Revenge

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Loe katkendit
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6
Was du nicht haben kannst

Die Kleine war hier. Und sie war freiwillig zu Dawer gegangen, obwohl er ihr von Helven erzählt hatte. Er und das Mädchen waren im Zelt verschwunden und nur ihr Lachen drang an Thrace’ Ohren. Es störte ihn sehr viel mehr, als er zugeben mochte, dass sie doch keine Abneigung gegen Dawer hegte. Allerdings erleichterte es ihn auch, weil sie Thrace selbst, dann ebenfalls nicht mit Ablehnung strafen würde.

Für den Fall, die Kleine ließe es zu, hatte er sich zwar irgendwie darauf eingestellt, dass Dawer sie beanspruchen könnte, doch es grämte ihn trotzdem. Sicher, sie war eine Hure und damit für jeden zu haben, aber sie hatte wieder Dawer gewählt und nicht Thrace.

Beide Männer hatten schon im Bordell vor ihr gestanden und sie hatte sich gegen ihn und für den Anführer entschieden. Keine Frau vorher hatte sich ihm verweigert. Sie waren alle bereitwillig erst zu ihm gekommen, nur nicht dieses Mädchen.

Warum?, fragte er sich im Stillen und warf frustriert Stöckchen ins Feuer, die unnatürlich hell aufflammten, weil er Magie mitschickte, während ihr Lachen immer mehr zu stöhnen und anderen Lauten der Lust wurde.

„Thrace?“

Er schaute auf und sah Océans Blick auf sich gerichtet.

„Ist alles gut bei dir?“, wollte sein Freund wissen und sah ihn nachdenklich an.

Thrace nickte nur, doch Raek lachte auf. „Er ist stinkig, weil das Mädchen schon wieder bei Dawer ist. Er hat sie in Nordbrand schon nicht bekommen und heute kam sie wieder nicht zu ihm.“

Océan hatte Raek den Blick zugewandt, drehte den Kopf nun jedoch zu Thrace zurück. „Echt? Deshalb ziehst du so ein Gesicht?“

„Und wenn?“

Der andere Elf lachte. „Du bist ja drauf. Warum denn? Nimm dir doch eine andere. Hier laufen genug Huren rum.“

„Ich wollte zu ihr.“

„Sie aber nicht zu dir.“ Noch während Océan das sagte, schien ihm ein Licht aufzugehen. „Ach. Daher weht der Wind? Sie wollte dich nicht. Tja. Ich habe ja immer schon gesagt, das musste mal so kommen.“

„Ach ja?“

„Na hör mal. Das hatten wir doch schon. Du hast sie gesehen. Sie ist keine Metze wie alle anderen. Dawer hat 30 Drachen für sie gezahlt. Denkst du echt immer noch, die nimmt so einen verdreckten Tunichtgut wie dich?“, warf Océan ihm an den Kopf.

„Ich bin nicht verdreckt!“, fuhr Thrace seinen Elfenfreund an und warf ihm einen bösen Blick zu.

„Warst du aber in Nordbrand. Wir sagen dir und Dea immer wieder, dass die Masche vom Ich ach so schwer arbeitender Söldner nicht bei jeder zieht. Jetzt hast du den Beweis und musst damit leben.“

„Bis jetzt hat’s aber gezogen. Und du musst deine Schnauze nicht aufreißen. Wann durftest du denn das letzte Mal deinen Schwanz in was anderes stecken, als deine Hand?“, konterte Thrace.

Dea und Raek lachten schallend, doch Océan funkelte ihn böse an. „Immerhin hätte ich bei ihr jede Chance.“ Er nickte zum Zelt, aus dem nun ihr immer erregter werdendes Stöhnen drang.

Thrace spürte den Zorn, als pure Hitze in seinem Gesicht, sagte aber nichts mehr. Im Stillen überlegte er schon, was er anders machen konnte, um Océan das Gegenteil zu beweisen.

Abermals lag die Kleine in Dawers Armen, doch diesmal war sie nicht eingeschlafen. Ihre Finger fuhren durch sein Brusthaar und ab und zu zog sie verführerisch daran.

Nach einer Weile der Stille schaute sie zu ihm auf und grinste frech. „Sag mal“, begann sie und wandte den Blick wieder auf seine Brust. „Bist du eigentlich einer derjenigen, die auch mehr verlangen dürfen?“

Dawer runzelte die Stirn. „Was meinst du genau?“

„Jáne hat Perlen vergeben, für besondere Dienste.“

Er drehte den Oberkörper und griff hinter sich in die Tasche seiner Weste. „Meinst du das hier?“ Er zog ein Säckchen hervor und reichte es ihr. Die Kleine stützte sich seitlich auf einen Arm und leerte das Säckchen in die Hand.

