Glauben du musst

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Die biblischen Autoren waren keine Naturwissenschaftler und legten daher auch keinen Wert auf entsprechende Korrektheit. Wenn sich also in ihren Schriften einige Details finden, die mit dem heutigen Wissenschaftsstand nicht vereinbar sind, so mindert dies den religiösen Wahrheitsgehalt dieser Schriften nicht im Geringsten. Das Gleiche gilt übrigens für Science-Fiction-Autoren. Wie Sie vermutlich wissen, prahlt Han Solo gerne damit, dass sein Schiff den Korsalflug in weniger als 12 Parsecs geschafft habe. Dies kann aber unmöglich stimmen. Ganz gleich, wie schnell ein Schiff auch immer sein mag: Parsec ist ein Längenmaß, keine Zeiteinheit! Ein Parsec entspricht 3,26 Lichtjahren, also etwa 30 Billionen Kilometern. Ruiniert diese Information nun Ihren Filmgenuss? Eben!

Kein gläubiger Mensch muss oder sollte sich wissenschaftlichen Erkenntnissen verschließen. Die religiöse Sphäre wirkt nicht konträr zur empirischen Welt, sondern komplementär. Fanatiker gibt es auf beiden Seiten. Es gibt religiöse Fundamentalisten, die noch immer gegen anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse protestieren. Ebenso gibt es Wissenschaftsjünger, die so in ihrem eigenen Blickwinkel feststecken, dass sie jedwede religiöse Erfahrung für Unfug halten. Letztlich berauben sich beide damit eines Teils der Wirklichkeit.

Star Wars ist eine Erinnerung daran, dass beide Wirklichkeiten zusammengehören. Denn obwohl die dort dargestellte Welt der unseren technisch um Jahrhunderte voraus ist, spielen Glaube und Spiritualität in ihr ebenfalls eine herausragende Rolle. Wenn dies in einer weit, weit entfernten Galaxis funktioniert, warum sollte es dann nicht auch in unserer möglich sein?

Kapitel V
„SCHNELLER, LEICHTER, VERFÜHRERISCHER"
DIE DUNKLE MACHT DER SÜNDE

Die Tragödie des Anakin Skywalker – so hätte der Titel der Star-Wars-Saga ebenfalls lauten können, schließlich steht das Schicksal des Mannes, den wir in Episode IV bereits als Darth Vader kennenlernten, unzweifelhaft im Mittelpunkt dieser kosmischen Symphonie. Inhaltlich wäre dieser Titel außerdem um einiges präziser gewesen als der doch eher verwirrende „Krieg der Sterne“. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, verehrte Leser, aber ich habe die Bedeutung dieses Titels nie wirklich verstanden, denn soweit ich sehen kann, kommen sich bekriegende Sterne in den entsprechenden Filmen nirgends vor. Nun ja, Marketing schlägt Semantik, so war es im Anfang, jetzt und immerdar.

Dabei spielt der Krieg in unseren Filmen natürlich eine große Rolle. Neben dem offensichtlichen Kampf der politischen Systeme sind es vor allem die inneren Konflikte, die den Handlungsablauf bestimmen, in erster Linie das bereits erwähnte Schicksal des Anakin Skywalker. „Vader hat sich von der Dunklen Seite der Macht verführen lassen.“ Mit diesen Worten fasst Obi-Wan Kenobi die Tragödie seines ehemaligen Schülers zusammen, und zwar direkt bei seiner ersten Unterredung mit Luke Skywalker. Es ist interessanterweise auch das erste Mal, dass die Macht überhaupt Erwähnung findet, wodurch direkt ihre ambivalente Rolle hervorgehoben wird. Inwiefern die Dunkle Seite diese verführerische Wirkung ausübt, erfahren wir an dieser Stelle (oder in dem gesamten Film) vorerst nicht. Erst Yoda klärt seinen jungen Schüler in Episode V darüber auf: „Hüte dich vor der Dunklen Seite der Macht. Zorn, Furcht, Aggressivität, die Dunklen Seiten der Macht sind sie. Besitz ergreifen sie leicht von dir. Folgst du einmal diesem dunklen Pfad, auf ewig beherrschen wird die Dunkle Seite dein Geschick, verzehren wird sie dich wie einst den Schüler von Obi-Wan.“ Hier haben wir also eine Erklärung, wie und warum jemand der Dunklen Seite verfällt. Es sind bestimmte Gefühlsregungen, die für diesen Weg verantwortlich sind. Außerdem erfahren wir, dass es von diesem einmal eingeschlagenen Weg kein Zurück mehr gibt – wobei wir natürlich alle wissen, dass das so nicht ganz stimmt.

