Dawers Beruf. Wenn man ihn angemessen bezahlte, tat er, was sein Auftraggeber wollte. Und wenn es eben war, einem ehemaligen Auftraggeber den Kopf abzuschlagen.

Natürlich hatten er und die Männer um ihn herum auch ihre Prinzipien. Sie töteten nur im Kampf und wenn es gerecht zuging. Aufträge bei denen sie wussten, es wäre Mord, lehnten sie ab. Wie damals in Helven. Sie waren keine Assassinen, sie waren Kämpfer.

Als hätte sie seine Gedanken an ihre Heimat gehört, tauchte Neyla an einem Stand weiter entfernt auf. Dawer wandte den Kopf ganz zu ihr und beobachtete sie. Ihre langen Haare lagen offen aber leicht gedreht über eine Schulter. Sie trug einen breiten Schal, den sie vor der Brust festhielt, damit der Wind ihn nicht wegwehte. Ihre Beine waren von einem schmalen Kleid verdeckt und nur ab und zu kamen ihre Füße in geschlossenen Sandalen zum Vorschein, wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte oder einen Schritt machte.

„Bin gleich wieder da“, ließ Dawer seine Freunde wissen, stand auf und machte sich auf den Weg zu ihr. Unterwegs richtete er seine Kleidung etwas, schüttelte dann aber den Kopf über sein eigenes Verhalten. Mit einem Lächeln auf den Lippen kam er hinter ihr zum Stehen.

Der Schmuckhändler hatte kaum noch Ware, doch Jamie brauchte trotzdem einen Moment, um zu finden, was sie suchte. Ein Armband aus vielen kurzen schwarzen Lederriemen, die mit Silberschellen verbunden waren, an die man kleine Anhänger hängen konnte. Sie griff danach und betrachtete es.

Schon als der Händler vor drei Tagen seinen Stand aufgebaut hatte, war ihr dieses Schmuckstück ins Auge gefallen. Doch er hatte zehn Drachen verlangt und die hatte Jamie zu diesem Zeitpunkt nicht gehabt. Sie hätte an ihr Erspartes gehen müssen, was sie eindeutig nicht wollte. Dank ihres letzten Besuchs gestern Nacht und dessen überaus großzügigem Mitleidsgeld hatte sie nun etwas übrig und wollte das Schmuckstück kaufen.

„Ich möchte das hier, werter Herr“, sagte Jamie und hielt das Kettchen hoch, damit der Händler es sah.

„15 Drachen“, blaffte der unfreundlich zurück und schenkte ihr weiter keine Beachtung.

„Was? Aber es kostete doch nur zehn?“

„Jetzt nicht mehr.“

„Warum denn? Was ist denn nun anders daran?“

„Heute ist der letzte Tag.“

Jamie runzelte die Stirn. „Na und? Dann müsste es sogar günstiger sein. Ich gebe dir fünf Drachen.“

Der Händler lachte. „15 und keinen Kupferling weniger.“

„Acht?“, versuchte sie einen vorsichtigen zweiten Anlauf.

„15.“

„In Ordnung. Es ist dein letzter Tag und du hast kaum noch was. Das hier wollte keiner, also ist es nicht das wert, was du vor drei Tagen haben wolltest. Ich gebe dir trotzdem die zehn, dann sind wir beide glücklich.“

Er schaute auf und direkt in ihr Gesicht, dann beugte er sich leicht zu ihr und sagte: „15. Ich habe keine Almosen zu vergeben. Wenn du es dir nicht leisten kannst, bist du nicht wert, es zu tragen. Leg’s hin und verschwinde, Weib.“

Unfähig auf diese Rede etwas zu erwidern, starrte sie ihn mit halb offenem Mund an. Eine Hand legte sich sanft auf ihre Schulter und sie wandte sich vom Händler ab. Dawer stand hinter ihr und lächelte freundlich.

