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Die HexenLust Trilogie - Wie alles begann | Erotischer Roman

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Märgi loetuks
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Quälende Fragen

»Dieses Arschloch!«

Beinahe hätte ich gegen die Freisprechanlage meines Benz geschlagen, doch meine Faust ging gegen die Windschutzscheibe. Nachdem ich Ira in aller Ausführlichkeit über unsere Chefin und Myrs berichtet hatte, ließ ich auch keine Einzelheit über die Haupthandlung des heutigen Tages aus. Natürlich kam Maddox alles andere als gut dabei weg.

»Alles klar mit dir?«, war Iras für meinen Geschmack etwas zu amüsierte Stimme am anderen Ende der Leitung zu vernehmen.

»Nein, es ist nicht alles klar mit mir!«, bellte ich das Gerät an und überholte mitten in der Innenstadt zwei Taxis auf der rechten Seite. »Was bildet der sich eigentlich ein? Erst machen wir uns schön heiß und dann lässt der mich stehen! Dabei konnte er sich nicht einmal sein blödes Grinsen verkneifen.«

Ich schrie die Wut heraus, als ich weiter durch die Straßen Manhattans schoss, wobei mir die Straßenverkehrsordnung herzlich egal war. »Das ist mir noch nie passiert! Noch nie! Der hätte mich fünfmal ficken müssen!«

»Nicht, dass du das nicht auch schon mal mit Typen gemacht hast ...«

Für einen kurzen Moment wich der Zorn und ich fiel in meine Erinnerungen zurück, während ich mit quietschenden Reifen an einer Ampel hielt.

»Ach, das war etwas anderes«, keifte ich zurück.

»So? Was war denn mit dem Typen in diesem Irish Pub, von dem du dich hast lecken lassen und dann einfach gegangen bist?«

»Ach, das war ...«

»Oder«, sie erhob ihre Stimme. »Oder bei dieser bescheuerten Boutique-Eröffnung auf der 7th, zu der du mich mitgeschleppt hast, wo du den Modefritzen geritten hast, gekommen bist und dann einfach abgehauen bist.«

Tief waren diese schönen Ereignisse in meinen Gedanken verwurzelt und für einen Augenblick ertappte ich mich dabei, wie die Wut abnahm und sich ein Lächeln auf meine Lippen legte. Sein ungläubiger Blick war einfach herrlich gewesen, als er mit heruntergelassener Hose und einem feuchten glühenden Schwanz zu mir aufgeblickt hatte, wobei er mit offenem Mund beobachten musste, wie ich mich wieder anzog. Dieses verwirrte Gestammel werde ich nie vergessen ...

Erst durch lautes Hupen neben mir wurde ich in die Gegenwart geschleudert. Mein Kopf fuhr so schnell herum, dass sich die Klammer aus meinen Haaren löste. Neben mir hatte ein Ferrari gehalten und zwei junge Männer mit akribisch geföhnten Haaren lächelten mich an. Die hellen Farben ihrer Poloshirts strahlten mit ihren verspiegelten Sonnenbrillen um die Wette, als der Beifahrer sich zu mir herüberlehnte.

»Schicke Karre«, sagte er betont lässig und nickte.

In was für einer Welt leben wir eigentlich? Das kann doch nicht deren ernst sein. Amüsiert über dieses allzu erfüllende Klischee, hatten Daddys Lieblinge sich doch definitiv einen falschen Zeitpunkt für ihre Testosteronschübe ausgewählt.

»Isabelle, bist du noch da?«

»Warte mal bitte einen Moment, ich muss mal kurz was erledigen ...«

Der Motor des italienischen Boliden heulte mehrmals auf, als wäre es ein Tier, das gleich loszuschlagen drohte. Ich konzentrierte mich und streichelte über mein Lenkrad. Den Mund brauchte ich mittlerweile bei so einfachem Zaubern gar nicht mehr zu bewegen. Als die Ampel auf Gelb umsprang, ließ ich den Demolationszauber los. Kein Knall, keine Explosion, nicht einmal ein Geräusch. Doch der wunderschöne rote F430 soff sofort ab und würde auch nie mehr anspringen. Eigentlich eine Schande. Wenn die beiden Halbstarken die Motorhaube öffneten, würden ihre Augen nur einen Haufen unglaublich kostspieligen Schrotts sehen. Da würde Daddy aber sauer sein!