Luke möchte von seinem Trainer aber auch hören, ob die Dunkle Seite stärker ist als die ‚helle‘, die allerdings komischerweise in keinem der Filme je wirklich benannt wird. Yoda winkt ab: „Nein, nein, nein. Schneller, leichter, verführerischer.“ Hier bestätigt er also noch einmal seine vorherige Aussage. Negative Gefühle wie Zorn oder Furcht kommen schnell und einfach, ohne jedwede Anstrengung, deshalb sind sie verführerischer. In Episode I wird Yoda dann außerdem den diesen Eigenschaften innewohnenden Automatismus erklären: „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.“ Man hat also durch die Dunkle Seite keinerlei wirklichen Gewinn, außer der Tatsache, dass man sich weniger anstrengen muss, weil alles gleichsam von selbst kommt. „Wählst du den schnellen, den leichten Weg, wie einst Vader es getan hat, zu einem Werkzeug des Bösen wirst du werden“, lautet dementsprechend Yodas abschließende Warnung an Luke, bevor sich dieser, entgegen alle Vernunft, zu einer waghalsigen Rettungsaktion nach Bespin aufmacht.

Betrachten wir die Geschichte von Anakin Skywalker, wie sie uns in den Prequels dargestellt wird, so hat man allerdings keineswegs den Eindruck, dass sich dieser das Leben besonders leicht macht oder immer den einfachsten Ausweg sucht. Im Gegenteil, er wirkt wie ein enorm ehrgeiziger Mann, der seine Zeit voll und ganz seiner Ausbildung widmet. Das unterscheidet ihn beispielsweise, wenn dieser filmübergreifende Vergleich an dieser Stelle erlaubt ist, von Captain James T. Kirk, der in seiner Jugend eher als pflichtvergessener Hedonist erscheint und sich bekanntlich sogar durch einen schwierigen Test durchmogelt. Zwar bricht Anakin durch seine Beziehung mit Padmé Amidala sein Gelübde der Ehelosigkeit (siehe Kapitel II), doch ist diese Beziehung von Treue und Hingabe geprägt, anders als bei Kirk, der alles zu begatten versucht, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Außerdem scheint die Ehe mit Padmé Anakins Training nicht negativ zu beeinflussen, er wird zu einem der begabtesten Piloten und einem der mächtigsten Jedi der Galaxis – was ihm zum Teil in die Wiege gelegt war, was aber ohne die notwendige Disziplin und den entsprechenden Ehrgeiz nicht zu erreichen gewesen wäre. Zudem ist er überaus prinzipientreu und hat ein hochentwickeltes Ehrgefühl. Den Auftrag des Jedirates, Palpatine auszuspionieren, weist er empört zurück – das sei Verrat und eine Verletzung des Kodex. Den Vorwurf Obi-Wans, Palpatine habe sich länger als erlaubt im Amt des Kanzlers gehalten, kontert Anakin mit dem Hinweis auf dessen demokratische Legitimierung und erweist sich so als Verteidiger republikanischer Prinzipien. Auch lehnt er den Wunsch seiner Frau ab, persönlich auf den Kanzler einzuwirken, damit dieser diplomatische Lösungen suche statt weiter auf militärische zu setzen. Anakin empfindet dies als einen unangemessenen Eingriff in die Entscheidungshoheit des Kanzlers und weist Padmé mit dem (korrekten) Hinweis zurecht, dass eine solche Forderung in die Senatsdebatte gehöre. Als Mace Windu den Kanzler schließlich hinrichten will, greift Anakin ein, weil er darin eine Verletzung der Rechtsordnung erkennt, er möchte Palpatine vor Gericht sehen.

Letzten Endes werden ihm jedoch gerade sein Idealismus und sein Ehrgeiz zum Verhängnis – woran man übrigens mal wieder sehen kann, dass dies durchaus echte Schwächen sein können, nicht bloß Pseudoschwächen, die man bei der entsprechenden Frage im Bewerbungsgespräch angibt.