„15!“, stieß sie erstaunt aus und sah ihn dann mit großen Augen an.

„Ist das viel?“, fragte er und wusste dabei, dass jede Perle für einen Dienst war.

„Soweit ich weiß, haben nur die wenigsten mehr als zehn bekommen“, ließ sie ihn wissen und die Perlen wieder in den Beutel rollen. „Der Kommandant und sein erster Offizier sind wohl die Einzigen, die ebenso viele haben wie du.“

Dawer grinste. „So was. Dann bin ich wohl was Besseres. Allerdings muss ich gestehen, dass ich diese Annehmlichkeit sicher auch meinem Namen zu verdanken habe.“

„Vollidiot?“, fragte sie spitz und bekam als Strafe eine Kitzelattacke.

Als sie sich beruhigt hatte, erklärte er: „Nein. Ich meine meinen Familiennamen, Thraut.“

„Thraut, wie der General des Hauptheeres?“

„Oh. Da kennt sich jemand aus. Aber ja, genau wie der. Er ist mein großer Bruder.“

„Aha aha. Sehr interessant. Und warum bist du kein General?“

„Bin ich doch. Meine Truppe ist nur etwas kleiner.“

Sie lachte amüsiert. „Ja, aber wirklich nur etwas.“ Mit Daumen und Zeigefinger zeigte sie das Etwas an. „Du hast fünf Leute unter dir, der General, ehm keine Ahnung, 5000? Das nimmt sich wirklich nicht viel.“ Sie zog eine Schnute und schüttelte den Kopf.

„Weib. Du hast ja keine Ahnung“, tadelte er sie neckend.

„Habe ich auch nie behauptet. Aber erkläre es mir doch, Herr General Vollidiot mit ganzen fünf Mann im Rücken.“ Ihr Grinsen wurde diebisch.

Er schüttelte gespielt missbilligend den Kopf. „Dein freches Mundwerk wird dir noch zum Verhängnis.“

„Niemals. Ich weiß mich durchaus zu benehmen, wenn ich muss.“

„Ich warte gespannt auf den Tag“, grinste er.

„Jetzt erkläre mir, wovon ich keine Ahnung habe“, forderte sie, drehte sich auf den Bauch und stützte den Kopf in die Hände. „Wenn ich eines nicht will, dann unwissend sterben.“ Sie grinste.

„Also gut. Aufgepasst.“

Sie nickte und lauschte.

„Mein werter Herr Bruder hat keine 5000, sondern nur knapp 3000 Mann unter sich. Das wäre der erste Punkt. Von diesen 3000 sind die meisten ungebildete Grobiane, die nichts weiter können, als hauen und stechen.“

„Aber kommt es nicht darauf an?“, unterbrach sie ihn. „Was tut ihr denn noch außer hauen und stechen?“

„Planen. Taktisch denken. Eventuell intrigieren oder unterwandern. Von dem Rest der Männer meines Bruders können das nur eine Hand voll. Und die sind zu feige den Mund aufzumachen. Sie könnten viel erreichen, doch sie folgen lieber nur, als auch mal die Initiative zu ergreifen.“

„Dafür gibt es doch aber Befehlshaber? Die sagen, was zu tun ist und die Truppe folgt.“

Dawer nickte. „Stimmt. Aber meine Männer haben alle eine Meinung. Ich mag ihr Befehlshaber sein, doch ihre Meinung ist genauso entscheidend. Das macht uns effektiver. Wir fünf, den Welpen mal ausgenommen, sind sehr viel effizienter im Kampf, als die 3000 meines Bruders zusammen.“

Neyla zog die Brauen zusammen. „Willst du sagen, ihr allein könntet eine Streitmacht niedermachen? Das klingt ein bisschen überheblich, findest du nicht?“

„Etwas, ja. Aber das will ich auch gar nicht sagen. Wir könnten niemals zu fünft 3000 Mann in einer Schlacht schlagen. Aber wir könnten sie trotzdem besiegen. Denn am Ende braucht man nur zwei, vielleicht drei Männer zu töten oder gefangen zu nehmen, um die ganze Armee lahmzulegen.“

Ihr Blick hellte sich auf. „Den Befehlshaber und seine Offiziere.“

Dawer lächelte, weil sie es sofort verstanden hatte. „Genau die.“

„Schlau. Die 3000 Mann entscheiden ja nicht jeder für sich. Sie befolgen nur Befehle.“

„Wieder richtig.“

„Und wenn keiner mehr Befehle gibt, habt ihr gewonnen.“ Sie lächelte anerkennend. „Ich sehe, was du meinst.“

„Und ich sehe, du bist schlauer als so manche vor dir.“ Er war wirklich angetan von der kleinen Neyla. Viele Frauen nickten nur und lächelten, weil sie zwar zuhörten, es aber nicht verstanden, wenn er solcherlei Dinge erklärte.