Die Flüche der beiden interessiert wahrnehmend, spitzte ich die Lippen und pfiff ihnen entgegen. Ihre hochroten Köpfe wanderten nur langsam zu mir, doch als ich ihre Aufmerksamkeit hatte, formte ich einen Kussmund, legte meinen Mittelfinger auf meine Lippen und hauchte ihnen einen Kuss entgegen. Dann gab ich Gas ... viel Gas. Ich liebe starke Auftritte!

»So, erledigt. Was weißt du über ihn?«, fragte ich Ira.

»Äh, warte.«

Durch das Lautsprechersystem hörte ich sogar die Anschläge auf ihrer Tastatur. Sie würde nun mit dem hauseigenen System seine Akte raussuchen und ihn mit verschiedenen Suchmaschinen durchleuchten. Gut, dass der Zirkel andere Möglichkeiten hatte. Diese kleine Nummer hatte meinen Hormonhaushalt wieder ins Gleichgewicht gebracht, so konnten Ira und ich unser Gespräch fortsetzen. Während der Wind mir um die Haare wehte, und ich allmählich die Innenstadt in Richtung Queens verließ, genoss ich den facettenreichen Duft der Parklandschaft. Die hohen Bäume reckten sich dem Himmel entgegen und durchschnitten die glitzernden, fast brennenden Strahlen der hellen Sonne im Sekundentakt. Ich genoss diesen Augenblick und konnte spüren, wie der Fahrtwind meinen Zorn wegpfiff.

»Ich muss dich leider enttäuschen«, sagte Ira nach einiger Zeit. Ihre Stimme war dabei dünn und rissig, wie junges Eis, das von den ersten Sonnenstrahlen erwärmt wurde. »Viel kriege ich nicht über den raus.«

Fragend sah ich das Display meines Handys an. »Was heißt, nicht viel?«

»Fünfundzwanzig Jahre alt, wurde von Myrs und de la Crox persönlich in den Zirkel geholt, keine Adresse, keine Telefonnummer, keine Zeugnisse, kein psychologisches Profil. Vormals im Zirkel West tätig. In L.A. Aber auch da keine weiteren Informationen.«

Sie ratterte die Daten runter, genau, wie sie auf ihrem Bildschirm aufflimmerten.

»Ist auf direkten Befehl von da la Crox hierher kommandiert worden. Das war es. Sorry, Isabelle.«

Ich stöhnte nachdenklich. Dass wir uns unsere Mitarbeiter selbst aussuchten, war ein ganz normaler Vorgang. Schließlich waren Hexen auf dieser Welt rar gesät und es waren pro Jahrgang in Amerika nicht einmal einhundert, die von uns ausgewählt wurden. Natürlich gab es weder eine Webseite noch eine Adresse, bei der man sich einfach so bewerben konnte, doch in der Regel wurde der potenzielle Kandidat mehrfach durchleuchtet.

»Ah, warte«, stieß Ira plötzlich hervor, anscheinend glücklich, doch noch etwas gefunden zu haben. »Du wirst es nicht glauben, aber allem Anschein nach ist der kleine Soldat doch kein unbegabter Reaper, der nur mit großen Waffen umgehen kann.«

Ich steuerte meinen Wagen bereits auf die großzügige Einfahrt, während ich wie gebannt ihrer Stimme lauschte.

»Seine magischen Fähigkeiten, sein gesamter Werdegang, einfach alles ist zur absoluten Verschlusssache erklärt worden. Da kommst nicht einmal du dran. Obwohl du mittlerweile Sicherheitsoffizier bist, sonder nur ...«

Ich vollendete den Satz meiner Freundin, während ich bereits meine Handtasche nahm und mit zusammengebissenen Zähnen in den Rückspiegel blickte.

»... die Chefinnen der Zirkel.«

Wie jedes andere Land mit großen Zirkeln, war auch Amerika in vier Divisionen aufgeteilt. Vier Chefinnen in diesem Land hatten also Einsicht in seine Akte. Was konnte so wichtig an ihm sein, dass nur die oberste Führungsriege seine Daten wissen durfte? Dass er kein ganz normaler Reaper war, mit minderen magischen Fähigkeiten, war mir spätestens bewusst, als er in meine Gedanken eingedrungen war. Doch wie gut konnte er wirklich sein?