Palpatine versteht es hervorragend, die genannten Schwächen für seine Zwecke zu nutzen. Er ernennt Anakin zu seinem persönlichen Vertreter im Jedirat, wohl wissend, dass der Rat eine derartige Ernennung nicht ohne weiteres akzeptieren wird. Es kommt, wie es kommen muss. Anakin fühlt sich durch die Ernennung in seinem Selbstbewusstsein gestärkt und ist anschließend enorm gekränkt, als ihm der Rat die Beförderung in den Rang eines Jedimeisters verweigert. Das Gefühl, nicht zu bekommen, was ihm zusteht, ist ein wesentlicher Grund für sein wachsendes Misstrauen gegenüber dem Orden. Auch Anakins politischen Idealismus weiß der Kanzler geschickt zu manipulieren. Es gelingt ihm, Anakin einzureden, dass nur er für Gerechtigkeit und Frieden in der Galaxis sorgen könne, und motiviert ihn auf diese Weise zu überaus grauenhaften Handlungen. Am Ende ist Anakin tatsächlich davon überzeugt, durch die Auslöschung des Jediordens dem Wohl der Republik zu dienen, die er, natürlich ebenfalls nur zu ihrem Besten, in sein persönliches Imperium umwandelt.

Anakins Ungeduld mit demokratischen Entscheidungsprozessen ist bereits in Episode II deutlich geworden, als er mit Padmé über politische Systeme diskutiert. Padmé versucht ihm zu erklären, dass in einer repräsentativen Demokratie viele Interessengruppen zusammenfinden müssen, was die Entscheidungsfindung oft enorm schwierig mache. Mit Helmut Schmidt gesprochen: „Das Schneckentempo ist das normale Tempo jeder Demokratie.“ Anakin gibt sich uneinsichtig: „Dann sollte sie jemand zu einer Entscheidung zwingen.“ Für Padmé klingt das zu stark nach einer Diktatur, doch Anakin meint nur: „Wenn es funktioniert?“ In Episode III reagiert er auf Obi-Wans besorgt vorgetragene Bemerkung, dass der Senat Palpatine weitere Notstandsvollmachten gewähren werde, mit den Worten: „Das kann nur bedeuten, weniger Verhandlungen und mehr Taten, ist das falsch?“ Persönliche Machtgelüste sprechen an diesen Stellen allerdings noch nicht aus seinen Worten. Vielmehr hat er wirklich das Wohl der Gesellschaft im Sinn, doch geht ihm der Weg dorthin nicht schnell genug. Hier haben wir also einen Wegweiser auf dem Pfad zur Dunklen Seite. Anakin sucht nach schnellen Lösungen, die Geduld für längeres Ausharren geht ihm ab.

In seiner Beziehung zu Padmé zeigt sich außerdem der zweite entscheidende Charakterzug, der Anakin der Dunklen Seite zuführt: seine Verlustängste. In Episode I ist diese Schwäche sogar der entscheidende Grund, dass Yoda und die anderen Ratsmitglieder skeptisch in Bezug auf die Ausbildung des jungen Skywalker sind. Anakin versucht zwar, seine Angst zu vertuschen, doch die Jedi lassen sich davon nicht täuschen. Yoda konfrontiert ihn unmittelbar mit der Angst vor dem Verlust seiner Mutter, was dieser (in einem leicht altklugen Tonfall) mit der Frage erwidert: „Was hat das denn damit zu tun?“ Hierauf gibt Yoda die bereits oben zitierte Antwort: „Einfach alles! Furcht ist Pfad zur Dunklen Seite. Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid. Ich spüre große Furcht in dir.“

 

Die Sorge um seine Mutter ist dann auch ein bedeutender Handlungsstrang in Episode II. Nach eifriger Suche findet Anakin sie schließlich, doch kann er nur noch ihren letzten Worten beiwohnen. Seine schlimmste Angst ist Wirklichkeit geworden. Von diesem Schock wird er sich nicht mehr erholen. Seine erste Reaktion sind genau jene Wut und jener Hass, die laut Yoda unmittelbare Folgen der Angst sind. Brutal und gnadenlos schlachtet Anakin die Sandleute, die seine Mutter entführt haben, ab, auch die unschuldigen Frauen und Kinder. Hier zeigt sich erstmalig in aller Deutlichkeit, dass Yoda und die anderen Jedi Anakin richtig eingeschätzt haben. Er ist zu sehr von seinen negativen Gefühlen bestimmt, kann diese nicht ausreichend kontrollieren. Dass seine Gefühle in gewisser Weise nachvollziehbar sein mögen, oder gar ‚natürlich‘, wie Palpatine später zur Beruhigung Anakins sagen wird, ändert daran nichts – im Gegenteil. Die Gefühle der Dunklen Seite kommen, wie Yoda mahnend erläutert, schnell und auf natürliche Weise. Gerade das macht sie so gefährlich.

