Tasuta

Die HexenLust Trilogie - Wie alles begann | Erotischer Roman

Tekst
Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Er ist zurück!«, schrie Creepy voller Verzückung mit hoher Stimme. »Der Herrscher ist zurück und niemand wird ihn aufhalten. Hörst du, Hexe? Niemand!«

Hastig kroch er um die Ecke und stürzte aus der Wohnung heraus. »Ihr werdet sterben! Alle werdet ihr sterben!«

Seine Stimme hallte in der weitläufigen Wohnung wider, als der Golem sein tönernes Antlitz auf mich richtete und die riesigen Hände drohend ausstreckte.

Ich vollführte eine ausladende Handbewegung und schoss zwei Feuerbälle auf die Angreifer. Meine Gedanken rasten.

Was war nochmal der Zauber gegen einen Golem? Wassermagie? Bestimmt nicht. Windattacken? Blödsinn.

Hätte ich nur in den anderen Unterrichtsfächern so gut aufgepasst wie in Feuerkunde, wäre ich nicht in dieser misslichen Lage. Ein Golem holte mit seiner Pranke aus, doch ich konnte mich unter seinen Beinen wegrollen. Als mir ein weiteres Mal dieser bestialische Gestank in die Nase drang, fiel es mir wieder ein. Lehm und Ton – Erdzauber!

Auf den Knien und mit zusammengekniffenen Augen legte ich beide Hände flach auf den Boden. Meine Lippen formten die Worte der Beschwörung schnell und lautlos. Ich spürte, dass meine Haare mir im Gesicht hingen, als die Erde unter meinen Füßen leicht erbebte. Das ganze Gebäude schien sich zu bewegen, während meine Fingernägel langsam ins Erdbraun abglitten. Als hätte ich sie tief in Schlamm getaucht, zog es sich nun auch zu meinen Händen hin, dann griff es auf meine Arme über. Ich fühlte, wie die gesammelte Macht der Erde durch mich strömte, spürte ihre uralte Kraft. Der Zauber kostete Kraft – viel Kraft. Immerhin waren wir in der fünften Etage und über diese Distanz die Kraft der Erde zu sich zu ziehen, bedeutete, dass man unzählige Meter überbrücken musste. Wütend biss ich die Zähne aufeinander und konzentrierte mich noch mehr, sah aber auch, dass die beiden Lehmgestalten auf mich zuschritten.

In dem Herzschlag, wo sie zu einem ihrer vernichtenden Schläge ausholten, warf ich den Erdzauber auf die Angreifer. Ohne auch nur einen Schrei von sich zu geben, zerfielen sie zu Staub und Sand. Dreck spritzte in alle Richtungen des Raumes. Noch kurz wanden sie sich und schlugen wild im Schlafzimmer umher. Man hätte meinen können, dass sie für einen kurzen Wimpernschlag so etwas wie Schmerzen empfinden konnten, dann lagen vor mir nur zwei große Haufen trockener Erde.

Atemlos spähte ich zur Tür. Creepy war entkommen und längst über alle Berge. Ächzend richtete ich mich auf, wollte mir durch die Haare fahren. Doch im nächsten Moment entdeckte ich meine von Schlamm beschmutzten Hände.

Großartig! Und ich war erst vor ein paar Tagen im Nagelstudio gewesen. Ich betrachtete mein Gesicht in der Spiegelwand des großen Wandschrankes. Es war übersät von dunklen Spritzern. Im Bad wusch ich mich notdürftig, ließ dabei meinen Gedanken freien Lauf.

Auch wenn Creepy ein nicht unbedingt gefährlicher Dämon war, hatte er es doch zu etwas gebracht. Aber wer würde ein ungefährliches Halbwesen wie ihn beschützen wollen, dessen einzige Fähigkeit darin bestand, sich in eine Schlange zu verwandeln? Die Worte, die er rief, als er mit einem schrillen Lachen aus der Wohnung gestürzt war, hallten mir im Kopf wider. »... er ist zurück!«

Anscheinend waren de la Croxs Bedenken mehr als gerechtfertigt. Nachdem ich meine Hände trockengerieben und mehr schlecht als recht gereinigt hatte, rief ich in der Zentrale an und meldete den Vorfall. Alles wurde akribisch protokolliert, man würde ein Reinigungsteam schicken, das die Wohnung säuberte und darauf achtete, dass die Menschen neue Erinnerungen erhielten, falls jemand etwas von dieser kleinen Auseinandersetzung mitbekommen hatte. Auch wenn die Hexen in der Reinigungsabteilung äußerst gut im Manipulieren von Gedächtnissen waren, war Madame de la Crox doch alles andere als begeistert, wenn sie angefordert wurden. Wenn es nach ihr ging, würden alle Einsätze mit höchster Diskretion durchgeführt werden. Zumindest wurde sie nicht müde, dieses bei jeder Lagebesprechung zu betonen.