„Ich kann nur denken. Schlau würde ich mich nicht schimpfen. Dann wäre ich eine Gelehrte oder so was.“

Nun wurde sein Blick nachdenklich. „Darf ich dich was fragen?“

Resigniert ließ sie die Arme fallen und legte den Kopf darauf, das Gesicht verborgen. „Ich weiß schon was“, kam es gedämpft von ihr.

„Warum?“, fragte er und wollte damit wissen, warum sie diesen Beruf gewählt hatte.

Sie verstand es, drehte den Kopf, ließ ihn aber auf ihren Armen liegen, nur ihre Augen richteten sich auf seine. „Ich dachte, das kann ich sicher gut, hab’s ausprobiert und es war so. Nicht gleich so wie heute“, lächelte sie frech, „Aber ich hab viel gelernt. Ich denke, ich beherrsche mein Handwerk jetzt ganz gut.“

„Ohoho. Das ganz sicher“, ließ er sie wissen und hatte die Erinnerung an ihre letzte handwerkliche Arbeit im Kopf. „Aber mal ehrlich. Hast du nie daran gedacht, was anderes zu machen? Warum gerade das hier? Du bist hübsch. Sehr viel hübscher als die meisten deiner Zunft. Der Hof würde dir sicher offenstehen. Vielleicht als Kurtisane fürs Theater oder Ähnliches? Oder was ganz anderes. Warum Hure?“

Erneut erhob sie sich leicht und stützte den Kopf wieder in die Hände. „Verurteilst du mich, wenn ich dir die Wahrheit sage?“, fragte sie und klang ernst.

„Ich habe mir abgewöhnt, Leute sofort zu verurteilen“, erklärte er. „Jeder hat seine Gründe, die Dinge so zu tun, wie er sie tut. Auch wenn ich es nicht immer verstehe, ist es nicht mein Leben, sondern das des anderen.“

Ihre Augen hielten seinen Blick einen langen Moment fest, dann wandte sie ihren auf ihre Hände. „Mein Vater war ein Edelmann“, erklärte sie und Dawer zog die Brauen verwirrt zusammen. Ein Edelmann? Warum war sie dann eine Hure?

 

Neyla erklärte weiter: „In Helven war er der Stadtherr.“

Nun wurden seine Augen groß und das Erstaunen war ihm sicher anzusehen, denn als sie ihn erneut ansah, fuhr ihr ein Grinsen in die Züge.

„Das sind Neuigkeiten, was?“, fragte sie neckisch und schnippte ihm vor die Brust. „Deine Hure ist ein Mädchen von edlem Geblüt.“

Er stieß die Luft in einem kurzen Lachen aus. „Es ist ... überraschend“, gab er zu. „Dein Vater war der Stadtherr von Helven? Du bist eine Daémuth?“, hakte er trotzdem noch mal nach. Zwar glaubte er ihr, weil seine Menschenkenntnis ihn selten betrog und die Kleine log seiner Meinung nach nicht. Aber es war so unwahrscheinlich, dass sie dieser alten Familie angehörte, dass er einfach noch mal fragen musste.

Neyla nickte vollkommen ernst. „Ich war meines Vaters einzige Tochter und hätte seine Nachfolge angetreten, wenn nicht geschehen wäre, was geschehen ist.“ Sie klang traurig.

„Es tut mir wirklich leid, was passiert ist. Aber daran konnten selbst wir nichts ändern“, sagte Dawer und wies auf die Zeltwand, vor der seine Männer noch sitzen mussten. „Wenn es etwas gegeben hätte, das wir hätten tun können. Es war niederschmetternd, zu sehen, was da passiert ist. Aber was hätten wir ausrichten können?“

„Ich weiß schon. Um ehrlich zu sein, ist es in gewissen Punkten auch ganz gut, dass die Stadt niedergebrannt ist.“