Die Erfahrung des Verlustes seiner Mutter überträgt Anakin später auf Padmé. In albtraumhaften Vorahnungen sieht er seine Frau während der Geburt ihrer Kinder sterben. Hier erweist sich sein Schicksal als eine wahre Ödipus-Geschichte. So wie der tragische Held der griechischen Mythologie, der den Spruch des Orakels erst dadurch erfüllt, dass er ihm zu entgehen sucht, verwirklicht auch Anakin seine eigenen Visionen erst dadurch, dass er alles daransetzt, ihr Eintreten zu verhindern. Das Versprechen Palpatines, durch die Macht der Dunklen Seite das Leben seiner Frau retten zu können, ist ein wesentlicher Beweggrund für Anakins Hinwendung zur Dunklen Seite.

Widerspricht das aber nicht der bisherigen Auflistung der Motive? Zählt Liebe zu einem anderen Menschen denn wirklich zu den negativen Gefühlen wie Hass und Wut, die Yoda als Triebfedern für den Weg zur Dunklen Seite nennt? Nein, Liebe wohl nicht – aber Egozentrik schon! Kniend fleht Anakin seinen neuen Meister an, ihm zu helfen, Padmés Leben zu retten, und erklärt: „Ich kann ohne sie nicht leben.“ Da ist es, das wahre Motiv! Nicht die selbstlose Liebe zu jemand anderem, sondern die Sorge um das eigene Leben bestimmt Anakins Handeln.

Rabbi Abraham Twerski prägte hierfür den Begriff ‚Fischliebe‘. Keine Sorge, das ist kein merkwürdiger Fetisch aus der Welt der Simpsons oder South Parks. Vielmehr bezeichnet er eine bestimmte Form von Liebe, oder vielmehr dessen, was manche Menschen als Liebe bezeichnen. Twerski erzählt die Geschichte eines Mannes, der einen anderen Mann einen Fisch essen sieht. Er fragt ihn: „Warum isst du diesen Fisch?“ Darauf der andere: „Weil ich Fisch liebe.“ Darauf fragt der Erste: „Weil du den Fisch liebst, tötest du ihn und isst ihn auf?“ Der Sinn dieser kurzen Erzählung liegt nicht etwa in einer Aufforderung zum Vegetarismus. Vielmehr geht es um die Definition des Begriffs ‚Liebe‘. Der Fischesser isst gerne Fisch, er mag den Geschmack, der Fisch stellt für ihn eine ideale Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse dar. Diese Selbstbefriedigung nennt er ‚Liebe‘. Worauf Rabbi Twerksi mit dieser Geschichte hinauswill, ist der Umstand, dass es sich bei vielen menschlichen Beziehungen letzten Endes um diese Form der ‚Fischliebe‘ handelt. Ein Mensch kann sagen, er liebe seinen Partner bzw. seine Partnerin, aber im Grunde dient diese/r nur zur Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse. Wenn sich diese Haltung ins Extrem steigert, kann dies böse Konsequenzen für die Partnerschaft haben, wie der österreichische Psychologe Viktor Frankl (1905-1997) festgestellt hat: „Das sieht man in der Sexualpathologie: In dem Maße, in dem jemand seine Potenz demonstrieren will und nicht an die Partnerin denkt, in dem Maße, in dem die Partnerin ihre Orgasmusfähigkeit beweisen will, wenn auch nur sich selbst, und nicht auf den Partner achtet, in demselben Maße wird sie frigid und er impotent. Das ist der klinische Alltag.“ Ganz so schlimm kann es um Anakin und Padmé allerdings nicht gestanden haben. Immerhin haben sie ja Nachwuchs gezeugt.

Nach diesem tiefen Eindringen in die Gefilde der Dunklen Seite stellt sich nun die Frage, ob es hier Parallelen zu christlichen Vorstellungen vom Bösen gibt. Ist die Dunkle Seite das, was wir im Christentum als Sünde bezeichnen? Ja und nein. Die offensichtlichste Parallele ist die der Versuchung. Immer und immer wieder wird in der Star-Wars-Saga vor der verführerischen Kraft der Dunklen Seite gewarnt. So ist es auch mit der Sünde. Ihr Ursprung liegt in der Verführung. Im Garten Eden versucht der Satan Eva in Form der Schlange, er lockt sie mit dem Versprechen der Erkenntnis: „Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“ Hier ist die Parallele zu Palpatine augenfällig. Auch er verführt Anakin mit dem Versprechen großer Erkenntnis, einer Erkenntnis, die über das Natürliche hinausgeht. In gewisser Weise verspricht auch er ihm, so zu werden wie Gott, denn er verheißt ihm die Macht über Leben und Tod.