Ein Geräusch im Schlafzimmer riss mich aus meinen Überlegungen. Hastig lugte ich um die Ecke. Zwischen den beiden Erdhügeln und der von Dreck bespritzter Kleidung Creepys raschelte es irgendwo. Ich spähte durch den Raum, bis ich wieder das winzige Geräusch vernahm. Sofort fiel ich auf den Boden und blickte unter das Bett. Tatsächlich!

Zwischen einigen Staubschichten kauerte ein kleines, weißes Fellknäuel. Anscheinend hatte sich im Trubel sein Käfig geöffnet und es war hierhin geflüchtet. Mit hoffnungsvoller Naivität streckte ich die Hand aus. Zuerst machte es keine Bewegung, doch irgendwann drehte es das zuckende Näschen und hoppelte zaghaft auf mich zu. Mehrmals beschnupperte es meine Hand, bis ich es zärtlich greifen und auf den Arm heben konnte. Sofort kuschelte es sich an meine Bluse. Irgendetwas musste ich an mir haben, dass es mir sofort sein Vertrauen schenkte. Im selben Moment war mir das Schicksal des kleinen Tieres bewusst, wenn das Reinigungsteam hier eintraf. Ich rümpfte kurz die Nase, fackelte nicht lange und verließ mit dem Kaninchen und seinem großräumigen Käfig die Wohnung.

Die Nacht war nun über die Stadt hereingebrochen, als ich auf die Straße trat. Was für ein interessantes Bild ich abgeben musste. Mit dunklen Dreckspritzern übersät ging ich zu meinem schwarzen SLK und setzte meinen neuen Begleiter auf dem Beifahrersitz ab.

Da war es wieder! Dieses ungute Gefühl, diese aufkommende Unsicherheit. Während ich vorsichtig die Beifahrertür schloss, drehte ich mich um und spähte ins Schwarze. Es musste nun zweiundzwanzig Uhr durch sein. Überall waren Menschen – auf dem Weg zur nächsten Party oder Pärchen, welche die glitzernde Oberfläche des Wassers genießen wollten.

Der zunehmende Mond spiegelte sich leicht wiegend im Hudson, doch ich konnte auf der Straße nichts ausmachen, was meine Empfindungen erklären würden. Ich wandte meinen Blick nach oben. Keine Ahnung, warum Vampire, diese hässlichen, stinkenden und total überbewerteten Wesen, immer die Dächer für ihre nächtlichen Trips benutzten, aber auch dort war niemand zu sehen.

Die George-Washington-Brücke war hell erleuchtet und thronte über dem Fluss. Ich musste meinen Blick verschärfen, als ein heller Punkt dort herausstach. Ein junger Mann in einem weißen Hemd und noch helleren Haaren schien mich zu fixieren. Von ihm ging eine unheimliche Anziehung aus, deren Wirkung ich mir nicht erklären konnte. Es war, als würde er mit mir durch ein unsichtbares Band sprechen und mich zu ihm hinziehen. Wir standen keine einhundert Meter auseinander, doch aus irgendeinem Grund vermochte er, mir tief in meine Seele zu blicken. Er traf dort einen Teil, den ich nur allzu gern vor mir selbst verbergen würde. Er schien Sachen zu sehen, die ich mir selbst nicht eingestehen wollte. Ein Schauer lief über meinen Rücken und zauberte eine Gänsehaut. Für einen Moment schien die Welt stillzustehen und während dieses Herzschlages war ich bei ihm auf der Brücke. Ich konnte den Duft seiner Haut atmen, ihre Wärme spüren. Mein Verstand verlor sich in seinen Augen. Er nahm mein Gesicht in beide Hände, kam mit den Lippen ganz nahe an meine. Ich wollte ihn küssen, seine Hände berühren. Langsam schloss ich die Augen ...