Nun war er verwirrt. „Aber in Nordbrand ...“

„Helven war meine Heimat, Dawer. Wenn ich die Möglichkeit hätte, alle meine Freunde und die Einwohner Helvens zu rächen, ich würde es tun. Aber was kann eine Frau schon ausrichten?“ Für einen kleinen Moment schwieg sie und atmete dann tief durch. „Ich bin dort geboren und aufgewachsen. Ich kannte fast alle Bewohner beim Namen und viele waren meine Freunde, meine Familie. Wenn ich weine, dann größtenteils um sie. Um meine Heimat. Weniger um die Zukunft, die ich dort gehabt hätte.“

Ihm ging ein Licht auf. „Du wolltest die Regentschaft nicht?“

„Nein. Es wären Dinge, Verpflichtungen, auf mich zugekommen, derer ich mich nicht gewachsen gefühlt habe. Weißt du, was mein Vater war?“

Kurz musste Dawer überlegen, dann fiel es ihm ein. „Man nannte ihn Erzmagier.“

Sie nickte „Genau. Ich hätte auch diesen Posten begleiten müssen. Sogar noch vor der Regentschaft über die Stadt.“ Jetzt überraschte die Kleine ihn, indem sie eine Hand hob und die Fingerspitzen aneinander rieb. Kleine, glitzernde Funken sprühten und regneten auf die Lagerstätte nieder, ohne sie zu versengen. Die Kleine lächelte, doch es erreichte ihre Augen nicht. „Mehr als das, habe ich nie geschafft. Ich hatte nie Talent dafür und die Magier haben mich deshalb verachtet. Sie wollten keine Frau an ihrer Spitze, die nicht mal ein Feuer ohne Zündstein entfachen kann. Doch die Magier wären, ebenso wie die Stadt, das Vermächtnis meines Vaters gewesen und da ich die einzige Erbin war ...“

„Aber deshalb bist du nicht zur Hurerei gegangen, oder?“

Sie lachte. „Doch. Genau deshalb.“

„Warum?“, fragte er noch immer ernst. Ihr hatten sicher alle Türen offengestanden.

„Weil ich rebelliert habe. Ich wollte denen einfach zeigen, dass ich tun konnte, was immer ich wollte. Ich war ein halbes Jahr lang Straßenhure vor Helvens Toren, bevor es niederbrannte.“

„Und dein Vater? Sag mir nicht, er hieß es gut.“

„Er hat mich verstoßen, nachdem mein ersten Freier zu ihm gegangen war und ihm gesagt hatte, was ich getan habe und wo ich zu finden war. Ich habe nie wieder mit ihm gesprochen.“

„Aber du bist dortgeblieben. Du hättest gehen können.“

„Wohin denn? Ich war noch 17 und nicht die, die ich heute bin. Ich war mal artig und lieb und zurückhaltend und so was“, kicherte die Kleine.

„Das kann ich mir gar nicht vorstellen“, meinte Dawer und spitzte die Lippen.

„Ist aber so“, gab sie ihm zurück und schnippte ihm abermals vor die Brust. „Und jetzt du. Warum bist du Söldner und kein General oder so was?“

Er zuckte mit den Schultern. „Mein Bruder hatte immer Vorrang in allem und ich nicht die Ambitionen, mit ihm zu wetteifern. Außerdem bin ich so mein eigener Herr und kann das machen, was ich will. Und es wird besser bezahlt, wenn man denn Aufträge hat.“

„Also im Grunde wie bei mir.“

Er kicherte. „Im Grunde ja. Wir sind beide Huren des Systems.“

„Aber ich seh besser aus“, sagte sie vollkommen trocken, wofür er sie überfiel und sie eine Extrarunde einlegen musste.

7
Siege

Zwei Tage dauerten die Vorbereitungen auf den ersten Angriff. Es ging um die Belagerung einer Stadt, dessen neuer Stadtherr sich dem König nicht beugen wollte. Sie sollten Maidenwind ein- und den Stadtherren gefangen nehmen.

Da die Häuseransammlung selbst keine Stadtmauer hatte, würde es leicht werden, die gewöhnliche Bevölkerung zu unterwerfen. Die Burg des Stadtherren verfügte jedoch über starke Wälle und die würden die größte Hürde werden.

Bereit für den ersten Aufmarsch, saß Thrace schon im Sattel und ging die Zauber durch, die seine Leute schützen würden. Zwar trug auch er Schwert und Bogen, doch er würde nur zu den Waffen greifen, wenn es nicht anders ging oder er sich selbst verteidigen musste.

„Hat jemand den Welpen gesehen?“, rief Dea und reckte sich im Sattel, während sein Blick die Umgebung absuchte.