Auch das Versprechen weltlicher Macht ist eine List des Satans. Als Jesus in der Wüste von diesem versucht wird, zeigt der Satan ihm alle Reiche der Welt und verspricht: „Dies alles will ich dir geben, wenn du niederkniest und mich anbetest.“ Palpatine operiert ähnlich, denn auch er verführt Anakin mit dem Versprechen politischer Kontrolle über die Galaxis. Anakin ist nicht in der Lage, dieser Verlockung zu widerstehen – Jesus hingegen schon. Der Messias wollte keine weltliche Macht und auch keine weltliche Revolution. Dieser Gedanke wurde in jüngerer Zeit insbesondere von Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika Spe Salvi (2007) betont: „Das Christentum hatte keine sozialrevolutionäre Botschaft gebracht, etwa wie die, mit der Spartakus in blutigen Kämpfen gescheitert war. Jesus war nicht Spartakus, er war kein Befreiungskämpfer wie Barabbas oder Bar-Kochba. Was Jesus, der selbst am Kreuz gestorben war, gebracht hatte, war etwas ganz anderes: die Begegnung mit dem Herrn aller Herren, die Begegnung mit dem lebendigen Gott und so die Begegnung mit einer Hoffnung, die stärker war als die Leiden der Sklaverei und daher von innen her das Leben und die Welt umgestaltete.“ Nach eigener Macht in der Welt verlangt es einen Christen nicht. Aber wie sieht es mit dem christlichen Verhalten gegenüber der weltlichen Macht aus? Wie würde sich ein Christ gegenüber Palpatine und seinem Imperium verhalten?

Was bei Palpatine leider nie so ganz klar wird, ist, inwieweit er selbst an sein Programm glaubt. Bei einigen seiner Untergebenen, insbesondere bei Direktor Krennic (Rogue One), können wir durchaus einen ehrlichen Glauben an das imperiale System erleben. Aber wie steht es um den Imperator selbst? Ist er wirklich davon überzeugt, für Ordnung und Frieden in der Galaxis zu sorgen? Oder sind dies nur fromme Lügen zur Manipulation seines Schülers? Der amerikanische Journalist Jonathan Last glaubt an Ersteres. Im Jahre 2002 (also noch vor Episode III) schrieb er einen faszinierenden Artikel mit dem Titel „The Case for the Empire. Everything you think you know about Star Wars is wrong“ (Anwalt des Imperiums. Alles, was Sie über Star Wars zu wissen glauben, ist falsch), in dem es unter anderem heißt: „Aber der überzeugendste Beweis dafür, dass das Imperium nicht böse ist, taucht in Das Imperium schlägt zurück auf, als Darth Vader gegen Luke Skywalker kämpft. Am Ende der erschöpfenden Schlacht ist Vader im Begriff, Luke zu erledigen, aber er streckt seine Hand aus. Er versucht, Luke zur Dunklen Seite zu bekehren, und zwar mit einer einfachen Bitte: ‚Es gibt kein Entkommen. Zwing´ mich nicht, dich zu töten … Verbünde dich mit mir, und ich werde deine Ausbildung beenden. Mit vereinten Kräften können wir diesen tödlichen Konflikt beenden und der Galaxis Frieden und Ordnung wiedergeben.‘ Hier finden wir die wirkliche Motivation der Dunklen Seite und des Imperiums. Das Imperium will keine Sklaven, auch nicht Zerstörung oder das ‚Böse‘. Es will Ordnung.“ Natürlich ließe sich auch in dieser berühmten Szene fragen, ob Vader sein Angebot tatsächlich ernst meint oder es nicht doch eher zur Verführung nutzt. Gehen wir aber für den Moment davon aus, dass der Autor recht hat und das Imperium tatsächlich einen Garanten der Ordnung darstellt. Könnte dies sein mitunter brutales Vorgehen rechtfertigen? Wie sähe ein christliches Verhalten gegenüber diesem System aus?