Sofort schaltete Jamie auf Neyla um. „Oh, hallo auch“, lächelte sie, obwohl ihr gar nicht danach war. Nicht wegen Dawer, sondern wegen des Händlers. „Welch ein Zufall“, gab sie amüsiert an und meinte es ironisch. Die Stadt war nicht sehr groß und die einzigen Gasthäuser, die Dawers wohl großem Geldbeutel entsprachen, lagen am Rand dieses Marktplatzes.

„Guten Morgen, Milady. Es ist mir eine Freude, Euch hier zu treffen“, bekam sie als Antwort, wobei er es ernst meinte.

„Was ist denn dein Anliegen, werter Herr Vollidiot?“, fragte sie und spitzte frech die Lippen.

Er lachte. „Ich habe dich gesehen und wollte dir einfach einen guten Morgen wünschen.“

„Wie überaus wohlerzogen.“

„Ich gebe mein Bestes.“ Er wippte auf den Fersen vor und zurück, während er die Hände hinter dem Rücken verschränkt hatte.

„Nun“, sagte sie, wandte sich kurz um und legte das Kettchen an seinen Platz zurück. „Ich habe ein bisschen was zu tun. Ich hoffe, es kränkt dich nicht zu sehr, wenn ich dich schon wieder verlasse“, sagte sie und warf ihm ein verschmitztes Lächeln zu. Er warf einen Blick über die Schulter und sie spähte an ihm vorbei, um zu sehen, wonach er schaute.

An einem Tisch vor einer Gaststube saßen vier Männer, die alle samt beobachteten, was Dawer tat. Jamie erkannte aber nur einen von ihnen wieder. Den dunkelhaarigen Elf mit den hellblauen Augen, der sie gestern ebenfalls hatte haben wollen. Heute trug er normale Kleidung und war offenbar frisch gebadet. Sein Blick war nachdenklich auf sie gerichtet.

„Freunde von dir?“, fragte sie und hatte Dawers Aufmerksamkeit damit wieder.

„Ja. Meine Truppe“, gab er an und ein stolzes Funkeln trat in seine Augen.

„Ah, deine Truppe.“

Er lachte leise. „Die letzte Nacht war sehr angenehm, wenn ich so dreist sein darf, es zu erwähnen.“

„Danke gleichfalls“, erwiderte sie mit einem kleinen Knicks. Es war reine Höflichkeit von ihm und keinesfalls das erste Mal, dass sie diesen Satz hörte. Auch wenn sie zugeben musste, dass Dawer wirklich gut gewesen war.

„Wir reisen leider noch heute ab“, meinte er dann und senkte den Blick. „Ich wollte nur fragen, ob ich auch bei unserem nächsten Besuch hier an dich denken darf?“

„Warum denn nicht? Denke so viel du willst an mich. Bei allem was du tust.“ Sie zwinkerte ihm zu und er schien zu wissen, was sie meinte.

„Das wird mir leichtfallen“, grinste er. „Dennoch. Wirst du hierbleiben oder die Stadt wechseln?“ Es war keine Seltenheit, dass Huren ihren Standort änderten. Es gab in jeder Stadt Flauten und sie waren da, wo es das meiste Geld zu verdienen gab.

„Momentan fühle ich mich hier ganz wohl. Ich denke, ich bleibe noch eine Weile“, gab Jamie an.

„Ich weiß nicht, wann ich wiederkomme“, meinte Dawer und hoffte wohl, eine gesichertere Antwort zu bekommen.

Jamie trat vor und legte ihm eine Hand auf die Brust. „Und ich habe noch kein neues Ziel vor mir. Sollte ich dennoch nicht mehr da sein und dich verlangt es nach mir, frage Jáne in meinem derzeitigen Haus. Sie wird dir sagen können, wohin es mich verschlagen hat.“

 

Sein Grinsen wurde zu einem Lächeln und er nickte leicht. „Sehr gern.“

„Bitte entschuldige mich nun“, sagte Jamie, trat zurück und knickste leicht. „Mein Herr, Dawer.“ Dann drehte sie ab und machte sich auf den Weg zurück zum Freudenhaus.