Irgendwo krachte eine Bierflasche und lenkte meine Aufmerksamkeit nur für eine Sekunde von der Person ab. Doch als sich mein Blick wieder auf die Brücke richtete, war er verschwunden. Ich hatte mit meinen vierundzwanzig Jahren schon einiges in der magischen Welt erlebt, aber so etwas war selbst mir noch nicht untergekommen. Ich zog die Nase hoch, sah mich noch einmal um und stieg schließlich in meinen Wagen ein. Es war Zeit für den angenehmen Teil des Abends, den ich mir – gelinde gesagt – auch verdient hatte.

... dann das Vergnügen

Ohne große Eile steuerte ich meinen Wagen in Richtung Midtown. Meine Gedanken malträtierten mich noch einige Minuten, dann wischte der Fahrtwind meine Bedenken beiseite. Obwohl tagsüber brütende Hitze über der Stadt lag, wehte nachts eine kühle Brise und ich schloss das Wagendach. Auf der 5th Avenue waren die Massen bereits in Bewegung. Die Prunkstraße präsentierte sich in festlichem Gewand, als ich das Flatiron Building passierte. Ich schmunzelte in mich hinein, als mir Trivialwissen zu dem Bügeleisengebäude einfiel. Die aerodynamische Form des Gebäudes führte dazu, dass sich in den Straßen starke Luftströmungen bildeten. Frauen mussten daher aufpassen, dass ihre Röcke nicht hochgeweht wurden. Es heißt, dass in den frühen Tagen des Gebäudes Männer extra zu dem Gebäude kamen, um den damals seltenen Anblick unbedeckter Frauenbeine erhaschen zu können. Mittlerweile brauchten sie das nicht mehr, nackte Frauen gab es im Internet zuhauf und sie gingen lieber direkt auf die Jagd.

Ich ließ meinen Blick schweifen. Die Menschen suchten sich laut johlend einen guten Platz in der Bar oder der nächstgelegenen Diskothek. Früher saß ich mit ihnen oft da. Doch heute Abend war dies nicht mein Ziel.

Zum Glück entdeckte ich eine freie Parklücke auf der breiten Straße. Doch meine Freude war nur von kurzer Dauer. Gerade als ich den Blinker setzen wollte, schoss ein dicker Audi heran. Leider war ich heute nicht für solche Scherze aufgelegt und flüsterte einen Zauber.

Doch nichts passierte. Keine Magie durchströmte meinen Körper und der Audi war bereit zum Einparken. Im nächsten Moment bemerkte ich, wie erschöpft ich eigentlich noch immer von diesem mächtigen Erdzauber war. Ich musste mich stark konzentrieren, um tief in den Geist des Fahrers einzudringen und ihm zu suggerieren, dass die Parklücke nicht frei war. Er würde zwar in den nächsten Minuten ein ziemlich kontroverses Gespräch mit seiner weiblichen Begleitung haben, doch das sollte nicht meine Sorge sein. Als hätte er es sich im letzten Moment anders überlegt, setzte er zurück und fuhr weiter.

 

Müde, aber zufrieden, atmete ich durch. Ich sollte wirklich mit meiner Magie besser haushalten. Ruhig versuchte ich rückwärts einzuparken, was mir vollends misslang. Die anderen Verkehrsteilnehmer standen bereits in einer kleinen Schlange hinter mir, als ich den Benz schließlich doch mit der Schnauze voran in die Lücke gleiten ließ. Ich hasste es, wenn ich solche Chauvi-Klischees auch noch erfüllte.

Meinen neuen, flauschigen Freund ließ ich für diesen Moment im Stall, streichelte ihn durch die Öffnung mehrmals über seine eng anliegenden Ohren.

»Bin gleich wieder da, Sweety.«

Ich stieg aus. Mir schlug die frische Luft ins Gesicht und ich ließ meinen Blick schweifen. Prada, Chanel, Hugo Boss – eine nach der anderen reihten sich die Edelboutiquen aneinander. Ich schaute in die Schaufenster und schrieb mir ein paar himmlische Kleider auf meine interne Wunschliste. Endlich entdeckte ich den kleinen Antiquitätenhändler in der 5th Avenue, Nr. 500 im Erdgeschoss. Zwischen all den Hochglanzgeschäften wirkte er hier fehl am Platz. Besonders, weil die Fassade urig wirkte, fast alt, als hätte man den Laden aus dem 19. Jahrhundert herausgerissen und hier aufgestellt.