Nun, auch wenn es für viele Fans enttäuschend sein mag: Die christliche Tradition würde sich vermutlich mehrheitlich auf die Seite des Imperiums schlagen! Rebellion gegen die bestehende Herrschaft war nie ein fester Bestandteil christlicher Ethik. Bereits Paulus weist die Gemeinde in Rom darauf hin: „Jeder ordne sich den Trägern der staatlichen Gewalt unter. Denn es gibt keine staatliche Gewalt außer von Gott; die jetzt bestehen, sind von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen. Vor den Trägern der Macht hat sich nicht die gute, sondern die böse Tat zu fürchten; willst du also ohne Furcht vor der staatlichen Gewalt leben, dann tue das Gute, sodass du ihre Anerkennung findest! Denn sie steht im Dienst Gottes für dich zum Guten. Wenn du aber das Böse tust, fürchte dich! Denn nicht ohne Grund trägt sie das Schwert. Sie steht nämlich im Dienst Gottes und vollstreckt das Urteil an dem, der das Böse tut.“ Martin Luther griff diese Gedanken auf: „Der Esel will Schläge haben, und der Pöbel will mit Gewalt regiert sein. Das wusste Gott wohl; drum gab er der Obrigkeit nicht einen Fuchsschwanz, sondern ein Schwert in die Hand.“ Konkret wandte er dieses Prinzip gegen die in seiner Zeit auftretenden Aufstände der Bauern an und schrieb: „Man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss.“ Das klingt schon ein wenig nach Palpatine, wenn dieser der Handelsföderation den Auftrag gibt: „Vernichtet sie! Bis auf den Letzten!“

Etwas weniger heftig, aber nicht weniger loyal, gibt sich der Begründer der methodistischen Kirche, John Wesley (1703-1791). Der königstreue Engländer erlebte in seiner Zeit mit, wie sich die amerikanischen Kolonien von Großbritannien lossagten, und kritisierte diesen Schritt scharf. Aber auch ganz allgemein warnt er seine Hörer vor mangelnder Loyalität gegenüber dem König: „Daher dürfen wir uns auf kein sündiges Gewerbe einlassen oder es weiter betreiben, keines, das im Widerspruch zum Gesetz Gottes oder dem unseres Landes steht. Dazu gehören alle Geschäfte, bei denen wir zwangsläufig den König um seinen ihm gesetzlich zustehenden Zoll betrügen. Denn es ist mindestens so sündhaft, den König um sein Recht zu betrügen, wie seine übrigen Untertanen zu berauben. Der König hat ebenso viel Recht auf seine Zölle wie wir auf unsere Häuser und unsere Kleidung.“ Wie für Paulus und Luther ist der König auch für Wesley der von Gott eingesetzte Herrscher, eine Legitimation von Macht durch das Volk lehnt er ab. Theologisch geht er sogar noch einen Schritt weiter: „Vor allem achte auf den Menschen, der von seiner Liebe zur Kirche spricht, aber den König nicht liebt. Wenn er den König nicht liebt, kann er Gott nicht lieben. Und wenn er Gott nicht liebt, kann er die Kirche nicht lieben. Er liebt die Kirche genauso sehr, wie er den König liebt. Denn in Wirklichkeit liebt er weder das eine noch das andere.“

Zur Zeit der Entstehung des Neuen Testaments gab es innerhalb des Judentums ebenfalls revolutionäre Strömungen – und zwar durchaus ernst zu nehmendere als Monty Pythons Volksfront von Judäa. Dreimal lehnte sich die jüdische Bevölkerung in großem Stil (aber dennoch vergeblich) gegen das Römische Reich auf, einmal in den Jahren 66-73 n. Chr., was zur Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch Titus führte, dann im sogenannten Diasporaaufstand 115-117 und schließlich noch einmal im Bar-Kochba-Aufstand in den Jahren 132-135, mit dessen Ende auch die letzten Reste eines größeren, geschlossenen jüdischen Siedlungsgebiets in der römischen Provinz Judäa vernichtet wurden. Für das aufkommende Christentum war diese Epoche eine wichtige Zeit der Abgrenzung. Man distanzierte sich energisch von diesen Rebellionsversuchen und bewies so, dass man den Messias in Jesus, dem leidenden Gottesknecht, erblickte, nicht in einem noch zu erwartenden militärischen Anführer.

 

Natürlich muss festgehalten werden, dass weder Paulus noch Luther, noch Wesley, noch sonst ein ernst zu nehmender Christ die staatliche Ordnung jemals über die Gebote Gottes gestellt hätte. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ – diese Weisung gilt für alle Christen zu allen Zeiten. Wenn die Behörden beispielsweise, wie zu Luthers Zeiten geschehen, die Bürger zur Herausgabe ihrer Neuen Testamente zwingen, so mahnt der Reformator sie, auf keinen Fall zu kooperieren: „Denn wer das tut, der übergibt Christus in die Hände des Herodes.“