„Den können wir vergessen“, brummte Dawer und stieg ebenfalls auf. „Wenn ich ihn in die Finger kriege ist er so oder so fällig.“

Wenn du ihn die Finger kriegst“, meinte Raek. „Ich bin sicher, der ist schon wieder zu Hause in den Armen seiner Liebsten.“

Nun grinste Dawer. „Ja, da wäre ich jetzt auch lieber.“

Raek verdrehte die Augen Richtung Thrace und auch er wusste natürlich, wen der große Mann meinte. Neyla. Dawer verbrachte ungewöhnlich viel Zeit mit ihr, dafür, dass sie nur eine Hure war.

„Wie viele von diesen Perlen, hat sie denn schon von dir?“, fragte Dea und grinste wissend. „Sicher bist du bald pleite, was das angeht. Dann wird sie sich einen neuen Goldesel suchen und ich habe noch alle“, ließ er ihn wissen und lachte bei Dawers mürrischer Miene.

Thrace hatte auch solche Perlen bekommen. Fünf Stück davon. Sie lagen in einem kleinen Beutel bei seinen Sachen im Zelt. Er wusste von Dawer, dass der mehr hatte, aber wie viele, wollte der Anführer nicht preisgegeben.

„Ich denke, ich werde heute Abend mal eine davon ausgeben, oder vielleicht auch zwei?“, warf Océan in die Runde und Thrace bekam einen eindeutigen Blick dazu. Sein Elfenfreund wollte ihm zeigen, dass das Mädchen auch ihn nehmen und Thrace selbst erneut ignorieren würde.

Thrace allerdings war zu dem Schluss gekommen, dass es an seiner Elfennatur lag, dass sie ihn nicht an sich heranließ. Zwar hatte er noch keine gehabt, die ihn abgelehnt hatte, doch einige Menschenfrauen kamen mit der Art der Elfen nicht klar. Vor allem im Bett. Er erlebte es ja immer wieder.

Elfen waren nun mal stärker und vor allem robuster. Auch die Frauen aus seinem Volk. Dementsprechend verhielt es sich auch beim Sex. Es gab durchaus Menschenfrauen, die auf die härtere Tour aus waren, doch selbst unter den leichten Damen waren es weit weniger, als man vermuten würde. Meist eben die ältere Generation. Und die kleine Neyla, mit ihrem zierlichen Selbst, war ganz sicher keine davon. Noch dazu konnte sie wählen, war also zu nichts verpflichtet.

Auch wenn Thrace noch immer nicht wirklich wusste, welche Ambitionen ihn in Nordbrand zu ihr gezogen hatten, stellte er es sich doch das ein oder andere Mal mit ihr vor. Nicht auf Elfenart, denn er war sich eben sicher, dass sie keine Anhängerin davon war.

Sie ist so zart, sie würde glatt zerbrechen, dachte er und einen Moment später flog ein Lächeln der Genugtuung über seine Lippen. Aus diesem Grund wird sie auch Océan nicht wollen.

Dawer gab das Zeichen zum Aufbruch und auch Thrace trieb sein Pferd an. Er würde den Sieg über die Stadt und die Niederlage seines Freundes heute Abend genießen.

Jetzt wo die Männer alle auf dem Schlachtfeld waren, lag das Lager wie ausgestorben da. Die Zeit für alle Frauen, ihre Kleider zu nähen, ihre Einnahmen zu kontrollieren und sich auf einen Abend vorzubereiten, der sicher einiges an Arbeit für sie bereithalten würde.

„Jamie?“ Jáne kam zu ihr und übergab ihr einen kleinen Beutel. „Hier. Ich muss sagen, ich bin überrascht, wie gut du auch hier bist.“

Jamie lächelte und nahm das Säckchen, das für ihre Perlen bestimmt war, entgegen. „Es ist nicht viel anders als in der Stadt.“

Ihre Wirtin setzte sich neben sie auf den Boden. „Ich habe gehört, du hast einen treuen Anhänger?“, fragte sie und lächelte leicht. „Er hat dir allein schon acht seiner Perlen gegeben. Ich hoffe, du lässt dich nicht ausnutzen.“

„Tue ich nicht. Er zahlt für jeden Dienst“, antwortete Jamie ebenso lächelnd, während sie an dem Oberteil nähte, wofür sie die Seide in Nordbrand gekauft hatte.