Als die Wohnungstür sich geräuschlos öffnete und den Blick in mein Appartement freigab, die Kühle mir entgegenströmte und zärtlich über mein Gesicht fuhr, wurde mir schlagartig bewusst, dass ich in wenigen Stunden bereits meine Arbeit in der Nachtschicht wieder aufnehmen musste. Doch ich konnte nicht anders, als an den immer geheimnisvoller werdenden Mann zu denken, dessen dunkle Augen mehr Fragen aufwarfen, als mir lieb war. An diesem späten Nachmittag kuschelte ich mich in die herrlich kühlende Seidenbettwäsche und meine Gefühle überschwemmten mich. Hass und Unverständnis vermischten sich wie die Farben auf einem Bild mit Lust und Begierde. Zu unreal schien dieses Gefühl zu sein, zu unwirklich diese Gedanken, die meinen Geist nicht zur Ruhe kommen lassen wollten. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich Gedanken nicht lesen, nicht wissen, was dieser Mann fühlte, was er dachte und was er begehrte. Doch was noch schlimmer war: Zum ersten Mal konnte ich etwas, das ich unbedingt wollte, nicht haben – und genau das machte mich wahnsinnig!

Erst die Arbeit ...

In den ersten Augenblicken, in denen man erwacht, ist alles gut. Die Bettwäsche lag wie eine schützende Hülle über meinem entspannten Körper und hatte genau die richtige Temperatur, um mich einfach weiterschlafen zu lassen. Meine Atmung war ruhig und der undurchsichtige Schleier, der mich beim ersten Augenaufschlag umgab, hatte etwas Besinnliches. Und dann erwachte der Geist. Unbarmherzig schlägt der Kopf mit aller Macht zu und verdrängt alles Schöne und Angenehme mit den verschlingenden Überlegungen, welche man im Schlaf vergessen konnte.

Es war bereits kurz vor Dienstbeginn, als ich aus der Dusche stieg. Durch die feuchten Nebelschwaden suchten meine Finger ein Handtuch, das ich mir mit geschickten Griffen um die Haare schlang. Der Spiegel war beschlagen. Meine Zukunft schien wie dieses Spiegelbild. Ich wusste, dass ich es bin, aber mein Antlitz selbst war hinter dieser undurchsichtigen Wand verborgen.

Ich hatte genug. Mit schnellen Zügen wischte ich über den Spiegel, spürte die Feuchtigkeit an meiner Hand und sah mir selbst in die Augen. Im weißen Schein drang das helle Grün, das mich anfunkelte, noch mehr durch. Wie bei einem exotischen Frosch oder den frühen Bildern von Monet stach es mir entgegen.

Wortlos schrie ich mich selbst an, fixierte mich und brachte mich selbst wieder zur Raison.

Reiß dich zusammen, Isabelle. Es gibt Wichtigeres, als diesen Typen.

 

Mehrmals atmete ich dabei aggressiv, als müsste ich der jungen Frau im Spiegelbild Angst einjagen. Mein Gesicht ging wie von selbst nach vorn, sodass ich die Kühle des Glases ganz nahe spüren konnte.

Scheiß auf ihn! Konzentriere dich auf deine Arbeit. Du bist jetzt Sicherheitsoffizier, hast die Verantwortung für den Zirkel und die jungen Hexen ...

Meine eigene Ansprache wurde von Britney Spears »Circus« unterbrochen, das von meinem Handy im Wohnzimmer ertönte. Nur mit dem Handtuch auf dem Kopf tappte ich durch die Wohnung und nahm das Telefonat entgegen.

Ohne Umschweife oder den Ansatz einer Begrüßung feuerte meine Chefin los. Eigentlich nicht ihre Art, aber es schien jetzt bereits im Zirkel hoch her zu gehen.

»De la Crox am Apparat. Haben Sie noch ihre Kontakte, Miss Ashcroft?« Wenn sie ihre Anrede so wählte, war sie nicht allein.

»Ja, Madame.«

»Befragen Sie sie!«

»Ja, Madame.«

»Und Miss Ashcroft ... Passen Sie auf sich auf!«

»Ja, Madame.«

Keine Zeit für Geplänkel. Ihre Stimme war seltsam angespannt, als ob ihr die absolute Sicherheit fehlen würde, das Problem in dieser Nacht bewältigen zu können. Das Telefonat bestätigte meine Vermutungen und machte mir auf unmissverständliche Weise klar, dass dieser Nikolai doch kein Wald- und Wiesendämon war und dem Zirkel mehr Ärger bereiten konnte, als de la Crox zugeben wollte.