Leider wissen wir zu wenig über die praktischen Auswirkungen der imperialen Herrschaft für den religiösen Alltag des Normalbürgers. Wir erleben das Imperium fast immer nur als Kämpfer gegen die Rebellion, was man, so fair sollten wir sein, ihm nicht vorwerfen kann. Jeder Staat geht gegen seine Feinde vor. Andererseits geht das Imperium auch gegen Schmuggler vor, versucht also, den regulären Handel zu schützen. Als es in der Bar in Mos Eisley zu dem unschönen Vorfall mit dem abgetrennten Arm kommt, wollen die Sturmtruppen den Vorfall untersuchen. Man sieht also: Das Imperium sorgt für eine gewisse Rechtssicherheit. Ob es so etwas wie freie Religionsausübung in diesem System gibt, lässt sich nicht sagen. Die Jedi wurden bekanntlich beseitigt, aber man darf wohl annehmen, dass andere Religionsgemeinschaften, die nicht die imperiale Ordnung gefährden, ungestört operieren dürfen. Dass sich Massenvernichtungswaffen und deren recht willkürlicher Einsatz aus christlicher Sicht nicht rechtfertigen lassen, bedarf keiner Erwähnung. Es muss aber festgehalten werden: Die Rebellion könnte sich für ihr Anliegen nur schwerlich auf die christliche Tradition berufen.

Dennoch hat es natürlich im Laufe der Geschichte immer wieder Christen gegeben, die sich gegen staatliches Unrecht aufgelehnt haben. Als Erstes fällt einem hier wohl Dietrich Bonhoeffer ein, der aufgrund seiner Haltung am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg den Tod fand. Neben seiner unglaublichen Tapferkeit ist aber noch etwas anderes an seinem Charakter faszinierend. Er suchte nie nach Abenteuer oder Heldenruhm – und erweist sich damit übrigens als echter Jedi (siehe Kapitel II). Bonhoeffer wusste, dass er durch seine Beteiligung an der Verschwörung gegen das Reich zum Sünder wurde. Bereits in Gefangenschaft reflektierte er über diese Problematik wie folgt: „Wehrlosigkeit als Prinzip des weltlichen Lebens ist gottlose Zerstörung der von Gott gnädig erhaltenen Ordnung der Welt. Es mußte sich herausstellen, daß eine entscheidende Grunderkenntnis dem Deutschen noch fehlte: die von der Notwendigkeit der freien, verantwortlichen Tat auch gegen Beruf und Auftrag. An ihre Stelle trat einerseits verantwortungslose Skrupellosigkeit, andererseits selbstquälerische Skrupelhaftigkeit, die nie zur Tat führte. Civilcourage aber kann nur aus der freien Verantwortlichkeit des freien Mannes erwachsen. Die Deutschen fangen erst heute an zu entdecken, was freie Verantwortung heißt. Sie beruht auf einem Gott, der das freie Glaubenswagnis verantwortlicher Tat fordert und der dem, der darüber zum Sünder wird, Vergebung und Trost zuspricht.“ Wir dürfen gewiss sein, dass Bonhoeffer diese Vergebung erfahren hat.

Wie bereits erwähnt, ist der Hunger nach Macht sowohl ein Pfad zur Dunklen Seite als auch eine Sünde im christlichen Verständnis. Aber wie sieht es mit den übrigen Eigenschaften aus, die zur Dunklen Seite führen? Finden wir auch hier Parallelen? Der Zorn gehört bekanntlich zur Liste der sieben Todsünden. Furcht hingegen, die im Star-Wars-Universum die Wurzel allen Übels zu sein scheint, wird von der christlichen Tradition nicht als besonders verdammungswürdig, geschweige denn als Ursache für andere Sünden betrachtet. Die Furcht des Herrn gilt gar als Anfang aller Erkenntnis (Sprüche 1,7). Übertriebene Sorge um das eigene Leben hingegen wird von Jesus in seiner Bergpredigt gerügt: „Deswegen sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen oder trinken sollt, noch um euren Leib, was ihr anziehen sollt! Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Spanne verlängern?“ Zudem ist die starke Selbstbezogenheit, die Anakin insbesondere in Episode III offenbart, nahezu der Inbegriff von Sünde. Wie bereits erwähnt, ist seine Liebe zu Padmé dicht an der oben genannten Definition der Fischliebe. Yoda warnt ihn vor der Eifersucht, dem „Schatten der Raffgier“ – womit wir wieder bei einer der sieben Todsünden wären.