„Wer ist er? Vielleicht macht er dir Avancen. Er muss einflussreich sein.“

„Er ist einer der Söldnerführer und ich denke, einen gewissen Einfluss hat er schon. Sein Bruder ist General Thraut.“

Jánes Augen begannen zu leuchten. „Jamie! Das ist deine Chance! Nutze sie, Mädchen!“

„Ich weiß nicht. Er ist Söldner. Die sind doch immer in Gefahr. Ich weiß nicht, ob ich das will. In einem Zimmer hocken und warten, dass er unverletzt wiederkommt? Und das immer und immer wieder?“

„Aber er hat Geld.“

Jamie schaute von ihrer Näharbeit auf. „Denkst du, das interessiert mich?“

„Du müsstest sicher nicht mehr arbeiten.“

„Vielleicht will ich das aber? Ich würde vor Langeweile sterben, wenn ich es nicht könnte. Außerdem habe ich gern Sex. Was soll ich denn tun, wenn er unterwegs ist?“

„Etwas anderes als das hier jedenfalls. Willst du ewig Hure sein?“

„Wieso nicht? Es macht Spaß und ich verdiene jetzt schon genug, um es nicht bis zum Tod machen zu müssen. Ich spare ja schon für mein Alter.“

Jáne schürzte die Lippen. „Du solltest deine Perspektiven ausmachen. Es mag ein lohnender Beruf sein, doch sieh dich an. Du bist mehr wert.“

Jamie hatte wieder auf ihre Arbeit geschaut und warf Jáne nun einen schelmischen Blick von der Seite zu. „Vielleicht werde ich eines Tages Wirtin. Du könntest mir zeigen, wie es geht.“

Nun lächelte die Frau an ihrer Seite strahlend. „Das klingt schon nach was. Es ist sicher kein Traumberuf, aber es ist besser, als auf die Männer angewiesen zu sein.“

„Das wäre ich dann auch noch. Ohne sie hättest auch du kein Geld.“

„Aber meine Arbeit ist nicht mehr direkt von ihnen abhängig.“

Jamie nickte. Jáne meinte, dass sie nur noch ab und an Männer zu sich ließ, wenn sie eben wollte und Lust auf sie hatte. Ihre Hauptaufgabe war es, das Wohlbefinden der Mädchen sicherzustellen. Ihnen eine Unterkunft und Essen zu geben und sie zu schützen, wenn die Männer zu aufdringlich wurden. Sie gab den Mädchen ein Zuhause. Doch auch die Wirtin hatte mal da angefangen, wo Jamie angefangen hatte. Auf der Straße, als Frau für alle.

„Ich verspreche dir, mehr aus mir zu machen, wenn sich mir die Möglichkeit bietet und ich damit leben kann. Doch für den Moment bin ich zufrieden mit dem, was ich habe“, sagte Jamie und legte ihrer Freundin eine Hand auf den Arm.

„Ich wünsche dir, dass du es irgendwann hier raus schaffst. Du bist gut, keine Frage, doch du kannst Besseres tun als das hier.“

Die Bewohner waren eindeutig gespalten, was ihre Loyalität anging. Einige wehrten sich mit allem, was sie hatten, andere hockten schon auf Knien, bevor Dawer auch nur einen Finger krumm gemacht hatte. So kämpften sie sich durch die Straßen oder eben nicht.

Einige Ecken der Stadt waren so schnell besetzt, dass es selbst für seine Leute unglaublich schien. Andere Straßenzüge mussten in Blut getränkt werden, damit überhaupt ein Durchkommen möglich war.

Spät in der Nacht hatten sie die Mauer zum Anwesen des Stadtherren endlich erreicht. Dawer lenkte sein erschöpftes Pferd durch die Menge an Soldaten, die Befestigungen aufbauten und dafür Sorge trugen, dass niemand das Anwesen betreten oder verlassen konnte.

„Männer, zu mir!“, befahl er und seine Leute sammelten sich um ihn. Er schaute jedem ins Gesicht und musterte sie im Allgemeinen.

 

Raek hatte einige Kratzer im Gesicht, am Hals und an den Händen, weil er mit Zweigen eines Dornenbusches von einer Hofgrenze vertrieben worden war. Sonst schien er wohlauf.

Thrace wirkte erschöpft, obwohl sein Schwert ungenutzt in der Scheide steckte und ihm nicht ein Pfeil im Köcher fehlte. Nur die Schutzzauber hatten an seinen Kräften gezehrt.

Océan und Dea sahen recht munter aus, doch auch sie hatten Kampfspuren am ganzen Körper. Vor allem Arme und Beine waren getroffen worden.

Ihm selbst hatte ein Bauer eine Heugabel ins Bein gerammt, doch dank seiner Rüstung war die Wunde nicht tief.