Schnell warf ich mich in die Uniform und legte ein dezentes Make-up auf. Ich entschloss mich dazu, meine Haare erst zu föhnen, dann in einen lockeren Zopf zu binden. Bevor ich die Wohnung verließ, noch etwas Parfüm – ein wenig hinter die Ohren und auf den Venushügel. Schließlich war es sozusagen eine Dienstanweisung, Informationen zu besorgen.

Die Nacht hatte den Tag beinahe abgelöst. Golden und wunderschön war ihr orangefarbener Kampf, den die Menschen Dämmerung nannten, entbrannt. Wobei der Sieger, wie an jedem Abend, der Gleiche war. Auch die Hitze war einer wohligen Wärme mit einem leichten Wind gewichen, der eine angenehme Brise in die Stadt hereintrug.

***

Als mein Wagen aufheulte und ich mir den Weg in die City bahnte, ging ich im Kopf die weitere Vorgehensweise des Abends durch. Die Ankunft eines so mächtigen Dämons wie Nikolai dürfte hohe Wellen geschlagen haben. Die Frage war nur, wer war mutig oder dumm genug, mir irgendetwas zu erzählen, was der Zirkel mit seinen unzähligen Quellen und Spionen noch nicht wusste. In jeder größeren Stadt gab es eine gewisse Anzahl von harmlosen Dämonen, die von uns toleriert wurden. Dann gab es solche, die auffielen und Ärger machten, das waren die Gefährlichen, um die sich der Zirkel so schnell wie möglich kümmern musste, damit die Menschen mit ihrem kleinen Seifenblasenleben weitermachen konnten. Und dann gab es Dämonen, wie dieser Nikolai einer war. Solche, die nicht auffielen, aber richtig viel Ärger machten. Es waren nicht die Wasserdämonen, die nachts aus dem Hudson krochen und Hunde unter Wasser zogen. Es waren auch nicht die lächerlich überschätzen Vampire, die ab und zu mal einen Obdachlosen rissen. Richtig gefährlich waren Dämonen, die im Hintergrund arbeiteten und ganze Armeen auf die Beine stellten.

Was hatte dieser Nikolai an sich, das meine Chefin, bei der sonst Eis durch die Adern floss, mich auf einmal mit zitternder Stimme warnen ließ? Nun, ich sollte dieses schleunigst herausfinden, doch meine erfolgversprechendste und auch angenehmste Adresse sollte ich mir für den späten Abend aufheben. Vielleicht war mein Kontakt dann etwas betrunkener und redseliger. Aber erst die Arbeit ...

***

Dass die schlechten Bezirke früher am Hafen waren, lag an den billigen Arbeitskräften, die dort hausten und die meiste Zeit auf See verbrachten. Ironischerweise hatte die Entwicklung in der Neuzeit einen genau umgekehrten Verlauf genommen. Die Upper West Side war nun die Topadresse mit Bars, schicken Büros und teuren Wohnungen, die sich an den Verlauf des Hudsons schmiegten.

Als ich meinen Wagen am Rande des Flusses abstellte, rauschte das Wasser gurgelnd vorüber und schickte mir seinen typisch maritimen Duft über die Brüstung. Auf einmal erfasste mich wieder ein Gefühl, eine Ahnung, etwas Unbehagliches, als ob mein Körper mir ein Signal senden würde, das ich nicht zuordnen konnte. Mehrmals ließ ich meinen Blick über die jugendlichen Partygänger oder die älteren Bummler schweifen. Nichts Ungewöhnliches, nur Leute, die den Abend begannen oder beendeten. Doch vor allem waren es nur Menschen. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst und ging auf das Gebäude zu.

Die Außenfassade des Altbaus strotzte mir entgegen, während ich an den typischen roten Backsteinen hochsah. Nur wenige konnten es sich leisten, hier eine Wohnung mit traumhaftem Blick über das Wasser und den naheliegenden Stadtgärten zu kaufen – einer davon war nicht menschlich und genau dieser war mein Ziel.

Ich machte mir gar nicht erst die Mühe zu klingeln, sondern öffnete die eisenbeschlagene Tür mit einem Entriegelungszauber. Während der Aufzug mich in die oberen Etagen brachte, betrachtete ich mein Spiegelbild und musste den Gedanken des Unbehagens ein weiteres Mal verdrängen. Wie bereits heute im Bad fühlte ich mich einfach nicht wohl in meiner Haut, als würde mein Herz gleichzeitig langsamer und schneller schlagen wollen. Ich legte meine Haare sanft über die weiße Bluse.