Mein Mundwinkel zog sich amüsiert nach oben, als ich bemerkte, dass ich damit wahrscheinlich gar nicht so falsch lag. Ich sollte wissen, dass die bemalten Teller, die verschnörkelten Tassen und die antiken Bücher nicht wirklich das Tagesgeschäft ausmachten. Kein Name prangte über dem Geschäft, jedoch brannte innen noch Licht und ich trat ohne zu klopfen einfach ein. Eine Klingel kündete von meinem Erscheinen.

»Einen Moment!«, ertönte eine sanfte Stimme aus dem hinteren Teil des Raumes. Er war wahrscheinlich wieder in einem seiner dicken Wälzer versunken, übersetzte gerade etwas auf Altaramäisch oder wickelte seine Geschäfte ab, dachte ich und lenkte meinen Blick auf die Nachbildung eines Dolches. Auf einem kleinen Schild unter der Waffe stand in alter Schrift: »Saladin, der siegreiche Herrscher«. Ich ging in die Knie, um die Klinge genauer unter die Lupe zu nehmen und in diesem Moment wurde mir klar, dass dieser Dolch tatsächlich dem großen Feldherrn gehört haben musste. Zuzutrauen wäre es Bashir. Immerhin war es nicht das erste unbezahlbare Artefakt, welches über Umwege den Weg in seinen Laden geschafft hatte und wofür er astronomische Summen verlangen konnte.

»Guten Abend, Isabelle.«

Tatsächlich. Er erschien mit einem dicken Buch im Arm.

»Hallo Bashir«, sagte ich und strich mit dem Finger über eine uralte Porzellanspieluhr.

»Ich hatte damit gerechnet, dass du mir heute Abend noch einen Besuch abstatten wirst.«

Vielleicht war das eine der Eigenschaften, die mich schon immer an ihm gereizt hatte, neben seiner Intelligenz, des messerscharfen Verstandes und seiner Belesenheit. Natürlich, wenn man schon Hunderte von Jahren lebte, konnte man einiges an Wissen anhäufen. Jedoch brachte niemand dieses auf eine charmantere Art rüber als Bashir. Er war bestimmt kein Bad-Boy, hatte noch die Zeit miterlebt, als Ritter voller Edelmut strotzten und Burgfräulein retteten. Wenn nur alle Männer einen Bruchteil von seinen Eigenschaften hätten, dann hätten wir Frauen gar nichts mehr, worüber wir meckern könnten.

»Du möchtest etwas über die vier Brüder wissen.« Langsam schritt er auf mich zu, der Rollkragenpullover spannte ein wenig über seinem muskulösen Oberkörper. Die dunklen, schulterlangen Haare hatte er zurückgekämmt und mit ein wenig Haarwasser gebändigt. »Und du möchtest etwas über Nikolai erfahren, willst zwischen Wahrheit und Fiktion, zwischen Realität und Gerücht unterscheiden können«, sagte er ruhig und mit amüsiertem Unterton.

Ich nickte wortlos.

Er bedachte mich mit einem verstehenden, umwerfenden Lächeln. Normale Menschen würden ihn vielleicht für einen sehr attraktiven Mittdreißiger mit jugendlichen Gesichtszügen halten. Ich wusste es besser, obwohl sein richtiges Alter auch mir verborgen blieb und er sein wahres Geburtsjahr verheimlichte wie einen kostbaren Schatz.

»Darf ich fragen, liebe Isabelle, ob du heute den Garten umgegraben hast?«

Jeden anderen hätte ich mit einer Druckwelle an die nächste Wand geschleudert. Doch nicht Bashir. Ich grinste verlegen.

»Ich hatte ein wenig Stress mit Golem-Dämonen.«

Er ging in die kleine Teeküche, reichte mir ein warmes, duftendes Handtuch, womit ich mein Gesicht reinigen konnte. Er liebte diese kleinen Extravaganzen des Lebens. Teuren Scotch, exquisite Zigarren, feinste Anzüge und glänzende Oldtimer. Natürlich war dieses kleine Ladenlokal nur eine Deckadresse, sein Refugium. Im Hintergrund florierte der Handel mit magischen Artefakten und das schon seit Jahrzehnten, wenn nicht noch länger.