„Wir sind hier fertig. Ich gebe Meldung, dass wir zum Lager zurückkehren“, ließ er seine Männer wissen, die alle nickten. „Reitet vor. Ich komme nach.“ Er wendete sein Pferd und trieb es an. Er wollte schnell alles klären und hoffte, rechtzeitig im Lager zu sein, bevor Neyla anderweitig beschäftigt war.

Der Sonnenaufgang war fast schon wieder greifbar, als die ersten Männer kamen. Sie sahen durchweg aus, wie man eben aussah, wenn man von einem Schlachtfeld kam. Verdreckt und blutverschmiert. Jáne hatte Wachen angeheuert, die alle Männer wegschickten, die verletzt waren, schon zu betrunken oder noch in Kampfstimmung.

Sie hatte erklärt, dass viele noch aufgeheizt von den Kämpfen waren und vergaßen, dass die Frauen eben keine Männer seinen, gegen die man noch kämpfen musste. Es diente also rein der Sicherheit der Mädchen. Es kamen trotzdem genug durch die Prüfung und so bildeten sich schnell Schlangen vor den einzelnen Zelten der Huren. Auch vor Jamies Zelt warteten Männer, doch bis jetzt hatte sie keinen zu sich gelassen.

Sie hatte die Kampfgeräusche aus der Ferne gehört und auch die Schreie von Leuten, die sich nicht wehren konnten und trotzdem sterben mussten. Auch wenn Jamie gedacht hatte, die Geschehnisse von Helven hinter sich gelassen zu haben, traf es sie doch noch immer.

Die Wache vor ihrem Zelt klopfte an den Pfosten. „Neyla? Hier möchte jemand zu dir.“

Natürlich. Einige wollten das. „Ich bin noch nicht bereit“, sagte sie und hatte im Gefühl, dass es diese Nacht keiner zu ihr schaffen würde.

„Er sagt, er sei ein Freund.“

Sind sie das nicht alle? „Bitte. Nein. Ich möchte nicht.“

„Neyla?“, drang eine andere Stimme zu ihr und sie erkannte sie.

Jamie stand auf und ging zum Eingang. Die Wache stand mittig vor der Plane, die als Tür diente und Jamie spähte vorsichtig an dem Mann vorbei. Océan stand vor dem Zelt, die Arme hinter dem Rücken verschränkt und lächelte vorsichtig.

„Océan. Hallo.“ Sie schob sich an die Seite der Wache und gab ihr ein Zeichen, dass es in Ordnung war, wenn der Elf näherkam.

Océan machte einen Schritt und reichte ihr eine Hand. „Darf ich dich entführen?“, fragte er noch immer lächelnd.

„Es tut mir leid. Ich glaube nicht, dass ich ...“

„Bitte. Nur ein Spaziergang, nicht mehr. Ich passe gut auf dich auf. Versprochen.“ Er wandte kurz den Kopf zur Schlange vor ihrem Zelt, dann sah er wieder sie an.

Jamie überlegte, entschied aber, dass ein Spaziergang nicht schlimm war. Und da sie den Elf als recht nett kennengelernt hatte, vertraute sie ihm, dass er ihr nichts tun würde. Außerdem war er einer von Dawers Männern und er sah weder angetrunken noch vom Kampf zu erhitzt aus.

Sie nickte und gab ihrer Wache ein Zeichen. Er nickte zurück und machte sich auf den Weg zu Jáne, um ihr über Jamies Verbleib Auskunft zu geben.

„Ich danke dir, Neyla“, lächelte der Elf und hielt ihr den Arm hin, in den sie sich einhakte. Gemeinsam liefen sie durch das Lager und weiter Richtung Rand, wo es ruhiger war.

„Geht es euch allen gut?“, fragte sie ihn schließlich und hoffte tatsächlich, dass seine Truppe heil aus dem Kampf gekommen war. Sie musterte ihn kurz. Er hatte seine Rüstung schon abgelegt und sich Blut und Schmutz von der Haut gewaschen. Seine Haare waren noch nass und glänzten im Schein einzelner Feuer.

„Alles bestens. Ein paar Schnitte und Kratzer, aber alles im normalen Bereich.“ Wieder lächelte er freundlich, wobei das Grün seiner Augen funkelte, als würde es angestrahlt werden.

Jamie schwieg und wandte den Blick auf den Weg zu ihren Füßen.

„Du hast jemand anderes erwartet, nehme ich an?“, meinte Océan nach einer Weile und sie sah im Augenwinkel, wie er schmunzelte.

„Vielleicht. Aber ist das wichtig?“

„Ist es nicht. Aber um es dich wissen zu lassen, auch Dawer geht es sehr gut.“

„Das freut mich“, entgegnete sie ehrlich erleichtert.