Die Liebe, um die es im Christentum geht, ist eine ganz andere. „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“, lautet der Aufruf Jesu. „Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat“, lautet unsere prägnante Antwort auf die offenbarte Liebe Gottes. Diese Liebe hat nichts, aber auch gar nichts, mit der sogenannten ‚Fischliebe‘ zu tun. Gott hat keine eigenen Bedürfnisse. Deshalb kann er auch nicht auf deren Befriedigung aus sein. Aus diesem Grund ist seine Liebe eine sich voll und ganz schenkende Liebe, die auch vor dem größten Opfer nicht zurückschreckt. Diese Liebe soll uns Christen Vorbild sein. Dass dies keineswegs einfach, um nicht zu sagen unmöglich zu verwirklichen ist, dürfte klar sein. Zu stark sind wir von Selbstbezogenheit, von Egoismus, kurz: von Sünde beherrscht. Aber es ist hier eben wie bei den Gefühlen, die zur Dunklen Seite führen. Es sind natürliche Gefühle, die jeder von uns kennt. Kämen diese Gefühle nicht von allein, müsste man ihnen ja gar nicht erst widerstehen.

Nach den vielen Gemeinsamkeiten, oder zumindest Parallelen, sei nun aber auch auf die erheblichen Unterschiede zwischen beiden Konzepten des Bösen hingewiesen. Da wäre vorneweg die Universalität der Sünde im Gegensatz zur Exklusivität der Dunklen Seite. Obwohl es innerhalb der Star-Wars-Filme nie ausdrücklich gesagt wird, scheint es doch so zu sein, dass nur einige wenige Individuen überhaupt eine Beziehung zur Macht haben. In den Prequels wird dies durch die Midi-Chlorianer begründet (siehe Kapitel II). Diese mikroskopischen Organismen finden sich zwar in allen Lebewesen, doch nur, wer über eine genügend hohe Zahl von ihnen verfügt, hat auch Zugang zur Macht – was im Übrigen erklärt, warum das Verhältnis zur Macht genetisch und somit stark familiär bedingt ist. Das bedeutet aber auch, dass die Anfälligkeit für die Dunkle Seite ebenfalls nur diesen wenigen Auserwählten anhaftet. Denn wie sollte jemand auf den Pfad der Dunklen Seite der Macht geraten, wenn er mit der Macht an sich überhaupt nichts zu tun hat?

Mit der Sünde verhält es sich hingegen vollkommen anders. „Denn es ist hier kein Unterschied. Denn sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten“, schreibt der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer. Die Sünde ist die große Gleichmacherin, die alle unter ihre Macht einschließt. Interessant ist allerdings, dass auch das Christentum die Vorstellung einer genetischen Veranlagung zur Sünde kennt, und zwar in Form der Erbsünde. Sünde ist angeboren, kein Mensch kann ihr entkommen. Sie kann bei verschiedenen Menschen auf unterschiedliche Weise und auch unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Noch einmal Helmut Schmidt: „Ich teile die Menschheit deshalb gern in drei Kategorien ein. Die erste Kategorie, das sind die normalen Menschen. Wir alle haben sicher als Jungs mal Äpfel geklaut, aber dann sind wir doch anständige Kerle geworden. Normale Menschen also, das sind vielleicht 98 Prozent. Die zweite Kategorie, das sind die mit einer kriminellen Ader. Die gehören vor Gericht, und wenn sie schuldig gesprochen sind, dann gehören sie ins Gefängnis. Und die dritte Kategorie sind Investmentbanker und Fondsmanager.“ Ob die Macht der Sünde bei Investmentbankern tatsächlich stärker ist als bei anderen Menschen, werden wir in Kapitel I untersuchen. Für den Moment kann aber festgehalten werden, dass, selbst wenn es so wäre, es letztlich keinen Unterschied machen würde. Die Quantität der jeweiligen Sünde mag variieren, qualitativ sind alle Sünder gleich. Aber noch in einer anderen Beziehung ist die Dunkle Seite von der Sünde zu unterscheiden. Wie bereits erwähnt gibt es, zumindest in der Theorie, keine Rückkehr von der Dunklen Seite. „Folgst du einmal diesem dunklen Pfad, auf ewig beherrschen wird die Dunkle Seite dein Geschick, verzehren wird sie dich, wie einst den Schüler von Obi-Wan.“ Wie schrecklich wäre es, wenn es sich mit der Sünde ebenso verhielte! Nein, die Möglichkeit der Buße und Umkehr ist ja gerade das große Thema des Evangeliums. Die ersten uns bekannten Worte der öffentlichen Verkündigung Jesu lauteten: „Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ Für jeden gibt es Hoffnung auf Erlösung – sogar für Darth Vader, wie wir im folgenden Kapitel sehen werden.

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