Auch an der Wohnungstür missachtete ich die Gebote der Höflichkeit und ging einfach in den Wohnraum. Der Eingangsbereich war erfüllt von leichten, raschelnden Geräuschen und leisem Fluchen. Still schlich ich über den teuren Teppich und betrachtete die stilvolle Einrichtung des Besitzers, bis ich beim Türrahmen des Schlafzimmers angekommen war. Gespannt hielt ich inne und ließ die Laute auf meine Sinne wirken.

»Verdammter Mist ... Das brauche ich ... Oder doch nicht. Vielleicht das ... Scheiße! ... Passt das?«

Amüsiert zogen sich meine Mundwinkel nach oben und ich ging einen Schritt nach vorn. Sofort fiel mir die Unordnung im Zimmer auf. Überall lagen Kleidungsstücke, halb gefüllte Koffer und Käfige verstreut. Die Kadaver von Kaninchen bildeten einen unnatürlichen Kontrast zu dem nussbraunen Parkettboden. Von einigen war nur noch der Kopf übrig, bei anderen wiederum schien es, als hätte jemand ein Stück aus ihnen herausgerissen und sie dann qualvoll verbluten lassen. Dazwischen keuchte ein dicklicher, kleiner Mann mit Halbglatze und hochrotem Gesicht, während er extravagante Anzüge in einen viel zu kleinen Koffer zu stopfen versuchte. Es stank bestialisch und ich musste mir selbst befehlen, nicht einige Schritte zurückzufallen.

»Verdammter Mist ... Warum passt der Scheiß denn ...«

Mein Blick streifte jedes einzelne tote Tier und heftete sich, so durchdringend wie Feuer, auf den Mann.

»Störe ich, Creepy?«

Der spitze, beinahe weibische Schrei durchzog den gesamten Raum und der kleine Mann stürzte in die hinterste Ecke der Wohnung. Aus seinem eben noch vor Anstrengung brennenden Gesicht war die Farbe gewichen, als er sich an die Brust fasste und nach Luft japste.

»Der Zirkel, oh Gott, ich dachte, oh Gott ...«

Mit gekreuzten Armen ging ich auf ihn zu. Sein fettes Gesicht glänzte und aus jeder Pore schien er zu schwitzen.

»Wen hast du denn erwartet?«

Augenblicklich lachte er mir mit einem breiten Grinsen entgegen, als er sich mehrmals die Handflächen am gelben Countryhemd abrieb.

»Ich? Niemanden! Wieso?«

Mein Blick fuhr über die Kleidungsstücke am Boden.

»Du willst verreisen?«

»Urlaub«, sagte er langgezogen und mit zittriger Stimme. »Hin und wieder muss man sich das mal gönnen, findest du nicht, Isabelle?«

Ich nickte beiläufig. Wir wussten beide, dass dies nur ein Spiel war und er die ersten Bälle geschlagen hatte, jetzt kam es auf meine Konter an.

»Ich dachte, die Geschäfte laufen gut, warum haust du denn ab?«

Seine Finger griffen tippelnd ineinander.

»Ach, weißt du, jeder braucht mal ’ne Pause.«

Ich schwieg und griff nach dem einzigen Käfig, in dem sich noch etwas bewegte und ein besonders junges Kaninchen sich ängstlich in eine Ecke gekauert hatte. Die Nase dieses Geschöpfes wippte so schnell auf und ab, dass ich nur ahnen konnte, was es gerade durchmachte, denn mir war sein Schicksal durchaus bewusst. Creepy gehörte zu einer besonders widerwärtigen Art von Schlangendämonen, die es auf groteske Art und Weise zu etwas gebracht hatten. Eigentlich harmlos, doch diese Art konnte sich in eine riesige Wasserschlange verwandeln. Kiloweise Drogen konnten im Schlund dieses Tieres unbemerkt ins Land gebracht werden. Deswegen war die Wahl seiner Wohnung, direkt am Hudson River, bestimmt kein Zufall. Der Zirkel ließ ihn gewähren. Was sind schon ein paar Drogen im Vergleich zu den Informationen, die er lieferte. Mit seiner Hilfe hatten wir ein paar Halbwesen des unteren Bodensatzes töten können. Mörder und Vergewaltiger, der letzte Abschaum der Dämonenwelt. Dafür durfte er mehr oder weniger unbehelligt seine Geschäfte führen. Manchmal musste man eben das kleinere Übel wählen.