Sie kamen an einem Feuer an, um das noch niemand saß und Océan bedeutete ihr, sich zu setzen. Sie tat es und bekam kurz darauf einen Becher in die Hand gedrückt, in den der Elf etwas heißen Met füllte.

„Nur damit dir nicht kalt wird“, sagte er und schenkte sich ebenfalls ein.

„Schon klar“, grinste sie, nahm aber einen Schluck. „Wart ihr erfolgreich?“, wollte sie dann wissen und der Elf nickte.

„Wir sind am Anwesen angekommen. Die Soldaten sichern es.“

„Was macht ihr jetzt?“

Er zuckte mit den Schultern. „Nichts. Kommandant Welsh gibt dem Stadtherren Zeit, zu kapitulieren oder zu verhandeln, wenn er das nicht tut, wird er ausgehungert, bis er aufgibt.“

„Wird er verhandeln?“, hakte Jamie wirklich daran interessiert nach.

„Keine Ahnung.“

„Und ihr? Ich meine du und deine Leute. Was ist eure Aufgabe?“

„Wir warten. Entweder auf einen neuen Einsatzbefehl oder auf unseren Sold.“

„Ihr wisst also nicht, was ihr jetzt tun könnt?“, fragte sie ungläubig. „Ist das nicht ineffektiv für euch?“

Der Elf kicherte amüsiert. „Wir sind jetzt auf Abruf und werden für diesen Auftrag eh nach Zeit bezahlt. Der Sold kommt also so oder so. Es macht keinen Unterschied.“ Er streckte die Beine und zischte leise.

„Ist wirklich alles gut?“, fragte Jamie argwöhnisch.

„Geht schon. Ein Pfeil hat mich am Bein getroffen. Ist nur ein Kratzer.“

„Du solltest es versorgen lassen. Auch Kratzer können sich entzünden.“

„Werde ich, wenn es schlimmer wird. Aber ich beherrsche ein bisschen Heilmagie. Es ist also wirklich alles gut. Keine Sorge.“

„Warum bist du zu mir gekommen?“, wollte sie dann wissen und musterte ihn. Sie hatten noch nicht viel miteinander gesprochen, denn meist war ihre Aufmerksamkeit für Dawer bestimmt gewesen.

„Die Wahrheit?“, stellte der Elf eine Gegenfrage und warf ihr von der Seite her einen schelmischen Blick zu.

„Ich bitte darum“, lächelte sie und nahm noch einen Schluck.

„Dawer ist noch beschäftigt und du damit nicht. Ich musste das ausnutzen, weil ich so was wie eine Wette mit Thrace am Laufen habe. Er ist stinkig, weil du ihn immer wieder ignorierst und nur bei Dawer bist. Er meinte, ich hätte genauso wenig Chancen und ich will ihm beweisen, dass es nicht so ist.“

Jamie zog die Brauen hoch und sah Océan erstaunt an. „Ehrlich?“

„Total ehrlich.“

„Also hattest du Hintergedanken, als du mich aus meinem Zelt gelockt hast?“, fragte sie, musste aber über seine freche Dreistigkeit grinsen.

„Hatte ich. Aber ich sehe dir an, dass ich heute wohl keine Chancen habe.“

Sie senkte den Becher von den Lippen in ihren Schoß, sagte aber nichts weiter. Den Blick dann ebenfalls gesenkt, drehte sie ihr Getränk in den Händen und spürte förmlich Océans Blick auf sich ruhen. Sie schaute auf und sah die Frage bereits in seinen Augen, bevor er sie laut stellte.

„Dawer hat uns erzählt, wo du herkommst. Wie geht es dir?“

„Gut“, war ihre knappe Antwort.

„Wirklich? Du siehst nicht danach aus.“

Sie lachte unecht. „Was willst du denn hören?“

„Die Wahrheit.“

„Ich werde Albträume haben“, gab Jamie zu und senkte den Blick wieder. „Das hier ist nicht wie damals. Aber auch in Helven habe ich die Schreie von der Ferne gehört und konnte nichts tun.“

„Es tut mir leid, was da passiert ist. Es muss schlimm für dich gewesen sein.“

Sie nickte und spürte ihre Augen brennen. „Können wir über was anderes reden?“, fragte sie und schaute auf. Sie wollte nicht schon wieder wegen dieser Sache weinen. Es war lange her und nichts als Erinnerung.

„Natürlich. Hast du etwas, über du reden möchtest?“

„Du bist ein Elf“, sagte sie und er grinste.

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