»Ja, Golem sind widerspenstige Kreaturen.« Bashir fuhr sich nachdenklich über sein glattrasiertes Kinn. »Zumindest, wenn man nicht ihr Meister ist. Darf ich dir etwas zu trinken anbieten?«

Dabei deutete er mit einer einladenden Geste in die Ecke des kleinen Ladens, wo sich zwei herrlich gemütliche Sessel vor einer Wand aus unzähligen Büchern präsentierten.

»Oh ja, bitte«, hauchte ich ohne Stimme und warf mich auf eine der Sitzgelegenheiten. Der Kampf hatte doch mehr Spuren hinterlassen, als ich zugeben wollte. Ein dumpfer Schmerz hämmerte zwischen meinen Ohren, sodass ich mich abstützen musste und meine Schläfen rieb. Wenn man zu viel Magie einsetzte, war diese Art der Überanstrengung nicht selten bei Hexen. Ich konnte tatsächlich einen Drink vertragen. Nach einiger Zeit kam er mit einer Flasche zurück, die aussah, als hätte sie beide Weltkriege überlebt. Er bestätigte meinen ersten Eindruck.

»Ein The Glenlivet aus dem Jahr 1886«, erklärte Bashir, als könne er meine Gedanken lesen, während er die bernsteinfarbene Flüssigkeit in zwei Gläser goss.

»Es ist eine der letzten sieben Flaschen.«

Mit einem genüsslichen Lächeln schwenkte er das Glas vor seiner Nase.

»Der rauchige Geschmack nach Eiche, vollkommen der aufsteigende Duft, ein temperamentvoller Anstieg der Gier, welche sich nach dem ersten Schluck ins Unermessliche steigert.«

Er wollte, dass ich ebenfalls diese formvollendete Zeremonie durchführte. Doch ich tat ihm diesen Gefallen nicht, brauchte ich doch nur etwas, um die Schmerzen zu betäuben.

»Cheers!«

Mit einem herausfordernden Lächeln kippte ich einen großen Schluck hinunter. In diesem Moment konnte man den Altersunterschied von mehreren Hundert Jahren aufs Deutlichste spüren. Doch während andere Dämonen altklug oder mit voller Arroganz auf uns junge Hexen herabsahen, hatte er mir sogar geholfen, in dieser Welt voller Magie klarzukommen. Als ich als neunzehnjährige Hexe zum ersten Mal allein hier ein Artefakt abholen musste, waren es nur zufällige Berührungen, die in einer Begegnung der besonderen Art mündeten. Doch dann wurden die Besuche häufiger und damit auch die Zärtlichkeiten. Hier ein verstohlener Blick, dort eine kleines Streicheln, das wie ein Versehen wirkte. Eines Nachts bin ich geblieben, von seiner Art so mystisch angezogen, dass ich ihm stundenlang dabei zuhören konnte, wie er mit einer unglaublichen Hingabe über vergangene Epochen redete. Irgendwann hatte ich seiner charismatischen Art nicht mehr länger widerstehen können. Man könnte sagen, dass er mich in die sexuelle Welt voller Magie eingeführt hat. War es anfangs ein Fehler, der mir so viel Angst und so viele Fragen bereitete, wurde daraus eine Affäre und schließlich Freundschaft. Meine einzige Liebschaft, die über Jahre hielt. Schließlich war der Sex mit ihm, nun ja ... Also, Bashir war ein Duplikator und konnte sich so oft spiegeln, wie es seine Kraft erlaubte. Was für wunderbare Möglichkeiten sich einem da boten ...

»Leider kann ich dir nur das berichten, was du sowieso schon weißt«, eröffnete er mir schließlich.

»Ach, komm schon, Bashir. Wenn einer etwas gehört hat, dann bist du es.«

Er ließ seinen Finger über den Rand des Glases kreisen, zog mich mit dunklen Augen in seinen Bann. Seine tiefe, sonore Stimme legte sich wohlig über meine Sinne. Bei ihm konnte ich wieder die kleine Hexe sein und vergaß, dass ich nun Sicherheitsoffizier war und damit eine riesige Verantwortung auf meinen Schultern ruhte.