Mit meinen langen Fingernägeln öffnete ich schnell den Käfig und nahm das kleine Fellknäuel auf den Arm.

»Und was ist mit dem Süßen hier, möchtest du es etwa auch zurücklassen?«

Sein Blick schoss auf das weiße Kaninchen, dass ich schützend im Arm hielt.

»Ich hole mir auf der Fahrt etwas zu essen«, entgegnete er so schnell wie möglich. »Laufen ja viele von den Dingern rum in diesem Sommer.«

Hitzig sah ich ihn an und legte so viel Abscheu in meinen Blick, wie es mir möglich war. »Du bist ekelhaft.«

Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. »Jeder tut, was er kann, Babe.«

Babe? Wollte er mich verarschen?

»Pass auf, was du sagst, Schlange. Für dich immer noch Isabelle. Sag mir lieber, was du über Nikolai weißt.«

Creepy schüttelte heftig mit dem Kopf, als wolle er den Gedanken an ihn so schnell wie möglich loswerden, als wäre er eine Krankheit, vor der man sich schützen müsste. Dazu kicherte er mit seiner hohen, durchdringenden Stimme und hielt sich eine Hand vor dem Mund.

»Nikolai, der Herrscher? Bist du nicht etwas zu alt für solche Märchen? Ein Sohn des Teufels? Ich bitte dich, Isabelle.«

Behutsam legte ich das kleine Kaninchen zurück in seinen Käfig und schloss die Tür.

Creepys Blick blieb an dem Tier haften und neigte sich zu Boden, während er seine Lippen mit der spitzen, gespaltenen Schlangenzunge benetzte und ein zischendes Geräusch ausstieß.

»Alles Märchen, damit böse, kleine Hexen zu Hause bleiben und sich nicht in Dinge einmischen, von denen sie keine Ahnung haben.«

Sofort schoss ich auf den dicklichen Mann los und formte noch in der Luft einen Feuerball, der fackelnd in meiner Hand lag, und den ich gefährlich nahe an sein Gesicht heranführte. Die rote Glut leuchtete seine Augen völlig aus und die vormals weiße Haut schien nun orange zu pulsieren. Mit der einen Hand griff ich grob nach seinem Hemd und zog ihn noch etwas näher an mich heran. Innerhalb von wenigen Herzschlägen schoss Panik in sein Gesicht und glänzte im Schein der Flamme.

»Es tut mir leid, wenn ich den Eindruck erweckt habe, dass mir deine Meinung wichtig ist. Und jetzt will ich etwas über Nikolai wissen!«

Verschreckt zuckte er zusammen und hielt meinem Blick nur unter größter Mühe stand.

»Rede mit mir, Creepy!«, fauchte ich lauter.

Durch meine Adern floss nun Zorn und Wut, dann erspähte ich im Augenwinkel einen Schatten. Nur ganz leicht, als hätte ein Windhauch einen Vorhang erfasst, aber genug, um meine Aufmerksamkeit zu erregen. Langsame, unbeholfene Bewegungen gingen von der Tür aus. Dann roch ich Ton. Golem!

Diese willenlosen Kreaturen ... Einmal erschaffen von ihrem Meister, dienten sie ihm bis in den Tod. Starken Beschwörern war es sogar möglich, ihnen Menschengestalt zu geben, nur im Kampf verwandelten sie sich in die künstlich gebildeten Wesen. Sofort drang mir der Geruch von frischem Lehm in die Nase. Mit einem tiefen Grunzen kamen ihre tönernen Schritte auf mich zu. Es dauerte nur Sekunden, bis sie ihre menschliche Gestalt abgelegt hatten. Mit leerem Blick griff der Erste nach mir. Nur unter größter Mühe konnte ich Creepy einen Tritt in die Magengegend verpassen und mich unter dem Schlag der Gestalt wegducken. Im Flug schleuderte ich den Feuerball gegen die hünenhafte Brust des Golems. Doch bei einem Wesen, das aus Feuer und Lehm gefertigt wurde, zeigte mein Zauber natürlich nur geringfügige Wirkung. Immerhin hatte ich Zeit, um mich aufzurichten und meinen Verstand nach den richtigen Sprüchen zu durchsuchen. Creepy kroch auf allen vieren in Richtung Tür.