Aber hier konnte ich auch weiterhin das kleine Mädchen sein, mich fallen lassen. Es war einfach eine Freude, ihm zuzusehen. Ein Mann, der sich zum Denken noch Zeit ließ. So reif, so erfahren, dass ich mich in seiner Gegenwart wohlfühlte und beschützt vorkam.

»Nikolai ist zurückgekommen, aber dessen seid ihr euch sicherlich bewusst. Niemand weiß, warum euer Bannzauber des ewigen Schlafs nicht gewirkt hat. Einfach so, wie Phönix aus der Asche, ist er wieder hier. Und er will Rache. Ich muss dir nicht sagen, dass er dabei besonders auf euch Hexen aus ist.«

Ich nippte an meinem Glas. »Hätte man ihm nicht einfach einen Dolch in das Herz rammen können?«

Mein Blick fiel auf Saladins Waffe, was Bashir damit kommentierte, dass er seine Stirn in Falten legte.

»So klug. So einfach. So wirkungsvoll. Aber man kann ihn nicht töten. Seine menschliche Gestalt würde sterben und aus der Hölle wieder auferstehen. Es wäre wirkungslos. Nein, der ewige Schlaf war eine weise Entscheidung.«

»Warum New York? Warum die Vereinigten Staaten? Sollte er sich nicht eigentlich am russischen Zirkel rächen wollen?«

Bashir beleckte seine Lippen, blickte mich an, als hätte eine Schülerin seinem Lehrer eine Frage gestellt, die er bereits beantwortet hatte.

»Isabelle, du musst wissen, dass Nikolai selbst direkt aus der Hölle kommt. Im ewigen Schlaf hatte er viel Zeit, seine Pläne zu schmieden. Glaub mir, er wird seine Rache einfordern. Aber anscheinend bist du mit der Geschichte nicht ganz vertraut.«

Er lehnte sich nach vorn, nahm meine Hand. Seine Finger waren so weich wie Seide. Es war, als würde ein elektrischer Stoß durch meinen Körper fahren. Bashir wusste genau, wie er eine Frau zu berühren hatte – wie er mich zu berühren hatte. Er streichelte zärtlich die Innenseite meiner Hand. Wie oft hatte ich seine Zärtlichkeiten schon genossen, wie oft war ich seinen Verführungskünsten ein ums andere Mal erlegen gewesen. Wie oft bin ich trotzdem wieder hierhergekommen, weil ich eigentlich genau das wollte ...

Ich mahnte mich zur Konzentration und Vernunft, wollte stark bleiben. Dieser Auftrag war einfach viel wichtiger, als mich meinen eigenen Gefühlen hinzugeben. Nicht heute, Bashir. Bitte, nicht heute.

»Was soll das bedeuten?«

Seine Worte waren nicht mehr als ein Flüstern. »Ja, weißt du denn nicht, wer Nikolai damals verhaftet hat? Es waren die Hexen aus dem amerikanischen Zirkel, welche in Russland mithalfen, Recht und Ordnung zu wahren. Wenn ich mich genau entsinne, war es nur ein Mädchen, nicht älter als du selbst, die es tatsächlich schaffte, Nikolai, den Herrscher, zu überwältigen.«

Er nahm meine Finger in beide Hände und hauchte einen Kuss auf die Innenflächen. Nur mit größter Mühe schaffte ich es, still sitzenzubleiben und seinem Blick standzuhalten.

»Dieser prahlerische Beiname kommt übrigens nicht, wie von vielen vermutet, davon, dass er sich als Herrscher der Welt fühlt. Er rührt vielmehr daher, dass er die Gedanken der Menschen beherrschen kann.« Er blickte zu Boden, kicherte dunkel und sah mir dann wieder in die Augen. »Und natürlich die der Hexen. Du musst wissen, er ist ein großer Verführer, kann tief in Gedanken eindringen, deine intimsten Wünsche und Hoffnungen sehen, die in den entlegensten Winkeln deines Geistes schlummern und sie gegen dich verwenden. Ihm einmal verfallen, ist es beinahe unmöglich, seinen eigenen, freien Willen wiederzuerlangen.«

Bashir erhöhte den Druck. Seine Fingernägel suchten nun langsam den Weg über die Haut meiner Unterarme. Es war schwer auszudrücken, was ich in diesem Moment empfand. Einerseits bemerkte ich, wie mein Körper immer mehr seinen gekonnten Zärtlichkeiten verfiel, andererseits musste ich diese Informationen haben.